6 Ni 3/17  - 6. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05


BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

6 Ni 3/17
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
27. Juli 2017





In der Patentnichtigkeitssache




















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betreffend das Patent DE 10 2006 053 161

hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 27. Juli 2017 durch die Vorsitzende Richterin Friehe sowie die
Richter Kruppa, Dipl.-Ing. J. Müller, Dipl.-Ing. Matter und
Dipl. Phys. Univ. Dr. Haupt

für Recht erkannt:

I. Das deutsche Patent 10 2006 053 161 wird dadurch teil-
weise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgende
Fassung erhalten:
1. Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer Reifenprüfan-
lage mit einem Reifenprüfgerät (1), das einen oder mehrere
Prüfköpfe (33, 34) zum Prüfen der inneren Lauffläche (16)
und der inneren Seitenwand (29) und mehrere Prüfköpfe (35,
36) zum Prüfen der äußeren Seitenwand (19) aufweist, mit
einer Wendevorrichtung (3) zum Wenden des Reifens (4)
und mit einem weiteren Reifenprüfgerät (2), das einen oder
mehrere Prüfköpfe (37, 38) zum Prüfen der inneren Laufflä-
che und der inneren Seitenwand und mehrere Prüfköpfe (39,
40) zum Prüfen der äußeren Seitenwand aufweist,
wobei sich die Wendevorrichtung (3) zwischen den Reifen-
prüfgeräten (1, 2) befindet, wobei der eine oder die mehreren
Prüfköpfe (33, 34) des einen Reifenprüfgeräts (1) die innere
Lauffläche (16) und die innere Seitenwand (29) und die meh-
reren Prüfköpfe (35, 36) des einen Reifenprüfgeräts (1) die
äußere Seitenwand (19) des Reifens (4) prüfen und der eine
oder die mehreren Prüfköpfe (37, 38) des weiteren Reifen-
prüfgeräts (2) die innere Lauffläche und die innere Seiten-
wand und die mehreren Prüfköpfe (39, 40) des weiteren
Reifenprüfgeräts (2) die äußere Seitenwand des Reifens (4)
prüfen, wobei die Prüfköpfe (33, 34; 35, 36; 37, 38; 39, 40)
optische Prüfköpfe mit einer Abbildungsoptik, einem flächen-
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haften Sensor und einer oder mehreren Laser-Beleuch-
tungsquellen sind und wobei die Prüfzeit des einen Reifen-
prüfgeräts (1) im Wesentlichen mit der Prüfzeit des anderen
Reifenprüfgeräts (2) übereinstimmt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass die Wendevorrichtung (3) einen U-förmigen Rahmen (6)
aufweist, der um eine horizontale Achse (10) schwenkbar ist.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet,
dass die Schwenkachse (10) von der Mittenebene (11) des
Rahmens (6) beabstandet ist.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeich-
net, dass in den Schenkeln (7, 8) des Rahmens (6) Rollen
vorgesehen sind.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 20 %
und die Beklagte 80 %.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreck-
bar.


T a t b e s t a n d

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2006 053 161
(Streitpatent), das am 10. November 2006 angemeldet und dessen Erteilung am
15. Juli 2010 veröffentlicht wurde. Das Patent ist in Kraft. Es trägt die Bezeichnung
„Reifenprüfanlage und Verfahren zu ihrem Betrieb“ und umfasst
14 Patentansprüche, die mit der am 25. August 2015 eingegangenen Nichtigkeits-
klage in vollem Umfang angegriffen werden.

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Die Patentansprüche 1 und 13 lauten in der erteilten Fassung wie folgt:




Die erteilten Patentansprüche 2 bis 12 sind jeweils mittelbar oder unmittelbar auf
Patentanspruch 1, Patentanspruch 14 ist auf Patentanspruch 13 rückbezogen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatents mangels
Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig und daher für nichtig zu
erklären sei.

Dies stützt sie unter anderem auf die Druckschriften

D2 EP 1 043 578 B1
D5 EP 0 915 328 A2
D6 EP 1 284 409 A1

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Die Klägerin beantragt,

das deutsche Patent 10 2006 053 161 in vollem Umfang für nichtig
zu erklären.

Die Beklagte, die das Patent nur beschränkt verteidigt, beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit das Patent mit Antrag vom
30. November 2016 verteidigt wird,

hilfsweise, soweit das Patent mit Antrag vom 24. März 2017 ver-
teidigt wird,

und weiter hilfsweise, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen,
dass das Patent die Fassung nach Hilfsantrag 2 erhält.

Die Klägerin beantragt zum Hilfsantrag 2, diesen als verspätet zurückzuweisen,
hilfsweise, die mündliche Verhandlung zu vertagen, damit sie zu diesem Hilfsan-
trag angemessen Stellung nehmen kann.

Des Weiteren ist sie der Ansicht, der nunmehr mit Hauptantrag verteidigte Gegen-
stand des Patentanspruchs 1 sei nicht nur nicht patentfähig, sondern gehe über
die ursprüngliche Offenbarung hinaus und erweitere darüber hinaus den Schutz-
bereich des erteilten Patents, soweit die Termini „das erste“ bzw. „das zweite“
Reifenprüfgerät durch „das eine“ bzw. „das andere“ Reifenprüfgerät ersetzt seien.
Sehe man diese Ausdrücke als austauschbar an, handele es sich bei der Ände-
rung nicht um eine Beschränkung, sondern um eine unzulässige Klarstellung. Aus
den gleichen Gründen sei der Kategoriewechsel der Patentansprüche 2 bis 10
unzulässig, denn er komme dem Aufstellen neuer Unteransprüche und damit einer
im Nichtigkeitsverfahren nicht zulässigen Gestaltung des Patents gleich.

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Patentanspruch 1 des Antrags vom 30. November 2016 (Hauptantrag) hat folgen-
den Wortlaut:

Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer Reifenprüfanlage mit
einem Reifenprüfgerät (1), das mehrere Prüfköpfe (14, 15; 21, 22,
23, 24; 27, 28; 33, 34, 35, 36; 41, 42, 43, 44) zum Prüfen der inne-
ren Lauffläche (16) und zum Prüfen der äußeren Seitenwand (19)
aufweist, mit einer Wendevorrichtung (3) zum Wenden des Rei-
fens (4) und mit einem weiteren Reifenprüfgerät (2), das einen
oder mehrere Prüfköpfe (20; 25, 26; 30, 31; 37, 38, 39, 40; 45, 46)
zum Prüfen der äußeren Seitenwand (19) aufweist, wobei sich die
Wendevorrichtung (3) zwischen den Reifenprüfgeräten (1, 2) be-
findet, wobei die Prüfköpfe des einen Reifenprüfgeräts (1) die in-
nere Lauffläche (16) und eine äußere Seitenwand (19) des Rei-
fens (4) prüfen und die Prüfköpfe des anderen Reifenprüfgeräts
(2) die andere äußere Seitenwand (19) des Reifens (4) prüfen und
wobei die Prüfzeit des einen Reifenprüfgeräts (1) im Wesentlichen
mit der Prüfzeit des anderen Reifenprüfgeräts (2) übereinstimmt.

Hinsichtlich der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10
wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30. November 2016 samt Anlagen Be-
zug genommen.

Die Patentansprüche 1 bis 4 vom 24. März 2017 (Hilfsantrag 1) lauten wie unter I.
des Urteils tenoriert.

Hinsichtlich der Ansprüche des Hilfsantrags 2, der in der mündlichen Verhandlung
vom 27. Juli 2017 überreicht wurde, wird auf die Akte Bezug genommen.

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen; sie hält den Gegen-
stand des Streitpatents jedenfalls in einer der verteidigten Fassungen für patentfä-
hig und ist der Ansicht, das Patent erfolgreich beschränkt verteidigen zu können.
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Den Parteien wurde ein qualifizierter Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet,
auf den Bezug genommen wird.


A.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Soweit die Bezeichnung der Beklagten von der in der Klage abweicht, handelt es
sich ausweislich des vorgelegten Handelsregisterauszugs um eine Firmenände-
rung, nicht um eine Änderung der Partei.

Soweit die Beklagte die angegriffenen Patentansprüche nicht mehr in der erteilten,
sondern nur noch in einer geänderten Fassung verteidigt, ist das Streitpatent im
Umfang der angegriffenen erteilten Ansprüche bereits ohne Sachprüfung teilweise
für nichtig zu erklären. Im Übrigen ist die Klage begründet, soweit mit ihr der Nich-
tigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1, i. V. m.
§ 22 PatG gegenüber dem Hauptantrag geltend gemacht wird. Soweit das Patent
mit dem Hilfsantrag 1 verteidigt wird, ist die Verteidigung zulässig, insbesondere
gehen die verteidigten Ansprüche nicht über das ursprünglich Offenbarte hinaus
(§ 21 Abs. 1 Nr. 4, i. V. m. § 22 PatG) und erweitern auch nicht den Schutzbereich
des erteilten Patents (§ 22 Abs. 1, 2. Alternative PatG). Soweit gegen diese Fas-
sung der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß § 21 Abs. 1
Nr. 1, i. V. m. § 22 PatG geltend gemacht wird, war die Klage abzuweisen, da die
Gegenstände der Patentansprüche dieses Antrags nicht zum Stand der Technik
gehören und der Senat nicht feststellen konnte, dass sie sich für den Fachmann in
naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergaben.

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I. Zum Gegenstand des Streitpatents

1. Die Erfindung betrifft eine Reifenprüfanlage zum Prüfen von Reifen und ein
Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer derartigen Reifenprüfanlage (Ab-
satz 0001 der Streitpatentschrift).

In der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass Reifenprüfgeräte zum Prüfen von
Reifen bereits bekannt wären, wobei derartige Reifenprüfgeräte einen Prüfkopf
oder mehrere Prüfköpfe aufweisen würden. Bei den Prüfköpfen handele es sich
insbesondere um optische Prüfköpfe mit einer Abbildungsoptik und einem Sensor,
insbesondere einem flächenhaften Sensor, insbesondere einem CCD-Sensor.
Ferner könnten die Prüfköpfe eine oder mehrere Beleuchtungsquellen aufweisen,
insbesondere Laser-Beleuchtungsquellen, insbesondere Laserdioden (Ab-
satz 0002).

Zum Stand der Technik zähle ein Prüfgerät zum Prüfen von Reifen gemäß der
Druckschrift EP 1 043 578 B1, bei dem die Reifen, die nicht auf einer Felge mon-
tiert seien, in eine Unterdruckkammer eingebracht und mit einem oder mehreren
Prüfköpfen, dort als Messköpfe bezeichnet, geprüft würden (Absatz 0004).

Das Streitpatent geht von einem Verfahren zur Untersuchung von Reifen gemäß
der Druckschrift DE 100 19 387 C2 aus, bei dem der Innendruck des Reifens ver-
ändert, die durch die Änderung des Innendruckes hervorgerufene Formänderung
des Reifens ermittelt, daraus Strukturmerkmale und/oder -defekte des Reifens
bestimmt, durch Projektion von Lichtmustern auf die Seitenwände des Reifens, die
auf Bildsensoren abgebildet und aus den Abbildungen in einem Bildverarbeitungs-
system flächenhafte Tiefendaten von der Oberfläche des Reifens gebildet würden.
Die Erzeugung von flächenhaften Tiefendaten werde bei unterschiedlichen Rei-
fendrücken wiederholt und durch Vergleich der flächenhaften Tiefendaten von
unterschiedlichen Reifendrücken die Formänderung des Reifens flächenhaft be-
stimmt, wobei nach Beendigung der Messungen auf der ersten Seitenwand des
Reifens dieser mittels einer Wendevorrichtung um 180° um die Hochachse ge-
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dreht und anschließend die zweite Seitenwand geprüft werde. (Absatz 0005 der
Streitpatentschrift i. V. m. Anspruch 1 und Absatz 0029 der Druckschrift
DE 100 19 387 C2).

Davon ausgehend sei es Aufgabe der Erfindung, eine verbesserte Reifenprüfan-
lage und ein Verfahren zu deren Betrieb vorzuschlagen (Absatz 0006).

2. Diese Aufgabe soll mit dem Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Haupt-
bzw. Hilfsanträgen 1 und 2 gelöst werden.

2.1 Der von der Patentinhaberin vorrangig verteidigte Patentanspruch 1 nach
Hauptantrag vom 30. November 2016 lässt sich folgendermaßen gliedern:

M13 Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer Reifenprüfanlage
M1.1 mit einem Reifenprüfgerät (1),
M1.1.1 das mehrere Prüfköpfe (14, 15; 21, 22, 23, 24; 27, 28; 33, 34,
35, 36; 41, 42, 43, 44)
M2 zum Prüfen der inneren Lauffläche (16) und zum Prüfen der
äußeren Seitenwand (19) aufweist,
M1.2 mit einer Wendevorrichtung (3) zum Wenden des Reifens (4)
M1.3 und mit einem weiteren Reifenprüfgerät (2),
M1.3.1 das einen oder mehrere Prüfköpfe (20; 25, 26; 30, 31; 37, 38,
39, 45, 46)
M3 zum Prüfen der äußeren Seitenwand (19) aufweist,
M1.4 wobei sich die Wendevorrichtung (3) zwischen den
Reifenprüfgeräten (1, 2) befindet,
M2a wobei die Prüfköpfe des einen Reifenprüfgeräts (1) die innere
Lauffläche (16) und eine äußere Seitenwand (19) des Reifens
(4) prüfen
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M3a und die Prüfköpfe des anderen Reifenprüfgeräts (2) die andere
äußere Seitenwand (19) des Reifens (4) prüfen
M14 und wobei die Prüfzeit des einen Reifenprüfgeräts (1) im
Wesentlichen mit der Prüfzeit des anderen Reifenprüfgeräts (2)
übereinstimmt.
2.2 Der Anspruch 1 des mit Schriftsatz vom 24. März 2017 überreichten
Hilfsantrags 1 lässt sich wie folgt gliedern:

M13 Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer Reifenprüfanlage
H8.1 mit einem Reifenprüfgerät (1),
H8.2 das einen oder mehrere Prüfköpfe (33, 34)
H8.3 zum Prüfen der inneren Lauffläche (16)
H8.4 und der inneren Seitenwand (29)
H8.5 und mehrere Prüfköpfe (35, 36)
H8.6 zum Prüfen der äußeren Seitenwand (19) aufweist,
M1.2 mit einer Wendevorrichtung (3) zum Wenden des Reifens (4)
H9.1 und mit einem weiteren Reifenprüfgerät (2),
H9.2 das einen oder mehrere Prüfköpfe (37, 38)
H9.3 zum Prüfen der inneren Lauffläche
H9.4 und der inneren Seitenwand
H9.5 und mehrere Prüfköpfe (39, 40)
H9.6 zum Prüfen der äußeren Seitenwand aufweist,
M1.4 wobei sich die Wendevorrichtung (3) zwischen den
Reifenprüfgeräten (1, 2) befindet,
H8.2 wobei der eine oder die mehreren Prüfköpfe (33, 34)
H8.1 des einen Reifenprüfgeräts (1)
H8.3 die innere Lauffläche (16)
- 11 -
H8.4 und die innere Seitenwand (29)
H8.5 und die mehreren Prüfköpfe (35, 36) des einen Reifenprüfge-
räts (1)
H8.6 die äußere Seitenwand (19) des Reifens (4) prüfen
H9.2 und der eine oder die mehreren Prüfköpfe (37, 38)
H9.1 des weiteren Reifenprüfgeräts (2)
H9.3 die innere Lauffläche
H9.4 und die innere Seitenwand
H9.5 und die mehreren Prüfköpfe (39, 40) des weiteren Reifen-
prüfgeräts (2)
H9.6 die äußere Seitenwand des Reifens (4) prüfen,
0002 wobei die Prüfköpfe (33, 34; 35, 36; 37, 38; 39, 40) optische
Prüfköpfe mit einer Abbildungsoptik, einem flächenhaften Sen-
sor und einer oder mehreren Laser-Beleuchtungsquellen sind
M14 und wobei die Prüfzeit des einen Reifenprüfgeräts (1) im
Wesentlichen mit der Prüfzeit des anderen Reifenprüfgeräts (2)
übereinstimmt.

3. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur (FH)
der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der
Entwicklung und Konstruktion von Prüfanlagen auf Basis optischer Messverfahren.

3.1 Dieser Fachmann versteht die erklärungsbedürftigen Begriffe der unab-
hängigen Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen wie folgt:

3.1.1 Hinsichtlich der Angabe „Prüfen von Reifen“ im Merkmal M13 und bezüg-
lich des Prüfens der einzelnen angegebenen Bereiche der zu prüfenden Reifen in
einer Vielzahl von weiteren Merkmalen (M2, M3, M2a, M3a, H8.3, H8.4, H8.6,
H9.3, H9.4, H9.6) lässt das Patent offen, hinsichtlich welcher Eigenschaften und
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mit welcher Messmethode die Reifen geprüft werden. Durch Merkmal 0002 des
Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 werden die Prüfköpfe als optische Prüfköpfe mit
einer Abbildungsoptik, flächenhaftem Sensor und Laser-Beleuchtungsquellen kon-
kretisiert. Damit verbindet der Fachmann, dass die Reifen auf Eigenschaften und
Defekte geprüft werden, die auf optischem Wege und mit den genannten techni-
schen Mitteln üblicherweise diagnostizierbar sind.

3.1.2 In den Merkmalen M2 und M3 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist das
Prüfen (genau) einer, nämlich „der äußeren Seitenwand (19)“ genannt, gemäß
den Merkmalen M2a und M3a werden jedoch zwei verschiedene Seitenwände
geprüft, nämlich „eine äußere Seitenwand (19)“ und eine „andere äußere Seiten-
wand (19)“.

Nach Überzeugung des Senats weiß der Fachmann, dass ein Reifen zwei Seiten-
wände hat, die durch die Lauffläche getrennt sind, so dass er die Angabe in
Merkmal M2 ohne weiteres als offensichtlichen Fehler ansieht. Daher versteht er
das Streitpatent nicht anders als, dass mit dem einen Reifenprüfgerät die „eine
äußere Seitenwand (19)“ und, nachdem der Reifen, in der Sprache der Streitpa-
tentschrift „geflippt“, also um 180° um eine Achse durch die horizontale Mittel-
ebene gedreht wurde, mit dem zweiten Reifenprüfgerät, die „andere äußere Sei-
tenwand (19)“ geprüft wird (vgl. dazu insbesondere die Figuren 6 und 9 oder den
unteren Teil b) der Figuren 7 und 8, jeweils mit der zugehörigen Beschreibung).

3.1.3 Die in den Merkmalen M2, M2a, H8.3 und H9.3 der Ansprüche 1 nach
Haupt- und Hilfsantrag 1 genannte „inneren Lauffläche (16)“ versteht der Fach-
mann als den inneren Teil des Reifens, welcher der auf der Außenseite des Rei-
fens befindlichen Lauffläche gegenüberliegt.


II. Zur beschränkten Verteidigung nach dem Hauptantrag

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine beschränkte Verteidigung des Streit-
patents in der Fassung des Hauptantrags schon mangels Zulässigkeit der Ände-
- 13 -
rungen oder Erweiterung des Schutzbereichs (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG und § 22
Abs. 1, 2. Alternative PatG) ausscheidet, denn dieser Fassung des Streitpatents
steht jedenfalls der Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit entgegen.

2. In der Fassung nach Hauptantrag kann das Patent nicht erfolgreich vertei-
digt werden, da dessen Gegenstand gegenüber dem aus der Druckschrift
EP 0 915 328 A2 (D5) bekannten Verfahren nicht auf erfinderischer Tätigkeit be-
ruht (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).

2.1 Die von der Klägerin als entscheidungserheblich genannte und nach
Erkenntnis des Senats den nächstliegenden Stand der Technik wiedergebende
Druckschrift D5 beschreibt eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Prüfen und
Klassifizieren von Reifen. Dabei wird die Qualität eines Reifens beurteilt, indem
die Konfigurationen beispielsweise der Reifenwülste mechanisch erfasst werden
sowie in einem Reifenklassifizierungsverfahren, in welchem ein Reifen, dessen
Qualität beurteilt wurde, als ein normaler Reifen oder als ein abnormaler Reifen
klassifiziert wird (Absatz 0001 der Druckschrift D5). In Druckschrift D5 wird eine
Beurteilungsvorrichtung für die Reifenkonfiguration beschrieben, die eine Licht-
Beleuchtungseinrichtung, die Lichtschnitte ausstrahlt, eine Bild-Aufnahmeeinrich-
tung, die ein Schnittbild aufnimmt, eine Konfigurations-Erfassungseinrichtung, eine
Vergleichseinrichtung, die die erfassten Konfiguration mit einer festgelegten Refe-
renzkonfiguration vergleicht, sowie eine Beurteilungseinrichtung, die die Qualität
des Reifens auf der Basis der Ergebnisse des Vergleiches mittels der Vergleichs-
einrichtung beurteilt, umfasst (Absatz 0007). Zusätzlich gibt die Druckschrift D5 ein
Verfahren zum Klassifizieren von Reifen mittels dieser Beurteilungsvorrichtung an
(Absatz 0016). In einem Schritt dieses Verfahrens wird der Reifen umgedreht,
nachdem die Konfiguration von einer der Oberflächen erfasst worden ist, um auch
die Konfiguration der anderen Oberfläche zu ermitteln. Als Ergebnis hiervon könne
die Qualität von beiden Reifenoberflächen beurteilt werden (Absatz 0021).

Die Figur 1 zeigt schematisch den Gesamtaufbau einer Reifenprüfanlage gemäß
Druckschrift D5.
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Figur 1 aus Druckschrift D5 mit Ergänzungen des Senats

Die Figur 2 zeigt ebenfalls schematisch und in perspektivischer Ansicht den Auf-
bau eines Prüfkopfes der Reifenprüfanlage („configuration judging device 10“)
gemäß Druckschrift D5.

Figur 2 aus Druckschrift D5 mit Ergänzungen des Senats
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Dem Fachmann ist demnach aus der Druckschrift D5, in Worten des Anspruchs 1
nach Hauptantrag ausgedrückt, Folgendes bekannt geworden:

M13 Ein Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer Reifenprüfanlage
(Bezeichnung der Erfindung oder Absatz 0001: „a tire configura-
tion judging device and a tire classifying method using the
same”)
M1.1 mit einem Reifenprüfgerät
(Figur 1 mit Absatz 0030: „a top surface quality judging section
18”)
M1.1.1ˊ das einen Prüfkopf
(Figur 1 mit Absatz 0028: „configuration judging devices 10“)
M2ˊ zum Prüfen der äußeren Seitenwand aufweist
(Figur 1 mit Absatz 0030: „top surface” in der „top surface quality
judging section 18”; Figur 3, Bezugszeichen 106 mit Absatz
0048: „TOP SURFACE CONFIGURATION JUDGING
ROUTINE“ und Figur 4 mit der zugehörigen Beschreibung in
den Absätzen 0049 bis 0056)
M1.2 mit einer Wendevorrichtung zum Wenden des Reifens
(Figur 1 mit Absatz 0030: „a tire turn-over section 20“)
M1.3 und mit einem weiteren Reifenprüfgerät
(Figur 1 mit Absatz 0030: „the rear surface quality judging sec-
tion 22”)
M1.3.1 das einen Prüfkopf
(Figur 1 mit Absatz 0028: „configuration judging devices 10“)
M3 zum Prüfen der äußeren Seitenwand aufweist
(Figur 1 mit Absatz 0030: „rear surface” in der „rear surface
quality judging section 22“; Figur 3, Bezugszeichen 112 mit
- 16 -
Absatz 0059: „REAR SURFACE CONFIGURATION JUDGING
ROUTINE“ und die Figur 5 mit der zugehörigen Beschreibung
in den Absätzen 0060 bis 0063)
M1.4 wobei sich die Wendevorrichtung
(Figur 1 mit Absatz 0030: „tire turn-over section 20“)
zwischen den Reifenprüfgeräten befindet
(Figur 1 und darin die Position der „turn-over section 20“ relativ
zu den Reifenprüfgeräten „top surface quality judging section
18” und „rear surface quality judging section 22”),
M2aˊ wobei der Prüfkopf des einen Reifenprüfgeräts
(Figur 1 mit Absatz 0030: „top surface quality judging section
18“)
eine äußere Seitenwand des Reifens prüft
(Figur 3, Bezugszeichen 106 mit Absatz 0048: „TOP SURFACE
CONFIGURATION JUDGING ROUTINE“ und Figur 4 mit der
zugehörigen Beschreibung in den Absätzen 0049 bis 0056)
M3a und die Prüfköpfe des anderen Reifenprüfgeräts
(Figur 1 mit Absatz 0030: „rear surface quality judging section
22“)
die andere äußere Seitenwand des Reifens prüfen
(Figur 3, Bezugszeichen 112 mit Absatz 0059: „REAR
SURFACE CONFIGURATION JUDGING ROUTINE“ und die Fi-
gur 5 mit der zugehörigen Beschreibung in den Absätzen 0060
bis 0063)
M14 und wobei die Prüfzeit des einen Reifenprüfgeräts im Wesentlichen
mit der Prüfzeit des anderen Reifenprüfgeräts übereinstimmt.
Diese Tatsache ergibt sich für den zuständigen Fachmann
unmittelbar aus der Funktionsweise der in der Figur 1 gezeigten
- 17 -
und in den Absätzen 0028 bis 0040 beschriebenen Vorrichtung
und insbesondere aus den Ablaufdiagrammen in den Figuren 3
bis 5 und der Erläuterung des zugrundeliegenden Verfahrens in
den Absätzen 0045 bis 0064. Aufgrund der prinzipiellen Sym-
metrie von Reifen werden gleich große und gleichartige Berei-
che von Reifen geprüft, wodurch sich bereits gleiche Prüfzeiten
ergeben. Außerdem erkennt der Fachmann, dass für einen ge-
nerell angestrebten effizienten Verfahrensablauf, insbesondere
auch bei einer Integration der Prüfanlage bzw. eines solchen
Verfahrens in einen umfassenderen Fertigungsprozess (Ab-
sätze 0002 und 0021: „As a result, a manufactured tire, after ha-
ving been manufactured, can be easily classified as a normal
tire or an abnormal tire.“), annähernd gleiche Prüfzeiten für die
beiden Seiten eines Reifens bei einem Prüfgerät wie in Figur 1
beschrieben notwendig sind und geht daher davon aus, dass
dies hier verwirklicht ist, auch wenn dies dem Wortlaut der
Druckschrift D5 nicht unmittelbar zu entnehmen ist.

2.2 Somit unterscheidet sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hauptan-
trag von dem aus der Druckschrift D5 bekannten, lediglich durch die Teil-
merkmale, wonach
a) das eine Reifenprüfgerät mehrere Prüfköpfe aufweist (Teil von Merkmal
M1.1.1), und
b) die mehreren Prüfköpfe des einen Reifenprüfgeräts zusätzlich die innere
Lauffläche des Reifens, d. h. die der eigentlichen Lauffläche auf der inneren
Seite des Reifens gegenüberliegende Fläche prüfen (Teil der Merkmale M2
und M2a).

Bei diesen Merkmalen handelt es sich jedoch um fachübliche bzw. handwerkliche
Maßnahmen, die sich nach Überzeugung des Senats für den Fachmann in nahe-
liegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben:
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Zu a) Bei der Reifenprüfanlage nach Druckschrift D5 mindestens eines der bei-
den Reifenprüfgeräte mit mehreren Prüfköpfen statt mit nur einem Prüfkopf
auszustatten, um mehrere Bereiche des jeweils zu untersuchenden Reifens
zeitoptimiert prüfen und die Prüfzeit insgesamt reduzieren zu können, stellt
– auch ohne, dass dies in der Druckschrift D5 explizit beschrieben ist – für
den Fachmann eine Selbstverständlichkeit dar.
Die Druckschrift D2, in der ebenfalls die Aufgabe der Verbesserung der
Reifenprüfgeräte allgemein (Absatz 0003) und die Verkürzung der Prüfzei-
ten im Besonderen (Absatz 0004) genannt ist, zeigt, dass die Verwendung
von mehreren Prüfköpfen in einem Reifenprüfgerät am Anmeldetag des
Streitpatents bereits gang und gäbe war (beispielsweise Figuren 3 bis 6 und
Absatz 0031: „… weist das Prüfgerät eine Prüfvorrichtung 8 auf, die aus …
vier Laser-Meßköpfen 9, 10, 11, 12 besteht“ und Figur 8 und Absatz 0045:
„Um die Reifenprüfung in verkürzter Zeit bewerkstelligen zu können, kön-
nen mehrere Meßköpfe 18 vorgesehen sein … Wie Fig. 8 zeigt, können drei
Meßköpfe 18 vorgesehen sein“).

Figur 8 aus Druckschrift D2 mit Ergänzungen des Senats

Zu b) Bereits in der Druckschrift D5 bekommt der zuständige Fachmann die Anre-
gung, dass zusätzlich zur äußeren Seitenwand des Reifens auch andere
- 19 -
Bereiche wie beispielsweise die Lauffläche oder der Wulstbereich geprüft
werden können (Absatz 0007: „…The portion of the tire, whose surface
configuration is to be detected, may be a bead portion, a tread portion or
the like…“). Schon dadurch wird der Fachmann angeregt, das aus der
Druckschrift D5 bekannte Reifenprüfgerät dahingehend zu verbessern,
dass die mehreren Prüfköpfe des einen Reifenprüfgeräts zusätzlich die in-
nere Lauffläche des Reifens prüfen. Auf diese Maßnahme wird er zusätzlich
durch die Druckschrift D2 gelenkt, die ein Reifenprüfgerät zeigt, bei dem die
mehreren Prüfköpfe („Messköpfe 18“) neben der äußeren Seitenwand auch
bereits innere Bereiche des Reifens, insbesondere die innere Lauffläche
des Reifens prüfen (Absatz 0045: „Wie Fig. 8 zeigt, können drei Meßköpfe
18 vorgesehen sein, von denen zwei die Innenseite der Reifenkarkasse und
einer deren Außenseite prüft.“).

Bei dieser Sachlage ergibt sich ein Verfahren mit den im Anspruch 1 nach Haupt-
antrag genannten Merkmalen aus der Zusammenschau der Druckschrift D5 mit
der Druckschrift D2.

2.3 Soweit die Beklagte bestreitet, dass der Fachmann eine Veranlassung
hatte, die Druckschrift D2 ausgehend von der Reifenprüfanlage nach Druckschrift
D5 heranzuziehen, da diese völlig unterschiedliche Technologien verwenden
würde – insbesondere werde die Prüfung beim Verfahren nach Druckschrift D2 in
einer Vakuumkammer durchgeführt würde, womit sich die Methoden der Druck-
schrift D2 einerseits und des Streitpatents andererseits zwingend gegenseitig aus-
schlössen und zudem der Fachmann aus der Druckschrift D2 mitlesen würde,
dass dort im Gegensatz zum Streitpatent das Messverfahren der sogenannten
Shearografie angewendet würde und aufgrund der Messung innerhalb der Vaku-
umkammer ein Wenden des Reifens nicht möglich wäre – steht dem entgegen,
dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht auf ein bestimm-
tes Messverfahren beschränkt ist. Zudem ist die zur Reifenprüfung verwendete
Technologie der Druckschrift D2 ebenfalls nicht auf eine konkrete Methode fest-
gelegt, vielmehr werden dort in den Absätzen 0024 bis 0028 explizit mehrere
- 20 -
Messmethoden als einzeln oder in Kombination verwendbar dargestellt. Schließ-
lich wird in der Druckschrift D2 eine Wendevorrichtung zum Wenden des Reifens
in den Ausführungsbespielen zwar nicht konkret dargestellt, jedoch wird der
Fachmann  sofern ihm diese nicht bereits aus dem Funktionsprinzip der Prüfan-
lage deutlich geworden ist  im Absatz 0034 darauf hingewiesen, dass der Reifen
zur Prüfung der unteren Mantelfläche gewendet werden muss. Dafür eine Wende-
vorrichtung vorzusehen, erfordert nicht, dass der Fachmann erfinderisch tätig wird.

Auch die Auffassung der Beklagten, die Druckschrift D2 vermittle dem Fachmann
die Lehre, zur Realisierung einer gewünschten Taktzeitverkürzung seien zusätzli-
che Messköpfe einzusetzen und nicht ein weiteres Prüfgerät mit dazwischenlie-
gender Wendevorrichtung zu installieren, hält einer näheren Betrachtung nicht
stand, da der Fachmann bislang mit einem Verfahren gemäß Druckschrift D5 ar-
beitet, also bereits mit zwei Prüfgeräten sowie einer dazwischen angeordneten
Wendevorrichtung, zieht er bei seinem Bestreben, diese Reifenprüfanlage hin-
sichtlich Prüfzeiten und der prüfbaren Reifenbereiche zu verbessern, mit Sicher-
heit nicht in Betracht auf eines der beiden vorhanden Prüfgeräte zu verzichten.
Vielmehr ist der Fachmann nach Überzeugung des Senats in der Lage, die bereits
erzielten Vorteile bei der Vorrichtung gemäß Druckschrift D5 zu erhalten und
durch Anregungen aus einer anderen Quelle, hier der Druckschrift D2, zu ergän-
zen, ohne dass er kritiklos die gesamte dortige Anordnung übernimmt.


III. Zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents nach dem Hilfsantrag 1

Die Klage erweist sich als unbegründet, soweit sie sich auch gegen die be-
schränkte Verteidigung des Streitpatents nach Hilfsantrag 1 richtet. Denn mit die-
ser zulässigen Fassung kann die Beklagte das Streitpatent erfolgreich beschränkt
verteidigen, da ihr keine Nichtigkeitsgründe entgegenstehen.

In der Fassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 wird gegenüber der Fassung
nach Hauptantrag zusätzlich zur Konkretisierung der Prüfköpfe durch die Angabe
- 21 -
ihrer optischen Komponenten die Differenzierung eingeführt, dass bei beiden
Reifenprüfgeräten die inneren Bereiche des Reifens sowohl von einem als auch
von mehreren Prüfköpfen geprüft werden können, wohingegen die äußeren Sei-
tenwände weiterhin durch mehrere Prüfköpfe geprüft werden müssen. Zu Ver-
deutlichung sind im Folgenden die relevanten Merkmale nochmals dargestellt
(Änderungen gegenüber dem Anspruch 1 in der Fassung nach Hauptantrag sind
durch Unterstreichung gekennzeichnet):

H8.1 Das eine Reifenprüfgerät
H8.2 einen oder mehrere Prüfköpfe aufweist, die zusätzlich
H8.3 zum Prüfen der inneren Lauffläche
H8.4 auch die innere Seitenwand prüfen und die
H8.5 mehreren Prüfköpfe
H8.6 die äußere Seitenwand prüfen;

H9.1 Das weitere Reifenprüfgerät
H9.2 einen oder mehrere Prüfköpfe aufweist, die zusätzlich
H9.3 die innere Lauffläche
H9.4 die innere Seitenwand und die
H9.5 mehreren Prüfköpfe
H9.6 die äußere Seitenwand prüfen,

0002 wobei die Prüfköpfe optische Prüfköpfe mit einer Abbil-
dungsoptik, einem flächenhaften Sensor und einer oder meh-
reren Laser-Beleuchtungsquellen sind.

1. Der Zulässigkeit der beschränkten Verteidigung des Streitpatents mit der
Fassung nach Hilfsantrag 1 steht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht bereits
der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gegenüber den ursprüngli-
chen Unterlagen nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG entgegen.

Vielmehr gehen die Anweisungen in den einzelnen Merkmalen des Anspruchs 1
nach Hilfsantrag 1 in zulässiger Weise auf folgende Stellen der ursprünglich einge-
reichten Unterlagen zurück:
- 22 -

Merkmal M13: ursprünglicher Anspruch 13;
Merkmale H8.1 bis H8.6: ursprünglicher Anspruch 8;
Merkmal M1.2: ursprünglicher Anspruch 1;
Merkmale H9.1 bis H9.6: ursprünglicher Anspruch 9;
Merkmal M1.4: ursprünglicher Anspruch 1, Figuren 1 bis 4
und die ursprüngliche Beschreibung,
Seite 7, 5. Absatz, 2. Satz;
Merkmal 0002: ursprüngliche Beschreibung, Seite 1,
zweiter Absatz, Seite 9, erster Absatz;
Merkmal M14: ursprünglicher Anspruch 14.

Die Aufnahme des Merkmals 0002 in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 stellt ent-
gegen den Ausführungen der Klägerin keine unzulässige Erweiterung dar, da die-
ses Merkmal nicht nur auf Seite 1, Absatz 2 der ursprünglichen Beschreibung als
Ausgangspunkt der Erfindung dargestellt wird, welcher erkennbar auch bei der
Erfindung eingesetzt werden kann und nicht etwa als nachteilig beschrieben wird,
zu dem Alternativen zu finden seien, sondern auch auf Seite 9, erster Absatz der
ursprünglichen Beschreibung und in Absatz 0040 des Streitpatents als ein we-
sentlicher Merkmalsbestandteil und damit als zur Erfindung gehörend genannt ist.
Ob durch die Einschränkung durch ein aus dem Stand der Technik bekanntes
Merkmal zur Abgrenzung gegenüber bestimmten Entgegenhaltungen geeignet ist,
ist im Übrigen keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Patentfähigkeit.

Auch die Änderung der Angaben „das erste Reifenprüfgerät“ in „das eine Reifen-
prüfgerät“ und „das zweite Reifenprüfgerät“ in „das andere Reifenprüfgerät“ steht
der Zulässigkeit des Hilfsantrags 1 nicht entgegen.

Die ursprüngliche Formulierung „das erste …“ und „das zweite …“ drückt unter
Beachtung der Gesamtoffenbarung des Streitpatents aus, dass die Reifenprüfan-
lage zwei Reifenprüfgeräte enthält, wobei jeweils ein Reifenprüfgerät vor dem
Wenden des Reifens und eines danach verwendet wird und nicht ein einzelnes
- 23 -
Reifenprüfgerät für die Prüfung eines Reifens zweimal zum Einsatz kommen soll
(beispielsweise Figuren 5 bis 10: „Maschine A“ und „Maschine B“). Somit sollte der
ursprüngliche Wortlaut offensichtlich einer eindeutigen Zuordnung der beiden
Reifenprüfgeräte dienen und wurde synonym zu „das eine …“ und „das andere …“
gebraucht. An keiner Stelle im Streitpatent ist über die Benennung der Anzahl der
Prüfgeräte hinaus eine bestimmte Reihenfolge bei der Prüfung zu erkennen, viel-
mehr sind die Prüfgeräte bzw. ist die Reihenfolge der Prüfung austauschbar. Dies
ist für den zuständigen Fachmann auch bereits durch die Symmetrie eines Reifens
bezüglich seiner Mittelebene durch die Lauffläche unmittelbar aus sich heraus
verständlich.

Diese Änderung geht auch über eine einfache Klarstellung hinaus, da sie erfolgen
muss, um eine unzulässige Änderung des Schutzbereichs zu vermeiden. Denn
würde der Kategoriewechsel von einer Vorrichtung zu einem Verfahren ohne diese
Änderung durchgeführt, bestünde die Gefahr, dass durch das im Vorrichtungsan-
spruch unbeachtliche bzw. nur zur differenzierten Benennung der beiden Geräte
dienende Merkmal zu einem, bei einem Verfahren eine zeitliche Abfolge suggerie-
renden, zusätzlichen Verfahrensmerkmal werden könnte. Eine solche zeitliche
Abfolge wäre weder ursprünglich offenbart noch läge sie im Schutzbereich des
erteilten Patents.

Auch die Gegenstände der abhängigen Patentansprüche 2 bis 4 nach Hilfsan-
trag 1 gehen in zulässiger Weise auf die ursprünglich eingereichten Unterlagen,
beispielsweise den Anspruch 13 in seinem Rückbezug auf die Ansprüche 10 bis
12, zurück.

2. Der Schutzbereich des Patents ist durch die Patentansprüche 1 bis 4 ge-
mäß Hilfsantrag 1 gegenüber der erteilten Fassung nicht erweitert (§ 22 Abs. 1,
2. Alternative PatG).

- 24 -
Die Ansicht der Klägerin, ein Kategoriewechsel, hier die Änderung der Ansprüche
von einer „Reifenprüfanlage“ in ein „Verfahren zum Prüfen von Reifen“, sowohl im
Hauptanspruch als auch in den Unteransprüchen, sei grundsätzlich nicht zulässig,
hält einer Überprüfung nicht stand. Der Kategoriewechsel ist jedenfalls im vorlie-
genden Fall zulässig, da ein Verfahren zum Prüfen von Reifen bereits durch den
erteilten Anspruch 13 geschützt war und dieser direkt auf das Reifenprüfgerät
nach einem der Ansprüche 1 bis 12 rückbezogen war. Somit waren alle in den
Ansprüchen 1 bis 12 genannten (Sach-)Merkmale bereits vom Schutzbereich des
Verfahrensanspruchs 13 umfasst, soweit diese auf das damit durchzuführende
Verfahren Auswirkungen haben.

3. Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 3 und § 4 PatG)

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 1 gilt als neu gegenüber
dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik und gilt gegenüber diesem auch
als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.

Die Druckschriften D5, D2 und D6, zu denen die Klägerin in der mündlichen Ver-
handlung allein noch weitere Ausführungen gemacht hat, stehen dem Gegenstand
in der Fassung des Streitpatents nach Hilfsantrag 1 weder neuheitsschädlich ent-
gegen noch vermögen sie die zugrunde liegende erfinderische Tätigkeit in Frage
zu stellen.

3.1 Aus der Druckschrift D5 ist in Worten des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1
ausgedrückt, Folgendes bekannt:

M13 Ein Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer Reifenprüfanlage
(Bezeichnung der Erfindung oder Absatz 0001: „a tire configura-
tion judging device and a tire classifying method using the
same”)
H8.1 mit einem Reifenprüfgerät

- 25 -
(Figur 1 mit Absatz 0030: „a top surface quality judging section
18”)
H8.5ˊ das einen Prüfkopf
(Figur 1 mit Absatz 0028: „configuration judging devices 10“)
H8.6 zum Prüfen der äußeren Seitenwand aufweist
(Figur 1 mit Absatz 0030: „top surface in der top surface quality
judging section 18”; Figur 3, Bezugszeichen 106 mit Absatz
0048: „TOP SURFACE CONFIGURATION JUDGING
ROUTINE“ und Figur 4 mit der zugehörigen Beschreibung in
den Absätzen 0049 bis 0056)
M1.2 mit einer Wendevorrichtung zum Wenden des Reifens
(Figur 1 mit Absatz 0030: „a tire turn-over section 20“)
M9.1 und mit einem weiteren Reifenprüfgerät
(Figur 1 mit Absatz 0030: „the rear surface quality judging sec-
tion 22”)
M9.5ˊ das einen Prüfkopf
(Figur 1 mit Absatz 0028: „configuration judging devices 10“)
M9.6 zum Prüfen der äußeren Seitenwand aufweist
(Figur 1 mit Absatz 0030: „rear surface” in der „rear surface
quality judging section 22“; Figur 3, Bezugszeichen 112 mit Ab-
satz 0059: „REAR SURFACE CONFIGURATION JUDGING
ROUTINE“ und die Figur 5 mit der zugehörigen Beschreibung
in den Absätzen 0060 bis 0063),
M1.4 wobei sich die Wendevorrichtung
(Figur 1 mit Absatz 0030: „tire turn-over section 20“)
zwischen den Reifenprüfgeräten befindet
(Figur 1 und darin die Position der „turn-over section 20“ relativ
zu den Reifenprüfgeräten „top surface in der top surface quality
- 26 -
judging section 18” und „the rear surface quality judging section
22”),
H8.5ˊ wobei der eine Prüfkopf des einen Reifenprüfgeräts
(Figur 1 mit Absatz 0030: „top surface quality judging section
18“)
H8.6 die äußere Seitenwand des Reifens prüft
(Figur 1 mit Absatz 0030: „top surface in der top surface quality
judging section 18”)
eine äußere Seitenwand des Reifens prüft
(Figur 3, Bezugszeichen 106 mit Absatz 0048: „TOP SURFACE
CONFIGURATION JUDGING ROUTINE“ und Figur 4 mit der
zugehörigen Beschreibung in den Absätzen 0049 bis 0056)
M3a und der eine Prüfkopf des weiteren Reifenprüfgeräts
(Figur 1 mit Absatz 0030: „rear surface quality judging section
22“)
die andere äußere Seitenwand des Reifens prüft
(Figur 3, Bezugszeichen 112 mit Absatz 0059: „REAR
SURFACE CONFIGURATION JUDGING ROUTINE“ und die Fi-
gur 5 mit der zugehörigen Beschreibung in den Absätzen 0060
bis 0063)
0002 und wobei die Prüfköpfe optische Prüfköpfe mit einer Abbildungsop-
tik, einem flächenhaften Sensor und einer oder mehreren Laser-Be-
leuchtungsquellen sind
(Absätze 0041 bis 0043 und Figur 2: „a collimator lens which is
structured by a spherical lens for converging laser beams, and a
cylindrical lens for diverging the converged beam in a single di-
rection“, „photographing device 44, for example, a CCD camera“
und „semiconductor laser as a light source“)

- 27 -
M14 und wobei die Prüfzeit des einen Reifenprüfgeräts im Wesentlichen
mit der Prüfzeit des anderen Reifenprüfgeräts übereinstimmt
Diese Tatsache ergibt sich für den zuständigen Fachmann
wiederum unmittelbar aus der Funktionsweise der in der Figur 1
gezeigten und in den Absätzen 0028 bis 0040 beschriebenen
Vorrichtung und insbesondere aus den Ablaufdiagrammen in
den Figuren 3 bis 5 und deren Erläuterung in den Absät-
zen 0045 bis 0064, vgl. dazu auch obigen Ausführungen zum
Merkmal M14 zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Haupt-
antrag II, 2.1.

Davon unterscheidet sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1
zumindest durch folgende, hier unterstrichene Angaben:

H8.2 das einen oder mehrere Prüfköpfe
H8.3 zum Prüfen der inneren Lauffläche
H8.4 und der inneren Seitenwand
H8.5ˊˊ und mehrere Prüfköpfe zum Prüfen der äußeren Seitenwand
aufweist,

und anschließend an die Wendevorrichtung zum Wenden des Reifens
und mit einem weiteren Reifenprüfgerät,

H9.2 das einen oder mehrere Prüfköpfe
H9.3 zum Prüfen der inneren Lauffläche
H9.4 und der inneren Seitenwand
H9.5ˊˊ und mehrere Prüfköpfe zum Prüfen der äußeren Seitenwand
aufweist.

Somit ist das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 gegenüber dem
aus der Druckschrift D5 bekannten neu. Es ergibt sich für den Fachmann auch
nicht in naheliegender Weise aus ihr.
- 28 -
3.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ergibt sich nicht in
naheliegender Weise aus der Druckschrift D5, auch nicht unter Einbeziehung der
Anregungen aus der Druckschrift D2. Letzterer ist zwar ein Reifenprüfgerät ent-
nehmbar, welches mehrere Prüfköpfe zum Prüfen der inneren Lauffläche und der
inneren Seitenwand aufweist (Merkmale H8.2 bis H8.4 oder H9.2 bis H9.4), jedoch
anders als durch Teilmerkmal H9.5ˊˊ gefordert, nur einen einzigen Prüfkopf zum
Prüfen der äußeren Seitenwand umfasst.

Zwar mag der Fachmann bei der Optimierung des Verfahrens gemäß Druckschrift
D5 der Druckschrift D2 die Anregung entnehmen, zur Verkürzung der Prüfzeit und
zum Prüfen innerer Bereiche eines Reifens mehrere Prüfköpfe einzusetzen. Eine
darüber hinausgehende Anweisung, wie viele Prüfköpfe für die einzelnen Reifen-
bereiche und insbesondere für die beiden Reifenprüfgeräte jeweils zu verwenden
sind, ist weder der Druckschrift D5 noch der Druckschrift D2 zu entnehmen. Bei
der Reifenprüfanlage nach der Druckschrift D5 besteht hierfür ohnehin kein An-
lass, da dort bei jedem der beiden Reifenprüfgeräte jeweils nur mit einem Prüfkopf
geprüft wird und dabei nur die äußere Seitenwand. Da bei der Reifenprüfanlage
nach der Druckschrift D2 dort nur ein einzelnes Reifenprüfgerät zur Verfügung
steht, kann sich die Problematik einer geeigneten Anzahl und Anordnung von
Prüfköpfen bei zwei in einer Reifenprüfanlage vorhandenen Reifenprüfgeräten
nicht ergeben.

Die Druckschrift D6, die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung insbe-
sondere als druckschriftlicher Beleg für das Merkmal 0002 angeführt wurde, be-
schreibt zwar ebenfalls ein Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einem Reifen-
prüfgerät, das mehrere Prüfköpfe zum Prüfen der inneren Lauffläche und der inne-
ren Seitenwand aufweist (Figuren 1a, 1b, 2 und 4, Spalte 10, Zeilen 41 bis 51:
„Zur Ermittlung innerer Strukturdefekte wird dabei, wie häufig üblich, die Innen-
seite des Reifens interferometrisch vermessen… Messkopf 14“; Merkmale 13, 8.1
bis 8.4), wobei die Prüfköpfe als optische Prüfköpfe mit einer Abbildungsoptik, ei-
nem flächenhaften Sensor und einer oder mehreren Laser-Beleuchtungsquellen
ausgestaltet sind (Spalte 1, Zeilen 12 bis 20: „Kamera zur Abbildung des Objektes
- 29 -
auf einem Bildsensor … ein CCD-Chip“, Spalte 4, Zeilen 32 bis 39: „Kamera mit
einem flächigen Bildsensor“, Spalte 6, Zeilen 19 bis 21: „Abbildungsoptik für die
Kamera“ und Spalte 7, Zeilen 36 bis 40: „Werden als Laserlichtquellen Laserdio-
den oder ähnlich platzsparende Lichtquellen verwendet“; Merkmal 0002).


Figur 4 aus Druckschrift D6 mit Ergänzungen des Senats

Die Druckschrift D6 zeigt jedoch weder Prüfköpfe zum Prüfen einer äußeren Sei-
tenwand noch eine Wendevorrichtung zum Wenden von Reifen oder ein weiteres
Reifenprüfgerät. Da in der Druckschrift D6 nur ein einzelnes Reifenprüfgerät of-
fenbart ist, kann ihr der Fachmann auch keine Anregung entnehmen, wie er in ei-
ner Reifenprüfanlage mit zwei separaten Reifenprüfgeräten erreichen kann, dass
die Prüfzeit des einen Reifenprüfgeräts im Wesentlichen mit der Prüfzeit des an-
deren Reifenprüfgeräts übereinstimmt. Hinsichtlich der Verwirklichung des durch
das Streitpatent erreichbaren Vorteils, optimiertes taktweises Prüfen und insge-
samt kürzere Prüfzeiten zu ermöglichen, ist der Druckschrift D6 kein Hinweis ent-
nehmbar; diese liegt vielmehr vom Gegenstand des Streitpatents weiter ab als die
Druckschriften D2 und D5.

- 30 -
Der Senat sieht daher keinen Weg, wie der Fachmann ausgehend von einer der
Druckschriften D2, D5 und D6 oder einer Kombination dieser Druckschriften in
naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1
gelangen konnte, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Hiergegen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingewandt, dass die
aus den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 9 entnommenen Merkmale H8.1 bis
H8.6 und H9.1 bis H9.6 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 bei der Untersuchung
auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen seien, da
diese Ansprüche in der ursprünglichen Fassung des Anspruchssatzes nicht auf
ein Verfahren sondern auf eine Vorrichtung gerichtet gewesen wären. Abgesehen
davon seien die in den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 9 genannten Merkmale
im qualifizierten Hinweis als fachüblich bezeichnet worden.

Dieser Einwand der Klägerin konnte zu keinem anderen Ergebnis führen, da der
Fachmann sowohl in den ursprünglichen als auch in den erteilten Ansprüchen 8
und 9 die Angaben „zum Prüfen der ...“ nicht anders verstehen konnte, als dass
damit das mit dem Anspruch 13 explizit beanspruchte Verfahren ausgeführt wer-
den soll. Zudem ist das Verfahren nach Anspruch 13 auf die Ansprüche 1 bis 12
rückbezogen und damit auch auf die Ansprüche 8 und 9. Das bedeutet, dass das
Verfahren zum Prüfen von Reifen mit einer Reifenprüfanlage in der Konfiguration
der dort beschriebenen beiden Reifenprüfgeräte sowohl ursprünglich offenbart als
auch bereits durch das Patent in der erteilten Fassung geschützt war, vgl. dazu
auch die obigen Ausführungen zur Zulässigkeit unter Punkt 1.

3.3 Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen weiter ab und
können dem Fachmann daher ebenfalls ein Verfahren nach Anspruch 1 gemäß
Hilfsantrag 1 nicht nahe legen. Etwas Gegenteiliges hat auch die Klägerin weder
nach dem qualifizierten Hinweis noch in der mündlichen Verhandlung geltend ge-
macht.

- 31 -
3.4 Auch den untergeordneten Ansprüchen nach Hilfsantrag 1, welche vorteil-
hafte Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens betreffen, begegnen
keine Bedenken. Solche hat auch die Klägerin nicht vorgetragen.

Da sich somit die mit dem Hauptantrag verteidigte Fassung der Ansprüche als
nicht patentfähig erweist, während der mit Hilfsantrag 1 vorgelegte Anspruchssatz
zulässig ist und ihm keine Nichtigkeitsgründe entgegenstehen, war das Streitpa-
tent nur insoweit teilweise für nichtig zu erklären, als es über die Fassung laut
Hilfsantrag 1 hinausgeht, und die weitergehende Klage abzuweisen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Der Kostenverteilung hat der Senat dabei zugrunde gelegt, in welchem Umfang
der nach Hilfsantrag 1 als schutzfähig verbleibende Patentgegenstand gegenüber
demjenigen der erteilten Fassung eingeschränkt ist. Da es sich nach Auffassung
des Senats um eine erhebliche Einschränkung handelt, ist es gerechtfertigt, der
Beklagten 80 % der Kosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1
PatG i. V. m. § 709 ZPO.


C.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift, die auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)
eingereicht werden kann, muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zu-
- 32 -
gelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundes-
republik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unter-
zeichnet oder im Fall der elektronischen Einreichung mit einer qualifizierten elekt-
ronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer fortgeschrittenen
elektronischen Signatur versehen sein, die von einer internationalen Organisation
auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes herausgegeben wird und sich
zur Bearbeitung durch das jeweilige Gericht eignet. Die Berufungsschrift muss die
Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklä-
rung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Beru-
fungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen
Urteils vorgelegt werden.

Die Berufungsschrift muss innerhalb eines Monats schriftlich beim Bundesge-
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht oder als elektronisches
Dokument in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes
(www.bundesgerichtshof.de/erv.html) übertragen werden. Die Berufungsfrist be-
ginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens
aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist ist nur
gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht.


Friehe Kruppa Müller Matter Dr. Haupt

prö


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