7 W (pat) 11/16  - 7. Senat (Jur.Beschw./Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



7 W (pat) 11/16
_______________
(Aktenzeichen)



An Verkündungs Statt
zugestellt am
10. April 2017




B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Patentanmeldung 10 2014 011 352.3
wegen Wiedereinsetzung

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des
Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom
24. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel
und die Richterin Dr. Schnurr

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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Am 30. Juli 2014 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt
eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Baumschere“ ein und stellte Prü-
fungsantrag. Zur Zahlung der Anmelde- und Prüfungsgebühr machten die Verfah-
rensbevollmächtigten der Anmelderin zugleich gegenüber dem Patentamt Anga-
ben zum Verwendungszweck eines erteilten SEPA-Basislastschriftmandats über
einen Betrag von 410,- €.

In der Gebührenakte des Patentamts wurde unter dem Erfassungsdatum
11. August 2014 zunächst der Zahlungseingang von Anmelde- und Prüfungsge-
bühr am 30. Juli 2014 verbucht, aber unter dem Erfassungsdatum
22. August 2014 eine Rücklastschrift. In einem an die Verfahrensbevollmächtigten
der Anmelderin gerichteten Schreiben vom 22. August 2014 teilte das Patentamt
(Zahlungsverkehr Jena) mit, dass u. a. für den die vorliegende Patentanmeldung
betreffenden Betrag von 410,- € wegen Rücklastschrift keine Abbuchung der ver-
fügten Gebührenzahlung habe erfolgen können. Mit zwei weiteren Bescheiden
vom 12. Dezember 2014 teilte das Patentamt der Anmelderin mit, dass zum einen
der Prüfungsantrag wegen Versäumung der dreimonatigen Frist zur Zahlung der
Prüfungsantragsgebühr als zurückgenommen zu gelten habe, zum anderen, dass
die vorliegende Patentanmeldung als zurückgenommen gelte, weil die Anmelde-
gebühr nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Eingangstag der Anmeldung
gezahlt worden sei.

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Am 30. Juli 2015 stellte die Anmelderin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die
Frist zur Zahlung der Anmelde- und Prüfungsgebühr, wobei das Schreiben mit
dem Datum 29. August 2015 (ersichtlich gemeint 29. Juli 2015) versehen ist. Zur
Begründung wird ausgeführt, das Lastschriftmandat vom 30. Juli 2014 sei von der
für die Buchhaltung und Gebührenüberwachung zuständigen Kanzleimitarbeiterin
Frau F… eingereicht worden. Diese habe Vollmacht für alle Bankkonten der
Kanzlei und sei durch ihre Ausbildung als Diplom-Übersetzerin für ihre Aufgaben
prädestiniert sowie in der Kanzlei eingehend ausgebildet. Ihre Tätigkeit sei von
den Anwälten der Sozietät laufend überprüft worden und habe keinen Grund zu
Beanstandungen gegeben.

Anlässlich der Einreichung einer europäischen Nachanmeldung und dem entspre-
chenden Antrag auf Ausstellung von Prioritätsbelegen sei dem anwaltlichen Ver-
treter am 24. Juli 2014 (ersichtlich gemeint 24. Juli 2015) die Akte der vorliegen-
den Patentanmeldung vorgelegt worden. Zur Überraschung habe dieser dann
festgestellt, dass in dieser Akte nach der Bibliographiemitteilung vom
18. August 2014 keine weiteren Aktenteile, und insbesondere kein erster Prü-
fungsbescheid, enthalten gewesen seien. Eine Überprüfung habe ergeben, dass
der Betrag des Mandats zwar am 18. August 2014 vom Konto der Kanzlei bei der
H… abgebucht worden sei. Jedoch sei die entsprechende Last-
schrift am 19. August 2014 wegen unzureichender Deckung zurückgebucht wor-
den, da kurz vorher eine andere Abbuchung über einen höheren Betrag erfolgt sei.
Dies sei unverständlich und nicht zu erwarten gewesen, weil mit dieser Bank aus
Sicherheitsgründen eine Vereinbarung bestanden habe, dass bei einer fehlenden
Kontodeckung eine telefonische Mitteilung an die Kanzlei erfolgen solle, damit
durch Überweisung von anderen Konten ein Ausgleich erfolgen könne.

Das Verfahren der telefonischen Verständigung durch die Banken sei vor langen
Jahren vereinbart worden, weil die Kanzlei auf Wunsch von Mandanten Konten
sowohl bei der Deutschen Bank als auch bei der H… und der P…
unterhalte. Zahlungseingänge und Abbuchungen auf Grund von Einzugser-
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mächtigungen könnten zu nicht vorhersehbaren Zeiten erfolgen, so dass der Fall
eintreten könne, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Konto keine ausrei-
chende Deckung aufweise und deshalb durch eine sofortige Überweisung von ei-
nem der anderen Konten aufgefüllt werden müsse. Die Banken hätten sich immer
an die Vereinbarung gehalten. In den Kanzleiunterlagen sei nur ein Hinweis auf-
gefunden worden, in dem auf Grund der Abwesenheit eines Sachbearbeiters der
D… im Jahr 2007 ein Problem aufgetreten sei. In dem als Beleg für
diesen Vorfall vorgelegten Schreiben der D… vom 10. Oktober 2007
(Anlage 2 zum Wiedereinsetzungsantrag) erklärte der Sachbearbeiter u. a.: „Auf-
grund meiner Abwesenheit in dem fraglichen Zeitraum wurden die Lastschriften
der Bundeskasse nicht rechtzeitig disponiert und letztendlich maschinell zurück-
gegeben. Sofort bei Kenntnisnahme wurden die Lastschriften nachüberwiesen.“

Ob und an wen im vorliegenden Fall eine eventuelle Benachrichtigung erfolgt sei,
habe trotz mehrerer Anfragen an die Bank nicht endgültig festgestellt werden kön-
nen. Frau F… könne sich nicht erinnern, dass sie eine entsprechende Mit-
teilung der Bank erhalten habe, obwohl die H…, mit der die Kanzlei
seit sehr langer Zeit in Geschäftsbeziehung stehe, in zuverlässiger Weise immer
telefonisch auf die Gefahr der Rückgabe einer Lastschrift hingewiesen habe. Es
sei daher nachträglich unerklärlich, warum Frau F… die ordnungsgemäße
Abbuchung des Betrags nicht überprüft habe, und warum ihr die am 19. Juli 2014
(ersichtlich gemeint 19. August 2014) erfolgte Rückgabe des Mandats vom
30. Juli 2014 entgangen sei und keine rechtzeitigen Schritte zur Korrektur einge-
leitet worden seien. Ein möglicherweise denkbarer Grund bestehe in den Auswir-
kungen von Belastungen von F…, da einer der Patentanwälte aus der Ver-
treterkanzlei, mit dem Frau F… zuvor in Buchhaltungsfragen zusammenge-
arbeitet habe, am 1. Juni 2014 unerwartet verstorben sei, und Frau F…
gleichzeitig durch die schwere Erkrankung und den Tod ihrer Mutter am
8. Juli 2014 stark belastet gewesen sei. Trotz der Unterstützung durch weitere
Familienmitglieder und andere Kanzleimitarbeiter habe dies möglicherweise zu ei-
ner nicht rechtzeitig erkannten Überlastung von Frau F… geführt. Das Ver-
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säumnis beruhe demnach auf dem kurzfristigen Zusammentreffen mehrerer Um-
stände in einem Jahr, nämlich dem Tod eines langjährigen Anwaltspartners und
der durch die Erkrankung und Tod ihrer Mutter hervorgerufenen Überlastung von
Frau F…, die nicht erkennbar und zu erwarten gewesen sei.

Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags legte die Anmelderin eine eidesstattliche
Versicherung von Frau F vom 28. Juli 2015 vor. Darin gibt diese u. a. an,
nach Einsicht in die Kontoauszüge müsse sie davon ausgehen, dass sie am
18. oder 19. Juli 2014 (ersichtlich gemeint 18. oder 19. August 2014) von der Bank
telefonisch über die drohende Lastschrift-Rückgabe informiert worden sei, jedoch
nicht in geeigneter Weise, d. h. durch Ausgleich des Fehlbetrags von einem der
anderen Konten, reagiert habe, so dass es zur Rückbuchung gekommen sei. Dem
Wiedereinsetzungsantrag waren zudem die Angaben zum Verwendungszweck ei-
nes erteilten SEPA-Basislastschriftmandats über einen Betrag von 410,- € beige-
fügt. Das Patentamt vermerkte als Zahlungseingang den 11. August 2015, ordnete
allerdings kurze Zeit später wieder die Rückzahlung an.

In einem Zwischenbescheid des Patentamts vom 21. August 2015 wurde die Ver-
werfung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig in Aussicht gestellt, weil er
nicht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden
sei. Die Anmelderin habe durch zwei Ereignisse positive Kenntnis von der Ver-
säumung der Zahlungsfrist erhalten, zum einen durch die Rückbuchung des Be-
trags in Höhe von 410,- € am 19. August 2014, zum anderen durch die Mitteilung
des Patentamts vom 22. August 2014, die unter Zugrundelegung der üblichen
Postlaufzeiten spätestens am 26. August 2014 der Vertreterkanzlei vorgelegen
haben müsse. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei bekannt gewesen, dass die
Patentanmeldung zum 31. Oktober 2014 als zurückgenommen gelte. Die Frist zur
Beantragung der Wiedereinsetzung sei daher spätestens am 2. Januar 2015 ab-
gelaufen.

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Darüber hinaus sei er auch unbegründet, weil nicht ausreichend dargelegt worden
sei, inwieweit und in welcher Weise Frau F… im Einzelnen überprüft worden
sei und welche Maßnahmen in der Kanzlei getroffen seien, um derartige Fehler
grundsätzlich zu vermeiden (z. B. das Führen eines Fristenbuches). Bei den vor-
getragenen Gründen zu den Vereinbarungen bezüglich Kontodeckung und Be-
nachrichtigungen durch die Bank handele es sich um amtsbekannte Tatsachen,
die in einer Reihe von Wiedereinsetzungsanträgen im April und Mai 2014 eben-
falls als Begründung angeführt und nicht ausreichend belegt worden seien. Es sei
festzustellen, dass es offenbar in der Kanzlei weiterhin zu Organisationsmängeln
komme bzw. dass die bekannten Mängel nicht ausreichend abgestellt worden
seien. Es fehle auch an einer ausreichenden Dokumentation, inwieweit und an
wen die Benachrichtigung der Bank erfolgt sei.

Hierauf ging keine Stellungnahme der Anmelderin ein. Durch Beschluss der Prü-
fungsstelle 23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 2015
wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäu-
mung der Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr als unzulässig und unbegründet
zurückgewiesen. Zur Begründung verweist der Beschluss auf den Zwischenbe-
scheid vom 21. August 2015.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
beantragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts – Prü-
fungsstelle 23 – vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und ihr Wie-
dereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmelde- und Prü-
fungsgebühr zu gewähren.

Zur Begründung wird ausgeführt, das Schreiben des Zahlungsverkehrs vom
22. August 2014 habe in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten nicht aufge-
funden werden können. Im Jahr 2014 habe es immer wieder Probleme mit der
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Postzustellung gegeben. Einzuräumen sei, dass Frau F… die Rückbuchung
des Betrages in Höhe von 410,- € hätte auffallen müssen und sie umgehend die
erforderlichen Schritte, wie Fristnotierung, Verständigung des Unterzeichners und
erneute Einzahlung der Gebühr hätte vornehmen müssen. Dass dies nicht erfolgt
sei, sei nur aus der besonderen persönlichen Situation von Frau F… zu er-
klären. Die fehlende Entrichtung der Anmelde- und Prüfungsgebühr sei erst bei
der Einreichung des Antrags auf Ausstellung eines Prioritätsbelegs für die vorlie-
gende Patentanmeldung am 24. Juli 2015 erkennbar gewesen. Der Wiedereinset-
zungsantrag vom 29. Juli 2015 sei daher fristgemäß und zulässig.

Zum Ausschluss eines Verschuldens an der Versäumung der Zahlungsfrist wird -
in Ergänzung zum Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag - geltend gemacht, dass
die Tätigkeit von Frau F… regelmäßig von den Anwälten der Kanzlei über-
wacht worden sei, ohne dass Fehler festgestellt worden seien. Das sowohl in
schriftlicher als auch in elektronischer Form geführte Fristenbuch werde regelmä-
ßig überprüft. Die in dem Zwischenbescheid des Patentamts gerügten Organisati-
onsmängel seien auf Grund der regelmäßigen Überprüfung von Frau F…
nicht gegeben bzw. nicht zu erwarten gewesen, und die Organisation sei ab dem
Jahr 2015 so umgestellt worden, dass selbst bei Eintreten eines Zusammentref-
fens nicht zu erwartender Umstände keine Fehler mehr auftreten könnten.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Anmelderin seine Argumente
wiederholt und vertieft. Das Vorhandensein von Konten bei drei verschiedenen
Banken, zu denen er SEPA-Basislastschriftmandate für patentamtliche Gebühren
erteilt habe, habe normalerweise keine Schwierigkeiten bereitet. Die Geldabflüsse
seien zwar nicht immer vorhersehbar gewesen; so sei es vorliegend zur Unterde-
ckung des betreffenden Kontos und damit zur Rücklastschrift gekommen, weil
zufällig gleichzeitig das Finanzamt eine Forderung eingezogen habe. Jedoch sei in
der Kanzlei täglich online nach dem Kontostand geschaut worden. Wenn die Un-
terdeckung eines der Konten gedroht habe, habe die Möglichkeit bestanden, bis
spätestens 13 Uhr am Geldautomaten eine Sofortüberweisung an das betreffende
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Konto zu veranlassen, die noch am selben Tag die nötige Deckung hergestellt
habe. Die mit dieser Überwachungsaufgabe beauftragte Kanzleimitarbeiterin Frau
F… sei entsprechend belehrt worden, und ihr sei auch völlig klar gewesen,
dass es nicht zur Rücklastschrift kommen dürfe. Jetzt bestehe in der Kanzlei aber
die Anweisung, dass zeitkritische Gebühren immer nur auf dem Weg einer Direkt-
überweisung zu begleichen seien. Die früheren Wiedereinsetzungsfälle, die das
Patentamt in seinem Zwischenbescheid erwähnt habe, beträfen den verstorbenen
Anwaltspartner Dr. K….

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Patentamt hat zu Recht
dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entsprochen.

1. Die Anmelderin hat die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr versäumt. Ge-
mäß § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG war diese mit Einreichung der Patentanmeldung
am 30. Juli 2014 fällig und konnte in Höhe von 60,- € (Nr. 311 100 der Anlage zu
§ 2 Abs. 1 PatKostG, bei sieben Ansprüchen und Einreichung in Papierform) in-
nerhalb von drei Monaten (§ 6 Abs. 1 Satz 2 PatKostG), d. h. bis zum
30. Oktober 2014 bezahlt werden.

Eine fristgerechte Zahlung ist nicht erfolgt. Zwar hat die Anmelderin am
30. Juli 2014 - und damit an sich rechtzeitig am ersten Fälligkeitstag - beim Pa-
tentamt auf Grundlage eines bereits erteilten SEPA-Basislastschriftmandats die
Angaben zum Verwendungszweck des Mandats über einen Betrag von 410,- €
eingereicht, der auch die Anmeldegebühr umfasst hat. Doch gemäß § 1 Abs. 2
Nr. 2 PatKostG i. V. m. § 2 Nr. 4 PatKostZV hätte dies nur dann einen wirksamen
Zahlungstag begründet, wenn die Einziehung zugunsten der zuständigen Bundes-
kasse für das Patentamt erfolgt wäre (vgl. Schulte/Schell, PatG, 9. Aufl., Pat-
KostZV § 2 Rn. 28). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, nachdem die zu-
nächst erfolgte Einziehung des Gebührenbetrages zugunsten der Bundeskasse
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durch die Rücklastschrift von Mitte August 2014 wieder rückgängig gemacht wor-
den ist. Die Gebühr ist erst ein Jahr später am 11. August 2015 und somit ver-
spätet gezahlt worden. Dass die Gebühr vom Patentamt gleich wieder zurückge-
zahlt worden ist, ändert im Übrigen nichts daran, dass sie jedenfalls am
11. August 2015 wirksam entrichtet war (vgl. zur fälschlichen Erstattung von Ge-
bühren Schulte/Schell, a. a. O., PatKostG § 1 Rn. 23).

Da die Anmeldegebühr nicht rechtzeitig entrichtet worden ist, gilt die Patentanmel-
dung gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG seit dem 31. Oktober 2014 als zurückgenom-
men. Auf die ebenfalls versäumte Frist für die Zahlung der Prüfungsgebühr kommt
es in diesem Zusammenhang daher nicht mehr an.

2. Der wegen Eintritts der Rücknahmefiktion und damit eines Rechtsnachteils
i. S. v. § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist zwar
statthaft, aber nicht zulässig, weil die zweimonatige, mit Wegfall des Hindernisses
zu laufen beginnende Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG nicht eingehalten
ist.

Der Wegfall des Hindernisses tritt ein, sobald das Ereignis seine hindernde Wir-
kung auf den Säumigen oder dessen Vertreter verliert, also wenn Säumiger oder
Vertreter bei der Anwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert
ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hin-
dernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist dann der
Fall, sobald die Partei oder ihr Vertreter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt
die Versäumung hätten erkennen können (vgl. Schulte/Schell, a. a. O., § 123
Rn. 25). Grundsätzlich steht hierbei die Kenntnis des Vertreters der Kenntnis der
Partei gleich (vgl. Schulte/Schell, a. a. O, § 123 Rn. 28).

Positive Kenntnis von der Fristversäumung haben die Verfahrensbevollmächtigten
der Anmelderin nach ihren Angaben zwar erst am 24. Juli 2015 im Zusammen-
hang mit dem Antrag auf Ausstellung eines Prioritätsbelegs wegen einer europäi-
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schen Nachanmeldung erhalten, wobei hiervon ausgehend die Stellung des Wie-
dereinsetzungsantrags noch rechtzeitig erfolgt wäre. Auf das Schreiben des Pa-
tentamts vom 22. August 2014, mit dem die Rücklastschrift mitgeteilt worden ist,
kann dagegen nicht abgestellt werden, denn der Empfang des Schreibens wird
von den Vertretern nicht bestätigt und Zustellnachweise sind nicht vorhanden.
Letzteres gilt auch für die beiden patentamtlichen Schreiben vom
12. Dezember 2014, mit denen das Patentamt die Anmelderin über den Eintritt der
Rücknahmefiktion zu Anmelde- und Prüfungsgebühr unterrichtet hat.

Allerdings ist hier anzunehmen, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Anmel-
derin die Säumnis bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt schon früher hätten er-
kennen können. Auf die Kenntnis von Frau F… als Hilfsperson, bei der nicht
auszuschließen ist, dass sie aufgrund eines Kontoauszugs oder aufgrund telefoni-
scher Mitteilung der Bank bereits im August 2014 von der Rücklastschrift gewusst
haben mag, kommt es zwar nicht an (vgl. Schulte/Schell, a. a. O, § 123 Rn. 28).
Doch kann weder dem Wiedereinsetzungsantrag noch der eidesstattlichen Versi-
cherung entnommen werden, dass für Frau F… eine Anweisung bestanden
hatte, die Anwälte über die Rücklastschrift zu informieren. In einer Anwaltskanzlei
muss aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden,
dass ein so außergewöhnlicher und bedeutsamer Vorgang wie die Rückbuchung
eines Gebührenbetrages, der zum Verlust des betroffenen Schutzrechts führen
kann, unmittelbar dem Anwalt zur Kenntnis gebracht wird (vgl. z. B. die Senatsbe-
schlüsse vom 21. Januar 2016, 7 W (pat) 90/14 unter II.4, juris Tz. 25, und vom
25. April 2016, 7 W (pat) 5/15, juris Tz. 49). Aufgrund dieses Organisationsman-
gels ist als Wegfall des Hindernisses bereits der Zeitpunkt anzunehmen, zu dem
im August 2014 die Rücklastschrift aus den Kontoauszügen ersichtlich war.

Soweit im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden ist, dass die Prüfung der
Kenntnisse und Fähigkeiten von Frau F… auch die Notwendigkeit der Un-
terrichtung eines der Anwälte über auftretende Probleme eingeschlossen habe,
rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zum einen handelt es sich insoweit um
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neuen Sachvortrag, der außerhalb der Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG
gemacht worden und deshalb grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist. Zum an-
deren ergibt sich aus einer solchen Anweisung nicht hinreichend deutlich, unter
welchen Voraussetzungen eine Unterrichtung des Anwalts zwingend erforderlich
ist (vgl. BGH GRUR 2014, 102, Tz. 16 - Bergbaumaschine - bezüglich einer An-
weisung, alle erkennbaren Probleme und Fragen mit dem verantwortlichen Anwalt
zu klären). Der mit der Gebührenzahlung betrauten Mitarbeiterin war damit die
Möglichkeit eröffnet, auch im Falle einer Rücklastschrift die Angelegenheit ohne
Rücksprache mit dem Anwalt zu erledigen, wenn sie der Auffassung war, dass
eine anderweitige Zahlung das Problem lösen könnte. Dies ist angesichts der weit-
reichenden Folgen, die eine Rücklastschrift für den Bestand des Schutzrechts mit
sich bringt, nicht ausreichend.

Der am 30. Juli 2015 gestellte Wiedereinsetzungsantrag war daher verspätet.

3. Im Übrigen ist der Antrag auf Wiedereinsetzung aber auch in der Sache
nicht begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG darf Wiedereinsetzung nur ge-
währt werden, wenn der Säumige die Frist ohne Verschulden versäumt hat. Der
Vortrag der Anmelderin ist jedoch nicht geeignet, ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO
zurechenbares Verschulden ihrer anwaltlichen Vertreter an der Versäumung der
Frist auszuschließen.

Vorliegend ist die fristgerechte Zahlung der Anmeldegebühr mittels SEPA-Last-
schrift unstreitig deshalb fehlgeschlagen, weil auf Grund einer unzureichenden
Deckung des bezogenen Kontos eine Rücklastschrift stattgefunden hat. Dies fällt
grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Zahlungsschuldners und ist von
diesem zu vertreten (vgl. z. B. die Senatsbeschlüsse vom 21. Januar 2016,
7 W (pat) 90/14 unter II.4, juris Tz. 24, und vom 25. April 2016, 7 W (pat) 5/15, ju-
ris Tz. 28). Die vorliegende, in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten ge-
schilderte Vorgehensweise im Zusammenhang mit Lastschriften rechtfertigt keine
abweichende Beurteilung.
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Das in der Kanzlei im Zusammenhang mit Gebührenzahlungen damals praktizierte
Verfahren war vielmehr mit einem hohen Risiko behaftet und stellte daher einen
gravierenden Organisationsmangel dar. Dies betrifft zunächst die in dem Wieder-
einsetzungsantrag geschilderte Vorgehensweise der telefonischen Verständigung.
Ein Anwalt, der zur Zahlung einer Patentgebühr beim Patentamt eine SEPA-Last-
schrift einreicht, muss dafür Sorge tragen, dass das bezogene Konto ausreichend
gedeckt ist bzw. dass ein ausreichender Rahmen für die Überziehung des Kontos
zur Verfügung steht. Er darf sich keineswegs darauf verlassen, im Fall einer dro-
henden Unterdeckung von einem Bankmitarbeiter einen Hinweis zu erhalten, da-
mit dann seitens der Kanzlei für den erforderlichen Kontostand gesorgt werden
kann. Dass dieser Hinweis nicht immer mit ausreichender Zuverlässigkeit erfolgt,
wird aus dem vorgelegten Schreiben eines Mitarbeiters der D… (An-
lage 2 zum Wiedereinsetzungsantrag) deutlich. Auch im vorliegenden Fall steht
aufgrund der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag bzw. in der eidesstattlichen
Versicherung von Frau F… nicht fest, dass tatsächlich eine rechtzeitige te-
lefonische Mitteilung erfolgt ist. Hinzu kommt, dass sich die mit den verschiedenen
Bankangestellten getroffenen Vereinbarungen offenbar auf die Meldung einer dro-
henden Lastschrift-Rückgabe beschränkten. Sie waren nicht darauf angelegt, die
Lastschrift-Rückgabe dadurch zu verhindern, dass das jeweilige Konto erst zu ei-
nem Zeitpunkt belastet wurde, in dem eine ausreichende Deckung vorhanden war.

Soweit darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist,
dass in der Kanzlei die Anweisung bestanden habe, täglich online die Konten am
Vormittag zu kontrollieren und bei Erkennen einer Überbuchung bzw. Unterde-
ckung am Geldautomaten eine Sofortüberweisung auf das betreffende Konto zu
veranlassen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der außerhalb der Antrags-
frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG gemacht worden und deshalb grundsätzlich
nicht zu berücksichtigen ist.

Doch auch unter Einbeziehung dieser Angaben stellt sich die geschilderte Verfah-
rensweise als risikobehaftet dar. Dies zeigt sich bereits darin, dass sie bei frühe-
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ren Gelegenheiten Rücklastschriften nicht verhindern konnte, wobei an die vom
Patentamt genannten Wiedereinsetzungsfälle von April und Mai 2014 zu denken
ist. Auf Grund dieser Vorfälle hätte es die anwaltliche Sorgfaltspflicht geboten, die
Zahlung der Patentgebühren neu und zuverlässig zu organisieren. Damit bleibt es
auch unter Berücksichtigung dieses neuen Vortrags dabei, dass den Verfahrens-
bevollmächtigten der Anmelderin im Zusammenhang mit der Abwicklung der Ge-
bührenzahlung ein Sorgfaltsverstoß zur Last fällt.

Somit hätte der Antrag auf Wiedereinsetzung selbst bei unterstellter Zulässigkeit
keinen Erfolg haben können.

III.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

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Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Rauch Püschel Dr. Schnurr

Pr


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