6 Ni 71/16 (EP) - 6. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

6 Ni 71/16 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
14. November 2017





In der Patentnichtigkeitssache




- 2 -
betreffend das europäische Patent 0 868 002
(DE 698 40 309)

hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 14. November 2017 durch die Vorsitzende Richterin Friehe so-
wie die Richter Schwarz, Dipl.-Ing. J. Müller, Dipl.-Ing. Matter und
Dipl.-Phys. Dr. Haupt

f ü r R e c h t e r k a n n t :

I. Das europäische Patent 0 868 002 wird für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


T a t b e s t a n d

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 868 002
(Streitpatent), das am 5. März 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der
schwedischen Anmeldung 9701066 vom 24. März 1997 angemeldet wurde.

Das am 10. Dezember 2008 veröffentlichte Streitpatent trägt die Bezeichnung „A
plant for transmitting electric power“, in der deutschen Übersetzung „Anlage zur
elektrischen Kraftübertragung“, und umfasst in der erteilten Fassung 6 Patentan-
sprüche, die mit der Nichtigkeitsklage vom 28. November 2016 in vollem Umfang
angegriffen werden.

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Die erteilten Patentansprüche 1 und 6 lauten in der Verfahrenssprache Englisch:

1. A plant for transmitting electric power between a direct volt-
age network (1) for High Voltage Direct Current (HVDC) in-
cluded therein and at least two alternating voltage networks
(6, 7) connected thereto through a station (4, 5) each, said
stations being adapted to perform transmitting of electric
power between the direct voltage network and the respective
alternating voltage network, said plant being of the type with
possibility to feed electric power through the direct voltage
network in both directions between the stations,
characterized by the combination of on one hand the ar-
rangement of at least one voltage-stiff converter, i.e. a VSC-
converter (8, 9), in each station for converting direct voltage
to alternating voltage and conversely, and on the other the
arrangement of at least one cable (2, 3) with an insulating
layer (12) of polymer base surrounding the conductor (11)
thereof for forming the direct voltage network interconnecting
the stations, in which said at least one VSC- converter is
adapted to control changes of said feeding direction of elec-
tric power through the direct voltage network without polarity
change of said conductor by changing the direction of the
current through said cable.

6. A use of a cable (2, 3) having an inner conductor (11) for
electricity and an insulating layer (12) of polymer base sur-
rounding the conductor for forming the direct voltage network
interconnecting the stations (4, 5) in transmitting of electric
power through High Voltage Direct Current (HVDC), in which
each station has at least one voltage-stiff converter, i.e. a
VSC- converter (8, 9), for converting direct voltage to alter-
nating voltage and conversely, in which the stations are in-
- 4 -
cluded in a plant of the type with possibility to feed electric
power through the direct voltage network in both directions
between the stations, and which said at least one VSC- con-
verter is adapted to control changes of said feeding direction
of electric power through the direct voltage network without
polarity change of said conductor by changing the direction
of the current through said cable.

In deutscher Übersetzung laut Streitpatentschrift lauten sie:

1. Anlage zum Übertragen von elektrischer Energie zwischen
einem darin enthaltenen Gleichspannungsnetz

(1) für Hochspannungsgleichstrom (HVDC) und wenigs-
tens zwei Wechselspannungsnetzen (6, 7), welche mit
diesem jeweils durch eine Station (4, 5) verbunden sind,
wobei die Stationen angepasst sind, das Übertragen von
elektrischer Energie zwischen dem Gleichspannungsnetz
und dem jeweiligen Wechselspannungsnetz durchzufüh-
ren, wobei die Anlage von der Art ist, die das Zuführen
von elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz
in beide Richtungen zwischen den Stationen ermöglicht,
gekennzeichnet durch die Kombination aus, einerseits,
der Anordnung wenigstens eines spannungsstabilen Um-
richters, d.h. eines VSC-Umrichters (8, 9), in jeder Sta-
tion zum Umwandeln von Gleichspannung in Wechsel-
spannung und umgekehrt, und, andererseits, der Anord-
nung wenigstens eines Kabels (2, 3) mit einer isolieren-
den Schicht (12) mit Polymerbasis, welche den Leiter
(11) desselben umgibt, zum Bilden des
Gleichspannungsnetzes, welches die Stationen mitei-
nander verbindet, wobei der wenigstens eine VSC-Um-
- 5 -
richter angepasst ist, Änderungen der Zufuhrrichtung
elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz
ohne Polaritätsänderung des Leiters durch Ändern der
Richtung des Stroms durch das Kabel zu steuern.

6. Verwendung eines Kabels (2, 3), welches einen inneren Lei-
ter (11) für Elektrizität und eine isolierende Schicht (12) mit
Polymerbasis aufweist, welche den Leiter umgibt, um das
Gleichspannungsnetz zu bilden, welches die Stationen (4, 5)
miteinander verbindet, beim Übertragen von elektrischer
Energie durch Hochspannungsgleichstrom (HVDC), wobei
jede Station wenigstens einen spannungsstabilen Umrichter,
d. h. einen VSC-Umrichter (8, 9), zum Umwandeln von
Gleichspannung in Wechselspannung und umgekehrt auf-
weist, wobei die Stationen in einer Anlage derjenigen Art
enthalten sind, die das Zuführen von elektrischer Energie
durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwi-
schen den Stationen ermöglicht und wobei der wenigstens
eine VSC-Umrichter angepasst ist, Änderungen der Zufuhr-
richtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungs-
netz ohne Polaritätsänderung des Leiters durch Ändern der
Richtung des Stroms durch das Kabel zu steuern.

Die Patentansprüche 2 bis 5 sind auf den Patentanspruch 1 unmittelbar oder mit-
telbar rückbezogen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei mangels erfin-
derischer Tätigkeit nicht patentfähig. Außerdem macht sie geltend, die jeweiligen
Gegenstände der Patentansprüche 1 sowie 6 seien in der Patentschrift nicht so
deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

- 6 -
Dies stützt sie u. a. auf die Druckschriften (Nummerierung und Kurzzeichen nach
Klageschriftsatz und weiteren Schriftsätzen):

D2 US 4 941 079 A
D4 Ekström, Å.: High Power Electronics H/DC and SVC. The Royal Insti-
tute of Technology, Stockholm, June 1990, Deckblatt, Seiten 1-1 bis 1-
13; 11-1 bis 11-18, 11-32, 11-33.
D5 Maekawa, Y; et al: Research and Development of DC XLPE cables. In:
Troisième conférence internationale sur les câbles d’énergie à isolant
synthétique, Jicable 91, 24-28 Juin 1991, Versailles, France. Deckblatt,
Seiten 562-569.
D6 Bourgeat, X; Luton, M.-H.: Results of tests using continuous high volt-
age on low density polyethylene insulation. In: Jicable 95, 25-29 Juin
1995, Seiten 694-696.

Die Klägerin beantragt,

das Europäische Patent EP 0 868 002 mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklä-
ren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Argumenten der Klägerin im Einzelnen entgegen und erachtet die
geltend gemachten Nichtigkeitsgründe für nicht gegeben. Zum Beleg ihres Vor-
trags, die Fachwelt sei zum Prioritätstag des Streitpatents der Überzeugung ge-
wesen, es stünden keine zum Betrieb an hohen Gleichspannungen geeigneten
polymerisolierten Kabel zur Verfügung, hat sie sich auf die Druckschrift:

- 7 -
D10 Khalil, M. S.: International Research and Development Trends and
Problems of HVDC Cables with Polymeric Insulation.

In: IEEE Electrical Insulation Magazine, November/December 1997 – Vol. 13,
No. 6, Seiten 35-47.
berufen.

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 28. Juli 2017 zuge-
leitet, auf den Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Vortrags der Parteien und der von
ihnen eingereichten weiteren Unterlagen wird auf die Akte verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

A.

Die zulässige Klage ist begründet. Das Patent ist für nichtig zu erklären, da der
von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfä-
higkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ
i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ gegeben ist. Eine Entscheidung darüber, ob auch der von
der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit
(Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) EPÜ) gegeben ist,
bedarf es bei dieser Sachlage nicht mehr.

1. Die Erfindung betrifft eine Anlage zum Übertragen elektrischer Energie mit
hoher Gleichspannung.

Zum technischen Hintergrund, von dem der Senat bei der Auslegung des Streit-
patents ausgeht, wird auf Folgendes hingewiesen:

- 8 -
Im deutschen Sprachraum ist für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung
die Abkürzung HGÜ gebräuchlich, während sich international, so auch in der
Streitpatentschrift, die Abkürzung HVDC (High Voltage Direct Current) durchge-
setzt hat (vgl. Absatz 0002).

HGÜ-Anlagen kommen unter anderem dann zum Einsatz, wenn eine Drei-Pha-
sen-Drehstrom-Hochspannungs-Freileitung nicht oder nur mit sehr hohem Auf-
wand realisiert werden kann. Das ist vor allem bei der Über- bzw. Durchquerung
von Meeren der Fall. Der Betrieb eines Kabels mit Hochspannungswechselspan-
nung (HVAC) wäre unwirtschaftlich, da Kabel eine große elektrische Kapazität
darstellen. In Folge dessen müsste eine hohe Blindleistung zum ständigen Umla-
den der Kabelkapazität aufgebracht werden. Dieses Problem lässt sich durch den
Einsatz von Hochspannungsgleichspannung vermeiden.

Eine wesentliche Schwierigkeit beim Betrieb einer HGÜ-Anlage ist der Umstand,
dass der Strom nicht, wie bei Wechselspannung, einen wiederkehrenden „Null-
durchgang“ hat, so dass ein Leistungsschalter, also ein Schalter, der in der Lage
ist, alle auftretenden Betriebs- und Fehlerströme zuverlässig zu schalten, für
HVDC wesentlich aufwändiger ist als für HVAC. Aus diesem Grund wird meist da-
rauf verzichtet, auf der Gleichspannungsseite überhaupt zu schalten. Daraus re-
sultiert auch die von der Beklagten dargelegte Gefährdung der Umrichter durch
Kurzschlüsse auf der Gleichspannungsseite.

Industriell gefertige Kabel für Hochspannung, auch für Hochspannungswechsel-
spannung, mit einer Isolation aus vernetztem Polyethylen (VPE, im Englischen als
XLPE abgekürzt), standen erst gegen Ende der 1970er Jahre zur Verfügung, so
dass davor verlegte HGÜ-Seekabel, als Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabel rea-
lisiert wurden.

Unabhängig vom verwendeten Isolationsmaterial besteht beim Betrieb von Kabeln
mit hoher Gleichsspannung das Problem, dass es nach einiger Zeit zur Ansamm-
lung von Raumladungen in der als Dielektrikum wirkenden Isolierung zwischen
- 9 -
Innen- und Außenleiter kommt. Bei einem schlagartigen Polaritätswechsel zur
Richtungsumkehr des Energieflusses würde es durch die sich nur langsam ab-
bauenden Raumladungen im Dielektrikum zu starken Feldüberhöhungen kommen,
die materialzerstörende Teilentladungen im Isolierstoff auslösen.

Bei den älteren Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabeln genügt es, eine hinreichend
lange Zeitspanne abzuwarten, in der sich die Raumladungen abbauen, bis das
Kabel mit entgegengesetzter Energieflussrichtung wieder in Betrieb genommen
werden kann. Bei Feststoffisolationen aus VPE scheint laut Beschreibungseinlei-
tung des Streitpatents (Spalte 1, Zeilen 19-31) die Möglichkeit, den Abbau der
Raumladungen abzuwarten, nicht in Betracht gezogen worden zu sein, so dass
die an sich gegenüber Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabel wesentlich kosten-
günstigeren und weniger umweltgefährdenden VPE-Kabel für HGÜ nicht zum Ein-
satz gekommen sind.

2. In der Streitpatentschrift ist folglich angegeben, es sei Aufgabe der Erfin-
dung, die Probleme hinsichtlich der Verwendbarkeit von Kabeln mit einer Isolation
auf einer Polymerbasis zu überwinden (Absätze 0002 und 0003 der Streitpatent-
schrift).

3. Zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit
Universitätsabschluss, der über fundierte Kenntnisse und mehrjährige Berufser-
fahrung im Bereich der Konzeption von Anlagen zur Übertragung elektrischer
Energie mittels hoher Gleichspannung (HGÜ-Anlagen) verfügt. Dabei achtet er
neben der Einhaltung der technischen Spezifikationen insbesondere auf eine wirt-
schaftliche Realisierung solcher Anlagen.

4. Das Streitpatent ist für nichtig zu erklären, da der Gegenstand des
Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderi-
scher Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a)
EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ).

- 10 -
4.1 Die Patentansprüche 1 und 6 lassen sich in Übereinstimmung mit den Par-
teien wie folgt gliedern:

Patentanspruch 1:

1.1 A plant for transmitting electric power between a direct voltage net-
work (1) for High Voltage Direct Current (HVDC) included therein
and at least two alternating voltage networks (6, 7) connected
thereto through a station (4, 5) each,
Anlage zum Übertragen von elektrischer Energie zwischen einem darin enthalte-
nen Gleichspannungsnetz (1) für Hochspannungsgleichstrom (HVDC) und we-
nigstens zwei Wechselspannungsnetzen (6, 7), welche mit diesem jeweils durch
eine Station (4, 5) verbunden sind,
1.2 said stations being adapted to perform transmitting of electric power
between the direct voltage network and the respective alternating
voltage network,
wobei die Stationen angepasst sind, das Übertragen von elektrischer Energie zwi-
schen dem Gleichspannungsnetz und dem jeweiligen Wechselspannungsnetz
durchzuführen,
1.3 said plant being of the type with possibility to feed electric power
through the direct voltage network in both directions between the
stations,
wobei die Anlage von der Art ist, die das Zuführen von elektrischer Energie durch
das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwischen den Stationen ermöglicht,
characterized by the combination of
gekennzeichnet durch die Kombination aus,
1.4 on one hand the arrangement of at least one voltage-stiff converter,
i.e. a VSC-converter (8, 9), in each station for converting direct volt-
age to alternating voltage and conversely, and
einerseits, der Anordnung wenigstens eines spannungsstabilen Umrichters, d.h.
eines VSC-Umrichters (8, 9), in jeder Station zum Umwandeln von Gleichspan-
nung in Wechselspannung und umgekehrt, und,
1.5 on the other the arrangement of at least one cable (2, 3) with an
insulating layer (12) of polymer base surrounding the conductor (11)
- 11 -
thereof for forming the direct voltage network interconnecting the
stations,
andererseits, der Anordnung wenigstens eines Kabels (2, 3) mit einer isolierenden
Schicht (12) mit Polymerbasis, welche den Leiter (11) desselben umgibt, zum Bil-
den des Gleichspannungsnetzes, welches die Stationen miteinander verbindet,
1.6 in which said at least one VSC-converter is adapted to control
changes of said feeding direction of electric power through the direct
voltage network without polarity change of said conductor by chang-
ing the direction of the current through said cable.
wobei der wenigstens eine VSC-Umrichter angepasst ist, Änderungen der Zufuhr-
richtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz ohne Polaritätsän-
derung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms durch das Kabel zu
steuern.

Patentanspruch 6:

1.1 A use of a cable (2, 3) having an inner conductor (11) for electricity
and an insulating layer (12) of polymer base surrounding the con-
ductor for forming the direct voltage network interconnecting the sta-
tions (4, 5) in transmitting of electric power through High Voltage Di-
rect Current (HVDC),
Verwendung eines Kabels (2, 3), welches einen inneren Leiter(11) für Elektrizität
und eine isolierende Schicht (12) mit auf Polymerbasis aufweist, welche den Leiter
umgibt, um das Gleichspannungsnetz zu bilden, welches die Stationen (4, 5) mit-
einander verbindet, beim Übertragen von elektrischer Energie durch Hochspan-
nungsgleichstrom (HVDC),
1.2 in which each station has at least one voltage-stiff converter, i.e. a
VSC-converter (8, 9), for converting direct voltage to alternating volt-
age and conversely,
wobei jede Station wenigstens einen spannungsstabilen Umrichter, d.h. einen
VSC-Umrichter(8, 9), zum Umwandeln von Gleichspannung in Wechselspannung
und umgekehrt aufweist,
1.3 in which the stations are included in a plant of the type with possibil-
ity to feed electric power through the direct voltage network in both
directions between the stations, and
- 12 -
wobei die Stationen in einer Anlage derjenigen Art enthalten sind, die das Zufüh-
ren von elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen
zwischen den Stationen ermöglicht und
1.4 which said at least one VSC-converter is adapted to control changes
of said feeding direction of electric power through the direct voltage
network without polarity change of said conductor by changing the
direction of the current through said cable.
wobei der wenigstens eine VSC-Umrichter angepasst ist, Änderungen der Zu-fuhr-
richtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz ohne Polaritätsän-
derung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms durch das Kabel zu
steuern.

4.2 Hinsichtlich des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 ist aus der Druck-
schrift US 4 941 079 A (D2) folgendes bekannt (vgl. insb. Fig. 30, i. V. m
Spalte 40, Zeile 33 bis Spalte 41, Zeile 11): Eine

1.1 Anlage zum Übertragen von elektrischer Energie zwischen einem
darin enthaltenen Gleichspannungsnetz (D.C. Grid) für Hochspan-
nungsgleichstrom (Spalte 1, Zeilen 6 bis 12) und wenigstens zwei
Wechselspannungsnetzen (AC Systeme 1, 2, 3, 4), welche mit die-
sem jeweils durch eine Station (VR, Disp) verbunden sind,
1.2 wobei die Stationen (VR, Disp) angepasst sind, das Übertragen von
elektrischer Energie zwischen dem Gleichspannungsnetz (D.C. Grid)
und dem jeweiligen Wechselspannungsnetz (AC System 1, 2, 3, 4)
durchzuführen,
1.3 wobei die Anlage zumindest hinsichtlich der Stationen mit den Span-
nungsreglern VR von der Art ist, die das Zuführen von elektrischer
Energie durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwi-
schen den Stationen ermöglicht (Spalte 16, Zeilen 21 bis 24;
Spalte 6, Zeilen 54, 55; Spalte 40, Zeilen 42 bis 57),
1.4 wobei zumindest in den Stationen mit Spannungsreglern VR zum
Umwandeln von Gleichspannung in Wechselspannung und umge-
- 13 -
kehrt ein spannungsstabiler Umrichter angeordnet ist (Spalte 2, Zei-
len 41 bis 51; Spalte 4, Zeilen 49 bis 63; Spalte 16, Zeilen 17 bis 33),
1.6 und wobei die Umrichter VR angepasst sind, Änderungen der
Zufuhrrichtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz
durch Änderung des Spannungswinkels, also ohne Polaritätsände-
rung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms zu steuern
(Spalte 4, Zeile 66 bis Spalte 5, Zeile 13; Spalte 16, Zeilen 21 bis 24:
„The chief attraction of this topology is that the DC link voltage is
unidirectional and bi-directional power transfer involves bi-directional
DC link current flow.“).

Da der Druckschrift D2 nichts über die Ausgestaltung des Gleichspannungsnetzes
zu entnehmen ist, ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem der
Druckschrift D2 Entnehmbaren neu. Da der Fachmann mangels anderer Angaben
bei HGÜ ausschließlich an Freileitungen oder Kabel mit Masse-Papier-Isolation
bzw. ölimprägnierter Papierisolation denkt, gelangt der Fachmann auch nicht in
naheliegender Weise allein von dieser Druckschrift ausgehend zur Verwendung
eines Kabels mit einer isolierenden Schicht auf Polymerbasis.

4.3 Allerdings haben Maekawa, Y. et al bereits auf der Fachtagung Jicable 91,
die vom 24. bis 28. Juni 1991 in Versailles stattgefunden hat (siehe Druckschrift
D5) über die Entwicklung von Kabeln mit einer isolierenden Schicht auf Polymer-
basis referiert, und dabei unter anderem auch auf deren Eignung für lange Stre-
cken hingewiesen (Seite 569, linke Spalte, zweiter Absatz). Bei der Nennung von
langen Strecken assoziert der Fachmann im Zusammenhang mit Gleichspannung
ohnehin nichts anderes als HGÜ, wobei an der genannten Fundstelle explizit ein
„250 kV DC XLPE cable“ genannt ist.

Auch in der Druckschrift D6 (Results of Tests Using Continous High Voltage …),
die die Eignung von LDPE-isolierten Kabeln für Gleichspannungen bis 400 kV zum
Gegenstand hat und deren Ausführungen dabei zu einem positiven Ergebnis
kommen (Seite 696, rechte Spalte „6-Conclusion“), regen den Fachmann an, für
- 14 -
eine HGÜ-Verbindung bzw. ein HGÜ-Netz, wie sie in der Druckschrift D4 be-
schrieben sind, nicht nur Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabel, sondern auch die
ausdrücklich in den Druckschriften D5 und D6 genannten Kabel mit einer Isolation
auf Polymerbasis in Betracht zu ziehen.

Somit ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise
aus der Zusammenschau der Druckschrift D4 mit der Druckschrift D5 oder der
Druckschrift D6.

5. Soweit die Beklagte hiergegen unter Bezugnahme auf die Druckschrift D10
eingewandt hat, die Entwicklung von HVDC-Kabeln sei noch nicht hinreichend
weit gediehen gewesen (Seite 35, vor dem Abschnitt „Introduction“: „… its use for
HVDC cables was not as successfull.“, Seite 36, rechte Spalte, erster Satz; Seite
45, linke Spalte, Abschnitt „Conclusions …“), führt dies zu keinem anderen Ergeb-
nis bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Denn auch durch diese nach-
veröffentlichte Druckschrift wird lediglich belegt, dass in der Fachwelt seit langem
der Wunsch bestanden hatte, für eine HGÜ-Verbindung ein Kabel mit einer Isola-
tion auf Polymerbasis verwenden zu können. Rückschlüsse darauf, aus welchen
Gründen der Fachmann gehindert gewesen wäre, wie oben ausgeführt die Druck-
schrift D4 mit der Druckschrift D5 oder der Druckschrift D6 zu kombinieren und
damit zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen, lassen sich hieraus aber ent-
gegen der Ansicht der Beklagten nicht herleiten.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass über den bloßen, auch in der Druck-
schrift D10 zum Ausdruck gebrachten Wunsch hinaus auch die Streitpatentschrift
weder in den Patentansprüchen noch an anderer Stelle Angaben dazu macht,
welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um polymerisolierte Kabel für HGÜ-
Zwecke verwenden zu können. Insofern wird auch im Streitpatent nicht mehr als
der bloße Wunsch einer solchen Verwendung beansprucht und beschrieben.

Der weitere Vortrag der Beklagten, ihre erfinderische Tätigkeit bestünde in der
Erkenntnis, dass bei Verwendung von VSC-Umrichtern, also spannungsgeführten
- 15 -
Stromrichtern, bei denen die Ausgangsspannung des Stromrichters proportional
zur Eingangsspannung ist, gar kein Wechsel der Polarität erfolge und somit auch
das Problem von Kurzschlüssen aufgrund von Teilentladungen nicht auftreten
würde und daher auf gängige VPE-Kabel zurückgegriffen werden könne, mag für
den Fachmann für die Entwicklung von verbesserten Werkstoffen zur Isolierung
von Kabeln, wie den Autor der Druckschrift D10, eine überraschende Erkenntnis
darstellen, nicht aber für den hier als Fachmann zuständigen Planer von HGÜ-
Anlagen. Letzterem ist das Verhalten von spannungsgeführten Stromrichtern ver-
traut und somit auch bewusst, dass bei diesen grundsätzlich kein Polaritätswech-
sel im Kabel stattfindet, sondern bei Umkehrung des Energieflusses sich lediglich
die Stromrichtung umdreht.
Soweit die fehlende Eignung von VPE-Kabeln für HGÜ-Übertragung mit einem
möglichen Polaritätswechsel der Betriebsspannung des Kabels begründet wurde,
war dem Fachmann also unmittelbar bewusst, dass jedenfalls diese Schwierigkeit
durch den spannungsgeführten Stromrichter überwunden ist.

6. Da der auf die Verwendung eines Kabels, das eine isolierende Schicht mit
Polymerbasis aufweist, gerichtete nebengeordnete Patentanspruch 6 keine
Sachmerkmale nennt, die über die im Patentanspruch 1 genannten hinausgingen,
beruht auch das Verfahren gemäß Patentanspruch 6 aus den vorstehend zum
Patentanspruch 1 dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
und ist daher ebenfalls nicht patentfähig.

7. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 ent-
halten Maßnahmen, die bei polymerisolierten Kabeln bzw. HGÜ-Anlagen gang
und gäbe sind. Anhaltspunkte dafür, dass die dort genannten zusätzlichen Merk-
male eine erfinderische Tätigkeit darstellen könnten, sind nicht erkennbar. Ge-
genteiliges hat auch die Beklagte, welche das Streitpatent nur als Ganzes und
nicht auch hinsichtlich einzelner Patentansprüche verteidigt hat, nicht geltend ge-
macht.

- 16 -
B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.


C. R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift, die auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe der Verordnung über
den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht
(BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130) eingereicht werden kann, muss von
einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin
oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentan-
walt unterzeichnet oder im Fall der elektronischen Einreichung mit einer qualifizierten elektroni-
schen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur
versehen sein, die von einer internationalen Organisation auf dem Gebiet des gewerblichen
Rechtsschutzes herausgegeben wird und sich zur Bearbeitung durch das jeweilige Gericht eignet.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird,
sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Beru-
fungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt
werden.

Die Berufungsschrift muss innerhalb eines Monats schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herren-
straße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht oder als elektronisches Dokument in die elektronische
Poststelle des Bundesgerichtshofes (www.bundesgerichtshof.de/erv.html) übertragen werden.

- 17 -
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist ist nur gewahrt,
wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht.


Friehe Schwarz Müller Matter Dr. Haupt
ist wegen Urlaubs
an der Unterschrift
verhindert
Friehe


prö


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