7. Senat - Teilnahmerecht von Auszubildenden eines reinen Ausbildungsbetriebes an Betriebsversammlungen des Einsatzbetriebes
Karar Dilini Çevir:
7. Senat - Teilnahmerecht von Auszubildenden eines reinen Ausbildungsbetriebes an Betriebsversammlungen des Einsatzbetriebes
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 7 ABR 8/10 10 TaBV 55/09 Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes! Verkündet am 24. August 2011 BESCHLUSS Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1a. Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, 1b. Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, 2. 3. - 2 - 7 ABR 8/10 - 3 - hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Anhörung vom 24. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-arbeitsgericht Linsenmaier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Kiel, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt sowie die ehrenamtlichen Richter Kley und Vorbau für Recht erkannt: Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1a. und 1b. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Dezember 2009 - 10 TaBV 55/09 - aufgehoben. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1a. und 1b. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 21. Januar 2009 - 6 BV 86/08 - abgeändert: 1. Es wird festgestellt, dass die in der betrieblichen Aus-bildung bei der Beteiligten zu 2. befindlichen Auszubil-denden der Beteiligten zu 3., die ihre Ausbildung im Be-trieb der DTKS Region West durchlaufen, berechtigt sind, an den vom Beteiligten zu 1a. durchgeführten Be-triebsversammlungen teilzunehmen. 2. Es wird festgestellt, dass die in der betrieblichen Aus-bildung bei der Beteiligten zu 2. befindlichen Auszubil-denden der Beteiligten zu 3., die ihre Ausbildung im Be-trieb der DTKS Region Nord durchlaufen, berechtigt sind, an den vom Beteiligten zu 1b. durchgeführten Be-triebsversammlungen teilzunehmen. Von Rechts wegen! - 3 - 7 ABR 8/10 - 4 - Gründe A. Die Beteiligten streiten über das Recht der Auszubildenden eines reinen Ausbildungsbetriebs, an Betriebsversammlungen in einem Betrieb teilzunehmen, dem sie zur praktischen Ausbildung zeitweilig zugewiesen sind. Die zu 2. und 3. beteiligten Arbeitgeberinnen sind Unternehmen der Telekommunikationsbranche. Die zu 3. beteiligte Arbeitgeberin (im Folgenden: Stammarbeitgeberin) unterhält an ihrem Sitz in Bonn einen Betrieb, in dem sie sich ausschließlich mit der Ausbildung der im Konzern beschäftigten Auszubil-denden befasst (im Folgenden: Stammbetrieb). Hierzu schließt sie die Ausbil-dungsverträge mit den Auszubildenden. Dem Stammbetrieb sind über das Bundesgebiet verteilt 33 Ausbildungszentren zugeordnet. Für die theoretische Ausbildung von insgesamt über 10.000 Auszubildenden sind circa 1.300 Stammarbeitnehmer zuständig. Die Stammarbeitgeberin ist Konzernmutter der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin, die bundesweit Callcenter betreibt (im Folgen-den: Einsatzarbeitgeberin). In deren Betrieben (im Folgenden: Einsatzbetriebe) findet die praktische Ausbildung der Auszubildenden statt. Aufgrund eines zwischen der Einsatzarbeitgeberin und der Vereinten Dienstleistungsgewerk-schaft e.V. (im Folgenden: Gewerkschaft ver.di) geschlossenen Zuordnungsta-rifvertrags für die Deutsche Telekom Kundenservice GmbH (ZTV 2008) waren bei ihr acht Regionalbetriebe und die in Bonn ansässige Zentrale als selbstän-dige betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten festgelegt. Dazu gehörten die Deutsche Telekom Kundenservice GmbH Region West (im Fol-genden: Region West), die Deutsche Telekom Kundenservice GmbH Region Nord (im Folgenden: Region Nord) und die Deutsche Telekom Kundenservice GmbH Region Nord-West (im Folgenden: Region Nord-West). Für diese war jeweils ein Betriebsrat errichtet. Zur Regelung der Mitbestimmung in ihrem Betrieb schloss die Stamm-arbeitgeberin mit der Gewerkschaft ver.di am 12. Oktober 2001 den Tarifvertrag Mitbestimmung Telekom Ausbildung (im Folgenden: TV 122). In § 3 Abs. 1 Satz 1 TV 122 ist die Bildung einer Auszubildendenvertretung vorgesehen, 1 2 3 - 4 - 7 ABR 8/10 - 5 - deren Stellung und Rechte sich grundsätzlich nach den für Jugend- und Auszu-bildendenvertretungen iSd. BetrVG geltenden Bestimmungen richten. Für die Auszubildenden der Stammarbeitgeberin gilt ferner der Mantel-tarifvertrag für die Auszubildenden der Deutschen Telekom AG vom 1. März 2007 (im Folgenden: MTV Azb). Auszugsweise heißt es darin: „§ 3 Anwesenheitszeit im Betrieb (1) Betrieb im Sinne dieses Tarifvertrages ist sowohl der Einsatzbetrieb als auch die BBi (Lernphase). … § 25 Wöchentliche und tägliche Ausbildungszeit (1) Die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit richtet sich nach der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der vollbeschäftigten Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebs. Für die Berücksichtigung der Berufsschultage gilt § 4. (2) Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Ausbil-dungszeit und der Pausen werden betrieblich im Einvernehmen mit dem Betriebsrat des jeweiligen Einsatzbetriebes entsprechend § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geregelt. … (5) Durch Betriebsvereinbarung des Einsatzbetriebes können Regelungen zur Ausbildungszeit getroffen werden. …“ Die Einsatzarbeitgeberin und der für die Region Nord-West errichtete Betriebsrat schlossen für diesen Betrieb am 24. Oktober 2007 eine Betriebsver-einbarung Arbeitszeit (im Folgenden: BV Az), die Regelungen zu der Arbeitszeit der Auszubildenden enthält. Für den 2. Oktober 2008 beraumte der für die Region Nord-West errich-tete Betriebsrat eine außerordentliche Betriebsversammlung an. Zu dieser lud er auch die 164 dem Betrieb Nord-West zur praktischen Ausbildung zugewie-senen Auszubildenden ein. Die Stammarbeitgeberin untersagte den Auszubil-denden eine Teilnahme an dieser sowie an künftigen während der Arbeitszeit stattfindenden Betriebsversammlungen. 4 5 6 - 5 - 7 ABR 8/10 - 6 - In dem daraufhin von dem Betriebsrat der Region Nord-West eingeleite-ten Beschlussverfahren hat dieser die Auffassung vertreten, die Auszubilden-den seien nach § 42 Abs. 1 BetrVG berechtigt, an Betriebsversammlungen im Einsatzbetrieb teilzunehmen. Sie seien als Arbeitnehmer des Betriebs anzuse-hen, auch wenn sie zur Einsatzarbeitgeberin nicht in vertraglichen Beziehungen stünden. Entscheidend sei die organisatorische Eingliederung während der Praxisausbildung. Der für die Region Nord-West errichtete Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - beim Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt festzustellen, dass die in der betrieblichen Ausbil-dung bei der Beteiligten zu 2. befindlichen Auszubil-denden der Beteiligten zu 3. berechtigt sind, an den von ihm durchgeführten Betriebsversammlungen teilzunehmen. Einsatz- und Stammarbeitgeberin haben beantragt, den Antrag abzu-weisen. Sie haben die Ansicht vertreten, die Auszubildenden hätten kein Recht zur Teilnahme an Betriebsversammlungen in den Einsatzbetrieben. Zu der Einsatzarbeitgeberin bestünde kein Ausbildungsverhältnis. Die betriebliche Vertretung der Interessen der Auszubildenden sei durch den TV 122 ausrei-chend gewährleistet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsge-richt hat die Beschwerde des für die Region Nord-West errichteten Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbe-schwerde hat der für die Region Nord-West errichtete Betriebsrat seinen Antrag weiterverfolgt. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Einsatz-arbeitgeberin und die Gewerkschaft ver.di am 17. März 2010 einen neuen Zuordnungstarifvertrag (im Folgenden: ZTV 2010) geschlossen. Durch diesen wurde die Zahl der Regionen, für die jeweils ein Betriebsrat zu bilden ist, von acht auf fünf Regionen reduziert. Die ehemalige Region Nord-West wurde aufgelöst. Deren Standorte Hannover, Oldenburg, Leer und Uelzen wurden der Region Nord, die Standorte Bielefeld, Münster, Osnabrück und Detmold der 7 8 9 10 - 6 - 7 ABR 8/10 - 7 - Region West zugeordnet. Im Mai 2010 fanden auf der Grundlage des ZTV 2010 Betriebsratswahlen statt. Dementsprechend wurde für die Regionen Nord und West jeweils erneut ein Betriebsrat, für die ehemalige Region Nord-West dagegen kein Betriebsrat mehr gewählt. Der Senat hat daraufhin am Rechtsbe-schwerdeverfahren als Beteiligten zu 1a. den Betriebsrat der Deutschen Tele-kom Kundenservice GmbH Region West (im Folgenden: Betriebsrat Region West) und als Beteiligten zu 1b. den Betriebsrat der Deutschen Telekom Kun-denservice GmbH Region Nord (im Folgenden: Betriebsrat Region Nord) beteiligt. Die Betriebsräte Region West und Region Nord haben ihren Sachan-trag im Rechtsbeschwerdeverfahren dahin gefasst 1. festzustellen, dass die in der betrieblichen Ausbil-dung bei der Beteiligten zu 2. befindlichen Auszubil-denden der Beteiligten zu 3., die ihre Ausbildung im Betrieb der DTKS Region West durchlaufen, berech-tigt sind, an den vom Antragsteller zu 1a. durchge-führten Betriebsversammlungen teilzunehmen; 2. festzustellen, dass die in der betrieblichen Ausbil-dung bei der Beteiligten zu 2. befindlichen Auszubil-denden der Beteiligten zu 3., die ihre Ausbildung im Betrieb der DTKS Region Nord durchlaufen, berech-tigt sind, an den vom Antragsteller zu 1b. durchge-führten Betriebsversammlungen teilzunehmen. Einsatz- und Stammarbeitgeberin beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. B. Die Rechtsbeschwerde der Betriebsräte Region Nord und Region West, die das Verfahren als Funktionsnachfolger des ehemaligen Betriebsrats der Region Nord-West fortführen, ist begründet. Die Auszubildenden, die ihre praktische Ausbildung in den Betrieben Region West und Region Nord durch-laufen, sind berechtigt, an den in dem jeweiligen Einsatzbetrieb während ihrer Ausbildung stattfindenden Betriebsversammlungen teilzunehmen. 11 12 13 - 7 - 7 ABR 8/10 - 8 - I. Die im Mai 2010 neu gewählten Betriebsräte der Region West und der Region Nord führen das (Rechtsbeschwerde-)Verfahren als Funktionsnachfol-ger des ehemaligen Betriebsrats der Region Nord-West fort. 1. Endet aufgrund einer Neuwahl das Amt eines Betriebsrats, wird nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge und dem Grundgedanken der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretungen der neu gewählte Be-triebsrat Funktionsnachfolger seines Vorgängers und tritt in dessen Beteilig-tenstellung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ein (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt BAG 23. Juni 2010 - 7 ABR 3/09 - Rn. 11 mwN, AP SGB IX § 81 Nr. 17 = EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 14; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 11 mwN, EzA ArbGG 1979 § 83a Nr. 9). Dies gilt sowohl im Falle der gesetzlichen als auch der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG gewillkürten Betriebsverfassungsstrukturen. Eine Funktionsnach-folge findet grundsätzlich nicht nur bei einem unveränderten Betriebszuschnitt, sondern auch beim Übergang von den gesetzlichen zu gewillkürten Betriebsver-fassungsstrukturen, bei der Änderung eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG sowie bei der Rückkehr zu den gesetzlichen Betriebsverfas-sungsstrukturen statt. Sie liegt im Interesse beider Betriebsparteien und ist wegen der Kontinuität der betrieblichen Interessenvertretung geboten. Ebenso gelten grundsätzlich die für die jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Einheiten geschlossenen Betriebsvereinbarungen fort (BAG 7. Juni 2011 - 1 ABR 110/09 - Rn. 14, DB 2011, 2498). Entstehen aufgrund des Abschlus-ses, der Änderung oder der Beendigung eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Einheit mehre-re Einheiten, so werden mehrere Betriebsräte Funktionsnachfolger des einen bisherigen Betriebsrats. Werden umgekehrt mehrere eigenständige betriebsver-fassungsrechtliche Einheiten zu einer Einheit zusammengefasst, so wird der in dieser Einheit neu gewählte Betriebsrat Funktionsnachfolger der bisherigen Betriebsräte. Voraussetzung für eine Funktionsnachfolge ist allerdings, dass die vor und nach der Änderung von den Betriebsräten jeweils repräsentierten organisatorischen Einheiten zuverlässig voneinander abgegrenzt werden können. Die nach Abschluss, Änderung oder Ende eines Tarifvertrags nach § 3 14 15 - 8 - 7 ABR 8/10 - 9 - Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG errichteten Betriebsräte treten dann jeweils die Funktionsnachfolge der Betriebsräte an, die diese Einheiten zuvor repräsentiert haben (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 11, aaO). 2. Danach sind in vorliegendem Verfahren die auf der Grundlage des ZTV 2010 im Mai 2010 neu gewählten Betriebsräte Region West und Region Nord automatisch Rechtsbeschwerdeführer geworden. Zwischen den Beteilig-ten steht außer Streit, dass die vor und nach der Änderung des ZTV jeweils repräsentierten organisatorischen Einheiten zuverlässig voneinander abge-grenzt werden können. Die Standorte Hannover, Oldenburg, Leer und Uelzen wurden der Region Nord, die Standorte Bielefeld, Münster, Osnabrück und Detmold der Region West zugewiesen. Die Betriebsräte Region West und Region Nord sind daher Funktionsnachfolger des ehemaligen Betriebsrats Nord-West und repräsentieren neben den von ihnen bereits zuvor repräsentier-ten Standorten auch die ihnen durch den ZTV 2010 neu zugeordneten Standor-te. II. Die statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die zulässi-gen Feststellungsanträge der beiden Betriebsräte sind begründet. Die Auszu-bildenden der Stammarbeitgeberin sind berechtigt, an den Betriebsversamm-lungen der Betriebe teilzunehmen, in denen sie jeweils ihre praktische Ausbil-dung absolvieren. 1. Die zuletzt gestellten Anträge sind zulässig. a) Die Anträge sind hinreichend bestimmt. aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klageschrift ua. einen „be-stimmten Antrag“ enthalten. Diese Bestimmung gilt auch im Beschlussverfah-ren. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt insoweit denselben Anforde-rungen wie im Urteilsverfahren (BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 75/07 - Rn. 22, BAGE 128, 358). Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraft- 16 17 18 19 20 - 9 - 7 ABR 8/10 - 10 - wirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG 14. September 2010 - 1 ABR 32/09 - Rn. 14, EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 4). bb) Diese Voraussetzungen sind nach der gebotenen Antragsauslegung erfüllt. Die beiden Betriebsräte begehren die Feststellung, dass die Auszubil-denden, die ihre praktische Ausbildung in den Betrieben Region West und Nord durchlaufen, berechtigt sind, wie alle anderen Arbeitnehmer an den von den Betriebsräten einberufenen Betriebsversammlungen teilzunehmen. Allerdings haben weder die Einsatz- noch die Stammarbeitgeberin das Recht der Auszu-bildenden in Abrede gestellt, außerhalb ihrer vergüteten Arbeitszeit als Gäste an Betriebsversammlungen in den Betrieben der praktischen Ausbildung teilzu-nehmen. Sie sperren sich auch nicht dagegen, dass die Auszubildenden für die Teilnahme an den Betriebsversammlungen Urlaub beantragen. Dementspre-chend geht es den Beteiligten in vorliegendem Verfahren nur um die gerichtli-che Klärung, ob die Auszubildenden aus eigenem Recht während der Arbeits-zeit und unter Fortzahlung der Ausbildungsvergütung an den jeweiligen Be-triebsversammlungen teilnehmen dürfen. Diese Streitfrage kann mit Rechts-kraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden. b) Die im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgenommene Antragsänderung ist ausnahmsweise zulässig. aa) Nach dem auch für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren maß-geblichen sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klagean-trag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) be-stimmt. Der Verfahrensgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO auch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist (BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 16 mwN, EzA ArbGG 1979 § 83a Nr. 9). Aus § 559 Abs. 1 ZPO folgt, dass in der Revisions- und Rechtsbeschwerde-instanz eine Antragsänderung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Ausnahms-weise hat die Rechtsprechung eine Antragsänderung in Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO sowie dann zugelassen, wenn sich der neue Sachantrag auf den in der 21 22 23 - 10 - 7 ABR 8/10 - 11 - Berufungs- oder Beschwerdeinstanz festgestellten Sachverhalt und auf den unstreitigen Partei- oder Beteiligtenvortrag stützt. Unschädlich ist es außerdem, wenn eine Änderung des Lebenssachverhalts allein in einer für Inhalt und Umfang des Streitstoffs folgenlosen Rechts- oder Funktionsnachfolge besteht (BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 20, aaO). bb) Hier haben sich sowohl der konkret gestellte Antrag als auch der zugrunde liegende Lebenssachverhalt geändert. Der Antrag des ehemaligen Betriebsrats der Region Nord-West bezog sich darauf, ob Auszubildende, die von ihm repräsentierten Standorten zugewiesen waren, an den dortigen Be-triebsversammlungen teilnehmen dürfen. Die von den Betriebsräten der Regio-nen Nord und West im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten Anträge betref-fen dagegen jeweils von ihnen durchgeführte Betriebsversammlungen. Diese Änderungen des Streitgegenstands sind ausnahmsweise zulässig. Das „rechtli-che Prüfprogramm“ ist durch die Änderungen des Lebenssachverhalts, der in der geänderten Antragsfassung zum Ausdruck kommt, nicht betroffen. Gegen-stand des vorliegenden Verfahrens ist weiterhin das - jedenfalls - von der Stammarbeitgeberin bestrittene Recht der Auszubildenden, an Betriebsver-sammlungen in dem für die praktische Ausbildung zuständigen Betrieb teilzu-nehmen. An den hierfür beachtlichen rechtlichen Regelungen und den dabei maßgeblichen tatsächlichen Umständen hat sich nichts Wesentliches geändert. c) Die Voraussetzungen des im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ebenfalls anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. aa) Die Frage, ob die Arbeitgeberin die Teilnahme der Auszubildenden an der Betriebsversammlung dulden muss, betrifft ein betriebsverfassungsrechtli-ches Rechtsverhältnis. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 sowie Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat für die Einberufung der Betriebsversammlungen zuständig. Daran ändert sich nichts dadurch, dass das Recht, an einer Be-triebsversammlung teilzunehmen, den einzelnen Arbeitnehmern und Auszubil-denden zusteht. Die Betriebsversammlung hat wesentliche Bedeutung für die Kommunikation des Betriebsrats mit der Belegschaft und damit kollektiven Bezug. Sie dient der Unterrichtung und Aussprache zwischen Betriebsrat und 24 25 26 - 11 - 7 ABR 8/10 - 12 - Belegschaft (vgl. BAG 27. Juni 1989 - 1 ABR 28/88 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 62, 192). bb) Die beiden Betriebsräte haben ein eigenes berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob Auszubildende an den von ihnen einberufenen Betriebs-versammlungen teilnehmen dürfen. Aufgrund der unverändert gegenläufigen Rechtsstandpunkte der Beteiligten wird sich der Konflikt bei jeder zukünftigen Einladung zu einer Betriebsversammlung erneut stellen. cc) Das Feststellungsinteresse der beiden Betriebsräte besteht nicht nur im Verhältnis zur Einsatzarbeitgeberin. Es besteht auch gegenüber der Stamm-arbeitgeberin, die den Auszubildenden untersagt hat, während der Dienstzeit an den Betriebsversammlungen in den Einsatzbetrieben teilzunehmen. Dem steht nicht entgegen, dass die beiden Betriebsräte in keinem unmittelbaren betriebs-verfassungsrechtlichen Verhältnis zur Stammarbeitgeberin stehen. Gegenstand eines Feststellungsantrags kann auch ein zwischen einem Beteiligten und einem Dritten bestehendes Rechtsverhältnis sein (vgl. BAG 22. Oktober 1985 - 1 ABR 47/83 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 50, 37). Die beiden Betriebsräte haben ein berechtigtes Interesse daran, dass die begehrte Feststellung auch Wirkung gegenüber der Vertragsarbeitgeberin der Auszubildenden entfaltet. 2. Die Anträge sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts begründet. Die der Einsatzarbeitgeberin zur praktischen Ausbildung zugewie-senen Auszubildenden sind berechtigt, an den von den jeweils für ihren Stand-ort zuständigen Betriebsräten der Region West und der Region Nord einberufe-nen Betriebsversammlungen teilzunehmen. Ein solches Recht folgt allerdings nicht unmittelbar aus §§ 42, 44 BetrVG. Die der Einsatzarbeitgeberin zugeord-neten Auszubildenden gehören mangels eines mit ihr geschlossenen Vertrags-verhältnisses nicht im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG zu den Arbeitnehmern des Einsatzbetriebs. Es besteht insoweit jedoch eine gesetzliche Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 AÜG zu schließen ist. 27 28 29 - 12 - 7 ABR 8/10 - 13 - a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Halbs 1 BetrVG besteht die Betriebsversamm-lung aus den Arbeitnehmern des Betriebs. Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG umfasst nur solche Personen, mit denen der Ausbildende einen auf die Ausbildung gerichte-ten Vertrag geschlossen hat (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR 44/06 - Rn. 13 mwN, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 2). Daneben setzt die Arbeitnehmereigenschaft eines zu seiner Berufsausbildung Beschäftigten im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG voraus, dass dieser in den Betrieb des Ausbildenden eingegliedert ist (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR 44/06 - Rn. 14 mwN, aaO). Hiernach gehören die der Einsatzarbeitgeberin zur praktischen Ausbildung zugewiesenen Auszubildenden nicht zu deren Arbeitnehmern. Es fehlt an dem hierzu erforderlichen Vertragsverhältnis zwischen ihnen und der Einsatzarbeitgeberin. b) Das BetrVG enthält für Auszubildende, die zu dem Inhaber eines reinen Ausbildungsbetriebs in einem Vertragsverhältnis stehen und von diesem zur praktischen Ausbildung in den Betrieb eines anderen Betriebsinhabers entsandt werden, hinsichtlich der dort stattfindenden Betriebsversammlungen eine unbewusste, planwidrige Regelungslücke. Diese ist durch die entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 AÜG zu schließen. aa) Der Gesetzgeber hat die atypische Situation, in welcher der Inhaber eines reinen Ausbildungsbetriebs die Auszubildenden zur praktischen Ausbil-dung zeitweilig in den Betrieb eines anderen Arbeitgebers entsendet, hinsicht-lich der dort stattfindenden Betriebsversammlungen nicht geregelt. Er hat zwar in § 51 Abs. 1 BBiG die Möglichkeit der Wahl einer besonderen Interessenver-tretung vorgesehen (vgl. dazu BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR 44/06 - Rn 21 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 2). Dies betrifft aber nicht die Frage der Teilnahme von Auszubildenden an Betriebsversamm-lungen in Betrieben, in die sie zur praktischen Ausbildung entsendet werden. bb) Die Regelungslücke ist planwidrig und ersichtlich vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. 30 31 32 33 - 13 - 7 ABR 8/10 - 14 - (1) Betriebsversammlungen dienen vor allem der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft (vgl. BAG 27. Juni 1989 - 1 ABR 28/88 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 62, 192). Auf ihnen können alle in § 45 Satz 1 BetrVG genannten Angelegenheiten behandelt werden. Nach § 45 Satz 2 BetrVG können dem Betriebsrat Anträge unterbreitet, und es kann zu seinen Beschlüssen Stellung genommen werden. Das Erfordernis der wechselseitigen Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft betrifft nach der gesetzli-chen Konzeption auch Arbeitnehmer, die zwar nicht in einem Vertragsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, aber zum Zwecke der Arbeitsleistung in dessen Betrieb eingegliedert sind. Das macht insbesondere § 14 Abs. 2 Satz 2 AÜG deutlich. Danach sind Leiharbeitnehmer ua. berechtigt, an den Betriebsver-sammlungen im Entleiherbetrieb teilzunehmen. Damit trägt der Gesetzgeber ersichtlich dem Umstand Rechnung, dass es im Entleiherbetrieb zahlreiche Themen gibt, die zu den in § 45 Satz 1 BetrVG genannten Angelegenheiten gehören und die nicht nur für die Vertragsarbeitnehmer des Inhabers des Entleiherbetriebs, sondern ebenso für die dort beschäftigten Leiharbeitnehmer von Bedeutung sind. Dazu gehören zB Fragen der Ordnung des Betriebs (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 BetrVG), die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen zur Überwachung von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) sowie Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufs-krankheiten und über den Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). (2) Auszubildende, die mit dem Inhaber eines reinen Ausbildungsbetriebs ein Vertragsverhältnis haben und von diesem zur praktischen Ausbildung in den Betrieb eines anderen Betriebsinhabers entsandt werden, befinden sich - jedenfalls unter den vorliegenden Umständen - hinsichtlich der Teilnahme an Betriebsversammlungen im Einsatzbetrieb in einer vergleichbaren Lage wie Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb. Auch sie nehmen in erheblichem Umfang am betrieblichen Geschehen teil, ohne zu den Arbeitnehmern im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG zu gehören. Auch sie sind in erheblichem Umfang von Themen betroffen, die in Betriebsversammlungen erörtert werden können. Bereits der Einsatz des Auszubildenden im Einsatzbetrieb stellt sich für 34 35 - 14 - 7 ABR 8/10 - 15 - diesen als mitbestimmungspflichtige Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG dar (vgl. BAG 30. September 2008 - 1 ABR 81/07 - Rn. 18 f., EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 10). Der Inhaber des Einsatzbetriebs nimmt während des praktischen Einsatzes der Auszubildenden in seinem Betrieb diesen gegenüber jedenfalls einen Teil der Arbeitgeberstellung wahr. Er besitzt zumindest insoweit Personalhoheit, wie er den Auszubildenden durch seine betrieblichen Fachkräfte Anweisungen hinsichtlich Ort und Zeit ihrer Tätigkeit erteilt (vgl. BAG 30. September 2008 - 1 ABR 81/07 - Rn. 19, aaO). Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 MTV Azb richtet sich die regelmäßige wöchentliche Ausbildungs-zeit nach der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der vollbeschäftigten Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebs. Nach § 25 Abs. 2 MTV Azb werden Beginn und Ende der täglichen Ausbildungszeit und der Pausen betrieblich im Einvernehmen mit dem Betriebsrat des jeweiligen Einsatzbetriebs entsprechend § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geregelt. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 MTV Azb können durch Betriebsvereinbarung des Einsatzbetriebs Regelungen zur Ausbildungs-zeit geschlossen werden. Demgemäß haben der ehemals für die Region Nord-West errichtete Betriebsrat und die Arbeitgeberin die BV Az vom 24. Oktober 2007 geschlossen, die Regelungen zur Arbeitszeit der Auszubildenden enthält. Auch die Überwachungspflicht des Betriebsrats des Einsatzbetriebs nach § 75 Abs. 1 BetrVG erstreckt sich auf die im Einsatzbetrieb beschäftigten Auszubil-denden. (3) Der Gesetzgeber hat diese planwidrige Regelungslücke ersichtlich nicht beabsichtigt. Er hat erkennbar die außergewöhnliche Situation eines auf diese Weise „aufgespaltenen Ausbildungsverhältnisses“ nicht im Auge gehabt. cc) Die Regelungslücke ist durch die entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 AÜG zu schließen. Diese für Leiharbeitnehmer geltende Rege-lung entspricht unter den vorliegenden Umständen der Interessenlage im Verhältnis von Stammarbeitgeberin, Einsatzarbeitgeberin, Betriebsrat im Ein-satzbetrieb und Auszubildenden. Die Ausfüllung der gesetzlichen Regelungslü-cke ist nicht wegen des TV 122 entbehrlich. Zum einen ist ein Tarifvertrag rechtssystematisch nicht geeignet, eine gesetzliche Regelungslücke zu schlie-36 37 - 15 - 7 ABR 8/10 ßen. Zum anderen regelt der TV 122 kein Teilnahmerecht der Auszubildenden im Einsatzbetrieb. Der TV 122 schafft allerdings in einem gesetzlich nicht geregelten Bereich eigene Vertretungsstrukturen und Kompetenzen. Er greift dazu nicht in gesetzliche Organisationsstrukturen und Befugnisse von Vertre-tungsgremien ein und begegnet deshalb keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. BAG 24. August 2004 - 1 ABR 28/03 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 111, 350; 13. August 2008 - 7 AZR 450/07 - Rn. 32). Er sieht die Bildung eines Vertretungsgremiums für die Auszubildenden im Stammbetrieb vor und schließt damit die Vertretungslücke, die dadurch entsteht, dass die Auszubil-denden - mangels Eingliederung - nicht zu den Arbeitnehmern dieses reinen Ausbildungsbetriebs gehören. Auch haben die Auszubildendenvertretungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 TV 122 grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Jugend- und Auszubildendenvertretungen nach dem BetrVG und daher auch das Recht, Auszubildendenversammlungen durchzuführen (vgl. § 71 BetrVG). Das Teilnahmerecht an Versammlungen der Auszubildendenvertretungen kann jedoch ein Recht zur Teilnahme an Betriebsversammlungen im Einsatzbetrieb nicht ersetzen. Hierdurch wird keine betriebsöffentliche Kommunikation zwi-schen den Auszubildenden und dem Betriebsrat des Einsatzbetriebs ermög-licht. Linsenmaier Schmidt Kiel Vorbau Kley

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