7 Ni 5/16 (EP) - 7. Senat (Jur.Beschw./Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

7 Ni 5/16 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
18. Mai 2017






In der Patentnichtigkeitssache



- 2 -



betreffend das europäische Patent 1 131 507
(DE 699 21 177)

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des
Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2017
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel sowie
der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Dipl.-Ing. Küest und Dipl.-Ing. Dr. Großmann

für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die vorliegende Klage richtet sich gegen den deutschen Teil des in englischer
Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents 1 131 507 der Beklagten
(Streitpatent). Das Streitpatent trägt die Bezeichnung „Hinge“ (Gelenk) und nimmt
die Priorität der schwedischen Voranmeldung 9803911 vom 16. November 1998 in
Anspruch. Im Deutschen Patent- und Markenamt wird es unter dem Aktenzeichen
699 21 177 geführt. Es umfasst acht Ansprüche, die alle mit der vorliegenden
Klage angegriffen werden. Die Ansprüche 2 bis 8 sind als Unteransprüche auf An-
spruch 1 rückbezogen.
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Der erteilte Patentanspruch 1 hat in der englischen Verfahrenssprache folgenden
Wortlaut:

1. An arrangement for forming a pivot between a number of
parts, of which at least one part is to be pivotal in relation to
the other,
characterized in that
a profile member (2) is switchable from an open position to a
closed position and is secured on the one part,
in that a pivot strip (1) of a flexible material is secured in the
other part and extends into the profile member (2) and
in that the part of the pivot strip which part extends into the
profile member (2) is anchored in the profile member (2) after
switching of the same from the open position to the closed
position.

Die deutsche Übersetzung des erteilten Anspruchs 1 lautet wie folgt (Korrekturen
der Übersetzung gemäß Vorschlag der Beklagten durch Streichung bzw. Unter-
streichung kenntlich gemacht):

1. Anordnung zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen
einer Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im
Verhältnis zum anderen schwenkbar sein soll,
dadurch gekennzeichnet, dass
ein Profilelement (2) aus einer offenen Position in eine ge-
schlossene Position umschwenkbar umschaltbar und an dem
einen Teil gesichert ist,
dass ein Schwenkstreifen (1) aus einem flexiblen Material in
dem anderen Teil gesichert ist und sich in das Profilele-
ment (2) erstreckt und
dass dasjenige Teil des Schwenkstreifens, das sich in das
Profilelement (2) erstreckt, nach erfolgtem Umschwenken
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Umschalten des Profilelements aus der offenen Position in
die geschlossene Position im Profilelement (2) verankert ist.

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift
EP 1 131 507 B1 bzw. auf die deutsche Übersetzung gemäß der Veröffentlichung
DE 699 21 177 T2 (nachfolgend: T2-Schrift) Bezug genommen.

Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und
der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 IntPatÜG i. V. m.
Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) und b) EPÜ) geltend.

Den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit stützt die Klägerin auf fol-
gende Publikationen:

D1 US-Patentschrift 5,732,757 A
D2 internationale Anmeldung WO 91/12402 A1
D3 britische Patentanmeldung GB 2 189 290 A
D4 US-Patentschrift 3,403,720
D5 US-Patentschrift 5,603,370 A
D6 US-Patentschrift 5,133,108 A
D7 US-Patentschrift 3,234,996
D8 US-Patentschrift 2,804,137
D9 US-Patentschrift 4,765,039
D10 US-Patentschrift 4,817,699

Nach ihrer Meinung ist der Gegenstand des Anspruchs 1 in seiner erteilten Fas-
sung nicht neu gegenüber den Entgegenhaltungen D3 bis D8, zumindest beruhe
er gegenüber einer Zusammenschau von D3 mit einer der Entgegenhaltungen D9
oder D10 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Auch die Merkmale der Unteransprü-
che könnten die Patentfähigkeit nicht begründen. Anspruch 8 sei zudem aufga-
benhaft formuliert und daher nicht ausführbar.

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Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent 1 131 507 mit Wirkung für die Bundesre-
publik Deutschland vollumfänglich für nichtig zu erklären.

Die Beklagten beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen,
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Fas-
sung der Patentansprüche gemäß den mit Schriftsatz vom
22. Februar 2017 (Bl. 225 d. A.) eingereichten, in der Reihenfolge
ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 1 bis 6 richtet.

Wegen der Fassung der Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen wird auf die
Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. Februar 2017 verwiesen.

Nach Meinung der Beklagten offenbart keine der von der Klägerin herangezoge-
nen Druckschriften den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 mit allen seinen
Merkmalen. Dieser Gegenstand habe dem Fachmann am Prioritätstag auch nicht
nahegelegen; die von der Klägerin zur Begründung mangelnder erfinderischer Tä-
tigkeit angeführte Kombination von Druckschriften beruhe auf rückschauender
Betrachtung. Von der Bestandsfähigkeit des Hauptanspruchs würden die Unteran-
sprüche 2 bis 8 mitgetragen. Die Offenbarung für das Merkmal „gegenüberlie-
gende Seite“ in Anspruch 8 ergebe sich etwa aus der Figur 2. Der Fachmann
könne ggf. mit Hilfe von Versuchen eine Anordnung gemäß Anspruch 8 schaffen.

Zumindest in einer der mit den Hilfsanträgen beantragten Fassungen ist den Be-
klagten zufolge das Streitpatent bestandsfähig. Dem widerspricht die Klägerin; ihr
zufolge sind diese Anspruchsfassungen unzulässig, zumindest enthielten sie
nichts Patentfähiges.

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Der Senat hat gemäß § 83 Abs. 1 PatG den Parteien mit Schreiben vom
14. Dezember 2016 einen gerichtlichen Hinweis übersandt.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten
Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die geltend gemachten Nichtigkeits-
gründe der mangelnden Patentfähigkeit und der fehlenden Ausführbarkeit (Art. II
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) und b) EPÜ)
nicht vorliegen.

I.

1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach ihrer Beschreibung in der
Streitpatentschrift eine Schwenkverbindung zwischen mehreren Teilen, von denen
mindestens ein Teil im Verhältnis zu einem anderen Teil schwenkbar sein soll (vgl.
T2-Schrift Abs. [0001]). Es habe sich gezeigt, dass im Stand der Technik bekannte
Schwenkkonstruktionen verschiedene Nachteile aufwiesen, z. B. hohe Produkti-
onskosten. Auch sei die Einhaltung ausreichender und akzeptabler Toleranzen
schwierig und es gebe Probleme bei der Montage und im Hinblick auf das Ausse-
hen und die mechanische Festigkeit solcher Konstruktionen. Aus Kosten- und
Montagegründen sei es erwünscht, dass möglichst wenige Teile verwendet wür-
den. Des Weiteren müssten sich solche Konstruktionen leicht sauber halten las-
sen, insbesondere wenn sie in der Krankenpflege und in der medizinischen Be-
treuung eingesetzt würden (T2-Schrift Abs. [0002]).

Der Erfindung liege somit die Aufgabe zu Grunde, eine Ausführung und Konstruk-
tion zu realisieren, die eine Verbesserung gegenüber dem in diesem Bereich be-
stehenden Stand der Technik darstelle (Streitpatentschrift Abs. [0003]).
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2. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch ein Erzeugnis mit den Merkma-
len gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden. Die Merkmale dieses Anspruchs
können auf Grundlage der deutschen Übersetzung gemäß der T2-Schrift mit den
von den Beklagten vorgeschlagenen Änderungen wie folgt gegliedert werden:

M1 Anordnung zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer
Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im Verhältnis
zum anderen schwenkbar sein soll,
M2 wobei ein Profilelement (2) aus einer offenen Position in eine ge-
schlossene Position umschaltbar und
M3 an dem einen Teil gesichert ist,
M4 und wobei ein Schwenkstreifen (1) aus einem flexiblen Material in
dem anderen Teil gesichert ist und
M5 sich in das Profilelement (2) erstreckt
M6 und wobei dasjenige Teil des Schwenkstreifens, das sich in das
Profilelement (2) erstreckt, nach erfolgtem Umschalten des Profil-
elements aus der offenen Position in die geschlossene Position im
Profilelement (2) verankert ist.

3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es
insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Inter-
pretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein mit der
Konstruktion und der Herstellung von Möbelbeschlägen befasster Fachhochschul-
Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau.

4. Dieser Fachmann entnimmt dem Anspruch 1 eine Schwenkverbindung mit
einem Profilelement, das an einem der zu verbindenden Teile gesichert ist (M3)
und das aus einer offenen Position in eine geschlossene Position „umschwenkbar“
(switchable) ist (M2). Ein Schwenkstreifen aus flexiblem Material ist einerseits in
dem anderen der zu verbindenden Teile gesichert (M4). Der Schwenkstreifen er-
streckt sich andererseits in das Profilelement (M5) und wird dort zur Herstellung
der Schwenkverbindung verankert, wobei die Verankerung durch „Umschwenken“
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(switching) des Profilelements aus der offenen in die geschlossene Position be-
wirkt wird (M6).

a) Die erfindungsgemäße Konstruktion beruht somit ganz wesentlich auf dem
Wechsel des Profilelements von einer offenen in eine geschlossene Position, weil
erst in der geschlossenen Position die Schwenkverbindung mit Hilfe des
Schwenkstreifens hergestellt wird. Auf welche Weise dieser Wechsel vollzogen
wird, lässt der Wortlaut des Anspruchs 1 offen. Bei den Begriffen „switchable“ bzw.
„switching“ handelt es sich um Funktionsangaben, die sich zwar nicht unmittelbar
auf die räumlich-körperliche Ausgestaltung des Profilelements beziehen, die je-
doch zum Ausdruck bringen, dass dieses geeignet sein muss, den Wechsel von
der offenen in die geschlossene Position zu bewerkstelligen.

Nach dem Ausführungsbeispiel der Figuren 1 und 2 i. V. m. der Patentbeschrei-
bung (Absätze [0007] bis [0009]) besteht das Profilelement aus zwei zueinander in
rechtem Winkel stehenden Schäften 6, 7 sowie aus einem weiteren, mit dem
Schaft 7 über eine Faltmarkierung 7 verbundenen bogenförmigen Schaft 8. In
seine geschlossene Position wird das Profilelement nach diesem Ausführungsbei-
spiel dadurch gebracht, dass der Schaft 8 gefaltet und mit Hilfe verschiedener
Ausbildungen der drei Schäfte in Formschluss mit den Schäften 6, 7 gebracht
wird. Denkbar sind aber auch andere anspruchsgemäße Schließvorgänge.

b) Wenn in den Merkmalen M2 und M6 auf Grundlage der Übersetzung ge-
mäß Streitpatentschrift und T2-Schrift von einem umschwenkbaren Profilelement
bzw. vom Umschwenken des Profilelements die Rede ist, so ist nichts anderes
damit gemeint als der beschriebene Wechselvorgang. Diese Übersetzung bringt
den Inhalt der für die Auslegung des Streitpatents maßgeblichen englischsprachi-
gen Begriffe „switchable“/“switching“ insoweit nur eingeschränkt zum Ausdruck,
als die den Wechsel auslösende Bewegung nicht zwingend eine Schwenkbewe-
gung, d. h. eine Bewegung um einen Drehpunkt, sein muss. Wichtig ist nur, dass
die Bewegung des Profilelements dessen Wechsel vom offenen zum geschlosse-
nen Zustand bewirkt, was durch die von den Beklagten im vorliegenden Nichtig-
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keitsverfahren vorgeschlagene Übersetzung mit „umschaltbar“ bzw. „Umschalten“
besser zum Ausdruck kommt.

c) Das Profilelement muss, um “umschwenkbar“ bzw. „umschaltbar“ sein zu
können, als eine Einheit vorliegen. Dies bedeutet nicht, dass es notwendiger
Weise einstückig zu sein hat; vielmehr kann es auch mehrteilig sein, sofern diese
Teile auch im offenen Zustand zusammenhängen, so dass sie ein Element im
Sinne eines Bauelements bilden. Eine Anordnung aus zwei Teilen, die erst durch
Zusammenstecken ein Profilelement bilden, ist davon nicht umfasst, da man bei
ihnen im offenen Zustand nicht von einem Profilelement sprechen kann, das von
einer Position in eine andere Position umschwenkbar bzw. umschaltbar ist.

II.

Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit liegt bei dem Gegenstand
des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht vor.

1. Dieser Gegenstand ist gegenüber dem von der Klägerin genannten Stand
der Technik als neu anzusehen.

a) Die britische Patentanmeldung 2 189 290 A (D3) betrifft ein
Verbindungsmittel für Paneele, das zur Bildung einer Schwenkverbindung zwi-
schen einer Anzahl von Teilen, von denen mindestens ein Teil im Verhältnis zum
anderen schwenkbar ist, geeignet ist.

Die in den Figuren 1 bis 3 dargestellten Teile erwecken in ihrer bildlichen Anord-
nung zunächst den Eindruck, als könnten die beiden Profilteile mit den Bezugszei-
chen 1 und 3 in einer zur Profillängsachse senkrechten Richtung zusammenge-
schoben werden und dabei den Randbereich des in Figur 3 dargestellten
Schwenkstreifens zwischen sich einklemmen. Als offensichtlich hinderlich für ein
Zusammenschieben erkennt der Durchschnittsfachmann, dass die mit dem Be-
zugszeichen 25 versehene Nase stumpf an den nach außen abstehenden Steg
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des hakenförmigen Befestigungsteils 11 am Profilteil 1 anstößt. Um das nasen-
förmige Teil 15 an dem Steg des Teils 11 vorbeiführen zu können und es in die in
Figur 4 dargestellte Stellung zu bringen, muss offenbar entweder das hakenför-
mige Teil nach innen oder das nasenförmige Teil nach außen verformt werden.
Beide Verformungen werden aber durch die Stege 17 behindert, so dass, für den
Durchschnittsfachmann ohne weiteres erkennbar, ein einfaches Zusammenschie-
ben der Profilteile senkrecht zur Profilachse nicht vorgesehen ist. Aus der Be-
schreibung erschließt sich ihm hingegen, dass der Zusammenbau der Schwenk-
verbindung dadurch erfolgt, dass zunächst das Profilteil 1 am Paneel befestigt
wird, dann das Profilteil 3 in Längsrichtung in das Profil 1 eingeschoben und
schließlich flexible Verbindungsglieder mit ihren am Ende verdickten Querwänden
in die Rücksprünge 23 eingeschoben werden (Seite 4, Zeilen 8 bis 30).

Das Zusammenfügen der beiden Profilteile 1 und 3 kann aufgrund des Montage-
vorgangs nicht als „umschalten“ angesehen werden, und die flexiblen Verbin-
dungsglieder werden nicht durch das Zusammenfügen der Profilteile 1 und 3 ver-
ankert, sondern nachträglich in eine durch die zusammengefügten Profilteile ge-
bildete Ausnehmung eingeführt. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des
Streitpatents ist deshalb gegenüber der ersten in D3 gezeigten Ausführungsform
als neu anzusehen.

Auch die zweite Ausführungsform zur Bildung einer Schwenkverbindung, wie sie
aus den Figuren 5 bis 8 und den zugehörigen Beschreibungsteilen von D3 hervor-
geht, kann die Neuheit der verteidigten Anordnung nicht in Frage stellen. Die in
den Figuren 5 und 6 dargestellten Profilteile werden durch eine translatorische
Bewegung senkrecht zur Längsachse der Profilteile miteinander verrastet (Be-
schreibung Seite 4, Zeilen 71 bis 90). Als Schwenkstreifen wird der flexible Ver-
binder 37 mit seinen T-förmigen Fortsätzen (transverse walls 27, enlarged end
portions 29) in Nuten (chanal 43) eingeführt, die ausschließlich in dem zweiten
Profilteil 35 ausgebildet sind. Die als Schwenkstreifen wirkenden Verbinder sind
daher unabhängig von einem Verrasten der beiden Profilteile, das als Umschalten
gelten soll, im Profilteil 35 verankert (Seite 4, Zeilen 91 bis 114).
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b) Die US-Patentschrift 5 603 370 A (D5) zeigt ebenfalls ein Verbindungsmittel
für Paneele, das zur Bildung einer Schwenkverbindung zwischen einer Anzahl von
gegeneinander schwenkbaren Teilen geeignet ist. In den Figuren 8 bis 11 sind
rechteckige Kanäle (rectangular chanal 46) in Ausschnitten (cut-out 118) darge-
stellt, in die Teile (member 120) eingesteckt werden, deren Stege (leg porti-
ons 122) mittels Schrauben (screw 134) gespreizt werden, um so Streifen
(strap 110) zu klemmen, die den Schwenkstreifen des Streitgegenstands entspre-
chen (vgl. Beschreibung Spalte 7, Zeilen 12 bis 35).

Das Zusammenstecken von zwei Teilen und das anschließende Verbinden durch
eine Schraube kann nicht als „Umschalten“ eines Profilelements aus einer offenen
in eine geschlossene Position angesehen werden. Merkmal M2 ist also nicht er-
füllt. D5 kann somit die Neuheit des Streitgegenstands ebenfalls nicht in Frage
stellen.

c) Die übrigen entgegengehaltenen Druckschriften zeigen offensichtlich keine
Anordnungen mit allen im Anspruch 1 des Streitpatents genannten Merkmalen.

So zeigen die US-Patentschrift 5,732,757 A (D1), die internationale Anmeldung
WO 91/12402 (D2) und die US-Patentschriften 3,403,720 (D4), 5,133,108 A (D6),
3, 234,996 (D7) und 2,804,137 (D8) keine Profilelemente, die gemäß Merkmal M2
von einer offenen in eine geschlossene Position umschaltbar sind. Die Profilele-
mente können daher auch nicht entsprechend Merkmal M6 nach erfolgtem Um-
schalten einen Teil des Schwenkstreifens verankern.

Die in D1 dargestellte Schwenkverbindung umfasst ein starres Profilteil (siehe Fi-
gur 3, edge portion 52), an dem Schwenkstreifen (straps 22, 24, 26) durch Ein-
hängen verankert werden, die Schwenkstreifen erstrecken sich aber nicht i. S. d.
Merkmals M5 in das Profilelement.

D2 zeigt eine Verankerung des Schwenkstreifens am Profilelement durch vor-
springende Nasen (vgl. Figur 2, hook projection 5a).
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Bei der Falttür nach D4 wird ein flexibler Streifen mit Wülsten (siehe Figur 3,
bead 36) in ein C-Profil eingesetzt und ist somit darin verankert. Dieses C-Profil ist
aber nicht von einer offenen Position in eine geschlossene Position umschaltbar.

D6 zeigt als Schwenkverbinder ein Rohr (vgl. Figur 1, central tubular portion 13)
aus flexiblem Material mit zwei Flanschen (flanges 14, 15). Die Flansche sind in
hinterschnittene Nuten eingebracht. D6 beschreibt also Schwenkverbindungen,
deren Konstruktion keine Schwenkstreifen umfasst; es fehlen somit die Merk-
male M4 und M6.

Bei der Anordnung nach D7 wird der Schwenkstreifen longitudinal eingefädelt
(Beschreibung Spalte 3, Zeilen 66 bis 71).

Bei der Gelenkkonstruktion gemäß D8 ist der Schwenkstreifen (siehe Figur 2
strip 12 of rubber) in Ausschnitte (cutaway portions 11) der zu verbindenden Teile
(boards) eingesetzt. Der Schwenkstreifen ist also nicht gemäß Merkmal M6 in ei-
nem Profilelement verankert.

Die US-Patentschriften 4,765,039 (D9) und 4,817,699 (D10) betreffen schließlich
Profilelemente für Fußmatten bzw. eine Wandbespannung, bei denen dünne, flä-
chige Elemente durch eine Schwenkbewegung, die als „Umschaltung“ angesehen
werden könnte, im Profilelement verankert werden. Die dargestellten Profilele-
mente sind aber nicht zur Bildung einer Schwenkverbindung vorgesehen und die
flächigen Elemente sind keine Schwenkstreifen. Also zeigen auch diese beiden
Druckschriften keine Anordnung mit den Merkmalen M1, M4 und M5, weshalb sie
dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents ebenfalls nicht neu-
heitsschädlich entgegenstehen.

2. Dieser Gegenstand war dem Fachmann durch den Stand der Technik am
Prioritätstag auch nicht nahegelegt. Es fehlte grundsätzlich an einer Anregung, ein
Profilelement für eine schwenkbare Verbindung so zu gestalten, dass es an einem
schwenkbaren Teil gesichert (d. h. angebracht oder damit verbunden) ist (Merk-
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mal M3), und dass es von einer offenen in eine geschlossene Position umschalt-
bar ist (Merkmal M2), wodurch ein Teil eines Schwenkstreifens das sich in das
Profilelement erstreckt, im Profilelement verankert ist (Merkmal M6).

Ausgehend von der Entgegenhaltung D3, deren Ausführungsbeispiel gemäß den
Figuren 5 bis 7 als nächstliegender Stand der Technik gelten kann, war es als
nachteilig angesehen worden, dass das Profilelement zweiteilig ausgebildet ist.
Eine Anregung zur Lösung dieses Problems soll der Klägerin zufolge die in D10
dargestellte Wandschiene geben. Sie bildet ein Profilelement, das aus zwei
schwenkbar miteinander verbundenen Teilen besteht, von denen der eine Teil mit
dem Untergrund verbunden ist. Eine Übertragung dieser Lehre auf das zweiteilige
Profilelement nach D3 würde dazu führen, die Profilteile 33 und 35 durch ein Film-
scharnier miteinander zu verbinden.

Die Wandschiene gemäß D10 könnte weiterhin die Anregung geben, bei dem wie
oben beschrieben abgeänderten Profilelement den Schwenkstreifen bei der Um-
schaltung in die geschlossene Position zu verankern, nämlich zwischen der am
Profilteil 33 nach außen vorstehenden Nase 39 und der die Nase hintergreifenden
Kante 15 am Profilteil 35. Diese durch D10 nahegelegte Lösung führt zu einer
Verankerung des Schwenkstreifens an der Außenseite des Profilelements.

Ein Durchschnittsfachmann müsste also ausgehend von D3 mit den Profiltei-
len 33, 35 und 37 und in Kombination der Lehre aus D10 die beiden Schritte „Ver-
binden der Profilteile 33 und 35 durch ein Filmscharnier“ und „Verankern des
Schwenkstreifens 37 beim Umschalten von der offenen in die geschlossene Posi-
tion“ ausführen. Damit wäre er aber noch nicht beim Gegenstand des Streitpatents
angelangt. Dem so entstandenen Gegenstand würde immer noch das Merkmal
fehlen, dass der Schwenkstreifen im Profilelement, also in dem durch das Um-
schalten von der offenen in die geschlossene Position entstehenden Hohlraum,
verankert ist. Zu einer alternativen Klemmung, beispielsweise im Profilelement,
gibt diese Entgegenhaltung keinerlei Anregung.

- 14 -
Die Anordnung zur Bildung einer Schwenkverbindung mit den im Anspruch 1 an-
gegebenen Merkmalen ist also einem Durchschnittsfachmann auch bei einer zu-
sammenschauenden Betrachtung von D3 und D10 nicht nahegelegt.

D9 betrifft einen Halter für eine Fußmatte, mit dem die Seiten einer Fußmatte ein-
gefasst und die Ränder geklemmt werden. Dieser Stand der Technik liegt offen-
sichtlich weiter ab als derjenige nach D10. Diese Druckschrift kann daher keine
weiteren Anregungen zur Schaffung der beanspruchten Anordnung geben.

Die Entgegenhaltungen D9 und D10 können deshalb, selbst in Verbindung mit D3,
keine Anregung zur Schaffung einer Anordnung mit den im Anspruch 1 des Streit-
patents genannten Merkmalen geben, und noch weniger mit den anderen, weiter
abliegenden Druckschriften.

III.

Somit hat Patentanspruch 1 Bestand. Die Unteransprüche 2 bis 8 betreffen
zweckmäßige, nicht triviale Ausgestaltungen der Anordnung nach Anspruch 1. Sie
sind schon wegen ihres Rückbezugs auf Anspruch 1 patentfähig, unabhängig da-
von, ob die in ihnen enthaltenen zusätzlichen Merkmale ihrerseits neu sind bzw.
ob sie auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

IV.

Der von der Klägerin gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruchs 8 geltend
gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit ist ebenfalls nicht ge-
geben.

In Verbindung mit dem die Figuren 2 und 3 erläuternden Beschreibungsab-
satz [0009] der Streitpatentschrift gibt der Anspruch in nachvollziehbarer Weise
an, wie der Fachmann zu dieser vorteilhaften Ausführungsform der Verriegelung
gelangen kann.
- 15 -
V.

Das Streitpatent hält somit den Angriffen der Klägerin insgesamt Stand, weshalb
die Klage abzuweisen war. Auf die Hilfsanträge der Beklagten braucht deshalb
nicht eingegangen zu werden.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1
Satz 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1
PatG i. V. m. § 709 ZPO.

VII.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelas-
senen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik
Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und in-
nerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden.

Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der
Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.

- 16 -
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.


Rauch Püschel Hildebrandt Küest

Richter Küest
kann urlaubsbe-
dingt nicht unter-
schreiben
Dr. Großmann

Pr


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