6. Senat - Leistungsklage aus Sozialplan bei Masseunzulänglichkeit
Karar Dilini Çevir:
6. Senat - Leistungsklage aus Sozialplan bei Masseunzulänglichkeit
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 6 AZR 785/08 15 Sa 2088/07 Landesarbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes! Verkündet am 21. Januar 2010 URTEIL Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger, pp. Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Bun-desarbeitsgericht Dr. Fischermeier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Spelge sowie die ehrenamt-lichen Richter Kapitza und Koch für Recht erkannt: - 2 - 6 AZR 785/08 - 3 - 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 2008 - 15 Sa 2088/07 - wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Leistungsklage auf Zahlung der Abfindung aus einem vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan. Über das Vermögen der Schuldnerin, deren Arbeitnehmer der Kläger war, ist am 1. Februar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Bereits im Eröffnungsbeschluss wurde das Vorliegen von Masseunzulänglichkeit festgestellt. Der Beklagte zeigte darüber hinaus mit Schreiben vom 7. Februar 2007, das am Folgetag beim Insolvenzgericht einging, Masseunzulänglichkeit an. Am 13. Februar 2007 vereinbarte er mit dem bei der Schuldnerin gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Am 19. März 2007 kündigte er das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 2007 rechtswirksam. Aus dem Sozialplan steht dem Kläger eine rechnerisch unstreitige Abfindung von 18.061,48 Euro brutto zu. Diesen Anspruch hat der Beklagte schriftlich fest-gehalten. Bereits in der Klageerwiderung hat er erklärt, er werde den von ihm vereinbarten Sozialplan nach Maßgabe der Insolvenzordnung ordnungsgemäß berücksichtigen. Mit der am 22. August 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nimmt der Kläger den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf Zahlung der Sozialplanabfindung in Anspruch. Hilfsweise begehrt er die Feststellung des Abfindungsanspruchs. 123- 3 - 6 AZR 785/08 - 4 - Der Kläger hat die Ansicht vertreten, in der hier vorliegenden Konstella-tion sei die Sozialplanforderung eine Neumasseverbindlichkeit iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Deswegen stehe ihr das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht entgegen. Aus der Regelung des § 210 InsO folge im Umkehrschluss, dass sämtliche Neumasseverbindlichkeiten mit der Leistungsklage verfolgt werden könnten. Dem stehe § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht entgegen. Aus einem Vollstreckungsverbot folge nicht zwangsläufig die Unzulässigkeit der Leistungs-klage. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, in jedem Fall sei eine Fest-stellungsklage zulässig. Der Kläger hat beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 18.061,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2007 zu zahlen, 2. hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger Massean-sprüche in Höhe von 18.061,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. Februar 2007 zustehen. Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vor-getragen, der Leistungsklage stünden die Vollstreckungsverbote des § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO sowie des § 210 InsO entgegen. Trotz ihrer Höherstufung zu einer Masseverbindlichkeit seien Sozialplanforderungen gegenüber sonstigen Masseverbindlichkeiten nachrangig. Die Feststellungsklage sei unzulässig. Er bestreite den Anspruch des Klägers nicht. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er gerade die Forderung des Klägers missachten werde. Vielmehr werde er als Insolvenzverwalter die Forderungen aus dem Sozialplan von Amts wegen unter Beachtung der gesetzlichen Rangfolge berücksichtigen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. 4567- 4 - 6 AZR 785/08 - 5 - Entscheidungsgründe Die Revision ist unbegründet. I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Leistungsklage als un-zulässig abgewiesen. 1. Forderungen aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplan sind gem. § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO Masseverbindlich-keiten, die nach § 53 InsO vorweg zu befriedigen sind. § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO bestimmt jedoch, dass eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung schlechthin unzulässig ist. Nach allgemeiner Auf-fassung in Rechtsprechung und Literatur fehlt deswegen einer Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen Forderungen aus einem von ihm verein-barten Sozialplan das erforderliche Rechtschutzbedürfnis, weil ein ent-sprechender Leistungstitel dauerhaft keine Vollstreckungsgrundlage wäre. Der Gläubiger ist auf den Weg der Feststellungsklage verwiesen (BAG 22. November 2005 - 1 AZR 458/04 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15; 31. Juli 2002 - 10 AZR 275/01 - BAGE 102, 82, 84; für das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO grundlegend BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1; weitere Nachw. zur Rspr. zu § 210 InsO siehe LAG Hamm 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 - Rn. 50; FK/InsO/Eisenbeis 5. Aufl. § 123 Rn. 21; Ner-lich/Römermann/Hamacher InsO Stand Mai 2007 § 123 Rn. 43 f.; Braun/Wolf InsO 3. Aufl. § 123 Rn. 14; Linck in HK/InsO 5. Aufl. § 123 Rn. 26). Ob davon bei Streitigkeiten über die gleichmäßige Befriedigung von gleichrangigen Gläubigern eine Ausnahme zu machen ist (LAG Hamm 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 -; ablehnend Nerlich/Römermann/Hamacher InsO Stand Mai 2007 § 123 Rn. 44), kann dahinstehen. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier nicht vor. 2. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Beklagte den Sozial-plan nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbart hat. § 209 Abs. 1 Nr. 2 891011- 5 - 6 AZR 785/08 - 6 - InsO ist keine Spezialregelung, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit das in § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO enthaltene Vollstreckungsverbot verdrängt. Vielmehr hat § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO für Sozialplanansprüche aufgrund der in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO geregelten Berechnungsweise keine Bedeutung (BT-Drucks. 12/2443 S. 220). § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO setzen eine relative Obergrenze für die Erfüllung von Sozialplanansprüchen. Danach darf außer in den Fällen des Zustandekommens eines Insolvenzplans für die Berichtigung von Sozialplan-forderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne den Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Wird diese Grenze überschritten, sind die einzelnen Sozialplan-forderungen anteilig zu kürzen. Die tatsächliche Höhe der Sozialplanansprüche kann also erst dann festgestellt werden, wenn alle anderen Masseverbindlich-keiten berichtigt sind, denn erst dann lässt sich ein Drittel aus der fiktiven Teilungsmasse berechnen (Braun/Wolf InsO 3. Aufl. § 123 Rn. 12). Daraus folgt, dass im Falle der Masseunzulänglichkeit keine Sozialplanansprüche bestehen. Sozialplanforderungen können nicht berichtigt werden, weil die Masse schon nicht ausreicht, um alle Masseverbindlichkeiten und Massekosten gem. § 53 InsO vorweg zu berichtigen (MünchKommInsO/Löwisch/Caspers 2. Aufl. § 123 Rn. 69; Linck in HK/InsO 5. Aufl. § 123 Rn. 25). Sozialplan-ansprüche sind lediglich letztrangige Masseverbindlichkeiten, die bei der Ver-teilung nach § 209 InsO keinerlei Rolle spielen. Dazu bedarf es keiner aus-drücklichen Regelung in § 209 InsO. Dies folgt vielmehr unmittelbar aus den Vorschriften über die Kürzung der Sozialplanansprüche bei geringer Masse (BT-Drucks. 12/2443 S. 220; LAG Hamm 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 - Rn. 51; Uhlenbruck InsO 12. Aufl. § 209 Rn. 19; Linck in HK/InsO 5. Aufl. § 123 Rn. 24; FK/InsO/Kießner 5. Aufl. § 209 Rn. 11). Die Höherstufung der Sozial-planforderung von einer bevorrechtigten Konkursforderung (§§ 2, 4 Satz 1 SozPlKonkG iVm. § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KO) zu einer Masseverbindlich-keit hat die Rechtsstellung der Sozialplangläubiger somit nur formell verbessert und im Wesentlichen das Erfordernis zur Anmeldung und Feststellung von Sozialplanforderungen entfallen lassen (BT-Drucks. 12/2443 S. 154). 12- 6 - 6 AZR 785/08 - 7 - Die vom Kläger angeführte Literatur (Roth FS Gaul S. 573; Run-kel/Schnurbusch NZI 2000, 49; Kröpelin ZIP 2003, 2341) setzt sich mit den angeführten Folgen der in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO geregelten Be-rechnungsweise für die Berichtigung von Sozialplanforderungen bei Masse-unzulänglichkeit nicht auseinander und ist deshalb für seine Rechtsauffassung unergiebig. 3. Sozialplanansprüche aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglich-keit vereinbarten Sozialplan sind trotz der Regelung in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO nicht von vornherein wirtschaftlich wertlos. Die Anzeige der Masse-unzulänglichkeit, die gem. § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO bereits bei einer lediglich drohenden Unzulänglichkeit erfolgen kann, beruht auf einer Prognose des Insolvenzverwalters, deren Grundlagen sich nachträglich - etwa durch unver-hoffte Verwertung von Vermögensgegenständen oder Erfüllung von Forderun-gen des Schuldners - ändern können. Darauf hat die Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht hin-gewiesen. Entfällt dadurch die Masseunzulänglichkeit, kommt eine Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren in Betracht (zum Streitstand FK/InsO/Kießner 5. Aufl. § 208 Rn. 19 ff.; Landfermann in HK/InsO 5. Aufl. § 208 Rn. 24). II. Der Klage auf Feststellung des Abfindungsanspruchs fehlt das erforder-liche Feststellungsinteresse. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. 1. Allerdings hat der Erste Senat in seiner Entscheidung vom 22. November 2005 (- 1 AZR 458/04 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15) ausgeführt, dass der Gläubiger wegen der Unzulässigkeit der Leistungsklage auf den Weg der Feststellungsklage ver-wiesen sei und einer solchen Klage deshalb das Feststellungsinteresse nicht versagt werden könne. Damit sollte jedoch nur klargestellt werden, dass der Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegensteht (vgl. BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 541/02 - BAGE 107, 91, 92). Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt auch nicht daraus, dass der Sozialplananspruch als Masseverbindlichkeit nicht in einem den § 174 ff. InsO 13141516- 7 - 6 AZR 785/08 - 8 - entsprechenden Feststellungsverfahren festgestellt und nicht mit einem mit § 178 Abs. 3 InsO vergleichbaren Vollstreckungstitel verbunden ist (in diesem Sinn aber möglicherweise Oetker Anm. zu BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 541/02 - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 42 unter I 2). Auch Sozialplanansprüche können nur mit der Feststellungsklage verfolgt werden, wenn dem Recht des Gläubigers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Insolvenz-verwalter das Recht des Gläubigers ernstlich bestreitet, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. allgemein zum Feststellungsinteresse BAG 2. Dezember 1999 - 8 AZR 796/98 - zu I 3 b der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188; BGH 7. Februar 1986 - V ZR 201/84 - NJW 1986, 2507). Liegen diese Voraus-setzungen nicht vor, fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse. 2. Der Beklagte hat den Sozialplananspruch des Klägers weder vor-prozessual noch im gesamten Verfahren dem Grunde und der Höhe nach jemals in Frage gestellt. Der Kläger hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass der Beklagte gerade ihn gegenüber anderen Sozialplan-gläubigern benachteiligen wird. Im Gegenteil ist die Behauptung des Beklagten aus der Berufungserwiderung, er werde die Forderungen aus dem Sozialplan von Amts wegen unter Beachtung der gesetzlichen Rangfolge berücksichtigen, unwidersprochen geblieben. Der Umstand, dass der Beklagte dem Leistungs-begehren unter Hinweis auf die Vollstreckungsverbote der Insolvenzordnung entgegengetreten ist, bedeutet nicht, dass er sich etwa eines gegen Grund und Höhe dieses Anspruchs gerichteten Rechts berühmt. Der Feststellung des Abfindungsanspruchs bedarf der Kläger daher nicht (vgl. BGH 17. März 2005 - IX ZB 247/03 - zu III 2 der Gründe, ZIP 2005, 817; vgl. auch 9. Oktober 2008 - IX ZB 129/07 - Rn. 11, NJW-RR 2009, 59). 3. Das uneingeschränkte Festhalten an den genannten zivilprozessualen Anforderungen erscheint vorliegend um so mehr geboten, weil unnötige Fest-stellungsverfahren die Masse gefährden. Billigt man dem Sozialplangläubiger ohne jeglichen Anhaltspunkt dafür, dass seine Forderung nicht entsprechend den Regeln der Insolvenzordnung erfüllt werden wird, Anspruch auf einen Titel 1718- 8 - 6 AZR 785/08 zu, wird die Masse mit den dadurch entstehenden Prozesskosten belastet. Selbst wenn der Insolvenzverwalter die Forderung sofort anerkennt, trägt die Masse wegen der arbeitsrechtlichen Sonderregelung in § 12a ArbGG etwaige außergerichtliche Kosten des Insolvenzverwalters. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Fischermeier Brühler Spelge Kapitza Reiner Koch 19

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