7 Ni 10/15 (EP) - 7. Senat (Jur.Beschw./Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

7 Ni 10/15 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
16. Februar 2017






In der Patentnichtigkeitssache



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betreffend das europäische Patent 1 373 672
(DE 502 13 634)

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des
Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2017
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt
und Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr sowie des Richters
Dipl.-Ing. Dr. Großmann

für Recht erkannt:


I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt drei Viertel der Gerichtskosten sowie der
außergerichtlichen Kosten der Beklagten.
Die Beklagten tragen je ein Achtel der Gerichtskosten sowie
der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von
120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreck-
bar.


Tatbestand

Die vorliegende, am 2. März 2015 eingereichte Klage richtet sich gegen das in deut-
scher Verfahrenssprache erteilte europäische Patent 1 373 672 der Beklagten. Das
Streitpatent geht auf eine Anmeldung vom 2. April 2002 zurück und nimmt die Priori-
tät der österreichischen Voranmeldung 5252001 vom 3. April 2001 in Anspruch. Es
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betrifft einen „Flügel für Fenster oder eine Tür“ und umfasst in der erteilten Fassung
zehn Patentansprüche. Anspruch 1 und die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2
bis 6 schützen einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Profilrahmen,
Anspruch 7 und die darauf rückbezogenen Unteransprüche 8 bis 10 ein Verfahren
zum Herstellen des genannten Erzeugnisses.

Früher eingereichte, ebenfalls gegen das vorliegende Streitpatent gerichtete
Nichtigkeitsklagen wurden durch Urteil des Bundespatentgerichts vom
1. August 2013 - 10 Ni 22/11 (EP), verbunden mit 10 Ni 26/11 (EP) -
zurückgewiesen. Im Berufungsverfahren X ZR 130/13 hat der Patentanspruch 1 des
Streitpatents durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2016 (d. h. zeitlich
nach Einreichung der vorliegenden Klage am 2. März 2015) eine geänderte Fassung
erhalten, auf die sich die in ihrem Wortlaut unveränderten Patentansprüche 2 bis 6
rückbeziehen; die Patentansprüche 7 bis 10 sind entfallen.

Der geänderte Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache wie folgt (Änderun-
gen gegenüber der erteilten Fassung durch Streichung bzw. Unterstreichung
kenntlich gemacht):

(1) Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Profil-
rahmen (1), der einen eine Isolierverglasung (2) aufnehmen-
den Falz (3) mit einer die Isolierverglasung (2) stirnseitig
umschließenden Umfangsfläche (6) und einer den Rand der
Isolierverglasung (2) übergreifenden Falzfläche (12) bildet,
und mit einer die lsolierverglasung (2) im Falz (3) befestigen-
den Klebstoffschicht (7), die Klebstoffschicht (7) nur an der
den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden
Umfangsfläche, wobei die Klebstoffschicht die Isoliervergla-
sung im Falz befestigt und einen Umfangsspalt (8) zwischen
den Stirnflächen (5) der Isolierverglasung (2) und der diesen
Stirnflächen (5) gegenüberliegenden Umfangsfläche (6) des
Falzes (3) zumindest in Umfangsbereichen ausfüllt, dadurch
gekennzeichnet, dass im Bereich einer der Falzfläche (12)
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zugekehrten Deckscheibe (11) der Isolierverglasung (2) mit
Abstand vor der Falzfläche (12) ein in Umfangsrichtung
verlaufender Begrenzungssteg (22) für die Klebstoff-
schicht (7) vorgesehen ist.

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift
EP 1 373 672 B1 Bezug genommen.

Im Umfang der erfolgten Patentbeschränkung haben die Parteien des vorliegenden
Verfahrens übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin verfolgt die vollumfängliche Vernichtung des Streitpatents weiter. Sie
macht hierfür den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6
Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a EPÜ) geltend und stützt
ihr Vorbringen u. a. auf folgende Veröffentlichungen:

E7 Auszug aus ETAG 002, Edition November 1999, Guideline
for European Technical Approval for Structural Sealant
Glazing Systems (SSGS), amended October 2001, Part 1:
supported and unsupported systems
E9 europäische Patentanmeldung EP 0 301 462 A1
E12 europäische Patentanmeldung EP 0 937 856 A2
E14 deutsche Offenlegungsschrift 35 40 385 A1
E16 Auszug aus dem Schüco-Fertigungskatalog 1 ROYAL S
„Aluminium-Systeme Fenster und Türen“, Ausgabe
2.2000, mit Nachtrag/Austausch September 2000 und
Austauschseite „Flügelverglasung“ K 12262,
Datumsangabe „15.05.00“, ROYAL S 70BS
E23a internationale Patentanmeldung WO 96/16245
E23b DE 695 03 655 T2 (deutsche Übersetzung der aus der
Anmeldung E23a hervorgegangenen europäischen
Patentschrift EP 0 793 760 B1)

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Nach Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der
geänderten Fassung nicht neu gegenüber der internationalen Anmeldung E23a und
gegenüber der Offenlegungsschrift E14; zudem sei er dem Fachmann am Prioritäts-
tag durch die europäische Patentanmeldung E9 in Kombination mit E14 nahegelegt
gewesen. Die Merkmale der Unteransprüche sind nach Meinung der Klägerin eben-
falls weder neu noch beruhen sie auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent EP 1 373 672 mit Wirkung für die Bundes-
republik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatents durch den
Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt sei.

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 einen frühen ge-
richtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG übersandt.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie
auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit
sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.

Nachdem die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit im Umfang der durch das Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016 - X ZR 130/13 - vorgenommenen
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Änderungen des Streitpatents in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt
haben, war lediglich noch über den Bestand des Streitpatents in seiner nunmehr
gültigen Fassung zu entscheiden. Insoweit bleibt die zulässige Klage in der Sache
ohne Erfolg.

1. Das Streitpatent geht nach seiner Beschreibung von der europäischen
Offenlegungsschrift 1 070 824 A2 aus. Daraus sei bekannt, die Montage einer
Isolierverglasung dadurch zu vereinfachen, dass die Isolierverglasung in einen Falz
des Profilrahmens eingeklebt wird. Zu diesem Zweck werde entlang der zur Isolier-
verglasung parallelen Falzfläche des umlaufenden Rahmenfalzes ein Klebstoff
streifenförmig aufgetragen, bevor die Isolierverglasung in den Falz eingesetzt werde.
Beim Einsetzen werde daher die Isolierverglasung an den umlaufenden Kleb-
stoffstreifen angedrückt, der die Verbindung zwischen der Isolierverglasung und dem
Profilrahmen übernimmt. An dieser Konstruktion sei nachteilig, dass die durch die
Isolierverglasung bedingte Last ausschließlich über den die Isolierverglasung über-
greifenden Falzsteg auf den Profilrahmen abgetragen werde. Zudem bestehe die
Gefahr eines einseitigen Absenkens der Außenscheibe (Beschreibung Abs. 2).

Zur einfachen Befestigung eines Verbundglases in einem Profilrahmen eines
explosionssicheren Fensters ist nach der Beschreibung des Streitpatents aus der
europäischen Offenlegungsschrift 1 004 740 A2 bekannt, das in den Rahmenfalz
eingesetzte Verbundglas mit Hilfe einer Klebstoffschicht zu befestigen, die den
Umfangsspalt zwischen dem Verbundglas und dem Falz ausfüllt. Im Übergangs-
bereich zwischen der Umfangsfläche des Falzes und der den Rand des Verbund-
glases übergreifenden Falzfläche könne ein Profilstab eingeklebt werden, der die
Klebstoffschicht auf die Stirnflächenbereiche des Verbundglases begrenze. Der
Profilstab behindere aber ein Auswechseln des Verbundglases, weil beim Durch-
trennen der Klebstoffschicht über ihn eine Haftbrücke zum Profilrahmen verbleibe,
auch erschwere der Stab das Ableiten von Feuchtigkeit, die zwischen Verbundglas
und Rahmenprofil eindringe (Beschreibung Abs. 3).

Soweit aus der deutschen Offenlegungsschrift DE 41 42 151 A1 zum Wechseln einer
durch Klebung befestigten Isolierverglasung ein am Fensterflügel abnehmbar
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befestigter Hilfsrahmen vorgesehen sei, werde dadurch der Konstruktionsaufwand
vergrößert.

Als weiterer Stand der Technik werden in der Beschreibung die Druckschriften
DE 85 34 651 U1 und US 3 566 542 A1 angeführt (Beschreibung Abs. 4, 5).

Ausgehend hiervon formuliert das Streitpatent die Aufgabe, einen Flügel für ein
Fenster oder eine Tür so bereitzustellen, dass die Auswechslung der Isolierver-
glasung bei Wahrung der Vorteile der bekannten Klebeverbindung zwischen
Isolierverglasung und Profilrahmen nicht behindert wird (Beschreibung Abs. 6).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in seiner nunmehr gültigen
Fassung einen Flügel gemäß Anspruch 1 mit folgenden Merkmalen vor (mit Merk-
mal 1.6a an Stelle des Merkmals 1.6 gemäß erteilter Fassung):

1.1 Flügel für ein Fenster oder eine Tür
1.2 mit einem Profilrahmen (1).
1.3 Der Profilrahmen bildet einen eine Isolierverglasung (2) auf-
nehmenden Falz (3)
1.4 mit einer die Isolierverglasung (2) stirnseitig umschließenden
Umfangsfläche (6),
1.5 einer den Rand der Isolierverglasung (2) übergreifenden
Falzfläche (12),
[1.6 und einer die Isolierverglasung (2) im Falz befestigenden
Klebstoffschicht 7, die]
1.6a und einer Klebstoffschicht (7) nur an der den Stirnflächen der
Isolierverglasung gegenüberliegenden Umfangsfläche, wobei
die Klebstoffschicht die Isolierverglasung im Falz (3) befestigt
und
1.7 einen Umfangsspalt (8) zwischen den Stirnflächen (5) der
Isolierverglasung (2) und der diesen Stirnflächen (5) gegen-
überliegenden Umfangsflächen (6) des Falzes (3) zumindest
in Umfangsbereichen ausfüllt,
- 8 -

wobei

1.10 ein in Umfangsrichtung verlaufender Begrenzungssteg (22)
für die Klebstoffschicht (7) vorgesehen ist,

und zwar

1.8 im Bereich einer der Falzfläche (12) zugekehrten Deck-
scheibe (11) der Isolierverglasung (2),
1.9 mit Abstand vor der Falzfläche (12).

2. Als zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es
insbesondere für die Auslegung der Merkmale der Patentansprüche und für die Inter-
pretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Fach-
hochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik mit
besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion von
Fenstern und Türen oder ein langjährig mit einschlägigen Konstruktionsaufgaben
befasster Bau- oder Maschinenbautechniker anzusehen.

3. Dieser Fachmann geht bei den Merkmalen des Anspruchs 1 von folgendem
Verständnis aus:

a) Unter dem in Merkmal 1.3 erwähnten Falz versteht der Fachmann eine Stufe im
Rand eines Profils, die zur Aufnahme der Isolierverglasung dient. Bei der in Merk-
mal 1.4 angesprochenen Umfangsfläche handelt es sich um die den Stirnseiten der
Isolierverglasung gegenüberliegende Fläche des Falzes, wobei diese Fläche parallel
zu den (i. d. R. vier) Stirnseiten um die Scheibe herum verläuft.

b) Die in Merkmal 1.5 genannte Falzfläche erstreckt sich senkrecht zur Umfangs-
fläche und übergreift den Rand der Isolierverglasung auf der dem Falz zugewandten
Seite (während auf der anderen Seite der Isolierverglasung üblicherweise eine Glas-
halteleiste angebracht wird).

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c) Der Spalt zwischen der Umfangsfläche und der Stirnseite der Isolierverglasung
bildet den Umfangsspalt (Merkmal 1.7). In diesen Umfangsspalt ist an der den Stirn-
flächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden Umfangsfläche eine Klebstoff-
schicht (Merkmal 1.6) eingebracht. Sie füllt den Spalt zumindest in „Umfangs-
bereichen“ aus, wobei offen bleibt, ob sich die Angabe „Bereiche“ auf die Quer- oder
die Längsausrichtung des Spaltes bezieht. Die Verklebung muss also nicht vollflächig
erfolgen, sie muss sich aber zumindest über Teilflächen erstrecken.

d) Gemäß dem geänderten Merkmal 1.6a erfolgt die Befestigung der Isolierver-
glasung im Falz (3) durch die in Merkmal 1.6 genannte Klebstoffschicht (7), die nur
an der den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden Umfangsfläche
eingebracht ist, nicht jedoch an anderen Stellen, etwa im Bereich zwischen der
Falzfläche 12 und der Sichtfläche (was nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 in
seiner erteilten Fassung nicht ausgeschlossen war, siehe BGH-Urteil vom
26. Januar 2016 - X ZR 130/13, Abschnitt II.3.c der Begründung).

e) Die kennzeichnenden Merkmale 1.8 bis 1.10 betreffen einen „Begrenzungssteg“
für die Klebstoffschicht. Dieser soll (siehe BGH-Urteil, a. a. O., Abschnitt II.3.a der
Begründung) als Barriere für noch nicht ausgehärteten Klebstoff einen Haftverbund
zwischen Verglasung und Profilrahmen in den jenseits des Stegs befindlichen Falz-
flächen verhindern (Beschreibung Abs. 8). Zugleich soll mit dem Steg eine vorteil-
hafte Voraussetzung zur erleichterten Auswechslung der Verglasung geschaffen
werden, indem die Klebstoffschicht ohne Beschädigungsgefahr für den Profilrahmen
bis zum Begrenzungssteg durchtrennt werden kann, weil dieser mit (seitlichem)
Abstand zur Falzfläche 12 anzuordnen ist (Merkmal 1.9).

Diese Barriere erfindungsgemäß als Steg auszubilden wird aus fachmännischer
Sicht als Anweisung verstanden, ihn so herzustellen, dass er die nötige Konsistenz
und Formstabilität aufweist, um insbesondere bei der Montage der Verglasung eine
wirkungsvolle Sperre für den üblicherweise mit einem gewissen Druck in den
Umfangspalt eingebrachten Klebstoff abzugeben.

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f) Der Begrenzungssteg verläuft gemäß Merkmal 1.10 in Umfangsrichtung, d. h. in
der Längsrichtung des Umfangsspalts. Der Anspruchswortlaut lässt offen, ob der
Steg vollständig oder nur teilweise umläuft. Auch an welchem Bauteil des Flügels der
Steg angebracht ist, wird in Anspruch 1 nicht festgelegt (Angaben hierzu enthalten
erst die Unteransprüche).

II.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in seiner durch Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016 abgeänderten Fassung ist neu. Er beruht
auch auf erfinderischer Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138
Abs. 1 lit. a EPÜ).

1. Keine der von der Klägerin als neuheitsschädlich angeführten Druckschriften
zeigt einen Fenster- oder Türflügel mit sämtlichen im Patentanspruch 1 genannten
Merkmalen:

Die internationale Anmeldung E23a und die Druckschrift E23b (Übersetzung der aus
dieser Anmeldung hervorgegangenen europäischen Patentschrift) betreffen eine
Verglasungstafel aus einem Rahmen mit einer Isolierverglasung aus zumindest zwei
Glasplatten zur Verwendung in Flügeln. Zwischen den Glasplatten erstrecken sich
Abstandshalter, die mit einem bestimmten Abstand zu deren Kanten zwischen den
Glasplatten eingelassen sind. Die den Rahmen bildenden Profile befinden sich
zumindest teilweise zwischen den Glasplatten (vgl. E23b, Beschreibung Seite 3,
Zeilen 19 bis 33) und werden vorzugsweise direkt auf die Glasplatten geklebt (E23b
Seite 9, Zeilen 4 und 5). Zur Verklebung wird ein Mittel mit einer starken Adhäsions-
kraft verwendet, das optimal anhaftet (E23b Seite 14, Zeilen 21 bis 32). Zwischen
den Glasplatten und den Profilen können elastische Abstandshalter angebracht sein,
um den direkten Kontakt zwischen dem Glas und den Profilen und dadurch ein
Brechen des Glases während des Installierens zu verhindern (E23b Seite 18, letzter
Absatz). In den Figuren 16, 17 und 19 bis 21 sind Verklebungen und elastische
Abstandshalter dargestellt, die sich jeweils berühren.

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Den Druckschriften E23a und E23b ist aber an keiner Stelle mit der gebotenen
Eindeutigkeit und Unmittelbarkeit (vgl. BGH GRUR 2009, 382, Rn. 25 - Olanzapin) zu
entnehmen, dass den elastischen Abstandshaltern beim Zusammenbau von
Rahmenprofilen und Isolierverglasung auch die Aufgabe zukommen könnte, die
Ausbreitung des Klebstoffs bis zur Falzfläche zu verhindern. Die betreffende Vergla-
sungstafel zeigt somit zumindest nicht das Merkmal 1.10, nämlich den in
Umfangsrichtung verlaufenden Steg zur Begrenzung für die Klebstoffschicht.

b) Bei der Fassadenkonstruktion gemäß der Entgegenhaltung E14, die auch Flügel
umfasst (Beschreibung Spalte 4, Zeile 5), erfolgt die Befestigung der Isolierglasschei-
ben durch die Verklebung 35 an der Falzfläche eines Rahmenprofils. Die zur
Fassadenseite hin offene Fuge zwischen der Stirnseite der Verglasung und der ihr
gegenüberliegenden Umfangsfläche des Rahmenprofils wird durch eine wetterseitige
Silikonfuge 37 abgedichtet (Spalte 8, Zeilen 21 bis 23), wobei eine Versiegelungs-
Anschlagmasse 36 vorgesehen ist, die eine wetterseitige Dichtung darstellt.

Der Schrift E14 ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei der Silikonfuge 37 um eine
Klebstoffschicht handelt, die die Isolierverglasung im Falz befestigt und die nur an
der den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden Umfangsfläche ange-
ordnet ist. Ebenso kann der Fachmann dieser Schrift nicht entnehmen, dass die
Anschlagmasse, die den Raum zwischen der Stirnseite der Isolierverglasung und der
ihr gegenüberliegenden Umfangsfläche mehr oder weniger ausfüllt, einen Begren-
zungssteg im Bereich der der Falzfläche zugeordneten Deckscheibe darstellt
(Merkmale 1.8, 1.10).

c) Die übrigen Entgegenhaltungen wurden von der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung nicht als neuheitsschädlich geltend gemacht. Sie betreffen auch keine
Flügel, bei denen eine Isolierglasscheibe nur an der Umfangsfläche des Falzes durch
eine Klebstoffschicht befestigt wird, und bei denen ein Begrenzungssteg für die
Klebstoffschicht mit Abstand vor der Falzfläche vorgesehen ist (Merkmale 1.9
und 1.10). Sie können die Neuheit des beanspruchten Flügels daher nicht in Frage
stellen.

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2. Der Flügel nach Anspruch 1 war dem Fachmann am Prioritätstag durch den
damals bekannten Stand der Technik auch nicht nahegelegt.

Ausgehend von einem Fenster- oder Türflügel mit den im Oberbegriff des
Anspruchs 1 genannten Merkmalen soll nach der Aufgabenstellung des Streitpatents
der Flügel so verbessert werden, dass die Vorteile der bekannten Klebeverbindung
zwischen der Isolierglasscheibe und dem Profilrahmen genutzt werden können, ohne
deren Nachteile beim Auswechseln der Isolierglasscheibe in Kauf nehmen zu
müssen. Als Lösung wird vorgeschlagen, dass eine Klebstoffschicht die Isolierver-
glasung nur an der den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden
Umfangsfläche im Falz befestigt, und dass im Bereich der der Falzfläche zugekehr-
ten Deckscheibe der Isolierverglasung mit Abstand vor der Falzfläche ein in
Umfangsrichtung verlaufender Begrenzungssteg für die Klebstoffschicht vorgesehen
ist.

Zu einer solchen Lösung konnte keine der entgegengehaltenen Druckschriften allein
oder in einer Zusammenschau mit weiteren Druckschriften und dem Wissen und
Können des Durchschnittsfachmanns einen Hinweis oder eine Anregung geben.

a) Als nächstliegender Stand der Technik ist die Druckschrift E9 anzusehen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 28. Januar 2016 den Anspruch 1 in
einer gegen diese Druckschrift abgegrenzten Fassung für rechtsbeständig angese-
hen. Der angegriffene Anspruch 1 wurde dadurch beschränkt, dass die die Isolier-
verglasung im Falz befestigende Klebstoffschicht nur an der den Stirnflächen der
Isolierverglasung gegenüberliegenden Umfangsfläche ausgebildet ist. Durch diese
Einschränkung steht dem Streitgegenstand jedenfalls eine Ausführungsform, wie sie
in Figur 15 der Schrift E9 dargestellt ist, nicht patenthindernd entgegen.

In E9 sind nur Ausführungsformen eines Flügels dargestellt und beschrieben, bei
denen die Isolierverglasung durch eine Verklebung an einer Seitenfläche und an der
Stirnseite der Isolierverglasung im Rahmen fixiert wird (Spalte 12, Zeilen 29 bis 40).
Der Klebstoff wird als „struktureller“ Versiegelungskitt (Spalte 12, Zeilen 36 bis 37)
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bezeichnet. Als „strukturell“ wird eine Verklebung oder Versiegelung bezeichnet,
durch die eine (Isolierglas-) Scheibe und ein Rahmen zu einem formstabilen Flügel
verbunden werden. Die Verklebung übernimmt dabei eine tragende Funktion. Bei
einstückigen Profilen 33, wie sie in den Figuren 9 bis 15 dargestellt sind, hat der
umfängliche Kittstreifen 15 lediglich eine Positionierungs- und Dichtigkeitsaufgabe zu
erfüllen (Spalte 16, Zeilen 55 bis 58).

In den Erläuterungen zu Figur 15 - der einzigen Figur, bei der mit dem beanspruch-
ten Steg vergleichbare Stege an der den Stirnflächen der Isolierverglasung
gegenüberliegenden Umfangsflächen des Falzes dargestellt sind - wird angegeben,
dass für den Verankerungssitz 41 selbstverständlich gelten solle, was auch in Bezug
auf den ersten Verankerungssitz 34 ausgeführt worden sei (Spalte 17, Zeilen 36
bis 42). Unmittelbar über dieser Textstelle wird für den Verankerungssitz 34 darge-
legt, dass der innere Kittstreifen 16 als solcher in den Verankerungssitz direkt
eingeführt wird (Spalte 17, Zeilen 25 bis 27). Der Durchschnittsfachmann schließt
aus dieser Angabe ohne weiteres, dass der Kittstreifen ausreichend fest und form-
stabil sein muss, damit er seinen Querschnitt beibehält, wenn er in den Veran-
kerungssitz 34 eingeführt bzw. eingeschoben wird. Dasselbe gilt dann auch für den
Kittstreifen 15 an der Stirnseite. Auch die Darstellungen in den Figuren 5, 7, 8, 10, 13
und 14 zeigen Kittstreifen, die nicht verformt sind, obwohl die abgekröpften
Flansche 17 keinen Verankerungssitz 41 aufweisen.

Der Verankerungssitz ist also offensichtlich nicht notwendig, um ein Ausbreiten des
Kitts in den Raum zwischen der Umfangsfläche und der Stirnfläche der Isolierver-
glasung und ggf. bis zur Falzfläche zu verhindern. Weder die Beschreibung noch die
Figuren geben also einen Hinweis, einen Verankerungssitz als Begrenzungssteg für
die Klebstoffschicht einzusetzen.

Aus dem gesamten Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung E9 ergibt sich somit für
den Durchschnittsfachmann kein Hinweis, die Isolierverglasung mit einer Klebstoff-
schicht nur an der den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden
Umfangsfläche zu befestigen. Auch erhält er, da der dargestellte Klebstoff sich nicht
ausbreitet, keinen Hinweis, einen Begrenzungssteg für die Klebstoffschicht vorzu-
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sehen. Aus dem dargestellten Profil lässt sich auch nicht ableiten, den Begren-
zungssteg im Bereich der der Falzfläche zugekehrten Deckscheibe der Isolier-
verglasung mit Abstand vor der Falzfläche anzuordnen, da der dargestellte
abgekröpfte Flansch 17 so am Profilrahmen angesetzt ist, dass er keine Falzfläche
ausbildet.

b) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung hat die Entgegenhaltung
E14 dem Durchschnittsfachmann es nicht nahe gelegt, auf eine Verklebung der
Isolierglasscheibe an der Seitenfläche der Scheibe zu verzichten und eine Klebever-
bindung nur an deren Stirnseite vorzusehen. Bei dem in E14, Spalte 9, Zeilen 1 bis 7,
beschriebenen Ausführungsbeispiel wird die Verklebung 35 durch einen Spannanker
ersetzt, der die strukturelle Verbindung von Scheibe und Rahmen herstellt. Die
Silikonfuge 37 übernimmt nicht diese Funktion, vielmehr bleibt sie auch bei dieser
Variante nur eine Versiegelung. Die Schrift E14 konnte dem Durchschnittsfachmann
daher nicht den Hinweis geben, dass eine stirnseitig an der Isolierverglasung
angebrachte Klebstoffschicht zur Befestigung der Isolierverglasung im Falz ausreicht.

Darüber hinaus kann die in allen Figuren der Druckschrift E14 dargestellte Versie-
gelungs-Anschlagmasse 36 für die Silikonfuge 37 keine Anregung dazu vermitteln,
einen Begrenzungssteg vorzusehen. Zwar erfüllt sie den gleichen Zweck wie dieser,
nämlich eine in einen Spalt eingebrachte zähfließende Masse, hier die Silikonfuge,
am weiteren Vordringen in dem Spalt zu hindern. Die Versiegelungs-Anschlag-
masse 36 wird aber offensichtlich erst nach dem Zusammenbau von Scheibe und
Rahmen eingebracht, da die Isolierglasscheibe im Rahmen verklotzt wird (Spalte 8,
Zeilen 18 bis 23). Die Ausbreitung der Versiegelungs-Anschlagmasse 36 selbst wird
nicht durch konstruktive Maßnahmen begrenzt.

c) Auch die Druckschriften E23a/E23b konnten dem Durchschnittsfachmann keine
Anregung zur Gestaltung eines Flügels mit einem Begrenzungssteg geben. Wie
schon bei der Neuheitsprüfung festgestellt, zeigen sie lediglich in Figur 16 einen
Abstandshalter 81, durch den ein direkter Kontakt zwischen dem Glas und den
Rahmenprofilen vermieden werden soll. Eine weitere Funktion des Abstandshalters
ist nicht beschrieben. Es ist auch nicht dargelegt, auf welche Weise das eine starke
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Adhäsionskraft aufweisende Klebemittel 67 in die Fuge zwischen Rahmen und
Isolierglasscheibe eingebracht wird. Daher wird der Fachmann nicht darauf hinge-
wiesen, den elastischen Abstandshaltern 81, die den direkten Kontakt zwischen Glas
und Profilen vermeiden sollen (Seite 18, Zeilen 34 bis 36), eine weitere Funktion i. S.
einer Begrenzung für die Ausbreitung des Klebstoffs 67 zukommen zu lassen.

Die von der Klägerin zitierte Passage aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom
28. Januar 2016 (dort Abs. 12), wonach ein Durchschnittsfachmann, der einen Steg
als Barriere vorsehen würde, diesen Steg so herstellen würde, „dass er die nötige
Konsistenz und Formstabilität aufweist, um…eine wirkungsvolle Sperre für
den…Klebstoff abzugeben“, erlaubt nicht den Rückschluss darauf, dass jede
Barriere, wie etwa der hier verwendete Streifen 81, als Steg anzusehen ist oder die
Ausbildung eines Stegs nahelegt. Die elastischen Abstandshalter sind bei
E23a/E23b für eine andere Aufgabe vorgesehen; sie dienen als elastische Zwischen-
lage, die die Scheibe vor lokalen Spannungsspitzen schützen soll. Das Streitpatent
hingegen offeriert eine Lösung, mit der das Austreten von Klebstoff aus dem
stirnseitigen Falzraum zu einem Zeitpunkt verhindert werden soll, zu dem die bereits
im Rahmen liegende Scheibe mit dem Rahmen konstruktiv verklebt wird.

Somit war der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner jetzt gültigen Fassung
dem Durchschnittsfachmann am Prioritätstag durch die von der Klägerin genannten
Entgegenhaltungen nicht nahegelegt.

III.

Nachdem sich Patentanspruch 1 des Streitpatents in der durch das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016 abgeänderten Fassung als patentfähig
erweist, gilt dies auch für die auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6.
Das Patent ist somit im gesamten Umfang seiner jetzt gültigen Fassung
bestandsfähig, weshalb die Klage, soweit sie von den Parteien nicht für erledigt
erklärt wurde, abzuweisen war.

- 16 -

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1,
§ 91a Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit über-
einstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten insoweit - entsprechend
des Umfangs der im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016
ausgesprochenen Teilvernichtung des Streitpatents - den Beklagten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 ZPO.

V.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der
Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt
unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt
mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit
dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht
verlängert werden.

- 17 -

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.


Rauch Hildebrandt Küest Dr. Schnurr Dr. Großmann

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