6. Senat - Inkongruente Deckung - Zahlung über Konto der Ehefrau
Karar Dilini Çevir:
6. Senat - Inkongruente Deckung - Zahlung über Konto der Ehefrau
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 13. November 2014 Sechster Senat - 6 AZR 632/13 - I. Arbeitsgericht Hannover Urteil vom 24. Juli 2012 - 12 Ca 116/12 - II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen Urteil vom 27. Mai 2013 - - Für Nein Entscheidungsstichworte: Inkongruente Deckung - Zahlung über Konto der Ehefrau Bestimmung: InsO § 131 Abs. 1 Hinweis des Senats: (Teilweise) Parallelentscheidung zu führender Sache - 6 AZR 869/13 - - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 6 AZR 632/13 10 Sa 1136/12 Landesarbeitsgericht Niedersachsen Im Namen des Volkes! Verkündet am 13. November 2014 URTEIL Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionskläger, pp. Beklagter, Berufungskläger und Revisionsbeklagter, hat der Sechst e Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Spelge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Krumbiege l sowie d i e ehrenamtl i- chen Richter Sieberts und Steinbrück für Recht erkannt: - 2 - 6 AZR 632/13 - 3 - 1. Auf die Revision de s Klägers wird das Urteil des La n- desarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Mai 2013 - 10 Sa 1136/12 - aufgehoben. 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung un d Entsche i- dung, auch über die Kosten der Revision, an das La n- desarbeitsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Rückzahlung des dem Beklagten im W e- ge einer mittelbaren Zuwendung über das Konto der Ehefrau des späteren Schuldners gezahlten Nettoentgelts für März 2008 im Wege der Insolvenza n- fechtung. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das auf Eigenantrag des Schuldners vom 13. Mai 2008 am 27. Juni 2008 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des S chuldners, das am 20. Januar 2011 in ein Nachlass - insolvenzverfahren übergeleitet wurde. Der Beklagte war Arbeitnehmer des Schuldners, der im Frühjahr 2008 noch ca. 20 weitere Arbeitnehmer beschäfti g- te. Am 20. Februar 2008 trat der Schuldner zahlreiche Forderungen erfü l- lungshalber an seine Ehefrau ab, die der Kläger erfolgreich angefochten hat. Am 3. März 2008 leitete der frühere Geschäftspartner des Schuldners die Zwangsvollstreckung aus einem am 8. Februar 2008 geschlossenen Schulda n- erkenntnis über 820 .000,00 Euro, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, ein. Zuvor hatte er mit Schreiben vom 28. Februar 2008 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegenüber einem Drittschul d- ner erwirkt. Am 26. März 2008 wurde vom Geschäf tskonto des Schuldners, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit mehr als 150.000,00 Euro im Soll befand, 1 2 3 4 - 3 - 6 AZR 632/13 - 4 - ein Betrag von 100.000,00 privates Girokonto seiner Ehefrau überwiesen. Der Schuldner war nie Inhaber di eses Kontos und hatte seit Eröffnung im Jahr 1995 zu keiner Zeit Vollmacht über dieses Konto. Am 28. März 2008 überwies die Ehefrau des Schuldners ua. das Nettoentgelt des Beklagten für März 2008 von 3.560,57 Euro. Als Verwe n- ARCHIT EKTEN Nettoentgelt am 28. März 2008 e schri e ben. Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.560,57 E u- ro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2008 zu zahlen. Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vo r- getragen, die Zahlung habe keine inkongruente Deckung bewirkt . Bei dem Ko n- to der Ehefrau des Schuldners habe es sich um ein Geschäf tskonto des Schuldners gehandelt. Der Beklagte hat sich dabei auf Vollmachten berufen, durch die ihn die Ehefrau des Schuldners bevollmächtigt habe, Zahlungen für Architektenleistungen des Schuldners auf das Konto zu veranlassen, über das das Entgelt für M ärz 2008 gezahlt worden sei . Zudem liege ein Bargeschäft vor . Der Beklagte hat ferner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in Abrede g e- stellt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsg e- richt hat auf die Berufung die Klage abgewi esen. Es hat kongruente Deckung angenommen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision ve r- folgt der Kläger sein Begehren weiter. Entscheidungsgründe Die Revision hat Erfolg. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage des bisher fes t- gestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob der Anfechtung s- 5 6 7 8 - 4 - 6 AZR 632/13 - 5 - tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt ist. Dazu bedarf es noch der Feststellung des Landesarbeitsgerichts, ob der Schuldner im Zeitpunkt der a n- gefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) . I. Der Kläger hat die mittelbar über das Konto der Ehefrau des Schu l d- ners bewirkte Erfüllung des ( Netto - )E ntgelt anspruch s für März 2008 und damit eine Rechtshandlung des Schuldners angefochten. Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 ( - 6 AZR 869/13 - Rn. 12) ausg eführt. II. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe das Entgelt für März 2008 auf dem erfolgten Zahlungsweg beanspruchen können, weil nur eine geringfügige, die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigende A b- weichung vorliege, hält eine r revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie trägt dem Grundgedanken des § 131 InsO nicht hinreichend Rechnung. 1. Die Befriedigung erfolgte nicht in der geschuldeten Art und war damit inkongruent. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Se nat insoweit auf seine Ausführungen in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 ( - 6 AZR 869/13 - Rn. 14 bis 29) . Die weiteren Argumente des Beklagten geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. a) Der Einwand des Beklagten, das Konto der Ehef rau, über das das En t- gelt für März 2008 geflossen ist, sei als Geschäftskonto des Schuldners benutzt worden, trägt nicht. Die Vollmachten, auf die sich dieser Vortrag stützt, betreffen nicht das Konto der Ehefrau des Schuldners mit der Nr. 0 , über das das Entgelt des Beklagten für März 2008 gezahlt worden ist und das als Konto des Zahle n- den in dem vom Beklagten vorgelegten Kontoauszug ausgewiesen ist, sondern sind zugunsten des Kontos bei der Kreissparkasse O Nr. 1 und damit für ein anderes Konto erteilt. Unabhängig davon wäre das Privatko n to der Eh e frau selbst durch eine derartige Vollmachterteilung nicht zu dem Ko n to gewo r den, 9 10 11 12 - 5 - 6 AZR 632/13 - 6 - über das die Gehaltszahlungen üblicherweise erfol g ten . Die Erfü l lung wäre deshalb auch in diesem Fall nich t in der geschuldeten Art erfolgt. b) Inkongruenz liegt auch nicht nur dann vor, wenn gegen den Zahlung s- ungeschriebenes subjektives Tatbestandsmerkmal enthält § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO entgegen der Ansicht des Beklag ten nicht. Das hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 ( - 6 AZR 869/13 - Rn. 28) darg e- legt. Aus der vom Beklagten angeführten Bestimmung des § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO folgt nichts anderes. § 1 43 Abs. 1 Satz 2 InsO ist eine bloße Rechtsfo l- genverweisung (st . Rspr . seit BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 40) , die den Anfechtungsgegner nur hinsichtlich der Rechtsfolgen, nicht aber hi n- sichtlich der Anspruchsvoraussetzungen einem bösgläubige n Bereicherung s- schuldner gleich stellt . c) Schließlich ist eine Anfechtung nach § 131 InsO entgegen der Anna h- me des Beklagten nicht nur möglich, wenn eine Anfechtungsmöglichkeit auch bei einer Direktzahlung des Schuldners an den Gläubiger bestünde . Insoweit wird auf die Ausführungen in der Entscheidung des Senats vom 13. November 2014 ( - 6 AZR 869/13 - Rn. 24) Bezug genommen. Dem stehen die vom B e- klagten angeführten Ausführungen des Bundesgerichtshof s in seinem Urteil vom 16. November 2007 ( - IX ZR 194/04 - Rn. 25 , BGHZ 174, 228 ) nicht en t- gegen. Diese betreffen nicht das Vorliegen einer Inkongruenz, sondern die Fr a- ge, ob eine Rechtshandlung vorliegt, die sich als Leistung des Schuldners da r- stellt , und damit die Frage, wer Anfechtungsgegner ist. Dies macht de r letzte Satz der herangezogenen Passage deutlich. Zudem findet sich diese Passage im Rahmen der Prüfung, ob ein konkurrierende r , dem im dortigen Prozessve r- hältnis maßgeblichen Anfechtungstatbestand des § 134 InsO vorgehender A n- fechtungsanspruch des Streit helfers nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO gegen die dortige Beklagte als Anfechtun g sgegnerin be stehe . Die Inkongruenz ist bei beiden in Betracht kommenden Anfechtungstatbeständen nicht Tatbestandsv o- raussetzung. Dementsprechend wird diese Rechtsprechung i m einschlägigen d- 13 14 - 6 - 6 AZR 632/13 - 7 - (MünchKommIns O /Ka yser 3. Aufl. § 129 Rn. 34 und 35) . 2. Aufgrund der Inkongruenz der Deckungshandlung kommt dem Bekla g- ten das Barges chäftsprivileg des § 142 InsO nicht zugute. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 ( - 6 AZR 868/13 - Rn. 17 ff. ) au s- geführt. 3. Der Beklagte konnte erkennen, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte (vgl. zu dieser Voraussetzung BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 13 , BAGE 146, 323 ) . Die Zahlung erfolgte mit dem Zusatz III. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) . 1. Der Beklagte erlangte die inkongruente Deckung Ende März 2008 und damit im zweiten Monat vor dem am 13. Mai 2008 beim Insolvenzgericht eing e- gangenen Eigenantrag. Auch die erforderliche Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 InsO liegt vor. Das ergibt sich aus den Ausführungen des Senats in se i- ner Entscheidung vom 13. November 2014 ( - 6 AZR 869/13 - Rn. 32 bis 39) . 2. Der Anfechtbarkeit der Leistung stehen auch nicht die Erwägungen des Senats zum Erhalt eines Existenzminimums entgegen. Eine verfassungsko n- forme Auslegung der §§ 129 ff. InsO zum Schutz des Existenzminimums sche i- det in den Fällen der hier vorliegenden inkongruenten Deckung aus (vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 451/12 - Rn. 26 mwN; 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 43) . 3 . Der Rückforderungsanspruch ist nicht verwirkt. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom 13. November 2014 ( - 6 AZR 869/13 - Rn. 52 f.) verwiesen. 15 16 17 18 19 20 - 7 - 6 AZR 632/13 IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO) . Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu der für § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erforderlichen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners iSv. § 17 Abs. 2 InsO im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung getroffen. Dies wird es unter Beachtung der dazu ergangen en höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 23 ff. , BAGE 139, 235; BGH 7. November 2013 - IX ZR 49/13 - Rn. 11; 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12 - Rn. 7 ff.) nachzuh o- len haben und dabei auch darüber befinden müssen, ob es da s vom Kläger eingereichte Schiedsgutachten vom 3. August 2010 verwertet. Sollte es die Zahlungsunfähigkeit bejahen, wird es bei seiner Entscheidung über die Zinsen zu beachten haben, dass der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens dem geltend gemachten Zi nsanspruch nicht entgegensteht. Das bloße Ausschöpfen der Verjährungsfrist begründet keinen Rechtsmissbrauch (vgl. BAG 27. N o- vember 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 29 , BAGE 128, 317 ) . Es wird weiter berüc k- sichtigen müssen, dass der Rückgewähranspruch ab Insolven zeröffnung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Nach der gelte n- den Rechtslage entsteht das Anfechtungsrecht mit der Eröffnung des Inso l- venzverfahrens und wird zugleich der Rückgewähranspruch fällig, weil die I n- solvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (vgl. BGH 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04 - Rn. 20, BGHZ 171, 38) . Der Zinslauf des Zinsanspruchs (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) beginnt darum am Tag nach der Insol venzeröffnung (st. Rspr. seit BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 39 f.) . Fischermeier Spelge Krumbiegel Sieberts Steinbrück 21

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