7. Senat - Leistungsbeurteilung nach § 7 Ziff 2 ERA-TV für die bayerische Metall- und Elektroindustrie - Regelungssperre des § 77 Abs 3 Satz 1 BetrVG
Karar Dilini Çevir:
7. Senat - Leistungsbeurteilung nach § 7 Ziff 2 ERA-TV für die bayerische Metall- und Elektroindustrie - Regelungssperre des § 77 Abs 3 Satz 1 BetrVG
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 7 ABR 27/10 3 TaBV 104/09 Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes! Verkündet am 16. November 2011 BESCHLUSS Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, 2. hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 16. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Kiel, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt sowie die ehrenamtlichen Richter Zwisler und Coulin für Recht erkannt: - 2 - 7 ABR 27/10 - 3 - Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Be-schluss des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Feb-ruar 2010 - 3 TaBV 104/09 - wird zurückgewiesen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung. Die Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Verbandsmitgliedschaft an den Ent-geltrahmentarifvertrag für die bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 1. November 2005 (ERA-TV) gebunden. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Der ERA-TV legt für das Grundentgelt die Eingruppierung der Arbeit-nehmer in einer Entgeltgruppe fest (vgl. § 2 Ziff. 1 ERA-TV). Es sind zwölf Entgeltgruppen vorgesehen (vgl. § 3 ERA-TV). Daneben enthält der ERA-TV in seinem Abschnitt III Bestimmungen über die Zahlung eines leistungsabhängi-gen Entgelts, mit dem eine über der Bezugsleistung liegende Leistung abgegol-ten wird (vgl. § 6 Ziff. 1 Satz 3 ERA-TV). Das Leistungsergebnis ist bei Zeitent-gelt mit der Methode der Leistungsbeurteilung zu ermitteln (vgl. § 6 Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a). Die Bestimmungen des ERA-TV zur Leistungsbeurteilung haben auszugsweise folgenden Wortlaut: „Zeitentgelt § 7 Leistungsbeurteilung … 2. Bei Neueingestellten bzw. aus dem Berufsausbil-dungsverhältnis Übernommenen erfolgt die Leis-tungsbeurteilung spätestens zum Ablauf des 3. Monats nach der Einstellung bzw. der Übernahme. Diese Frist kann in den Entgeltgruppen 6 bis 12 durch freiwillige Betriebsvereinbarung bis zum Ablauf des 1 2 3 - 3 - 7 ABR 27/10 - 4 - 6. Monats verlängert werden. … 9. Bei Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit und entsprechender Höhergruppierung erfolgt eine neue Leistungsbeurteilung analog Ziff. 2. Bis zur Neufest-setzung der Leistungszulage ist der bisherige Geldbe-trag weiter zu gewähren.“ Am 9. Januar 2007 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsverein-barung „Leistungsabhängiges Entgelt“ (BV). Darin ist ua. bestimmt: „3 Entgeltgrundsatz Zeitentgelt … (5) Bei Neueingestellten bzw. aus dem Berufsaus-bildungsverhältnis Übernommenen erfolgt die Leistungsbeurteilung grundsätzlich zum Ablauf des 3. Monats der Einstellung bzw. Übernah-me. In den Entgeltgruppen 6 bis 12 erfolgt die Leistungsbeurteilung abweichend von Satz 1 zum Ablauf des 6. Monats der Einstellung bzw. Übernahme. (6) ... (Satz 3) Die Erstbeurteilung im Rahmen der Einführung des ERA-Tarifvertrages erfolgt bis spätestens 31. Mai 2007.“ Im Fall der Höhergruppierung von Arbeitnehmern in die Entgeltgrup-pen 6 bis 12 des ERA-TV erstellt die Arbeitgeberin - zumindest gelegentlich - Leistungsbeurteilungen vor Ablauf von sechs Monaten nach der Umgruppie-rung. Der Betriebsrat hat in dem von ihm beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren die Ansicht vertreten, die Praxis der Arbeitgeberin, Leis-tungsbeurteilungen bereits vor Ablauf von sechs Monaten nach einer Höher-gruppierung vorzunehmen, verstoße gegen Ziff. 3 Abs. 5 BV. Er hat zuletzt beantragt, 1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Leistungsbeurteilungen in den Entgeltgruppen 6 bis 12 des ERA-TV früher als sechs Monate nach einer Höhergruppierung vorzunehmen; 4 5 6 7 - 4 - 7 ABR 27/10 - 5 - 2. die Arbeitgeberin zu verpflichten, im Falle von Hö-hergruppierungen die bisherige Leistungszulage für den Zeitraum von sechs Monaten bis zur neuen Leistungsbeurteilung gemäß der Betriebsvereinba-rung vom 9. Januar 2007 zum leistungsabhängigen Entgelt abzurechnen. Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat ge-meint, die Öffnungsklausel des § 7 Ziff. 2 Satz 2 ERA-TV erlaube nur eine Verlängerung des Beurteilungszeitraums durch eine Betriebsvereinbarung und keine Festlegung eines Beurteilungszeitpunkts. Ziffer 3 Abs. 5 BV sei daher unwirksam und trage das vom Betriebsrat beanspruchte Unterlassungsbegeh-ren nicht. Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsge-richt hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechts-beschwerde verfolgt der Betriebsrat die Anträge weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zwar rechtsfehlerhaft angenommen, Ziff. 3 Abs. 5 BV sei wegen Verstoßes gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Der zulässige Unterlassungs-antrag des Betriebsrats ist unbegründet. Der für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsbegehren gestellte Verpflichtungsantrag fällt nicht zur Entscheidung an. I. Das zulässige Unterlassungsbegehren hat keinen Erfolg. 1. Der Antrag zu 1. ist zulässig. a) Er ist - nach der gebotenen Auslegung - hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. aa) Ein Unterlassungsantrag muss - bereits aus rechtsstaatlichen Grün-den - eindeutig erkennen lassen, was vom Schuldner verlangt wird. Soll der 8 9 10 11 12 13 14 - 5 - 7 ABR 27/10 - 6 - Schuldner zur künftigen Unterlassung einzelner Handlungen verpflichtet wer-den, müssen diese so genau bezeichnet sein, dass kein Zweifel besteht, wel-che Handlungen im Einzelnen betroffen sind. Für den Schuldner muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (vgl. BAG 17. März 2010 - 7 ABR 95/08 - Rn. 13 mwN, BAGE 133, 342). bb) Diesen Anforderungen genügt der Antrag zu 1. Der Antrag beschreibt die Maßnahmen, die die Arbeitgeberin unterlassen soll, mit der Wendung: „Leistungsbeurteilungen in den Entgeltgruppen 6 bis 12 des ERA-TV früher als sechs Monate nach einer Höhergruppierung vorzunehmen“. Dies bezieht sich auf die (unstreitige) Praxis der Arbeitgeberin, nach einer Höhergruppierung von Arbeitnehmern in den Entgeltgruppen 6 bis 12 nach § 3 ERA-TV die die Fest-setzung der Leistungszulage bestimmende Leistungsbeurteilung - zumindest gelegentlich - vor Ablauf von sechs Monaten nach der Höhergruppierung zu erstellen. Dies beanstandet der Betriebsrat als betriebsvereinbarungswidrig und hierauf bezieht er sein Unterlassungsbegehren. Damit steht dessen Gegen-stand hinreichend fest. Für die Arbeitgeberin ist erkennbar, was von ihr verlangt wird: Sie soll sich bei in bestimmte Entgeltgruppen höhergruppierten Arbeit-nehmern einer für die Neufestsetzung der Leistungszulage erforderlichen Leistungsbeurteilung vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Höhergruppierung enthalten. Dass es dabei um die „Leistungsbeurteilung“ nach § 7 ERA-TV geht, ist nicht zweifelhaft. b) Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er hat geltend gemacht, selbst Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Nach seinem Vorbringen verfolgt er nicht die Individualinteressen einzelner Arbeitnehmer, sondern begehrt die Durchset-zung eines von ihm behaupteten eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruchs. 2. Der Unterlassungsantrag ist unbegründet. Die Arbeitgeberin verstößt durch die vom Betriebsrat beanstandete Praxis nicht gegen Ziff. 3 Abs. 5 BV. 15 16 17 - 6 - 7 ABR 27/10 - 7 - a) Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die Betriebsver-einbarung im Betrieb durchzuführen. Der Betriebsrat hat in diesem Zusammen-hang (auch) einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber gegen eine Betriebs-vereinbarung verstoßende Maßnahmen unterlässt (vgl. BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - zu B IV 2 a bb (1) der Gründe, BAGE 110, 252; 27. Oktober 1998 - 1 ABR 3/98 - zu B I 3 a der Gründe mwN, BAGE 90, 76). Der Betriebsrat kann die Durchführung einer Betriebsvereinbarung vom Arbeitgeber unabhän-gig davon verlangen, ob ein grober Pflichtenverstoß iSv. § 23 Abs. 3 BetrVG vorliegt (BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - aaO). b) Vorliegend fehlt es an einem Verstoß der Arbeitgeberin gegen die einschlägige Vereinbarung der Betriebsparteien. aa) Dies folgt allerdings nicht aus der vom Landesarbeitsgericht angenom-menen Unwirksamkeit der Ziff. 3 Abs. 5 BV. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber nicht die Durchfüh-rung einer tarifvertragswidrigen Betriebsvereinbarung verlangen könne. Rechts-fehlerhaft nimmt es aber an, dass der für das Unterlassungsbegehren einzig in Betracht kommenden Bestimmung der Ziff. 3 Abs. 5 BV die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegenstehe. (1) Voraussetzung für den Durchführungsanspruch aus einer Betriebsver-einbarung ist deren Wirksamkeit. Die Betriebsvereinbarung darf insbesondere nicht gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßen. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegen-stand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funk-tionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausge-höhlt werden können. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Etwas anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss 18 19 20 21 - 7 - 7 ABR 27/10 - 8 - ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (vgl. BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 110, 252). (2) Ziffer 3 Abs. 5 BV verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. (a) Gegenstand der Betriebsvereinbarungsbestimmung ist keine durch den ERA-TV geregelte Arbeitsbedingung. Während § 7 Ziff. 2 ERA-TV für die Leistungsbeurteilungsvornahme einen Zeitraum vorgibt, legt Ziff. 3 Abs. 5 BV hierfür einen innerhalb dieses Zeitraums liegenden Zeitpunkt fest. Eine solche Zeitpunktfestlegung ist durch die tarifliche Vorgabe nicht gesperrt. (aa) § 7 Ziff. 2 Satz 1 und Satz 2 ERA-TV legt für die Vornahme der Leis-tungsbeurteilung (nur) einen Zeitraum fest, der in bestimmten Entgeltgruppen durch Betriebsvereinbarung verlängert werden kann. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm. (aaa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG 24. August 2011 - 4 ABR 122/09 - Rn. 15 mwN). Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebli-che Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertrags-parteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfol-ge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkba-rer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, geset- 22 23 24 25 - 8 - 7 ABR 27/10 - 9 - zeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. zB BAG 4. April 2001 - 4 AZR 180/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 97, 271). (bbb) Bereits dem Wortlaut nach regelt § 7 Ziff. 2 ERA-TV keine Zeitpunkte, sondern Zeiträume. Sowohl das Wort „spätestens“ in § 7 Ziff. 2 Satz 1 ERA-TV als auch der Begriff „Frist“ in § 7 Ziff. 2 Satz 2 ERA-TV deuten auf die Festle-gung einer Zeitspanne. Hätten die Tarifvertragsparteien einen (bestimmten oder bestimmbaren) Termin regeln wollen, an oder zu dem die Leistungsbeurteilung genau erfolgen soll, hätte es keinen Sinn gemacht, das Adverb „spätestens“ zu verwenden. Verstärkt wird diese Interpretation durch den Gebrauch des Worts „verlängern“ in Bezug auf die Frist, vgl. § 7 Ziff. 2 Satz 2 ERA-TV. Ein Zeitpunkt kann, wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht verlän-gert werden. Ein solcher wird „verschoben“ oder „verlegt“. Schließlich spricht die juristische Terminologie für eine entsprechende Verwendung der Begrifflich-keiten. Termin iSd. BGB ist ein bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder eine Rechtswirkung eintritt. Bei einer Frist handelt es sich um eine abgegrenzte - bestimmte oder bestimmbare - Zeitspanne (vgl. Palandt/Ellen- berger BGB 70. Aufl. § 186 Rn. 3 f. mwN). Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien von diesem grundsätzlichen Begriffsverständnis abwei-chen wollten, haben im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden. Das Ver-ständnis wird von der Entstehungsgeschichte der Tarifnorm gestützt. Die Formulierung der Vorgängerregelung des § 7 Ziff. 2 des Lohn- und Gehalts-rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer, für die Angestellten und für die Auszubildenden der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 24. Mai 2002 deutete noch auf eine „Termin“festlegung für die Leistungsbeurtei-lung („… erfolgt die Leistungsbeurteilung erstmals zum Ablauf des 3. Monats …“). Nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin haben die Tarifvertragsparteien schon diese Regelung dahingehend verstanden, dass eine Leistungsbeurtei-lung grundsätzlich vor Ablauf des 3. Monats erfolgen dürfe. Jedenfalls hätten sich die Tarifvertragsparteien aber veranlasst gesehen, mit dem Wortlaut des § 7 Ziff. 2 Satz 1 und Satz 2 ERA-TV die „Fristen“regelung deutlich zu machen. Diesem Vorbringen ist der Betriebsrat nicht entgegengetreten. Für das Ver-ständnis sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung sowie Gesichtspunkte 26 - 9 - 7 ABR 27/10 - 10 - einer vernünftigen, praktikablen Handhabung. Den Tarifvertragsparteien ging es ersichtlich nicht darum, einen genauen Termin für die Leistungsbeurteilung zu bestimmen, sondern einen Zeitraum festzulegen, innerhalb dessen sie zu erfolgen hat. (bb) Demgegenüber legt die Betriebsvereinbarung in Ziff. 3 Abs. 5 für die Leistungsbeurteilung keinen Zeitraum, sondern einen Zeitpunkt fest. Dies ergibt deren Auslegung. (aaa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Ge-samtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientier-ten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestim-mung führt (vgl. zuletzt BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 15 mwN). (bbb) Bereits der Wortlaut von Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 BV drückt deutlich die Festlegung eines Termins für die Leistungsbeurteilung aus. Abwei-chend von § 7 Ziff. 2 Satz 1 ERA-TV fehlt bei Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 BV das Wort „spätestens“. Damit wird deutlich, dass es hier nicht um einen Zeitraum, son-dern um einen Zeitpunkt geht. Ziffer 3 Abs. 6 Satz 3 BV zeigt zudem, dass die Betriebsparteien in der Wahl ihrer Sprachwendungen durchaus differenziert haben. Im Zusammenhang mit der Einführung des ERA-TV ist in Ziff. 3 Abs. 6 Satz 3 BV bestimmt, dass die Erstbeurteilung „bis spätestens 31. Mai 2007“ erfolgen soll. Mit der dort gegenüber Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 BV anders gewählten Formulierung („bis“) ist kenntlich gemacht, einen Zeitraum regeln zu wollen. Es hätte nahegelegen, den sprachlichen Ausdruck „bis“ auch für die Regelung der Ziff. 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 BV zu wählen, wenn es den Betriebsparteien allein um die Festlegung einer Zeitspanne gegangen wäre. 27 28 29 - 10 - 7 ABR 27/10 - 11 - (cc) Wegen der unterschiedlichen inhaltlichen Sachregelungen nach § 7 Ziff. 2 ERA-TV und nach Ziff. 3 Abs. 5 BV greift die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht ein. Gegenstand von Ziff. 3 Abs. 5 BV ist nicht etwas, was bereits durch § 7 Ziff. 2 ERA-TV geregelt wäre. Es handelt sich bei Ziff. 3 Abs. 5 BV insoweit auch nicht etwa um eine ergänzende Betriebsverein-barungsbestimmung iSd. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Auf die Öffnungsklausel des § 7 Ziff. 2 Satz 2 ERA-TV kommt es nicht an. Selbst ohne diese Öffnungs-klausel wäre den Betriebsparteien die Festlegung eines Zeitpunkts für die Leistungsbeurteilung durch (freiwillige) Betriebsvereinbarung nicht verwehrt, solange der Zeitpunkt - wie vorliegend - innerhalb der tarifvertraglich festgeleg-ten Zeitspanne liegt. (b) Ziffer 3 Abs. 5 BV betrifft auch keine Arbeitsbedingung, die iSv. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein Zeitpunkt für das Erstellen der Leistungsbeurteilung typischerweise oder herkömmlich im einschlägigen Tarifvertrag geregelt worden ist oder geregelt wird. Der ERA-TV enthält überhaupt keine Regelungen hierzu. Der bis zum Inkrafttreten des ERA-TV geltende Lohn- und Gehaltsrahmentarif-vertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer, für die Angestellten und für die Auszubildenden der bayerischen Metall- und Elektroindustrie legte einen sol-chen Termin - jedenfalls im Verständnis der Tarifvertragsparteien - gleichfalls nicht fest. Von einer Tarifüblichkeit kann daher nicht ausgegangen werden. (c) Auf die Frage, ob die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG deshalb aufgehoben ist, weil es sich bei Ziff. 3 Abs. 5 BV um Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG handeln würde, für die der Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG nicht gilt (vgl. dazu BAG GS 3. De- zember 1991 - GS 2/90 - zu C I der Gründe, BAGE 69, 134; 24. Januar 1996 - 1 AZR 597/95 - zu I 2 der Gründe, BAGE 82, 89), kommt es daher nicht entscheidend an. bb) Die angefochtene Entscheidung erweist sich aber aus anderen Grün-den als richtig, § 561 ZPO. Ziffer 3 Abs. 5 BV vermag den verfahrensgegen-ständlichen Unterlassungsanspruch nicht zu begründen. Die Norm bestimmt 30 31 32 33 - 11 - 7 ABR 27/10 - 12 - einen Zeitpunkt für die Leistungsbeurteilung bei „Neueingestellten bzw. aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen“, der für diese Arbeitnehmer bei den Entgeltgruppen 6 bis 12 des ERA-TV anders (später) festgelegt ist. Das Unterlassungsbegehren bezieht sich demgegenüber allein auf - in bestimmte Entgeltgruppen - höhergruppierte, also nicht „neu eingestellte“ oder „übernom-mene“ Arbeitnehmer. (1) Ziffer 3 Abs. 5 BV legt nur für die Vornahme der Leistungsbeurteilungen bei neu eingestellten oder aus dem Berufsausbildungsverhältnis übernomme-nen Arbeitnehmern einen Zeitpunkt fest. Die Regelung betrifft nicht die in die Entgeltgruppen 6 bis 12 des ERA-TV höhergruppierten Arbeitnehmer und deren Leistungsbeurteilungen nach der Höhergruppierung. Für ein solches Verständ-nis geben Wortlaut und Regelungszusammenhang der Bestimmung nichts her. Ziffer 3 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 BV betreffen „Neueingestellte“ sowie „aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernomme“ und knüpfen an die „Einstellung bzw. Übernahme“ an. Höhergruppierungen bereits beschäftigter Arbeitnehmer werden hierdurch nicht geregelt. (2) Ein auch auf die in die Entgeltgruppen 6 bis 12 nach dem ERA-TV bezogener Regelungsinhalt von Ziff. 3 Abs. 5 BV ist entgegen der Ansicht des Betriebsrats nicht durch den Verweis des § 7 Ziff. 9 Satz 1 ERA-TV auf § 7 Ziff. 2 „vermittelt“. § 7 Ziff. 2 Satz 1 und Satz 2, Ziff. 9 Satz 1 ERA-TV treffen fristbestimmte Regelungen zum Erstellen der Leistungsbeurteilungen. Nur für diese Fristen haben die Tarifvertragsparteien einen „Gleichlauf“ bei Neueinge-stellten und aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen einerseits und in bestimmte Entgeltgruppen höhergruppierten Arbeitnehmern andererseits sicherstellen wollen. Daher mag eine nach § 7 Ziff. 2 Satz 2 ERA-TV durch Betriebsvereinbarung getroffene „bloße“ Fristverlängerung für die Leistungsbe-urteilungen neu eingestellter Arbeitnehmer in den Entgeltgruppen 6 bis 12 des ERA-TV nach § 7 Ziff. 9 Satz 1 ERA-TV auch für in diese Entgeltgruppen höhergruppierte Arbeitnehmer gelten. Für die Annahme, die Betriebsparteien hätten in Ziff. 3 Abs. 5 BV den Zeitpunkt der Leistungsbeurteilung auch für Fälle 34 35 - 12 - 7 ABR 27/10 der Höhergruppierung regeln wollen, fehlt es aber an hinreichend deutlichen Anhaltspunkten in der Betriebsvereinbarung. II. Der Verpflichtungsantrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist ersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt. Der Betriebsrat hat das in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Linsenmaier Kiel Schmidt Coulin M. Zwisler 36

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