6. Senat - Abweichung der Namensliste von der Auswahlrichtlinie - Wirksamkeit eines Punktesystems einer Auswahlrichtlinie
Karar Dilini Çevir:
6. Senat - Abweichung der Namensliste von der Auswahlrichtlinie - Wirksamkeit eines Punktesystems einer Auswahlrichtlinie
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 6 AZR 854/11 2 Sa 1975/10 Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes! Verkündet am 24. Oktober 2013 URTEIL Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagter, Berufungskläger und Revisionskläger, pp. Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Sechste Sena t des Bundesarbeitsgerichts am 24. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Ric h- terinnen am Bundesarbeitsgericht Gallner und Spelge sowie den ehrenamtl i- chen Richter Dr. Augat und die ehrenamtliche Richterin Peter für Recht erkannt: - 2 - 6 AZR 854/11 - 3 - 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Mai 2011 - 2 Sa 1975/10 - aufgehoben. 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entsche i- dung, auch über die Kosten der Revision, an das La n- desarbeitsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine auf b e- triebliche Gründe gestützte Kündigung aufgelöst wurde. Der 1970 geborene, unverheiratete Kläger war seit Oktober 1998 als Werkzeugmac her bei der Schuldnerin, der T GmbH & Co. KG, beschäftigt. Die Schuldnerin war ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren er öffnet und der Beklagte zum Insolven z- verwalter bestellt. Der Beklagte und der im Betrieb der Schuldnerin gebildete Betriebsrat schlossen am 10. Februar 2010 einen Interessenausgleich und einen Sozia l- plan. Der von beiden Betriebsparteien auf jeder Seite un terzeichnete Intere s- senausgleich lautet auszugsweise: II. Kündigungen/Freistellungen r- ber zu finden, mit dem in Kürze ein Kaufvertrag wirksam werden kann. Der Betriebserwerber ist jedoch nur in der Lage, das Ziel, den Standort H langfristig zu erhalten, zu erreichen, wenn hohe Einsparungen realisiert werden, um die Kosten dem tatsächlichen, um 30 % gesunkenen U m- e- schäftigungsstruktu r ist durch entsprechenden Persona l- abbau zu erreichen. 1 2 3 4 - 3 - 6 AZR 854/11 - 4 - Es wurde ein tatsächlicher Beschäftigungsbedarf für ca. 460 Arbeitsplätze am Standort H ermittelt. Die ursprüng lich in H bestehenden ca. 604 Arbeitsplätze wurden vor und in der Insolvenz, insbesonder e durch Auslaufen befristeter Arbeitsverträge, auf aktuell ca. 509 Arbeitsplätze reduziert. Der nun noch erforderliche Abbau von Arbeitsplätzen durch entsprechenden Personalabbau soll durch den Au s- spruch von 48 betriebsbedingten Beendigungskündigu n- gen nach Absc hluss eines ent sprechenden Interessenau s- gleichs erfolgen. Hinzu kommt, dass gegenüber zwei A r- beitnehmern verhaltensbedingte Kündigungen ausgespr o- chen werden bzw. worden sind, deren Arbeitsplätze (Pr o- duktionshelfer) ebenfalls nicht wieder besetzt werde n. 2. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat sind sich darüber einig, dass eine Fortführung des Geschäftsbetri e- bes nur möglich ist, wenn die Anzahl der Mitarbeiter auf etwa 460 reduziert wird. Daher ist es erforderlich, die Ar - beitsverhältnisse mit d en nachfolgend aufgeführten Mita r- beitern aus betriebsbedingten Gründen zum nächstzulä s- sigen Termin im Sinne des § 113 InsO zu kündigen. Die nachfolgende Auflistung stellt die Namensliste im Sinne von § 125 InsO dar. 44 St S 3. Der Betriebsrat wurde über die für die Sozialauswahl relevanten Merkmale aller Mitarbeiter der Gesellschaft u n- ter Vorlage von Personallisten unterrichtet. Die dem B e- triebsrat überreichten Personallisten enthalten unter and e- rem Angaben zur Person und zu den Soz ialdaten im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung). 4. Die Parteien haben nachstehende Auswahlrichtlinie gem. § 1 Abs. 4 KSchG i. V. m. § 95 BetrVG vereinbart, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind: Lebensalter Für jedes vollendete Lebensj ahr 1 Punkt Maximal 55 Punkte Betriebszugehörigkeit - 4 - 6 AZR 854/11 - 5 - Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit 1 Punkt Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit ab dem 11. Beschäftigungsjahr 2 Punkte Maximal 70 Punkte Unterhaltspflichten Verheiratet 8 Punkte Je Kind 4 Punkte Schwerbehinderung Schwerbehinderung im Sinne der §§ 85 ff. SGB IX bis zu einem Grad der Behinderung von GdB 50 oder Gleichste l- lung 5 Punkte je 1 weiterer Punkt pro 10 GdB mehr Als Stichtag für die Berechnung wurde der 01.02.2010 z u- grunde gelegt. III. Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG 1. Bei den Verhandlungen über den Interessenausgleich und der Erstellung der Namensliste lagen dem Betriebsrat die Sozialdaten im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG sämtlicher Arbeitnehmer vor. Mit der Erstellung der Namensliste ist gleichzeitig das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zur Kündigung der in der Namensliste genannten Arbei t- nehmer eingeleitet worden. Die Erörterungen, die zur E r- stellung der Namensliste geführt haben, sind gleichzeitig die förmlichen Informationen des Betriebsrats über d ie Kündigungsgründe gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Dies wurde dem Betriebsrat vor Beginn der Verhandlungen über den Interessenausgleich mitgeteilt. Der Betriebsrat hatte Gelegenheit, über die beabsichtigten Kündigungen zu beraten. Der Betriebsrat gibt folgende abschließende Stellungna h- me ab: Den Kündigungen widerspricht der Betriebsrat nicht. Der Betriebsrat betrachtet das Anhörungsverfahren damit als - 5 - 6 AZR 854/11 - 6 - abgeschlossen. IV. Information und Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 KSchG 1. D em Betriebsrat wurden im Sinne des § 17 KSchG die zweckdienlichen Auskünfte wie folgt erteilt: a) Gründe für die geplanten Entlassungen: Siehe Zi f- fer II. 1. dieses Interessenausgleichs b) Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbei t- nehmer: Siehe N amensliste in Verbindung mit der übe r- reichten Personalliste c) Zahl und Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer: Gemäß der überreichten Personalliste d) Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen we r- den sollen: Siehe Ziffer II. 2. dieses Interessenausgleichs e) Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen: L e- bensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung 2. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat haben die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern. 3. Der Betriebsrat gibt folgende Stellungnahme gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 ab: Der Betriebsrat hat sich ausführlich mit den geplanten En t- lassungen befasst und ist der Auffassung, dass die gepla n- ten E ntlassungen unvermeidbar sind, und sieht keine a n- dere Möglichkeit, damit zumindest die danach noch vo r- handenen Arbeitsplätze erhalten werden können. Der Kläger ist unter Nr. 44 der Namensliste benannt. In dem Intere s- senausgleich wurden 51 Vergleichsgruppen gebildet. Die Betriebsparteien bi l- deten für drei der 51 Vergleichsgruppen fünf Altersgruppen (bis 24 Jahre, 25 bis 34 Jahre, 35 bis 44 Jahre, 45 bis 54 Jahre, ab 55 Jahre) . Der Kläger war neben 21 weiteren Arbeitnehmern der Vergleichsg ruppe Nr. a- bis 44 Jahre an. Für die Vergleichsgruppe Nr. 10 waren folgende Kündigungen geplant: 5 - 6 - 6 AZR 854/11 - 7 - Altersgruppe Beschäftigte A r- beitnehmer Kündigungen Bis 24 Jahre 1 0 25 bis 34 Jahre 4 1 35 bis 44 Jahre 7 1 45 bis 54 Jahre 8 2 Ab 55 Jahre 2 0 Von den sieben Arbeitsverhältnissen der Vergleichs - und Altersgruppe des Klägers wurde nur sein Arbeitsverhältnis gekündigt. In seiner Vergleichs - und Altersgruppe wies der Kläger nach dem Punkteschema der Auswahlliste mit 51 Punkten zwei Sozialpunkte mehr als der Arbeitnehmer Y mit 49 Punkten auf. Der Beklagte zeigte mit Schreiben vom 11. Februar 2010 gegenüber der Agentur für Arbeit H die Entlassung von 48 Arbeitn ehmern an. Die Agen tur für Arbeit H teilte dem Beklagten unter dem 18. Februar 2010 mit, die angezei g- ten 48 Entlassungen könnten mit der geplanten Wirkung in der Freifrist durc h- geführt werden, die sich an die am 11. März 2010 endende Regelsperrfrist a n- schl ieße. Die Massenentlassungsanzeige sei am 11. Februar 2010 wirksam geworden. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schre i- ben vom 12. Februar 2010 zum 31. Mai 2010. Der Kläger hat sich mit seiner am 25. Februar 2010 beim Arbeitsge richt eingegangenen Klage gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Unterrichtung des Betriebsrats und die Massenentlassungsanzeige für nicht ordnungsgemäß gehalten. Die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft. Das folge schon daraus, dass der Beklagte mit seine m Kündigungsentschluss von der Auswahlrichtlinie a b- gewichen sei. Er habe nicht das Arbeit sverhältnis des Arbeitnehmers Y gekü n- digt, der nach dem Punkteschema sozial am stärksten gewesen sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass es erforderlich gewesen sei, Al tersgruppen zu bi l- den, um eine ausgewogene Personalstruktur zu erhalten oder zu schaffen. Weshalb nur für drei Vergleichsgruppen Altersgruppen gebildet worden seien, 6 7 8 9 - 7 - 6 AZR 854/11 - 8 - sei ebenso wenig ersichtlich. Ferner seien die Arbeitsverhältnisse vergleichb a- rer Arbeitne n- digt worden, obwohl die Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz genossen hä t- ten. Dabei handle es sich um die ehemaligen Auszubildenden B und Sh, die erst im Januar 2010 einen Arbeitsvertrag erhalten hätten. Auch der frühere Leiharbeitnehmer Bi habe erst im Dezember 2009 einen Arbeitsvertrag mit dem Beklagten geschlossen. Der Kläger hat zuletzt beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Februar 2010 nicht beendet wurde. 60 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffa s- sung vertreten, die soziale Auswahl sei objektiv nicht grob fehlerhaft. Ihm habe bei Abweichungen bis zu zehn Sozialpunkten nach dem übereinstimme nden Willen der Betriebsparteien ein Beurteilungsspielraum zugestanden, obwohl die Auswahlrichtlinie einen solchen nicht ausdrücklich erkennen lasse. Dieser Beu r- teilungsspielraum sei bei einem Abstand von nur zwei Sozialpunkten nicht überschritten. Die Bet riebsparteien hätten ferner angenommen, der Kläger sei aufgrund seiner Arbeitsleistung und Arbeitsmoral am ehesten entbehrlich g e- wesen. Dieser Umstand sei in den Interessenausgleichsverhandlungen erörtert worden. Die Altersgruppenbildung sei nicht zu beans tanden. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Lande s- arbeitsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Klage weiter abg e- wiesen wissen. 10 11 12 - 8 - 6 AZR 854/11 - 9 - Entscheidungsgründe Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte gegen die im Interessenausgleich enthaltene Auswahlrichtlinie verstoßen habe. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht da r- über entscheiden, ob die Kündigung wirksam ist. Das Berufungsurteil ist de s- halb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) . A. Der beklagte Insolvenzverwalter ist nac h wie vor passiv legitimiert. Es ist nicht festgestellt, ob und ggf. wann es nach Zugang der Kündigung zu einem Betriebsübergang kam. Selbst wenn der Betrieb der Schuldnerin veräußert worden sein sollte, wäre der Beklagte noch immer passiv legitimiert. Der b e- triebsveräußernde Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betrieb s- übergang gekündigt hat, bleibt für die gerichtliche Klärung der sozialen Rech t- fertigung der Kündigung auch nach dem Betriebsübergang passiv legitimiert. §§ 265, 325 ZPO sind in e inem solchen Fall entsprechend anzuwenden (vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 21; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 3 d der Gründe , BAGE 114, 362) . B. Der Senat kann aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließ end beurteilen, ob die Kündigung vom 12. Februar 2010 das Arbeit s- verhältnis der Parteien mit der dreimonatigen Frist des § 113 Satz 2 InsO zum 31. Mai 2010 beendete. I. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr . 1 InsO bejaht. Es hat auch zutreffend erkannt, dass die sozi a- le Auswahl der Arbeitnehmer nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Die Kündigung ist aufgrund einer B e- triebsänderung erfolgt. Der Kläger ist i n einem zwischen Arbeitgeber und B e- triebsrat vereinbarten Interessenausgleich namentlich bezeichnet. Es steht j e- 13 14 15 16 - 9 - 6 AZR 854/11 - 10 - doch noch nicht fest, ob die Kündigung vom 12. Februar 2010 den Vorgaben der § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genügt oder ob die Soz i- alauswahl grob fehlerhaft ist. 1. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 A bs. 1 Satz 1 InsO sind erfüllt. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. aa) Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG. (1) Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Pe r- sonalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG e r- reicht sind. Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschä f- tigten Arbeitnehmer. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1 , 4 BetrVG (st. Rspr., vgl. zB BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 17; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 17) . (2) Der Personalabbau überschritt hier die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war die im Betrieb H, in dem der Kläger tätig war, beschäftigte Zahl von 509 Arbeit - nehmern. In diesem Betrieb waren 48 Arbeitnehmer von den (beabsichtigten) Kündigungen betroffen, wie sich aus Nr. II 1 Abs. 4 Satz 3 des I nteressenau s- gleichs vom 10. Februar 2010 ergibt. Die Namen der 48 zu kündigenden A r- beitnehmer finden sich in der Namensliste, die in Nr. II 2 des Interessenau s- gleichs integriert ist. Die Mindestbeschäftigtenzahl von 500 Arbeitnehmern und der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG von mindestens 30 zu Entlassenden waren damit erreicht. 17 18 19 20 21 - 10 - 6 AZR 854/11 - 11 - bb) Die in den Interessenausgleichstext einbezogene und vom Beklagten und vom Betriebsrat unterzeichnete Namensliste weist den Namen des Klägers unter Nr. 44 aus. b) Der Kläger hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt. Er hat dazu nichts vorgebracht. Die Vermutung, dass die Kündigung betriebsbedingt ist, ist erst dann widerlegt, wenn der Arbeitnehmer substantiiert darlegt und im Bestrei tensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht besteht (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 25; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 17, BAGE 140, 169) . c) Der Kläger hat nicht behauptet , die Sachlage habe sich nach Zustand e- kommen des Interessenausgleichs wesentlich iSv. § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO geändert. Eine wesentliche Änderung der Sachlage ist nur anzunehmen, wenn im Kündigungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass die G eschäftsgrundlage entfallen ist. Das ist zu bejahen, wenn nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass beide Betriebsparteien oder eine von ihnen den Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Änderung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten (vg l. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 38; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 32) . Darauf hat sich der Kläger nicht berufen. 2. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann nicht angenommen werden, dass die soziale Auswahl grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist. a) Die soziale Auswahl kann nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhafti gkeit überprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und ihre relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich lediglich auf grobe Fehler überprüft werden. Die Sozialau swahl ist grob fehlerhaft, wenn ein ev i- denter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenau s- gleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (st. Rspr., vgl. für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 38 f ., 22 23 24 25 26 - 11 - 6 AZR 854/11 - 12 - BAGE 140, 169; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 21; s. auch BT - Drucks. 15/1204 S. 12) . Die getroffene Auswahl muss sich mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht en t- scheidend ist, ob das Auswahlverfahr en zu beanstanden ist (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 39 mwN, aaO) . b) Diesen Anforderungen wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht. aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte die Auswahlentscheidung zulasten des Klägers getroffen habe, obwohl er das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers Y hätte kündigen müssen, der zwei Sozialpunkte weniger aufgewiesen habe. Die im Interessenausgleich enthaltene, als Betriebsver einbarung einzuordnende Au s- wahlrichtlinie iSv. § 95 BetrVG lege die Auswahlkriterien als Rechtsnorm ve r- bindlich fest und lasse keine Ausnahmen zu. Die Betriebsparteien hätten ger a- de nicht nur eine Vorauswahl getroffen und dem Arbeitgeber die abschließende Beurteilung des Einzelfalls überlassen. Es komme daher nicht auf die abwe i- chende Bewertung der Betriebsparteien in der Namensliste des Interessenau s- gleichs vom 10. Februar 2010 an. bb) Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht alle we sentlichen Umstände. (1) Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei der in Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 enthaltenen Regelung um eine Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 V ar. 2 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, also um eine Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt. (a) Der Senat kann offenlassen, ob der gesamte Interessenausgleich in diesem besonderen Fall der Verbindung von Auswahlrichtlinie und Namensliste zugleich die Rechtsnatur einer Betr iebsvereinbarung aufweist. 27 28 29 30 31 - 12 - 6 AZR 854/11 - 13 - (aa) Die Betriebsparteien können einen Interessenausgleich einschließlich einer darin enthaltenen Auswahlrichtlinie auch als Betriebsvereinbarung schli e- ßen (vgl. zu einem solchen Fall BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 4, BAGE 128, 238; Lingemann/Beck NZA 2009, 577, 578) . (bb) Hier sind sowohl der Interessenausgleich als Gesamtheit der getroff e- nen Regelungen als auch die Auswahlrichtlinie und die Namensliste im Beso n- deren von beiden Betriebsparteien unterschrieben. Die Au swahlrichtlinie ist deswegen schon nach ihrem Wortlaut eine schriftformgerechte Betriebsverei n- barung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Sie bezeichnet sich selbst als Auswah l- richtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG iVm. § 95 BetrVG, nach der die sozialen G e- sichtspunk te bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Künd i- gungen zu werten sind. (b) Der Qualifikation von Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG iVm. § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht nicht entgegen, dass sich die Bestimmung auf eine konkrete Ma s- senkündigung bezieht. Ein Punkteschema für die soziale Auswahl ist auch dann eine nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtl i- nie, wenn der Arbeitgeber es nicht generel l auf alle künftigen betriebsbedingten Kündigungen, sondern nur auf konkret bevorstehende Kündigungen anwenden will (vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 32, BAGE 120, 115; 6. Juli 2006 - 2 AZR 442/05 - Rn. 30; grundlegend 26. Juli 2005 - 1 ABR 2 9/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 115, 239; abl. Lingemann/Beck Anm. AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 87 zu 4; Quecke RdA 2007, 335, 336 ff.) . (2) Es kann dahinstehen, ob die in Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 enthaltene Auswah lrichtlinie wirksam ist, obwohl sie neben den von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genannten sozialen Gesichtspunkten der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflic h- ten auch die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu beachtende Schwer behinderung und die Gleichstellung von Arbeitnehmern mit schwerbehinderten Menschen berücksichtigt. Das ist deshalb nicht unproblematisch, weil der Namensliste in Nr. II 2 des Interessenausgleichs zumindest in weiten Teilen die Auswahlrichtl i- 32 33 34 35 - 13 - 6 AZR 854/11 - 14 - nie in Nr. II 4 des Interessenausgleichs zugrunde liegt, die beiden Regelung s- komplexe also miteinander verknüpft sind. Jedenfalls dürfen zusätzliche Fakt o- ren über die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten Gesichtspunkte hinaus nicht berücksichtigt werden (vgl. BAG 12. Au gust 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46) . Sonst wird der gemilderte Prüfungsmaßstab der groben Fe h- lerhaftigkeit nicht ausgelöst (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 28, BAGE 120, 18) . Allenfalls kommt eine Ergänzung in der G e- wichtung der Grunddaten au s § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG in Betracht, wenn sich die ergänzenden Faktoren unmittelbar auf die Grunddaten beziehen (vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46) . Wird unterstellt, dass die Berüc k- sichtigung der Schwerbehinderung und der Gleichstellung d ie Wirksamkeit der Auswahlrichtlinie nicht hindert, ist nicht erkennbar, dass sie gegen Diskrimini e- rungsverbote des AGG verstößt oder in ihrer konkreten Ausgestaltung zu bea n- standen ist. (a) Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verfolgt das Ziel, ältere Arbeitnehmer, die typischerweise schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, besser zu schützen. Die damit verbundene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist unionsrecht skonform (vgl. näher BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 52 mwN; 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 24 ; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 48 ff. mwN, BAGE 140, 169) . (b) Die Auswahlrichtlinie ist unter der Voraussetzung, dass die Frage der von ihr berücksichtigten Schwerb ehinderung und der Gleichstellung dahing e- stellt bleibt, auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht zu beanstanden. (aa) Die Betriebsparteien haben dem Lebensalter kein unangemessen h o- hes Gewicht beigemessen. Dass sie die Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zum Alter ab dem elften Beschäftigungsjahr stärker gewichtet haben, ist mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar und wird vom Kläger nicht gerügt. (bb) Der Wirksamkeit des Punktesystems steht nicht entgegen, dass es ke i- ne abschließende Einzelfallbetrachtung des Beklagten vorsieht . Nach § 1 36 37 38 39 - 14 - 6 AZR 854/11 - 15 - Abs. 3 Satz 1 KSchG idF des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) muss der Arbeitgeber die im Gesetz au s- drücklich bezeichneten Grunddaten berücksichtigen. Ob er d arüber hinaus a n- dere Gesichtspunkte einbeziehen darf, ist dem Gesetz nicht unmittelbar zu en t- nehmen. Der Arbeitgeber braucht neben den im Gesetz vorgeschriebenen Kr i- terien jedenfalls keine weiteren Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ein Punkt e- system muss d eshalb keine individuelle Abschlussprüfung mehr vorsehen (vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 812/05 - Rn. 29 mwN, BAGE 120, 137) . (3) Wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Berücksichtigung der Schwerbehinderung und der Gleichstellung von Arbeitn ehmern für die Wir k- samkeit der Auswahlrichtlinie unschädlich ist, kommt ihr auch die Wirkung der § 1 Abs. 4 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu. Sie privilegiert den Arbeitg e- ber hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs. Ist in einer Betriebsvereinbarung iSv. § 9 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte im Ve r- hältnis zueinander zu bewerten sind, kann diese Gewichtung nach § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Sie ist grob fe h- lerhaft, wenn sie jede Ausgew ogenheit vermissen lässt, einzelne Sozialdaten also überhaupt nicht, eindeutig unzureichend oder mit eindeutig überhöhter B e- deutung berücksichtigt wurden . Darüber hinaus bindet sich der Arbeitgeber selbst an die in der Auswahlrichtlinie getroffene Bewertun g (vgl. BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 19) . (4) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch außer Acht gelassen, dass die Betriebsparteien die in der Auswahlrichtlinie vorgenommene Bewertung (tei l- weise) revidieren konnten, ind em sie nicht den Arbeitnehmer Y , sondern den Kläger in die Namensliste unter Nr. II 2 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 aufnahmen. (a) Die Betriebsparteien können Vereinbarungen über die personelle Au s- wahl bei späterer oder schon bei zeitgleicher Gelegenheit - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste - ändern. Setzen sie sich in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, ist die N a- mensliste zumindest dann maßgeblich, wenn Interessenausgleich und Au s- 40 41 42 - 15 - 6 AZR 854/11 - 16 - wah lrichtlinie - wie hier - von denselben Betriebsparteien herrühren (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 45, BAGE 140, 169; Lingemann/Rolf NZA 2005, 2 64, 2 68) . (b) Der Kläger hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass die Gewichtung der Sozialkriterien bei seiner Auswahl zur Kündigung anstelle des Arbeitnehmers Y im Auswahlerge b- nis grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO war. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit ist weder dargelegt noc h ersichtlich. Vielmehr weist der Arbei t- nehmer Y nur den verhältnismäßig geringfügigen Unterschied von zwei Punkten nach dem von der Namensliste insoweit aufgehobenen Punktesystem der Au s- wahlrichtlinie auf. Während auf den Kläger am Stichtag des 1. Februar 2010 51 Punkte entfielen, wies der Arbeitnehmer Y 49 Punkte auf. Solche geringfüg i- gen Unterschiede können eine grobe Fehlerhaftigkeit des Auswahlergebnisses iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO jedenfalls für sich genommen nicht begrü n- den (vgl. BAG 18. Okt ober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 49; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 28) . Das Gesetz räumt den Betriebsparteien sowohl in § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG als auch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO einen weiten Spie l- raum bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein (vgl. für § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32) . c) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die sozia le Auswahl im Hinblick auf das Auswah l- ergebnis der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist. aa) Das Landesarbeitsgericht wird Feststellungen zu der Frage der Ve r- gleichbarkeit der Arbeitnehmer B, Sh und Bi treffen müssen. Es wird aufgrund dieser Feststellungen zu würdigen haben, ob die Auswahl des Klägers im Ve r- hältnis zu diesen Arbeitnehmern im Ergebnis grob fehlerhaft ist, weil der au s- wahlrelevante Personenkreis offensichtlich zu eng gezogen w urde. 43 44 45 - 16 - 6 AZR 854/11 - 17 - bb) Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Prüfung der groben Fe h- lerhaftigkeit der Sozialauswahl davon auszugehen haben, dass die Sozialau s- wahl nicht unter Berücksichtigung der von den Betriebsparteien vereinbarten Altersgruppen vorzunehmen w ar. Die Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG war in der Vergleichsgruppe des Klägers nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten oder zu schaffen. (1) Entgegen der in den Vorinstanzen geäußerten Auffassung des Klägers ist eine Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht bereits de s- halb unzulässig, weil das Lebensalter als Auswahlkriterium berücksichtigt wird. Das ist unabhängig von einer Altersgruppenbildung durch § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgegeben. Die in § 1 Abs . 3 Satz 2 KSchG eröffnete Möglichkeit, die Auswahl zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur i n- nerhalb von Altersgruppen vorzunehmen, verstößt auch nicht gegen § 7 Abs. 1 und 2 iVm. §§ 1, 3 AGG sowie das unionsrechtliche Verbot der Alter sdiskrim i- nierung und seine Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (vgl. etwa BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 25; 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 28 ff.; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 46 ff., BAGE 140, 169) . (2) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG erlaubt iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO abweichend von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen, um eine ausgewogene Personalstruktur des Betriebs zu erha l- ten oder zu schaffen, wenn das im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. (a) § 1 Ab s. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht es dem Arbeitgeber - und über § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG oder § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO den Betriebsparte i- en - , bestimmte Arbeitnehmer im berechtigten betrieblichen Interesse von der Sozialauswahl auszunehmen (vgl. BT - Drucks. 15/1204 S. 11) . Danach ist es zulässig, dass der Arbeitgeber innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises Altersgruppen nach sachlichen Kriterien bildet, die prozentu a- le Verteilung auf die Altersgruppen feststellt und die Gesamtzahl der ausz u- sprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt. Folge ist, dass sich die Sozialauswahl iSv. § 1 Abs. 3 46 47 48 49 - 17 - 6 AZR 854/11 - 18 - Satz 1 KSchG nur in den Gruppen vollzieht und sich der Anstieg des Lebensa l- ters lediglich innerhalb d er jeweiligen Altersgruppe auswirkt. Das kann dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der wegen seines h ö- heren Lebensalters in eine höhere Altersgruppe fällt, zu kündigen ist, während ein jüngerer Arbeitnehmer mit im Übrigen gleichen S ozialdaten allein durch die Zuordnung zu einer anderen Altersgruppe seinen Arbeitsplatz behält (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 60 mwN, BAGE 140, 169; s. auch 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30; Krieger/Reinecke DB 2013, 1906, 1910) . Ein berechtigtes betriebliches Interesse ist nur anzunehmen, wenn die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung tatsächlich geeignet ist, eine ausgewogene Personalstruktur zu sichern (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 29 ) . (b) Na ch diesen Grundsätzen war die Altersgruppenbildung in Vergleich s- gruppe Nr. 10 e- rige Altersstruktur zu bewahren. Die Altersstruktur verschob sich in dieser Ve r- gleichsgruppe, weil die unterste und die höchste Altersgruppe nicht von Künd i- gungen betroffen waren (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 32) . (c) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Betriebsparteien vereinbaren können, die Altersstruktur zu verbessern (bejahend LAG Rheinland - Pfalz 11. März 2010 - 10 Sa 581/09 - zu II der Gründe; in dem anderen Zus ammenhang des legitimen Ziels iSv. § 10 Satz 1 und 2 AGG offengelassen von BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 49 f.) . Die Altersgruppenbildung in der Vergleichsgruppe des Kl ä- gers war nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur iSv. § 125 Abs. 1 S atz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO zu schaffen. (aa) Der Arbeitgeber muss, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ber u- fen will, zu den Auswirkungen und möglichen Nachteilen von Kündigungen für die Altersstruktur der Belegschaft und damit verbundenen möglichen Nac hteilen für den Betrieb konkret vortragen. 50 51 52 - 18 - 6 AZR 854/11 - 19 - (aaa) Der Gesetzgeber gibt eine Altersgruppenbildung in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zwingend vor. Er überlässt dem Arbeitgeber - bzw. ggf. den B e- triebsparteien - äumt dem A r- beitgeber bzw. den Betriebsparteien dabei einen Beurteilungs - und Gesta l- tungsspielraum ein. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhäl tnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen und möglichen Nachteile der Gruppenbildung deswegen im Einzelnen darlegen, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will (vgl. BA G 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BAGE 140, 169; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 23 ) . (bbb) Jedenfalls dann, wenn die Zahl der Kündigungen in einer Gruppe ve r- gleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Zahl aller Arbeitnehmer des B e- triebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen dem Arbeitgeber Erleichterungen zugute. In diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Intere s- se an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 28; 22. März 2012 - 2 AZR 167/1 1 - Rn. 30; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BAGE 140, 169; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54 , BAGE 128, 238 ) . (bb) Eine solche Indizwirkung scheidet im Streitfall aus. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG war zwar hinsichtlich der insgesamt zu en t- lassenden Arbeitnehmer über schritten. Die Gesamtbelegschaft von 509 Arbei t- nehmern wurde um 48 Arbeitnehmer verringert. Bezogen auf die Zahl von vier Arbeitsverhältnissen, die in der Vergleichsgruppe des Klägers zu kündigen w a- ren, war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 K SchG aber bei We i- tem nicht erreicht. Die Vergleichsgruppe weist weniger Kündigungen (vier) als Altersgruppen (fünf) auf (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 35) . (cc) Ob die Darlegung des berechtigten betrieblichen Interesses an einer Altersgruppe nbildung iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch dann zu erleichtern ist, wenn einer der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur im G e- samtbetrieb, aber nicht in der Vergleichsgruppe erreicht ist, kann auf sich ber u- 53 54 55 56 - 19 - 6 AZR 854/11 - 20 - hen. Die Altersgruppenbildung war hier j edenfalls nicht geeignet, eine ausg e- wogene Altersstruktur herbeizuführen (vgl. für die Sicherung der Altersstruktur BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 31; s. auch 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 29) . Der Beklagte ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. ( aaa) Er hätte zunächst vortragen müssen, welche konkrete Altersstruktur die Betriebsparteien schaffen wollten, dh. ob si e den Altersdurchschnitt senken oder erhöhen wollten. Zudem hätte der Beklagte die Gründe dafür nennen müssen. Schlagwortartige Bezeichn ungen genügen nicht. Sonst kann nicht überprüft werden, ob die Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerech t- fertigt ist (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50) . (bbb) Sollten die Betriebsparteien eine Verjüngung der Altersstruktur ang e- str ebt haben, hätte das die Kündigung einer überproportional hohen Zahl älterer Arbeitnehmer in den höheren Altersgruppen der Vergleichsgruppe Nr. 10 v o- rausgesetzt. Das ist weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal in dieser Ve r- gleichsgruppe die höchste Alter sgruppe der beiden Arbeitnehmer ab Volle n- dung des 55. Lebensjahres nicht von Kündigungen betroffen war. (3) Sind danach die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bi l- dung von Altersgruppen nicht erfüllt, hatte die Sozialauswahl ohne Rücksicht auf Altersgruppen zu erfolgen. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob die soziale Auswahl dennoch im Auswahlergebnis nicht grob fehl erhaft ist. Die getroffene Auswahl muss sich gerade mit Blick auf den klagenden Arbei t- nehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, dass das Auswahlverfahren zu beanstanden ist. Ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem ric htigen - nicht grob fehlerhaften - Auswahlergebnis führen (vgl. zB BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 34; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19 ) . II. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Revision kann nicht nach § 561 ZPO zurückgewiesen werden. Das Lan desarbeitsgericht hat - nach seinem Lösungsweg konsequent - keine Fes t- 57 58 59 60 - 20 - 6 AZR 854/11 stellungen getroffen, die es dem Senat erlauben zu beurteilen, ob die Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) und die Massenentlassungsanzeige des B e- klagten (§ 17 KSchG) ordnungsgemäß w aren. Der Kläger hat diese formellen Unwirksamkeitsgründe gerügt. 1. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner Prüfung zu beachten haben, dass der Arbeitgeber die Pflichten aus §§ 111, 102 Abs. 1 BetrVG und § 17 Abs. 2 KSchG gleichzeitig erfüllen kann. Er muss dabei hinreichend klarstellen, welche Verfahren durchgeführt werden sollen (vgl. nur BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47 mwN) . 2. Aus Nr. II 3, Nr. III 1 Abs. 1 und Nr. IV 1, 2 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 geht ausdrücklic h hervor, dass mit dem Interessenau s- gleichsverfahren zugleich die Unterrichtungspflichten aus § 102 Abs. 1 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sowie die Beratungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erfüllt werden sollten. Fischermeier Gallner Spelge Augat Cl. Peter 61 62

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