6. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 21.03.2012, 6 AZR 596/10.
Karar Dilini Çevir:
6. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 21.03.2012, 6 AZR 596/10.
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 6 AZR 601/10 14 Sa 20/10 Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes! Verkündet am 21. März 2012 URTEIL Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagter, Berufungskläger und Revisionskläger, pp. Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 21. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Spelge, den Richter - 2 - 6 AZR 601/10 - 3 - am Bundesarbeitsgericht Mestwerdt sowie den ehrenamtlichen Richter Klapp-roth und die ehrenamtliche Richterin Döpfert für Recht erkannt: 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 18. Mai 2010 - 14 Sa 20/10 - aufge-hoben. 2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 13. Januar 2010 - 13 Ca 77/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen. 3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aufgrund eines Inte-ressenausgleichs ohne Namensliste erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Der Kläger war seit 1981 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvor-gängerin beschäftigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim - Insolvenzgericht - vom 1. Oktober 2009 (- 4 IN 353/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser informierte den bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat noch am selben Tag über die geplante Entlassung der zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten 96 Arbeitnehmer. Am 8. Oktober 2009 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich ohne Namensliste. Dessen § 4 Abs. 3 hält fest: „Die gemäß § 17 Abs. (2) KSchG erforderlichen Auskünfte wurden dem Betriebsrat am 01.10.2009 von dem Insol-venzverwalter erteilt. Der Betriebsrat sieht abschließend keine Möglichkeiten, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. (2) KSchG ist somit abgeschlossen.“ 1 2 - 3 - 6 AZR 601/10 - 4 - Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 erstattete der Beklagte gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit Massenentlassungsanzeige. Er wies sowohl in dieser Anzeige als auch im Anschreiben an die Agentur für Arbeit auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hin. Diesem Anschreiben fügte er ua. das Formular der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG bei. Nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 ordent-lich zum 31. Januar 2010. Mit seiner am 26. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht Mannheim einge-gangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung mit der Auffas-sung, der Beklagte habe seine Pflichten aus § 17 KSchG verletzt. Er hat bestrit-ten, dass der Massenentlassungsanzeige vom 8. Oktober 2009 der Interessen-ausgleich vom selben Tag beigefügt gewesen sei. Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Prozesspar-teien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Oktober 2009 beendet wurde, sondern über den 31. Januar 2010 hinaus ungekündigt fortbesteht. Der Beklagte hat zur Begründung seines Begehrens auf Klageabwei-sung die Auffassung vertreten, die Übersendung der in den Interessenausgleich integrierten Stellungnahme des Betriebsrats an die Agentur für Arbeit habe den gesetzlichen Anforderungen genügt. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG schreibe für die Stellungnahme keine besondere Form vor. Einer gesonderten Stellungnahme habe es deshalb nicht bedurft. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der durch den Se-nat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter. 3 4 5 6 7 - 4 - 6 AZR 601/10 - 5 - Entscheidungsgründe Die Revision des Beklagten ist begründet. Seine Kündigung vom 12. Oktober 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Januar 2010 beendet. I. § 17 KSchG steht der Kündigung nicht entgegen. Das Landesarbeitsge-richt hat rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG angenommen. 1. Eine Verletzung der Konsultationspflicht gemäß § 17 Abs. 2 KSchG hat der Kläger nicht gerügt (vgl. zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 KSchG BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 31). 2. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG, die uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter gilt (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 29), als solche liegt nicht vor. Das Lan-desarbeitsgericht hat bindend festgestellt, dass der Beklagte der örtlichen Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 die Massenentlassung angezeigt hat und dieses Schreiben dort spätestens am 12. Oktober 2009 vor Erklärung der streitbefangenen Kündigung eingegangen ist. 3. Der Beklagte hat der Anzeige auch - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Dafür genügte die Beifügung des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009, in dem der Betriebs-rat unter § 4 Abs. 3 zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stel-lung genommen hatte. a) Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Anzeige der Massenentlassung gegen-über der örtlichen Agentur für Arbeit beizufügen. Haben Betriebsrat und Arbeit-geber einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser 8 9 10 11 12 13 - 5 - 6 AZR 601/10 - 6 - gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats. In einem sol-chen Fall genügt also die Beifügung des Interessenausgleichs mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Dies gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratun-gen mit dem Arbeitgeber enthalten sind. b) Ein Interessenausgleich ohne Namensliste, wie er im vorliegenden Fall vereinbart worden ist, kann zwar mangels gesetzlicher Anordnung die Stellung-nahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen. Die Stellungnahme des Betriebsrats wird nur in den Fällen des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG und des § 125 Abs. 2 InsO durch die Betriebsratsbeteiligung in anderen Zusammenhängen ersetzt (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 112). Mit Ausnahme dieser Fälle gibt der Betriebsrat eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG durch die Ausübung anderer betriebsverfassungsrechtlicher oder sonstiger Rechte nicht ab. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Ersetzung der Stellungnahme durch einen Interessenausgleich ohne Namensliste, sondern darum, ob eine in einen Inte-ressenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt oder ob dafür eine separate Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument erforderlich ist. c) § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt keine Stellungnahme des Betriebs-rats in einem eigenständigen Dokument. aa) Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ergibt sich allerdings nicht, welche Anforderungen an die beizufügende Stellungnahme des Betriebs-rats zu stellen sind. Dem Wort „Beifügung“ lässt sich nur entnehmen, dass es sich um eine verkörperte Erklärung handeln muss, nicht jedoch, ob diese in einem eigenständigen Dokument erfolgen muss. 14 15 16 - 6 - 6 AZR 601/10 - 7 - bb) Aus Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG folgt, dass eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen genügt. (1) Welchem Zweck die gesetzliche Anordnung, der Massenentlassungs-anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, dient, lässt sich nur in der Zusammenschau mit den Zwecken der Pflicht zur Konsultation des Be-triebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG und zur Erstattung einer Massenentlas-sungsanzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG ermitteln. (a) § 17 KSchG dient in Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL - dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Hauptziel der MERL ist im Hinblick auf die sozioöko-nomischen Auswirkungen von Massenentlassungen, solchen Entlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständi-gen Behörde vorangehen zu lassen (vgl. EuGH 15. Februar 2007 - C-270/05 - [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28, Slg. 2007, I-1499; 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 44, Slg. 2009, I-11621). Die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern erstreckt sich auf die Möglichkeit, Massenent-lassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern (vgl. EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodrí-guez Mayor] Rn. 43, aaO; 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337). Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigun-gen der Entlassenen zu sorgen (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). (b) Ausgehend von diesen Zielen soll die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige gegen-über der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, 17 18 19 20 - 7 - 6 AZR 601/10 - 8 - die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Sie soll zugleich belegen, dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). Schließlich soll das Beifü-gungserfordernis verhindern, dass der Arbeitgeber eine für ihn ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit verschweigt, um eine für ihn günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 111). (2) Diesen Zwecken genügt eine in den Interessenausgleich integrierte abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, die erkennen lässt, dass sie sich auf die angezeigten Kündigungen bezieht (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2; Grau/Sittard BB 2011, 1845, 1850; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32; jeweils mit Formulierungsvorschlag: Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 921; Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 239 f.; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073). Das gilt umso mehr, als die Unterrichtungspflichten aus § 111 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG weitgehend übereinstimmen. Die Ver-fahrensregelungen der §§ 111 ff. BetrVG gewährleisten eine umfangreiche Information des Betriebsrats und ernsthafte Beratungen über Alternativlösungen iSd. MERL (vgl. BAG 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 107, 318; 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 110, 122; ausführlich Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbetei-ligung bei Massenentlassungen S. 166 bis 169; vgl. auch Krieger/Ludwig aaO; Mückl aaO; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 915; Schramm/Kuhnke aaO). Mit seiner Unterschrift unter einen solchen Interessenausgleich dokumentiert der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschlie-ßend und bringt zum Ausdruck, dass er das Konsultationsverfahren als abge-schlossen ansieht. Verlangte man vom Arbeitgeber, sich für die Massenentlas-sungsanzeige vom Betriebsrat zusätzlich zu dessen bereits in den Interessen-ausgleich aufgenommener Stellungnahme diese in einem gesonderten Schrei-ben wiederholen zu lassen oder die Stellungnahme aus dem Interessenaus-gleich herauszukopieren und auf einem Extrablatt auszudrucken, wäre dies ein überflüssiger Formalismus. Ein größerer Erkenntniswert oder Informationsge- 21 - 8 - 6 AZR 601/10 - 9 - winn für die Agentur für Arbeit wäre damit nicht verbunden (in diesem Sinn auch Bissels aaO). (3) Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Betriebsrat im Interes-senausgleich nicht die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte einseitige Stellungnahme abgeben könne. Beim Interessenausgleich handelt es sich nicht um einen zweiseitigen Vertrag, sondern um eine kollektive Vereinbarung be-sonderer Art, deren Rechtsqualität nicht abschließend geklärt ist (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - Rn. 27, BAGE 118, 131). In dieser Vereinbarung kann jede der Betriebsparteien einseitige Erklärungen abgeben, sei es der Arbeitgeber zu den Gründen der Betriebsänderung, sei es der Betriebsrat in Form der Stellungnahme zu der Anhörung nach § 102 BetrVG (vgl. APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 117a) oder zu der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG. cc) Das Argument des Landesarbeitsgerichts, dass es nicht Sache der Agentur für Arbeit sei, vom Arbeitgeber der Anzeige beigefügte, beliebige Unterlagen mit Erklärungen der Betriebspartner wie etwa einen Interessenaus-gleich daraufhin zu untersuchen, ob sich hieraus im Wege der Auslegung eine Stellungnahme des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ableiten lasse, überzeugt nicht. (1) Zum einen berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht, dass der Beklagte sowohl in der Massenentlassungsanzeige als auch im Begleitschrei-ben an die Agentur für Arbeit ausdrücklich auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hingewiesen und den Inhalt von § 4 des Interessenausgleichs im Anschreiben wörtlich wiedergegeben hatte. Die Agentur für Arbeit musste deshalb keineswegs die eingereichten Unterlagen auf eine ggf. darin enthaltene Stellungnahme des Betriebsrats untersuchen und erst recht nicht die Stellungnahme im Wege der Auslegung aus den eingereichten Unterlagen ableiten. Sie musste lediglich § 4 des als Anlage 4 der Anzeige beigefügten Interessenausgleichs berücksichtigen. Hätte der Beklagte als Anlage 5 der Massenentlassungsanzeige eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Massenentlassung beigefügt, wäre der Agentur 22 23 24 - 9 - 6 AZR 601/10 - 10 - für Arbeit kein geringerer Aufwand entstanden (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2). (2) Zum anderen gilt für die Entscheidung der Agentur für Arbeit über die Massenentlassungsanzeige nicht, wie das Landesarbeitsgericht anzunehmen scheint, der Beibringungsgrundsatz. Vielmehr unterliegt das dabei einzuhalten-de Verfahren neben den Regelungen des § 20 KSchG den allgemeinen sozial-verfahrens- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Be-stimmungen des SGB X (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 20 KSchG Rn. 19). Gemäß § 20 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Die Agen-tur für Arbeit hat also von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraus-setzungen der Anzeige erfüllt sind. Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Anzeige - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt ist. Bei Zweifeln muss die Agentur für Arbeit beim Arbeit-geber gemäß § 20 Abs. 3 KSchG rückfragen (vgl. Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 240). Entsprechend diesen gesetzlichen Anforderungen stellt die Agentur für Arbeit selbst in ihrer Praxis keine hohen Anforderungen an die Form der Stel-lungnahme (vgl. Nr. 17.33 der Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Dritten und Vierten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Stand Juli 2005 zu § 17 Abs. 3). d) Die in § 4 des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009 abgegebene Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. aa) Der Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 war der an die Agentur für Arbeit übersandten Massenentlassungsanzeige beigefügt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zwar nicht bindend iSv. § 559 Abs. 2 ZPO festgestellt. Diese Behauptung des Beklagten ist jedoch gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden und daher der Entscheidung zugrunde zu legen. (1) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen grundsätzlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige 25 26 27 28 29 - 10 - 6 AZR 601/10 - 11 - Gegner vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliede-rung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 1999, 1404). (2) Der Kläger hat die Beifügung des Interessenausgleichs zunächst zulässig einfach bestritten. Im Hinblick auf das daraufhin vom Beklagten vorge-legte Telefaxprotokoll seines Schreibens an die Agentur für Arbeit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren. Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung des Interessenausgleichs an die Agentur für Arbeit unstreitig geworden. bb) Der Betriebsrat hat im Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 eine eindeutige und abschließende Stellungnahme abgegeben. Der Erklärung in § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs, dass dem Betriebsrat die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte erteilt worden seien, dieser abschließend keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden, und das Konsultationsverfahren somit abgeschlossen sei, lassen sich drei Aussagen entnehmen. Erstens wird zum Ausdruck gebracht, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht. Zweitens enthält § 4 Abs. 3 des Inte-ressenausgleichs eine eindeutige Meinungsäußerung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen (für eine Auslegung in diesem Sinn auch: Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2). Drittens wird ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Mehr ist von einer Stellung-nahme iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zu verlangen. 4. Die zu I 3 c bb dargestellten Grundsätze zum Verständnis der MERL sind durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Euro-päischen Union geklärt, sodass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV nicht erforderlich war (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151). Der Senat 30 31 32 - 11 - 6 AZR 601/10 ist auch nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung auch in einen Inte-ressenausgleich ohne Namensliste integriert sein kann oder in einem separaten Dokument enthalten sein muss. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Unionsrechts. Die MERL enthält selbst keine Regelung, in welcher Form die Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung zu erfolgen hat. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu beantwortende Frage betrifft damit keine unionsrechtliche Fragestellung, son-dern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 48; zur Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte bei der Auslegung von Unionsrecht BVerfG 7. Juni 2011 - 1 BvR 2109/09 - Rn. 18 ff., ZLR 2011, 608; 24. Oktober 2011 - 2 BvR 1969/09 - Rn. 25 ff.). II. Weitere Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, sind nicht ersichtlich. III. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende des § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die Kündigungsfrist hat mit dem Zugang der Kün-digungserklärung und nicht erst mit dem Ende der Sperrfrist zu laufen begon-nen (vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 256). IV. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Fischermeier Spelge Mestwerdt Klapproth Döpfert 33 34 35

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