7 Ni 14/15  - 7. Senat (Jur.Beschw./Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

7 Ni 14/15
(Aktenzeichen)

URTEIL


In der Patentnichtigkeitssache



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betreffend das deutsche Patent 10 2006 012 424

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts in seiner Sitzung vom 1. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Rauch, des Richters Dipl.-Ing. Hildebrandt, der Richterin
Dr. Schnurr, des Richters Dipl.-Ing. Dr. Großmann und des Richters
Dipl.-Ing. Univ. Richter

für Recht erkannt:

I. Das deutsche Patent 10 2006 012 424 wird dadurch teilweise
für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgende Fassung er-
halten:

1. Spanneinrichtung (1) an einem Ständer (2) zum Aufspan-
nen eines stabförmigen Teiles (3), insbesondere eines
Christbaumes, mit mindestens einem auf Zug belastbaren
flexiblen Kraftübertragungselement (4), das endseitig auf
einem verdrehbaren Spannkörper (5) zum Spannen von
Halteelementen, welche um horizontale Schwenkachsen
schwenkbar sind, aufwickelbar ist, wobei die dadurch be-
dingte Verkürzung des Kraftübertragungselementes (4)
ein Festspannen des stabförmigen Teiles (3) in dem Stän-
der (2) bewirkt, und mit einem Rastgesperre (6), das ein
selbsttätiges Zurückdrehen des Spannkörpers (5) beim
Spannen des flexiblen Kraftübertragungselementes (4) in
einer ersten Stellung, der Raststellung, verhindert und den
Spannkörper (5) in einer zweiten Stellung, der Freigabe-
stellung, zurückdrehen lässt,
dadurch gekennzeichnet, dass
zur Betätigung des verdrehbaren Spannkörpers (5) ein
Treibrad (7) vorgesehen ist, dessen Durchmesser ein
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Vielfaches des Durchmessers des verdrehbaren Spann-
körpers (5) beträgt, und das Treibrad (7) der Spannein-
richtung so in einem Gehäuse angeordnet ist, dass es mit
seinem Außenumfang über dessen Gehäuseoberseite
hinausragt, aus der Gehäuseoberseite in einem Quad-
ranten von vorzugsweise 45° bis 60° herausragt und in
diesem Bereich für eine Fußbetätigung frei zugänglich ist.

2. Spanneinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeich-
net, dass das Treibrad (7) mit dem verdrehbaren Spann-
körper (5) eine gemeinsame Achse (18) hat und mit ihm
drehfest verbunden ist.

3. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden
Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Treib-
rad (7) an dem verdrehbaren Spannkörper (5) angeformt
ist.

4. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden
Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastge-
sperre (6) an dem Treibrad (7) angreift.

5. Spanneinrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeich-
net, dass das Rastgesperre (6) im Bereich des Au-
ßenumfangs (8) des Treibrades (7) angreift.

6. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden
Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Treib-
rad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) gleithem-
mend ausgebildet ist.
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7. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden
Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Treib-
rad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) gezahnt ist.

8. Spanneinrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeich-
net, dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenum-
fangs (8) nach Art eines Hemmrades eine Zahnung mit
Sperrflanken (9) und mit Gleitflanken (10) aufweist.

9. Spanneinrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeich-
net, dass das Rastgesperre (6) am Treibrad (7) mittels
Reibschlusses angreift.

10. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 7 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als
Sperrklinke (11) ausgebildet ist, die in der Raststellung an
mindestens einer der Sperrflanken (9) angreift.

11. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 10,
dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) in
Richtung auf den Außenumfang des Treibrades federnd
vorgespannt ist.

12. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 11,
dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als in
Richtung auf den Außenumfang des Treibrades vorge-
spannte federnde Sperrklinke (11) ausgebildet ist.

13. Spanneinrichtung nach Anspruch 12, dadurch
gekennzeichnet, dass der Sperrklinke (11) zu ihrer Über-
führung in die Freigabestellung ein Bedienungsele-
ment (19) angeformt ist.
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14. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 12,
dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) ge-
gen versehentliche Freigabe gesichert ist.

15. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 13 oder 14,
dadurch gekennzeichnet, dass das Bedienungsele-
ment (19) zur Sicherung gegen versehentliche Freigabe
des Rastgesperres (6) von diesem lösbar ausgebildet ist.

16. Ständer (2) zum Aufspannen eines stabförmigen Tei-
les (3), insbesondere eines Christbaumes, mit einem
Fußteil (12), mit einem an dem Fußteil befindlichen Auf-
nahmebereich (13) für das Befestigungsende des stab-
förmigen Teils (13), mit mehreren um eine Symmetrie-
achse (17) angeordneten Halteelementen (14), die jeweils
zwischen einer Offenstellung und einer Haltestellung in ei-
ner Ebene schwenkbar sind, wobei sich die Ebenen annä-
hernd in der Symmetrieachse schneiden, und mit min-
destens einem auf Zug belastbaren flexiblen Kraftübertra-
gungselement (4), das durch Führungsöffnungen (15) in
den Halteelementen (14) oberhalb von deren Schwenk-
achsen (16) hindurchgeführt ist, wobei durch Spannen des
flexiblen Kraftübertragungselements (4) mittels einer
Spanneinrichtung (1) die Halteelemente (14) einwärts im
Sinne eines Anlegens und Haltens an das stabförmige
Teil (3) verschwenkt werden, aufweisend eine Spannein-
richtung (1) mit mindestens einem auf Zug belastbaren
flexiblen Kraftübertragungselement (4), das endseitig auf
einem verdrehbaren Spannkörper (5) aufwickelbar ist, wo-
bei die dadurch bedingte Verkürzung des Kraftübertra-
gungselementes (4) ein Festspannen des stabförmigen
Teiles (3) in dem Ständer (2) bewirkt, und mit einem Rast-
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gesperre (6), das ein selbsttätiges Zurückdrehen des
Spannkörpers (5) beim Spannen des flexiblen Kraftüber-
tragungselementes (4) in einer ersten Stellung, der Rast-
stellung, verhindert und den Spannkörper (5) in einer
zweiten Stellung, der Freigabestellung, zurückdrehen
lässt,
dadurch gekennzeichnet, dass
zur Betätigung des verdrehbaren Spannkörpers (5) ein
Treibrad (7) vorgesehen ist, dessen Durchmesser ein
Vielfaches des Durchmessers des verdrehbaren Spann-
körpers (5) beträgt, und das Treibrad (7) der Spannein-
richtung so in einem Gehäuse angeordnet ist, dass es mit
seinem Außenumfang über dessen Gehäuseoberseite
hinausragt, aus der Gehäuseoberseite in einem Quad-
ranten von vorzugsweise 45° bis 60° herausragt und in
diesem Bereich für eine Fußbetätigung frei zugänglich ist.

17. Ständer (2) nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet,
dass das Treibrad (7) mit dem verdrehbaren Spannkör-
per (5) eine gemeinsame Achse (18) hat und mit ihm
drehfest verbunden ist.

18. Ständer (2) nach Anspruch 16 oder 17, dadurch gekenn-
zeichnet, dass das Treibrad (7) an dem verdrehbaren
Spannkörper (5) angeformt ist.

19. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 18, dadurch
gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) an dem Treib-
rad (7) angreift.

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20. Ständer (2) nach Anspruch 19, dadurch gekennzeichnet,
dass das Rastgesperre (6) im Bereich des Außenum-
fangs (8) des Treibrades (7) angreift.

21. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 20, dadurch
gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines
Außenumfangs (8) gleithemmend ausgebildet ist.

22. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 21, dadurch
gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines
Außenumfangs (8) gezahnt ist.

23. Ständer (2) nach Anspruch 22, dadurch gekennzeichnet,
dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenum-
fangs (8) nach Art eines Hemmrades eine Zahnung mit
Sperrflanken (9) und mit Gleitflanken (10) aufweist.

24. Ständer (2) nach Anspruch 21, dadurch gekennzeichnet,
dass das Rastgesperre (6) am Treibrad (7) mittels Reib-
schlusses angreift.

25. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 22 bis 23, dadurch
gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als Sperr-
klinke (11) ausgebildet ist, die in der Raststellung an min-
destens einer der Sperrflanken (9) angreift.

26. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 20 bis 25, dadurch
gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) in Richtung
auf den Außenumfang des Treibrades (7) federnd vorge-
spannt ist.

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27. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 20 bis 26, dadurch
gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als in Rich-
tung auf den Außenumfang des Treibrades (7) vorge-
spannte federnde Sperrklinke (11) ausgebildet ist.

28. Ständer (2) nach Anspruch 27, dadurch gekennzeichnet,
dass der Sperrklinke (11) zu ihrer Überführung in die Frei-
gabestellung ein Bedienungselement (19) angeformt ist.

29. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 27, dadurch
gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) gegen verse-
hentliche Freigabe gesichert ist.

30. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 28 oder 29,
dadurch gekennzeichnet, dass das Bedienungsele-
ment (19) zur Sicherung gegen versehentliche Freigabe
des Rastgesperres (6) von diesem lösbar ausgebildet ist.

31. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 21, dadurch
gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) in einem Gehäuse
angeordnet ist und mit seinem Außenumfang über dessen
Gehäuseoberseite hinausragt.

32. Ständer (2) nach Anspruch 31, dadurch gekennzeichnet,
dass das Treibrad (7) aus der Gehäuseoberseite in einem
Quadranten von 45° bis 60° herausragt und dort frei zu-
gänglich ist.

33. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 32, dadurch
gekennzeichnet, dass die Spanneinrichtung (1) mit tan-
gential in Bezug auf die Symmetrieachse (17) verlaufen-
der Drehachse (18) des Spannkörpers (5) eingebaut ist.
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II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgeho-
ben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von
120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreck-
bar.


Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2006 012 424,
das auf eine Anmeldung vom 17. März 2006 zurückgeht und mit „Spanneinrich-
tung an einem Ständer zum Aufspannen eines stabförmigen Teiles, insbesondere
eines Christbaumes, und Ständer mit Spanneinrichtung“, bezeichnet ist. Das Pa-
tent umfasst in seiner erteilten Fassung 21 Ansprüche, wobei Anspruch 1 mit da-
rauf rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 19 eine Spanneinrichtung und An-
spruch 20 mit Unteranspruch 21 einen Ständer unter Schutz stellen.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 20 haben in ihrer erteilten Fassung
folgenden Wortlaut:

1. Spanneinrichtung (1) an einem Ständer (2) zum Aufspan-
nen eines stabförmigen Teiles (3), insbesondere eines
Christbaumes, mit mindestens einem auf Zug belastbaren
flexiblen Kraftübertragungselement (4), das endseitig auf
einem verdrehbaren Spannkörper (5) aufwickelbar ist, wo-
bei die dadurch bedingte Verkürzung des Kraftübertra-
gungselementes (4) ein Festspannen des stabförmigen
Teiles (3) in dem Ständer (2) bewirkt, und mit einem Rast-
gesperre (6), das ein selbsttätiges Zurückdrehen des
Spannkörpers (5) beim Spannen des flexiblen Kraftüber-
tragungselementes (4) in einer ersten Stellung, der Rast-
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stellung, verhindert und den Spannkörper (5) in einer
zweiten Stellung, der Freigabestellung, zurückdrehen
lässt,
dadurch gekennzeichnet, dass
zur Betätigung des verdrehbaren Spannkörpers (5) ein
Treibrad (7) vorgesehen ist, dessen Durchmesser ein
Vielfaches des Durchmessers des verdrehbaren Spann-
körpers (5) beträgt.

20. Ständer (2) zum Aufspannen eines stabförmigen Tei-
les (3), insbesondere eines Christbaumes, mit einem
Fußteil (12), mit einem an dem Fußteil befindlichen Auf-
nahmebereich (13) für das Befestigungsende des stab-
förmigen Teils (13), mit mehreren um eine Symmetrie-
achse (17) angeordneten Halteelementen (14), die jeweils
zwischen einer Offenstellung und einer Haltestellung in ei-
ner Ebene schwenkbar sind, wobei sich die Ebenen annä-
hernd in der Symmetrieachse schneiden, und mit min-
destens einem auf Zug belastbaren flexiblen Kraftübertra-
gungselement (4), das durch Führungsöffnungen (15) in
den Halteelementen (14) oberhalb von deren Schwenk-
achsen (16) hindurchgeführt ist, wobei durch Spannen des
flexiblen Kraftübertragungselements (4) mittels einer
Spanneinrichtung (1) die Halteelemente (14) einwärts im
Sinne eines Anlegens und Haltens an das stabförmige
Teil (3) verschwenkt werden,
gekennzeichnet durch eine Spanneinrichtung gemäß den
Ansprüchen 1 bis 19.

Wegen des Wortlauts der erteilten Unteransprüche 2 bis 19 und 21 wird auf die
Streitpatentschrift DE 10 2006 012 424 B4 Bezug genommen.

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Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der
mangelnden Ausführbarkeit geltend (§ 22 Abs. 1 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1
und 2 PatG). Sie hat zunächst beantragt,

das deutsche Patent 10 2006 012 424 im Umfang der Patentan-
sprüche 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 bis 21 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat das Streitpatent zunächst in verschiedenen, als Hauptantrag
bzw. als Hilfsanträge eingereichten Fassungen verteidigt. Zuletzt hat sie mit Ein-
gabe vom 22. Mai 2017 beantragt,

das Streitpatent nach Maßgabe des mit Schriftsatz vom
14. November 2016 eingereichten Hilfsantrags 2, der somit als
neuer Hauptantrag gelten solle, aufrecht zu erhalten.

Nach diesem Antrag erhalten die Patentansprüche die aus dem Urteilstenor er-
sichtliche Fassung.

Nach Meinung der Klägerin ist die von der Beklagten verteidigte Fassung des An-
spruchs 1 in verschiedener Hinsicht unklar und somit unzulässig. Mit Schriftsatz
vom 24. Mai 2017 hat die Klägerin im Übrigen erklärt, dass sie die von der Be-
klagten nunmehr mit Hauptantrag verteidigte beschränkte Fassung des Streitpa-
tents nicht angreife.

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 9. Juni 2016 einen frühen gerichtli-
chen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen. Am 13. Oktober 2017
wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt; im Anschluss daran hat der Se-
nat auf Antrag der Parteien den Übergang in das schriftliche Verfahren angeord-
net. Beide Parteien haben ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen
Verfahren erklärt.

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Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die
Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage führt im Umfang der beschränkten Verteidigung ohne weitere
Sachprüfung zur entsprechenden teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents.

I.

Die von der Beklagten verteidigte Fassung des Streitpatents stellt eine zulässige
Beschränkung dar. Da die Klägerin ihre Nichtigkeitsklage in diesem Umfang nicht
weiterverfolgt, kann eine materielle Entscheidung über die Schutzfähigkeit des be-
schränkt verteidigten Patents nicht mehr ergehen (st. Rspr., vgl. BGH
GRUR 1962, 294 - Hafendrehkran; GRUR 1964, 308 - Dosier- und Mischanlage;
BPatGE 51, 45 - Ionenaustauschverfahren; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rn. 128;
Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl., Rn. 317, jeweils m. w. N.).

1. Die Streitpatentschrift geht nach ihrer Beschreibung von bekannten Christ-
baumständern aus, bei denen schwenkbare Halteelemente durch ein oder meh-
rere auf Zug belastbare, flexible Kraftübertragungselemente verschwenkt werden
und dadurch den Christbaum einspannend umgreifen. Das flexible Kraftübertra-
gungselement sei in der Regel ein Stahlseil, oder es bestehe aus mehreren Stahl-
seilen. Es werde durch Führungsöffnungen hindurch geführt, die sich in den Hal-
teelementen meist oberhalb von deren Schwenkachsen befänden. Das mindes-
tens eine Stahlseil werde durch die an dem Ständer befindliche Spanneinrichtung
in seiner Wirklänge verkürzt, wodurch die Halteelemente einwärts im Sinne eines
Anlegens an das stabförmige Teil verschwenkt würden (Beschr. Abs. 2).

Die genannten bekannten Ständer hätten sich in der Praxis bewährt. Es bestehe
aber der Wunsch, die Bauhöhe dieser Ständer gering zu halten. Hierbei sei die
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Spanneinrichtung ein gewisses Problem. Sie umfasse neben der Wickelwalze ei-
nen beweglichen Spannhebel, der die Wickelwalze nach Art einer Ratsche
schrittweise drehe. Das an der Wickelwalze befindliche Seil werde beim Betätigen
der Ratsche zunehmend aufgewickelt und gespannt. Ferner bringe die Betätigung
durch einen besonderen, zusätzlichen beweglichen Hebel den Nachteil einer ver-
hältnismäßig komplizierten Mechanik mit sich; das gelte gleicherweise für die Her-
stellung und die Montage (Beschr. Abs. 4).

Den im Stand der Technik bekannten Spanneinrichtungen bzw. Ständern mit
Spanneinrichtung sei im Übrigen gemeinsam, dass sie mit dem Spannhebel, sei er
nun nach Art einer Ratsche oder anders ausgebildet und im Ständer fest integriert
oder im Bedarfsfalle aufsteckbar, und mit den komplexen Sperrvorrichtungen eine
recht aufwendige und dementsprechend kostspielige, darüber hinaus aber
auch - durch Verschleiß, vor allem auch bei Verschmutzung - nicht ganz stö-
rungsfreie Konstruktion gewählt hätten (Beschr. Abs. 7).

Der Erfindung liege dementsprechend die Aufgabe zugrunde, eine Spanneinrich-
tung der eingangs genannten Art und einen Ständer mit einer solchen Spannein-
richtung derart auszubilden, dass sie bei leichter Bedienbarkeit und zuverlässiger
Betriebsweise insbesondere hinsichtlich des Spannens kostengünstig hergestellt
und montiert werden könnten (Beschr. Abs. 8).

2. Diese Aufgabe soll nach der Streitpatentschrift durch eine Spanneinrichtung
und einen Ständer gemäß den erteilten Ansprüchen 1 und 20 gelöst werden. An
deren Stelle treten die nebengeordneten Ansprüche 1 und 16 in der von der Be-
klagten zuletzt verteidigten Fassung. In Anspruch 1 der geänderten Fassung sind
folgende, durch Unterstreichung kenntlich gemachte Merkmale hinzugekommen
(gemäß der von der Beklagten als Anlage FROH08a vorgelegten Gliederung).

C Das Kraftübertragungselement (4) ist endseitig auf einem ver-
drehbaren Spannkörper (5) zum Spannen von Halteelemen-
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ten, welche um horizontale Schwenkachsen schwenkbar sind,
aufwickelbar.

H1 Das Treibrad (7) der Spanneinrichtung ist so in einem Ge-
häuse angeordnet, dass es mit seinem Außenumfang über
dessen Gehäuseoberseite hinausragt,
H2 aus der Gehäuseoberseite in einem Quadranten von vorzugs-
weise 45° bis 60° hinausragt, und
H3 in diesem Bereich für eine Fußbetätigung frei zugänglich ist.

Während im erteilten Patent der nebengeordnete Anspruch 20 Bezug nimmt auf
„eine Spanneinrichtung gemäß den Ansprüchen 1 bis 19“, sind in der Fassung
gemäß Hauptantrag der Beklagten die Merkmale der Spanneinrichtung gemäß
Anspruch 1 in den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 16 aufgenommen. Zu-
dem sind in der verteidigten Fassung eigenständig formulierte, auf Anspruch 16
rückbezogene Unteransprüche 17 bis 33 enthalten; die Merkmale der Unteran-
sprüche 31 und 32 liegen dabei bezüglich des zugehörigen Nebenanspruchs 16
redundant vor.

II.

Die gemäß dem Antrag der Patentinhaberin geänderte Fassung der Patentan-
sprüche ist zulässig.

a) Das in Anspruch 1 in der verteidigten Fassung zusätzlich enthaltene Teil-
merkmal C, wonach das Kraftübertragungselement (4) endseitig auf einem ver-
drehbaren Spannkörper (5) „zum Spannen von Halteelementen, welche um hori-
zontale Schwenkachsen schwenkbar sind“, aufwickelbar ist, betrifft die körperliche
Ausgestaltung der Spanneinrichtung insoweit, als diese zu dem angegebenen
Zweck funktionell geeignet sein muss. Somit dient die endseitige Aufwickelbarkeit
des Kraftübertragungselements auf einem Spannkörper dem Spannen der um ho-
rizontale Schwenkachsen schwenkbaren Halteelemente, und die Spanneinrich-
- 15 -
tung muss so ausgelegt und konstruiert sein, dass sie diesen Zweck erfüllt. Als
solches ist dieses Merkmal sowohl in der Streitpatentschrift als auch in der ur-
sprünglichen Anmeldung (vgl. Offenlegungsschrift DE 10 2006 012 424 A1) offen-
bart (jeweils in Absatz [0036] der Beschreibung i. V. m. Figur 1 und Beschr.
Abs. [0030]) und somit zulässig.

b) Auch die weiteren in dem Antrag der Beklagten enthaltenen
Anspruchsergänzungen führen nicht zur Unzulässigkeit dieser Fassung. Insbe-
sondere kann den geänderten Ansprüchen 1 und 16 nicht mangelnde Klarheit
entgegengehalten werden.

Eine Prüfung der Klarheit des beschränkten Patentanspruchs ist jedenfalls inso-
weit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprü-
chen enthalten war (BGH GRUR 2016, 361 - Fugenband). Dies betrifft die den
erteilten Ansprüchen 18 und 19 entnommenen Teilmerkmale des geänderten An-
spruchs 1, wonach
- das Treibrad in einem Gehäuse angeordnet ist und mit seinem Außenum-
fang über dessen Gehäuseoberseite hinausragt, und
- das Treibrad aus der Gehäuseoberseite in einem Quadranten von 45° bis
60° herausragt und dort frei zugänglich ist.

Auch das weitere Teilmerkmal, wonach das Treibrad in diesem Bereich für eine
Fußbetätigung frei zugänglich ist, erscheint nicht unklar, wobei dadurch andere
(z. B. händische) Betätigungen des Treibrads nicht ausgeschlossen werden. Ent-
scheidend ist allein, dass eine Fußbetätigung möglich ist. Der Fachmann hat auch
keine Schwierigkeiten, das Treibrad so auszubilden, dass dieses Erfordernis erfüllt
ist.

Ebenso ist nicht unklar, was unter einer Gehäuseoberseite im Sinne des Merkmals
H1 zu verstehen ist. So ist nach diesem Merkmal das Treibrad der Spannvorrich-
tung im Wesentlichen innerhalb eines Gehäuses angeordnet, wobei gemäß allge-
meinem Verständnis unter der Gehäuseoberseite die nach oben weisende Seite
- 16 -
bzw. Fläche des Gehäuses, d. h. die dem Fußteil abgewandte Seite, verstanden
wird; im Gegensatz hierzu wäre die Gehäuseunterseite dem Boden bzw. Fußteil
zugewandt (siehe auch Figur 1).

Ferner ragt das Treibrad gemäß Merkmal H1 mit seinem Außenumfang über die
Gehäuseoberseite hinaus. Entsprechend dem fakultativen Merkmal H2 kann dies
in einem Quadranten und dort in einem Winkelbereich von 45° bis 60° geschehen,
wobei bei den Winkelangaben bzw. bei der Orientierung auf Grund der gewählten
mathematischen Begriffe eines Koordinatensystems von einer (mathematischen)
Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn auszugehen ist. Der Fachmann kann diese
Lehre ohne Aufwand auch bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 anwen-
den, indem er einen Gehäusedurchbruch im ersten Quadranten des Treibrades in
dem vorteilhaften Winkelbereich vorsieht.

III.

Da die im Antrag der Beklagten vorgesehenen Beschränkungen des Streitpatents
zulässig sind, ist dem Streitpatent durch rechtsgestaltendes Urteil die von beiden
Parteien gewollte Fassung zu geben.

Die mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffenen Patentansprüche 5 und 10 der
erteilten Fassung bleiben im Übrigen mit ihrem Rückbezug auf Patentanspruch 1
in seiner erteilten Fassung in Kraft. Entsprechendes gilt, soweit erteilte Ansprüche
auf die Patentansprüche 5 und 10 Bezug nehmen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1
ZPO. Soweit die Beklagte das Streitpatent nur beschränkt verteidigt, hat sie sich in
die Rolle der Unterlegenen begeben und ist im Umfang der Beschränkung kosten-
pflichtig. Soweit die Klägerin ihren Angriff beschränkt und damit die Klage der Sa-
che nach teilweise zurücknimmt, muss sie nach der Wertung des § 269 Abs. 3
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Satz 2 ZPO die Kosten tragen. Insgesamt entspricht es der Billigkeit, die Kosten
des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 ZPO.

V.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der
Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt
unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt
mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber
mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann
nicht verlängert werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.


Rauch Hildebrandt Dr. Schnurr Dr. Großmann Richter

Pr


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