7. Senat - Befristung eines Arbeitsverhältnisses - Abordnungsvertretung - Anforderungen an Rückkehrprognose
Karar Dilini Çevir:
7. Senat - Befristung eines Arbeitsverhältnisses - Abordnungsvertretung - Anforderungen an Rückkehrprognose
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 7 AZR 661/11 26 Sa 103/11 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes! Verkündet am 16. Januar 2013 URTEIL Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger, pp. Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bun-desarbeitsgericht Linsenmaier, die Richter am Bundesarbeitsgericht - 2 - 7 AZR 661/11 - 3 - Dr. Zwanziger und Prof. Dr. Kiel sowie die ehrenamtlichen Richter Schiller und Dr. Rose für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2011 - 26 Sa 103/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeits-gericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres letzten Arbeitsvertrags. Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund mehrerer befristeter Arbeits-verträge in der Zeit vom 1. September 2006 bis 31. August 2008 sowie in der Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 30. September 2010 beschäftigt. Im Rahmen des letzten, am 31. Mai 2010 für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. September 2010 geschlossenen Arbeitsvertrags war er als Fachassistent (Tätigkeitsebene V) in der Agentur für Arbeit E, Geschäftsstelle Be des Jobcen-ters Ba eingesetzt. Dem Arbeitsvertrag war ein Vermerk beigefügt, in dem es ua. heißt: „Einstellung von Herrn E … als Fachassistent in der Eingangszone in der Arbeitsgemeinschaft (SGB II) mit befristetem Arbeitsvertrag nach dem TzBfG für den Zeit-raum vom 01.06.2010 bis 30.09.2010 bei der Agentur für Arbeit E, Jobcenter Ba. Befristungsgrund: § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG (Vertretung) für Herrn H (Abordnung zur RD Ber-lin/Brandenburg)“ 1 2 - 3 - 7 AZR 661/11 - 4 - Herr H war nach seiner Berufsausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsförderung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden. Mit Wirkung ab 1. Januar 2007 übertrug ihm die Beklagte die Tätigkeit eines Fach-assistenten der Tätigkeitsebene V in der Agentur für Arbeit E, Jobcenter Ba, Geschäftsstelle Be. Von dort aus wurde er verschiedentlich auf folgende hö-herwertigen Stellen der Tätigkeitsebene IV abgeordnet: Für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2009 übertrug ihm die Beklagte im Rahmen einer Personalentwicklungsmaßnahme vorübergehend die Tätigkeit eines Arbeitsvermittlers. Mit Schreiben vom 4. November 2009 ordnete sie Herrn H für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010 zur Regionaldirek-tion Berlin-Brandenburg ab und übertrug ihm vorübergehend eine Stelle als Sachbearbeiter für Vertragswesen im Regionalen Einkaufszentrum. Diese Abordnung wurde mit Schreiben der Beklagten vom 16. Juni 2010 bis zum 31. Dezember 2010 verlängert; dies stand bereits Anfang Mai 2010 fest. Für die Zeit vom 24. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 wurde Herr H nochmals zur Regio-naldirektion Berlin-Brandenburg abgeordnet. Mit der am 9. Juli 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Befris-tungskontrollklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, es liege kein Vertre-tungsfall vor. Nachdem Herrn H für einen so langen Zeitraum höherwertige Tätigkeiten übertragen worden seien, habe die Beklagte nicht ernsthaft mit seiner Rückkehr auf den Arbeitsplatz als Fachassistent rechnen können. Im Übrigen habe die Beklagte Herrn H infolge der langfristigen Zuweisung höher-wertiger Tätigkeiten nicht mehr einseitig mit Tätigkeiten der Tätigkeitsebene V befassen dürfen. Der Kläger hat beantragt 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch Befristung zum 30. September 2010 geendet hat, 2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fachassistenten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzu-beschäftigen. 3 4 5 - 4 - 7 AZR 661/11 - 5 - Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffas-sung vertreten, die Befristung des letzten Arbeitsvertrags sei durch den Sach-grund der Vertretung gerechtfertigt. Der Kläger habe den abgeordneten Herrn H vertreten. Ab dem 15. Juni 2010 habe Herr H außerdem die Fachkraft im Regionalen Einkaufszentrum Frau N und ab dem 20. September 2010 die Sachbearbeiterin im Vertragswesen Frau K vertreten, die der Beklagten wegen Mutterschutz bzw. Elternzeit nicht zur Verfügung gestanden hätten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsge-richt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entscheidungsgründe Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsge-richt. Zwar ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch ein Vertretungsbedarf infolge der Abordnung einer Stammkraft einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG darstellen kann. Jedoch durfte es sich bei der Überprüfung der von der Beklagten zum Zeitpunkt der Befristungsabrede anzustellenden Rückkehrprognose nicht auf die Anwendung der Grundsätze beschränken, die der Senat zu den Fällen der vollständigen Abwesenheit der Stammkraft etwa wegen Krankheit, Urlaub, Elternzeit oder Freistellung entwickelt hat. Von diesen Fallgestaltungen unterscheidet sich die Abordnung der Stammkraft nicht un-erheblich. Zum einen fällt bei der Abordnung die Arbeitskraft der Stammkraft nicht aus, sondern steht dem Arbeitgeber zur Ausübung seines Direktionsrechts zur Verfügung. Zum anderen liegt die Rückkehr der Stammkraft auf ihren Arbeitsplatz regelmäßig jedenfalls auch im Einflussbereich des Arbeitgebers. Daher kann der Arbeitgeber in Fällen der Abordnung der Stammkraft nicht ohne 6 7 8 - 5 - 7 AZR 661/11 - 6 - Weiteres davon ausgehen, die Stammkraft werde, sofern sie nicht Gegenteili-ges erklärt habe, zurückkehren. Vielmehr muss er bei der von ihm anzustellen-den Prognose alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, insbesondere auch solche, die aus seiner Organisationssphäre stammen. A. Nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der am 31. Mai 2010 vereinbarten Befristung zum 30. September 2010 beendet worden ist. I. Gegenstand der am 9. Juli 2010 rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG erhobenen Befristungskontrollklage ist, wie sich aus dem klägerischen Vorbringen ohne Weiteres ergibt, ausschließlich die am 31. Mai 2010 für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 30. September 2010 verein-barte letzte Befristung. Die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG ist auch durch eine Klage gewahrt, die bereits vor Ablauf eines kalendermäßig befristeten Arbeits-verhältnisses erhoben wird (vgl. etwa BAG 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 8 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 86 = EzA TzBfG § 14 Nr. 81). II. Die Befristungsabrede vom 31. Mai 2010 bedurfte der Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund. Eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsver-trags vom 31. Mai 2010 war nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ausgeschlossen, weil zwischen den Parteien innerhalb der letzten drei Jahre vor Abschluss des befristeten Vertrags ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Kläger stand bereits vom 1. September 2006 bis 31. August 2008 in einem befristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten. III. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Befristungsabrede vom 31. Mai 2010 sei nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TzBfG durch den Sach-grund der Vertretung gerechtfertigt, ist nicht frei von Rechtsfehlern. 1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht allerdings im Ausgangspunkt von den vom Senat zum Sachgrund der Vertretung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG entwickelten Grundsätzen ausgegangen. Der Grund für die Befristung 9 10 11 12 13 - 6 - 7 AZR 661/11 - 7 - liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorüber-gehend ausfallenden Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet. Für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Arbeitnehmer obliegenden Aufgaben durch einen Vertreter besteht von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Der Sachgrund der Vertretung setzt daher einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitwei-ligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des Vertreters muss wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers entsteht. Nimmt der Arbeitgeber den Vertretungsfall zum Anlass für eine befris-tete Beschäftigung, ist aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurtei-len, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers zurückzuführen ist (BAG 6. Oktober 2010 - 7 AZR 397/09 - Rn. 19 bis 21 mwN, BAGE 136, 17). 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass auch durch die vorübergehende Abordnung der Stammkraft ein Vertretungsbedarf iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG entstehen kann (ebenso LAG Baden-Württemberg 21. Mai 2012 - 1 Sa 34/11 - Rn. 40, LAGE § 14 TzBfG Nr. 71; Hunold DB 2012, 288; aA LAG Mecklenburg-Vorpommern 26. Mai 2010 - 2 Sa 321/09 - Rn. 12; LAG Köln 16. März 2011 - 9 Sa 1308/10 - Rn. 29, nicht rkr.; LAG Köln 14. September 2011 - 3 Sa 69/11 - Rn. 31, LAGE § 14 TzBfG Nr. 66, nicht rkr.; wohl auch Maschmann in Annuß/Thüsing TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 33). Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags kann auch dann vorliegen, wenn eine Stammkraft vorübergehend höherwertige Aufgaben wahrzunehmen hat und der Arbeitgeber deren eigentliche Tätigkeit dem Vertreter zuweist. In den Fällen der unmittelbaren und der mittelbaren Vertretung erfordert es der Sachgrund der Vertretung nicht, dass der zu vertre-tende Arbeitnehmer an der Erbringung der Arbeitsleistung insgesamt verhindert ist. Dies ergibt die Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG. 14 - 7 - 7 AZR 661/11 - 8 - a) Bereits der Wortsinn des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG spricht dafür, dass der Sachgrund der Vertretung nicht notwendig die vollständige Abwesen-heit des „anderen Arbeitnehmers“ vom Betrieb oder Unternehmen voraussetzt, sondern es genügt, wenn dieser - gleich aus welchem Grund - an der Erbrin-gung der „eigentlich“ geschuldeten Arbeitsleistung verhindert ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Arbeitsleistung im Wege der unmittelbaren Vertre-tung dem Vertreter übertragen wird. Dieser wird dann „zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers“ beschäftigt. Insbesondere kommt es nach dem Wort-laut des Gesetzes nicht darauf an, ob der Vertretungsbedarf seinen Grund in der Sphäre des zu vertretenden Arbeitnehmers oder in der Sphäre des Arbeit-gebers hat. b) Die Gesetzesgeschichte bestätigt diese Auslegung. In der amtlichen Begründung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG heißt es, ein Vertretungsfall liege vor, wenn durch den zeitweiligen Ausfall eines Arbeitnehmers, zB auf-grund „Krankheit, Beurlaubung, Einberufung zum Wehrdienst, Abordnung ins Ausland“, ein vorübergehender Bedarf zur Beschäftigung eines anderen Arbeit-nehmers entsteht (BT-Drucks. 14/4374 S. 19). Das letzte Beispiel zeigt, dass der Sachgrund der Vertretung nicht nur in Fällen der vom Arbeitgeber nicht beeinflussbaren Abwesenheit der Stammkraft, sondern auch dann in Betracht kommt, wenn die Abwesenheit der Stammkraft von „ihrem“ Stammarbeitsplatz auf einer Entscheidung des Arbeitgebers beruht. Da die genannten Beispielfälle nicht abschließend sind, kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Vertretungsfall nur bei einer Abordnung ins Aus-land vorliegen könne. Vielmehr besteht der Bedarf, die Arbeitsleistung des abgeordneten Arbeitnehmers zu ersetzen, auch bei einer Abordnung im Inland. c) Das Ergebnis wird durch die Systematik des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gestützt. Die Vertretungsbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ist ein Unterfall des vorübergehenden „betrieblichen“ Bedarfs an Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG. Die Sachgründe unterscheiden sich nur darin, dass bei der Vertretung der Bedarf an Arbeitskräften unverändert besteht und 15 16 17 - 8 - 7 AZR 661/11 - 9 - nur der Ausfall eines oder mehrerer Mitarbeiter kompensiert werden soll, wäh-rend im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ein vorübergehender Arbeits-kräftemehrbedarf besteht (vgl. Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 298; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 34; KR-Lipke 10. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 136). Der systematische Zusammenhang dieser Sachgründe lässt daher den Schluss zu, dass die den vorübergehenden Vertretungsbedarf begründenden „betrieblichen“ Umstände nicht notwendig aus der Sphäre der Stammkraft stammen müssen. d) Sinn und Zweck des Gesetzes gebieten für die Fälle der unmittelbaren und mittelbaren Vertretung keine andere Auslegung. Allerdings wäre eine Auslegung, die es dem Arbeitgeber ermöglichen würde, sich ohne sachliche Rechtfertigung Befristungsmöglichkeiten selbst zu schaffen, mit dem Gebot einer wirksamen Befristungskontrolle unvereinbar (vgl. zur Haushaltsbefristung BAG 9. März 2011 - 7 AZR 728/09 - Rn. 31, BAGE 137, 178). Durch die grund-sätzliche Anerkennung der „Abordnungsvertretung“ in Gestalt der unmittelbaren sowie der mittelbaren Vertretung wird dem Arbeitgeber diese Möglichkeit aber nicht eröffnet. Anders als in den Fällen der sog. gedanklichen Zuordnung erledigt der Vertreter in den Fällen der unmittelbaren sowie der mittelbaren Vertretung genau die Aufgabe der von ihrem Arbeitsplatz vorübergehend abwesenden Stammkraft. Zwar führt der Arbeitgeber - anders als etwa in den Fällen von Krankheit, Wehrdienst oder Elternzeit - die Vertretungssituation durch die Abordnung selbst herbei. Wenn er die der vorübergehend abgeordne-ten Stammkraft obliegenden Aufgaben befristet einer Vertretungskraft überträgt, deckt er jedoch lediglich den unmittelbar entstehenden Vertretungsbedarf. Ihm wird nicht die Möglichkeit eröffnet, die von ihm vorgenommene Abordnung der Stammkraft zu benutzen, um an anderer Stelle befristet einen Arbeitnehmer einzustellen (vgl. dazu die ebenfalls am 16. Januar 2013 ergangene Senatsent-scheidung - 7 AZR 662/11 -). 3. Hiernach ist die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei die - bereits Anfang Mai 2010 - für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 31. Dezember 18 19 - 9 - 7 AZR 661/11 - 10 - 2010 vorgesehene weitere Abordnung des Herrn H zur Regionaldirektion Berlin-Brandenburg geeignet, die befristete Einstellung des Klägers für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 30. September 2010 zu rechtfertigen, rechtlich nicht zu beanstanden. Unstreitig wurden dem Kläger die Aufgaben des abgeordneten Herrn H unmittelbar übertragen. 4. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch an die vom Arbeitgeber bei einer Abordnungsvertretung anzustellende Rückkehrprognose unzutreffende Maß-stäbe angelegt. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass Teil des Sachgrundes der Vertretung eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des Vertretenen ist (vgl. BAG 17. November 2010 - 7 AZR 443/09 (A) - Rn. 17, BAGE 136, 168). Zu Unrecht hat es aber angenommen, der Arbeitgeber könne auch in Fällen der Abordnung regelmäßig mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen, wenn diese einen Anspruch auf Wiederaufnahme ihrer bisherigen Tätigkeit habe. Dieser vom Senat für die Fälle der vollständigen Abwesenheit der Stammkraft - etwa aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Freistellung - entwickelte Grundsatz lässt sich nicht uneingeschränkt auf die Fälle der Abord-nung übertragen. Hier hat vielmehr der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Befris-tungsabrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Pro-gnose über die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft vorzunehmen und diese im Streitfall im Befristungskontrollprozess darzulegen. Erforderlich ist, dass er berechtigterweise mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen durfte. a) Entsteht der Vertretungsbedarf für den Arbeitgeber „fremdbestimmt“, weil der Ausfall der Stammkraft - zB durch Krankheit, Urlaub und Freistellung - nicht in erster Linie auf seiner Entscheidung beruht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig damit zu rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird (vgl. 25. März 2009 - 7 AZR 34/08 - Rn. 12 mwN, EzA TzBfG § 14 Nr. 57). Die Stammkraft hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nach Wegfall des Vertretungsgrun-des die vertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Der Arbeitgeber 20 21 - 10 - 7 AZR 661/11 - 11 - muss daher davon ausgehen, dass der Vertretene diesen Anspruch nach Beendigung der Krankheit, Beurlaubung oder Freistellung geltend macht. Hier sind besondere Ausführungen dazu, dass mit Rückkehr des Vertretenen zu rechnen ist, regelmäßig nicht veranlasst. Nur wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass der zu vertretende Arbeitnehmer überhaupt wieder an seinen Arbeitsplatz zurück-kehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dann kann die Befristung unwirksam sein. Dies setzt in der Regel voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Vertreter verbindlich erklärt hat, er werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Ansonsten darf und muss der Arbeitgeber mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen (vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 34/08 - Rn. 12 mwN, aaO). b) Diese Grundsätze lassen sich auf einen abordnungsbedingten Vertre-tungsbedarf nicht ohne Weiteres übertragen. Anders als bei dem für den Arbeitgeber „fremdbestimmten“ Ausfall der Stammkraft hängt in Fällen der Abordnung die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft regelmäßig nicht nur von Umständen in deren Sphäre, sondern ganz maßgeblich auch von Umstän-den und Entscheidungen ab, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen (so zutreffend LAG Baden-Württemberg 21. Mai 2012 - 1 Sa 34/11 - Rn. 41, LAGE § 14 TzBfG Nr. 71). Die Rückkehr des abgeordneten Arbeitnehmers auf seinen Stammarbeitsplatz ist häufig durch den Arbeitgeber plan- und steuerbar. Dieser strukturelle Unterschied zu den Fällen der für den Arbeitgeber „fremdbestimm-ten“ Abwesenheit der Stammkraft ist bei der vom Arbeitgeber anzustellenden Rückkehrprognose zu berücksichtigen. Diese kann sich daher nicht darauf beschränken, die Stammkraft werde, sofern sie nicht Gegenteiliges erklärt hat, auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 20. Dezember 2011 - 3 Sa 1506/11 - Rn. 57, LAGE § 14 TzBfG Nr. 68, nicht rkr.). Vielmehr muss der Arbeitgeber bei der Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der abgeordneten Stammkraft sämtliche Umstände des Einzelfalls würdigen. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten 22 - 11 - 7 AZR 661/11 - 12 - Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers. Je nach Lage des Einzelfalls kann der Zweck der Abordnung es nahelegen, dass der Arbeit-geber den Arbeitsplatz des anderweitig eingesetzten Arbeitnehmers frei hält. Er kann aber auch gegen eine solche Annahme sprechen. Von Bedeutung können zudem ihre Dauer sowie etwaige wiederholte Verlängerungen der Abordnung sein. Zu berücksichtigen ist ggf. auch, ob die Abordnung dem Wunsch des Beschäftigten entsprach oder gegen seinen Willen erfolgte. Ebenfalls ist zu würdigen, ob die Rückkehr der Stammkraft auf ihren Arbeitsplatz nach Ablauf der Abordnung automatisch erfolgt oder ob es hierzu einer weiteren Entschei-dung bedarf. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob eine solche Entscheidung allein vom Willen der Stammkraft, vom Willen des Arbeitgebers oder von einem beiderseitigen Einvernehmen abhängt. Derartige, hier nicht abschließend bezeichnete und nicht in jedem Einzelfall in gleicher Weise zwingend zu beach-tende Umstände muss der Arbeitgeber bei seiner Rückkehrprognose berück-sichtigen und diese im Streitfall im Prozess darlegen. Sache des Tatsachenge-richts ist die Würdigung, ob der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags berechtigterweise mit der Rückkehr der abgeordneten Stamm-kraft rechnen durfte. c) Diesen Anforderungen genügt die vom Landesarbeitsgericht vorge-nommene Würdigung der Rückkehrprognose nicht. Das Landesarbeitsgericht hat seine Würdigung darauf beschränkt, der abgeordnete Herr H habe der Beklagten im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Kläger weder erklärt, nicht auf seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurück-kehren zu wollen, noch habe er einen rechtlich verfestigten Anspruch auf eine dauerhafte Übertragung der höherwertigen Aufgaben der Tätigkeitsebene IV erworben. Damit hat es nur einen geringen Teil der vorliegend in Betracht zu ziehenden Umstände gewürdigt. Insbesondere fehlt es an einer Prüfung, wie die Organisationsentscheidungen und Planungen der Beklagten zum Zeitpunkt der Befristungsabrede aussahen. Nach der Zurückverweisung wird das Lan-desarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, hierzu sowie zu 23 - 12 - 7 AZR 661/11 - 13 - den weiteren hinsichtlich der voraussichtlichen Rückkehr des Herrn H angestell-ten Erwägungen vorzutragen. IV. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die mittelbare Vertretung der Mitarbeiterin N ab dem 15. Juni 2010 sowie der Mitarbeiterin K ab dem 20. September 2010 gerechtfertigt war. Zwischen den Parteien ist streitig, ob Herr H die wegen Mutterschutz und Elternzeit abwesenden Mitarbeiterinnen N und K vertreten hat. Sollte dies der Fall sein, hätte der Kläger diese beiden Mitarbeiterinnen mittelbar vertreten. Von deren voraussichtlicher Rückkehr durfte die Beklagte ausgehen. Das Landesarbeits-gericht wird daher erforderlichenfalls zu klären haben, ob Herr H die Mitarbeite-rinnen N und K im streitbefangenen Zeitraum vertreten hat. V. Der Klage kann auch nicht etwa aus einem anderen Grund entsprochen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Befristungsabrede vom 31. Mai 2010 aus Gründen des institutionellen Rechtsmissbrauchs die Wirksamkeit zu versa-gen wäre, bestehen nicht (vgl. hierzu BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - NZA 2012, 1351 und - 7 AZR 783/10 - NZA 2012, 1359). An einen solchen, bei Vorliegen eines Sachgrundes nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechts-missbrauch sind hohe Anforderungen zu stellen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangen-heit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinanderfolgenden befriste-ten Verträge zu berücksichtigen. Im Streitfall gibt es bei der Gesamtbeschäfti-gungsdauer von weniger als drei Jahren aufgrund von vier befristeten Arbeits-verträgen und einer 15-monatigen Unterbrechung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs. B. Der auf Weiterbeschäftigung gerichtete Klageantrag zu 2. fällt nicht zur Entscheidung des Senats an. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass der Kläger seine vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer dieses Rechtsstreits geltend macht. Er steht unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem 24 25 26 - 13 - 7 AZR 661/11 Klageantrag zu 1. Diese Bedingung ist bislang nicht eingetreten. Durch die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und die Zurückverweisung wird der Rechtsstreit wieder in die Lage des Berufungsverfahrens versetzt. Linsenmaier Zwanziger Kiel Schiller Rose

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