6 Ni 10/16 (EP) - 6. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:111017U6Ni10.16EP.0


BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

6 Ni 10/16 (EP)
verb. mit
6 Ni 60/16 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
11. Oktober 2017





In der Patentnichtigkeitssache



- 2 -
g e g e n








betreffend das europäische Patent 1 232 494
(DE 600 29 990.2)

hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 11. Oktober 2017 durch die Vorsitzende Richterin Friehe sowie
die Richter Schwarz, Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi,
Dipl.-Ing. Matter und Dipl.-Phys. Univ. Dr. Haupt

f ü r R e c h t e r k a n n t :

I. Das europäische Patent 1 232 494 wird unter Abweisung der
weitergehenden Klage mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig er-
klärt, dass die erteilten Patentansprüche 18 bis 20 und 38 bis
40 entfallen und die übrigen Patentansprüche folgende Fas-
sung erhalten:

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II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander
aufgehoben.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

- 25 -
T a t b e s t a n d

Die Beklagte ist seit 1. Juli 2014 eingetragene Inhaberin des europäischen Patents
1 232 494 (Streitpatent). Das Streitpatent beruht auf der internationalen Anmel-
dung der Firma Voiceage Corporation mit dem Aktenzeichen
PCT/CA2000/001381 vom 17. November 2000, die die Priorität der kanadischen
Anmeldung CA 2290037 vom 18. November 1999 beansprucht und die als
WO 2001/037264 A1 am 25. Mai 2001 veröffentlicht worden ist. Die Erteilung des
Streitpatents ist am 9. August 2006 in der Verfahrenssprache Englisch veröffent-
licht worden.

Das Streitpatent trägt die Bezeichnung

„GAIN-SMOOTHING IN WIDEBAND SPEECH
AND AUDIO SIGNAL DECODER“

(in Deutsch laut Streitpatentschrift:

„GLÄTTUNG DES VERSTÄRKUNGSFAKTORS
IN BREITBANDSPRACH- UND AUDIO-SIGNAL DEKODIERER“)

und umfasst in der erteilten Fassung 92 Patentansprüche.

Das Streitpatent war ursprünglich seitens der Firma HTC Europe Co., Ltd., mit der
Nichtigkeitsklage vom 13. März 2015 im Umfang der Ansprüche 1, 2, 5 bis 10, 13,
14, 16, 17, 21, 22, 25 bis 30 und 33, 34, 36, 37, 92 angegriffen worden. Die Kläge-
rin zu 1 ist der Klage der Firma HTC Europe Co., Ltd., mit Schriftsatz vom
4. Juli 2016 als Klägerin beigetreten. Sie greift das Streitpatent in vollem Umfang
an. Mit Schriftsatz vom 4. November 2016 hat die Firma HTC Europe Co., Ltd.,
ihre Nichtigkeitsklage zurückgenommen.

- 26 -
Die Klägerin zu 2, welche mit ihrer am 22. August 2016 erhobenen Nichtigkeits-
klage die Nichtigerklärung des Streitpatents nur im Umfang der Ansprüche 1, 21
und 92 begehrt hatte, hat mit Schriftsatz vom 2. August 2017 ihre Klage auf sämt-
liche Patentansprüche erweitert. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom
22. August 2017 erklärt, der Klageerweiterung nicht zuzustimmen.

Die erteilten unabhängigen Patentansprüche 1, 18, 21, 38, 41, 58, 75 und 92 lau-
ten wie folgt:




- 27 -






In deutscher Übersetzung laut Streitpatentschrift lauten sie:


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Bei den ebenfalls angegriffenen sonstigen Patentansprüchen handelt es sich um
jeweils auf die vorgenannten nebengeordneten Patentansprüche unmittelbar oder
mittelbar rückbezogene Unteransprüche.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass das Streitpatent wegen unzulässiger Er-
weiterung und mangels Patentfähigkeit infolge fehlender Neuheit, zumindest aber
infolge fehlender erfinderischer Tätigkeit, für nichtig zu erklären sei.

- 30 -
Dies stützen sie insbesondere auf die folgenden Druckschriften, wobei sich die
Klägerin zu 1 mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2016 auch auf die bereits von der
früheren Klägerin HTC Europe Co., Ltd. eingereichten Druckschriften pauschal
berufen hat:

Kurzzei-
chen der
Klägerin zu
1
Kurz-
zeichen
der
früheren
Klägerin
HTC

Kurz-
zeichen
der Klä-
gerin zu 2
Druckschrift
KB1 WO 00/11650 A1
KB4 AD8 WO 99/45532 A1
NK8 AD6 EP 1 073 039 A2
NK12 3G TS 26.090WB V0.1 (2000-11) Technical Speci-
fication. 3rd Generation Partnership Project; Tech-
nical Specification Group Services and System As-
pects; Mandatory Speech Codec speech pro-
cessing functions. AMR Wideband speech codec;
Transcoding functions.

NK27 AD7 TS 26.090 V2.0.0 (1999-06) Technical Specifica-
tion. 3rd Generation Partnership Project (3GPP);
TSG-SA Codec Working Group; Mandatory Speech
Codec speech processing functions; AMR speech
codec; Transcoding functions.
TSGS4#5(99)195. Technical Specification Group
Services and System Aspects; Meeting #5, 14-16
June 1999, Miami.

NK28 AD10 Tasaki, H., Takahashi, S., Post noise smoother to
improve low bit rate speech-coding performance,
Proceedings der Konferenz IEEE Workshop on
Speech Coding, Model, Coders and Error Criteria,
Porvoo, Finnland, 20.-23. June 1999, S. 159-161.

NK29a Ausdruck der Webseite
http://ieeexplore.ieee.org/xpl/Iogin.jsp?tp=&arnum-
ber=781517&url=http%3A%2F%2Fieeexplore.ieee.
org%2Fxpls%2Fabs_alI.jsp%3Farnumber%3D7815
17, Druckdatum 9.3.2016.

NK30 AD9 JP 10-97296 A
NK31 AD9a US 6 047 253 A (= Familienmitglied von NK30)
- 31 -

o.N. Beglaubigte Übersetzung der AD9 aus dem Japa-
nischen vom 15.09.2017.

NK32 AD5 Kondoz, A.M., Digital Speech, Coding for Low Bit
Rate Communication Systems, John Wiley & Sons,
1994 (in Auszügen).

AD6a Titelseite der AD6

AD6b Englische Übersetzung der japanischen Prioritäts-
anmeldung JP 214292/99 vom 28. Juli 1999.

AD12 Vary, P., RWTH Aachen University: Gutachten zur
Patentschrift EP 1 232 494 B1 (o. D.).

AD13 Tdoc SMS 860/97. Agenda item: 7.10., “AMR, the
way forward”, ETSI SMG Meeting #23, Budapest,
13 – 17 October 1997.

AD14 Tdoc SMG P-99-429. Agenda items: 6.10, “Adap-
tive Multi-Rate Wideband (AMR-WB) Feasibility
study report Version 1.0.0”. ETSI TC SMG Meeting
#29, 23 – 25 Juni 1999, Miami, S. 1 – 30.

AD15 Rabiner, L.R. et al., Applications of a Nonlinear
Smoothing Algorithm to Speech Processing, IEEE
Transactions on Acoustics, Speech, and Signal
Processing, Band ASSP-23, Nr. 6, Dezember 1975,
S. 552-557.

AD16 Velleman, P. F., Definition and Comparison of Ro-
bust Nonlinear Data Smoothing Algorithms, Journal
of the American Statistical Association, Band 75,
Nr. 371, September 1980, S. 609-615.

AD17 Qian, Y. et al., Pseudo-multi-tap pitch filters in a low
bit-rate CELP speech coder, Speech Communica-
tion 14, 1994, S. 339-358.


- 32 -
Der Klägerinnen beantragen,

das europäische Patent 1 232 494 mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu er-
klären.

Die Beklagte, welche das Streitpatent nur noch beschränkt verteidigt, beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie das Patent mit den Ansprü-
chen 1 bis 17, 21 bis 37 und 41 bis 92 gemäß Schriftsatz vom
20. Juni 2017 verteidigt, hilfsweise, soweit das Patent mit einem
der Hilfsanträge 1 bis 5 vom 31. Juli 2017 verteidigt wird.

Wegen des Wortlauts des Hauptantrags der Beklagten wird auf den Urteilstenor,
wegen desjenigen der Hilfsanträge 1 bis 5 auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Beklagte tritt dem Vortrag der Klägerinnen im Einzelnen entgegen und hält
den Gegenstand des Streitpatents zumindest in einer der Fassungen nach dem
Hauptantrag oder nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 für schutzfähig.

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 12. Juni 2017 mit
einer Frist von 1 Monat zur Stellungnahme auf den Hinweis sowie einer weiteren
Frist von 1 Monat zur Stellungnahme auf das jeweilige Vorbringen der Gegenseite
zukommen lassen. Der Hinweis ist den Vertretern der Klägerinnen jeweils am
19. Juni 2017 und den Vertretern der Beklagten am 16. Juni 2017 zugestellt
worden.

- 33 -
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

A.

Die Klagen sind zulässig. Soweit die Klägerin zu 2 mit Schriftsatz vom
2. August 2017 ihre Klage mit dem Ziel der Nichtigerklärung des gesamten Pa-
tents erweitert hat, ist die hierin liegende Klageänderung (vgl. BGH, Urteil vom
20. März 2012 – X ZR 58/09, Rn. 43 [juris], sowie Urteil vom 19. Juli 2011 –
X ZR 25/09, Rn. 9 [juris]) nach § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 263 ZPO als sachdien-
lich zuzulassen, nachdem die Beklagte der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom
22. August 2017 nicht zugestimmt hat. Denn zum einen ist die Frage der
Nichtigerklärung des gesamten Patents schon infolge der Klage der Klägerin zu 1
Gegenstand des Verfahrens und zum anderen wird durch eine Überprüfung der
Schutzfähigkeit des gesamten Patents ein möglicher weiterer Streit hierüber zwi-
schen den Parteien vermieden.

Die somit zulässigen Klagen sind aber nur teilweise begründet. Soweit sie sich
gegen die von der Beklagten nicht mehr verteidigte erteilte Fassung richten, war
das Streitpatent ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären. Sie erweisen sich da-
gegen als unbegründet, soweit sie auch die Nichtigerklärung des Streitpatents im
Umfang der beschränkten Verteidigung der Beklagten mit dem Hauptantrag be-
gehren, denn insoweit stehen dieser Fassung des Streitpatents entgegen der
Auffassung der Klägerinnen keine Nichtigkeitsgründe nach Art. II § 6 Abs. 1 S. 1
IntPatÜG i. V. m. Art. 138 EPÜ entgegen. Aus diesem Grund ist das Streitpatent
nur insoweit für nichtig zu erklären, als es über die im Tenor genannte Fassung
hinausgeht. Dabei sind die im Tenor wiedergegebenen Patentansprüche aus dem
Schriftsatz der Beklagten vom 20. Juni 2017 kopiert, in welchem die Beklagte mit
den Unterstreichungen lediglich die Zusätze und Änderungen gegenüber der er-
teilten Fassung markiert hatte; Gegenstand des Urteilstenors sind daher zwar die
unterstrichenen Worte, nicht aber die Unterstreichungen als solche. Ob das Streit-
patent daneben auch in einer der Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 Be-
stand hätte, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung mehr.
- 34 -
I. Zum Gegenstand des Streitpatents

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Erzeugen
eines verstärkungsgeglätteten innovativen Codevektors während der Decodierung
eines codierten Breitbandsignals.

Nach den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung wachse für viele Anwen-
dungen, wie Audio-Video-Telekonferenzen, Multimedia- und drahtlose Anwendun-
gen, wie auch bei Anwendungen im Internet und bei Paketnetzen, der Bedarf nach
effizienten digitalen Breitband-Sprach- bzw. Audio-Codierungsverfahren mit einem
guten Kompromiss zwischen subjektiver Qualität und Bitrate (vgl. Streitpatent-
schrift, Absatz 0002).

Ein Sprachcodierer habe die Aufgabe, das abgetastete und quantisierte Sprach-
signal mit einer geringeren Anzahl von Bits darzustellen, sogenannten Modellpa-
rametern (synthesis model parameters, vgl. Absatz 0081), und dennoch eine gute
subjektive Sprachqualität aufrecht zu erhalten. Die im Codierer erzeugten Modell-
parameter würden über einen Kommunikationskanal übertragen oder in einem
Speichermedium gespeichert. Ein Sprachdecodierer oder -synthesizer verarbeite
die übertragenen bzw. gespeicherten Modellparameter, um ein Sprachsignal zu
synthetisieren (vgl. Absatz 0003).

Eines der besten Verfahren des Standes der Technik, das einen guten Quali-
täts/Bitraten-Kompromiss erreichen könne, sei die so genannte codeangeregte
lineare Vorhersagetechnik (CELP = Code Excited Linear Prediction, vgl. Ab-
satz 0004).

Gemäß dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents synthetisiere der CELP-
Sprachdecodierer das Sprachsignal anhand folgender Modellparameter (synthesis
model parameters, vgl. Absatz 0081):

- 35 -
- Kurzzeitprädiktionsparameter (short-term prediction parameters (STP)), die
einmal pro Rahmen (frame) übertragen werden,
- Langzeitprädiktionsparameter (long-term prediction (LTP) parameters) für
jeden Unterrahmen sowie
- Index des innovativen Codebuchs und Verstärkungsfaktor des innovativen
Codevektors ck für jeden Unterrahmen (subframe),

wobei ein Rahmen des Sprachsignals eine vorgegebene Anzahl L von Abtast-
werten des Sprachsignals umfasse, die etwa einer Sprachdauer von 10-30 ms
entsprächen, und jeder Rahmen weiter in Unterrahmen von N Abtastwerten un-
terteilt sei, die üblicherweise einer Sprachdauer von 4-10 ms entsprächen (vgl.
Absatz 0004).

Ein bei synthetisierten Sprachsignalen festgestelltes Problem sei die Verminde-
rung der Decodiererleistung, falls im abgetasteten Sprachsignal ein Hintergrund-
rauschen vorhanden sei. Auch verwende das CELP-Verfahren auf der Decodie-
rerseite Nachfilter- und Nachbearbeitungsverfahren, um das erhaltene syntheti-
sierte Signal zu verbessern. Diese Verfahren müssten zur Eignung für Breit-
bandsignale angepasst werden (vgl. Absatz 0011).

2. Vor diesem Hintergrund schlägt das Streitpatent mit den unabhängigen An-
sprüchen 1 und 21 in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung ein Verfahren
bzw. eine Vorrichtung vor, die sich wie folgt gliedern lassen:

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 11. Oktober 2017:

A method
1.1 for producing a gain-smoothed innovative codevector
1.1.1 during decoding of an encoded wideband signal
1.1.2 from a set of signal encoding parameters,
said method comprising:

- 36 -
1.2 finding an innovative codevector (ck) and an innovative codebook
gain (g) in relation to at least one first (k) and at least one second (g)
signal encoding parameters of said set;
1.3 calculating (501, 502) a first factor (rv, λ) representative of a degree
of voicing in the wideband signal in response to at least one third
signal encoding parameter (b, vT) of said set;
1.4 calculating (503, 504) a second factor (θ) representative of a degree
of stability of said wideband signal in response to at least one fourth
signal encoding parameter (LP) of said set;
1.5 calculating a smoothed gain (gs) using a non linear operation related
to the first and second factors (rv, λ; θ) and applied to the found inno-
vative codebook gain (g); and
1.6 amplifying the found innovative codevector (ck) with said smoothed
gain (gs) to thereby produce said gain-smoothed innovative
codevector.

Anspruch 21 gemäß Hauptantrag vom 11. Oktober 2017:

A device
1.1 for producing a gain-smoothed innovative codevector
1.1.1 during decoding of an encoded wideband signal
1.1.2 from a set of signal encoding parameters,
said device comprising:
1.2 means for finding an innovative codevector (ck) and an innovative
codebook gain (g) in relation to at least one first (k) and at least one
second (g) signal encoding parameters of said set;
1.3 means for calculating (501, 502) a first factor (rv, λ) representative of
a degree of voicing in the wideband signal in response to at least one
third signal encoding parameter (b, vT) of said set;
1.4 means for calculating (503, 504) a second factor (θ) representative of
a degree of stability of said wideband signal in response to at least
one fourth signal encoding parameter (LP) of said set;
- 37 -
1.5 means for calculating a smoothed gain (gs) using a non linear opera-
tion related to the first and second factors (rv, λ; θ) and applied to the
found innovative codebook gain (g); and
1.6 means for amplifying the found innovative codevector (ck) with said
smoothed gain (gs) to thereby produce said gain-smoothed innova-
tive codevector.

Die Ansprüche 41, 58, 75, und 92 nach Hauptantrag betreffen ein zellulares
Kommunikationssystem, ein Netzwerkelement, ein bidirektionales drahtloses
Kommunikationssubsystem sowie ein Mobiltelefon, welche jeweils die im An-
spruch 21 beanspruchte Vorrichtung umfassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der übrigen Patenansprü-
che nach Haupt- und Hilfsanträgen, wird auf die Akte verwiesen.

3. Der zuständige Fachmann, als welchen der Senat einen Diplom-Ingenieur
der Elektro- oder Nachrichtentechnik mit Universitätsabschluss und mehrjähriger
Berufserfahrung sowie einschlägigen Kenntnissen auf dem Gebiet der digitalen
Signalverarbeitung, insbesondere der Codierung von Sprachdaten ansieht, wird
die Angaben in den gemäß Hauptantrag geltenden Ansprüchen wie folgt verste-
hen:

a) Unter einem Breitbandsignal (wideband signal, vgl. Merkmal 1.1.1) ver-
steht der Fachmann insbesondere ein Breitband-Sprachsignal, d. h. ein Sprach-
signal mit einer Bandbreite im Bereich von 50-7.000 Hz bzw. ein mit beispielweise
16 kHz abgetastetes oder mit 12,8 kHz unterabgetastetes Sprachsignal (vgl.
Streitpatentschrift, Absätze 0002, 0032, 0038). Das beanspruchte Verfahren bzw.
die Vorrichtung müssen daher geeignet sein, in Reaktion auf ein codiertes Breit-
band-Sprachsignal die im Merkmal 1 genannte Wirkung zu erreichen (for produ-
cing a gain-smoothed innovative codevector).

- 38 -
b) Die Streitpatentschrift unterscheidet in Übereinstimmung mit dem allgemei-
nen Fachwissen des Fachmanns konsistent zwischen einem Tonhöhencodebuch
(adaptive codebook) und einem innovativen Codebuch (innovative codebook, fixed
codebook, vgl. Absatz 0004, Zeilen 29 bis 31). Dem Fachmann ist bekannt, dass
das Tonhöhencodebuch zur Abbildung des quasi-periodischen Signalanteils im
sogenannten Anregungssignal verwendet wird und das innovative Codebuch
rauschartige Sequenzen zur Modellierung des nicht-periodischen Signalanteils
umfasst. Das innovative Codebuch (vgl. Merkmal 1.2) ist in der Streitpatent-
schrift als ein indexierter Satz von N-Abtastwerten langen Folgen definiert, welche
als N-dimensionale innovative Codevektoren ck bezeichnet werden (vgl. Ab-
satz 0005; Absatz 0033, Zeile 32).

c) Die Anweisung, etwas zu finden (finding sth., vgl. Merkmal 1.2), ist kein
Fachbegriff mit feststehendem Bedeutungsinhalt. Welche Maßnahmen der Fach-
mann ergreifen wird, um diese Anweisung auszuführen, richtet sich nach den zur
Verfügung stehenden Ausgangsdaten und dem gewünschten Ergebnis. So um-
fasst die Anweisung im Merkmal 1.2 alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um
ausgehend von dem mindestens einen ersten (k) und dem mindestens einen
zweiten Signalcodierungsparameter (g) zu dem innovativen Codevektor (ck) und
seinem Verstärkungsfaktor (g) zu gelangen. Die Maßnahmen zum Finden eines
Codevektors (ck) können sich von den Maßnahmen zum Finden des Verstär-
kungsfaktors (g) unterscheiden. Nach dem nicht patentbeschränkenden Ausfüh-
rungsbeispiel ergreift der Fachmann etwa folgende Maßnahmen, um zum Verstär-
kungsfaktor des innovativen Codebuchs zu gelangen: das Extrahieren des (co-
dierten) Verstärkungsfaktors aus den binären Informationen im digitalen Ein-
gangskanal und das Decodieren des Verstärkungsfaktors (vgl. Absatz 0081:
extracts the synthesis model parameters from the binary information received from
a digital input channel, Absatz 0082: decoded gain factor g). Der Verstärkungs-
faktor des innovativen Codebuchs wird im Folgenden kurz als innovativer Verstär-
kungsfaktor bezeichnet. Im Falle des ersten Signalcodierungsparameters (k) muss
dieser nach dem Extrahieren bzw. Decodieren aus den binären übertragenen In-
formationen zusätzlich noch mit den Indizes der im innovativen Codebuch gespei-
- 39 -
cherten innovativen Codevektoren (ck) verglichen werden, um den richtigen inno-
vativen Codevektor (ck) aufzufinden.

d) Die Begriffe Signalcodierungsparameter (signal encoding parameter, vgl.
Merkmal 1.1.2) und Synthesemodellparameter (synthesis model parameters, vgl.
Absatz 0081) bezeichnen denselben Gegenstand. Als Signalcodierungsparameter
versteht der Fachmann diejenigen Informationen, die bei der Codierung aus dem
Sprachsignal abgeleitet werden und die bei der Decodierung zur Wiederherstel-
lung bzw. Synthese des Signals erforderlich sind. Ein Satz von Signalcodie-
rungsparametern (set of signal encoding parameters, vgl. Merkmal 1.1.2) ist eine
Gruppe in bestimmter Hinsicht zusammengehöriger Signalcodierungsparameter,
wobei in den gemäß Hauptantrag verteidigten unabhängigen Ansprüchen unbe-
stimmt bleibt, auf Grund welcher Eigenschaft diese Signalcodierungsparameter
zusammengehören. Erst in den Unteransprüchen (vgl. etwa Ansprüche 3, 4 und 5
gemäß Hauptantrag) sind konkrete erste/dritte/vierte Signalcodierungsparameter
wie Index des innovativen Codebuchs, Tonhöhenverstärkung, Tonhöhennachei-
lung, Index des Tiefpassfilters und Koeffizienten eines linearen Vorhersagefilters
genannt, wobei der erste und der dritte Signalcodierungsparameter jeweils den
Index des innovativen Codebuchs umfassen können (vgl. Ansprüche 3, 4 gemäß
Hauptantrag). Der Fachmann versteht die Bezeichnungen als
erste/zweite/dritte/vierte Signalcodierungsparameter daher in dem Sinn, dass
diese keine disjunkten Mengen ausbilden müssen.

e) Der Begriff der Stimmhaftigkeit in einem Breitbandsignal (voicing in the
wideband signal, vgl. Merkmal 1.3) ist in der Streitpatentschrift nicht definiert. Der
Fachmann bezieht die Bezeichnung als stimmhaft bzw. stimmlos üblicherweise
darauf, ob ein Sprachlaut mit oder ohne Beteiligung der Stimme ausgesprochen
wird, in dem Sinne, dass die Stimmbänder bei der Artikulation eines Lautes eine
aktive Rolle spielen oder nicht (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Stimmhaftigkeit).
Stimmhafte Abschnitte des Sprachsignals enthalten z. B. Vokale, stimmlose Ab-
schnitte enthalten z. B. bestimmte Frikative. In den unabhängigen Ansprüchen
gemäß Hauptantrag ist nicht angegeben, für welchen Zeitraum und nach welchem
- 40 -
Verfahren der Grad der Stimmhaftigkeit in dem Breitbandsignal (degree of voi-
cing in the wideband signal, vgl. Merkmal 1.3) ermittelt werden soll. Gemäß der
Beschreibung kann der Grad der Stimmhaftigkeit in einem Unterrahmen durch
verschiedene Verfahren bestimmt werden (vgl. Streitpatentschrift, Absätze 0085,
0086). Erst in den Unteransprüchen 6 bzw. 8 werden konkrete Berechnungsvor-
schriften für den Grad der Stimmhaftigkeit rv bzw. der Stimmlosigkeit λ angegeben:
rv = (Ev-Ec) / (Ev+Ec),
λ = 0,5 (1-rv).
Dabei bezeichnet Ev die Energie des skalierten adaptiven Codevektors und Ec die
Energie des skalierten innovativen Codevektors. In der Weiterbildung nach dem
Unteranspruch 6 ist der Grad der Stimmhaftigkeit somit die Energiedifferenz zwi-
schen dem periodischen und dem nicht-periodischen Signalanteil (Ev-Ec) normiert
auf die Gesamtenergie des Anregungssignals (Ev+Ec). Folglich bezeichnet der
Faktor λ gemäß der Weiterbildung nach Unteranspruch 8 einen Grad der Stimmlo-
sigkeit. Die unabhängigen Ansprüche sind jedoch weder auf diese konkreten Be-
rechnungsverfahren noch auf den Zeitabschnitt eines Unterrahmens beschränkt.
Der Fachmann wird unter dem Grad der Stimmhaftigkeit vielmehr jegliche Abstu-
fung verstehen können, die in einem nicht näher bestimmten Zeitabschnitt das
mehr oder weniger starke Vorhandensein der Eigenschaft „Stimmhaftigkeit“ im
Signal angibt. Dem Fachmann ist bekannt, dass das Sprachsignal in einem be-
stimmten Zeitabschnitt nicht nur rein stimmhaft oder rein stimmlos sein kann, son-
dern stimmhafte Sprachabschnitte auch eingebettete stimmlose Intervalle enthal-
ten können. Der Fachmann versteht daher, dass der Wertevorrat eines Faktors,
welcher repräsentativ für den Grad der Stimmhaftigkeit im Breitbandsignal
ist, mehr als zwei Werte umfassen muss, um diese grundlegende Eigenschaft des
Sprachsignals in irgendeiner Art und Weise charakterisierend abzubilden.

f) In den unabhängigen Ansprüchen ist nicht angegeben, für welchen Zeit-
raum und für welche Signaleigenschaft der sog. Grad der Stabilität des Breit-
bandsignals (degree of stability of said wideband signal, vgl. Merkmal 1.4) ermit-
- 41 -
telt werden soll. Erst in der Ausbildung gemäß den Unteransprüchen 11 bzw. 12
werden konkrete Berechnungsverfahren für den Grad der Stabilität Ds bzw. θ an-
gegeben:

𝐷𝐷𝑠𝑠 = �(𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖(𝑛𝑛) − 𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖(𝑛𝑛−1))2𝑝𝑝−1
𝑖𝑖−1

Θ = 1.25 –Ds/400000.0

Den im Unteranspruch 11 angegebenen, offensichtlich durch einen Textsatzfehler
entstandenen Term 𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖(𝑛𝑛−1) stellt der Fachmann ohne weiteres als
𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖
(𝑛𝑛−1) richtig (vgl. Streitpatentschrift, Seite 4, Zeile 25 oder Seite 15, Zeile 4). In
der Weiterbildung nach den Unteransprüchen 11 bzw. 12 ist die Stabilität des Sig-
nals somit durch die Stabilität des linearen Vorhersagefilters bestimmt, welche als
sog. Immitanz-Spektralpaar-Abstandsmaß Ds, bzw. davon abgeleiteter Wert θ an-
gegeben werden kann. Die in den Unteransprüchen angegebenen Berechnungs-
verfahren können jedoch nicht einschränkend zur Auslegung der unabhängigen
Ansprüche herangezogen werden. Der Fachmann wird als Grad der Stabilität des
Signals vielmehr jegliche graduelle Abstufung verstehen, welche die zeitliche Ver-
änderung bestimmter Signalcodierungsparameter kennzeichnet. Eine graduelle
Abstufung, die das mehr oder weniger starke Vorhandensein der Stabilität des
Signals kennzeichnet, setzt die Möglichkeit eines Vergleichs von verschieden
starken Abstufungen voraus und erfordert daher, dass zumindest ein bestimmter
Grad der Stabilität existiert, zu dem ein höherer/größerer und ein geringe-
rer/kleinerer Grad der Stabilität angegeben werden kann.

g) Der Begriff der Glättung (calculating a smoothed gain, vgl. Merkmal 1.5) ist
im Streitpatent nicht definiert. Der Fachmann wird die Glättung des Verstärkungs-
faktors als irgendwie geartete Vergleichmäßigung oder Mittelung der Verstär-
kungsfaktoren aus unterschiedlichen Zeitabschnitten verstehen. Erst in der Aus-
bildung nach Unteranspruch 15 bzw. 35 ist vorgegeben, dass die Berechnung des
geglätteten Verstärkungsfaktors einen Vergleich der Verstärkung im aktuellen
- 42 -
Unterrahmen mit der Verstärkung im unmittelbar vorausgehenden Unterrahmen
umfasst.

h) Im Merkmal 1.5 des Anspruchs 1 ist von einer nichtlinearen Operation
bezogen auf den ersten und zweiten Faktor die Rede, die auf den gefundenen
Verstärkungsfaktor angewendet werden soll (calculating a smoothed gain using a
nonlinear operation related to the first and second factors and applied to the found
gain). Die nichtlineare Operation ist somit eine Zuordnungsvorschrift, die drei Ein-
gangsgrößen, erster Faktor (rv, λ), zweiter Faktor (ϴ) und gefundener Verstär-
kungsfaktor (g), auf eine Ausgangsgröße, den geglätteten Verstärkungsfaktor (gs),
abbildet. Der Fachmann wird eine solche Zuordnungsvorschrift dann als nichtli-
near ansehen, wenn sie für eine einzige oder mehrere ihrer drei Eingangsgrößen
(rv, λ), (ϴ) oder (g) die Linearitätsbedingungen (homogen, additiv) nicht erfüllt. Die
im Ausführungsbeispiel des Streitpatents angegebene Vorschrift zur Berechnung
des geglätteten Verstärkungsfaktors (vgl. Absätze 0092 bis 0094),
gs = Sm * go + (1-Sm) * g, Sm = λ Θ, if g
ist nichtlinear in Bezug auf den ersten (λ) und den zweiten Faktor (θ), denn sie
enthält ihr Produkt (λ θ). Die Funktion ist auch nichtlinear in Bezug auf g, denn der
anfangsmodifizierte Verstärkungsfaktor (g0) ist eine Stufenfunktion von g. Diese im
Ausführungsbeispiel des Streitpatents offenbarten nichtlinearen Funktionen be-
schränken jedoch nicht den Begriff der nichtlinearen Operation im Anspruch 1,
denn dem Fachmann sind zahlreiche weitere nichtlineare Operationen bekannt.

- 43 -
II. Zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents in der Fassung
nach dem Hauptantrag

1. Unzulässige Erweiterung

Entgegen der Ansicht der Klägerinnen ist das Streitpatent in der nach Hauptantrag
verteidigten Fassung nicht nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138
Abs. 1 Buchst. c) EPÜ für nichtig zu erklären.

1.1 Hiernach darf der Gegenstand eines Patentanspruchs nicht über das
hinausgehen, was den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur angemel-
deten Erfindung gehörend zu entnehmen ist. Dieser prüfende Vergleich bezieht
sich nicht nur auf die in der Anmeldung formulierten Patentansprüche; entschei-
dend ist vielmehr, was der Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik der
Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmen
kann (st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urteil vom 19. Juli 2016 – X ZR 36/14, juris,
Rn. 26 -; Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 45 m. w. N. -
Polymerschaum I).

Für die Beurteilung, ob der erteilte Patentanspruch über die ursprünglichen An-
meldungsunterlagen hinausgeht, gelten nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts
die Grundsätze der Neuheitsprüfung. Danach ist erforderlich, dass der Fachmann
die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen unmit-
telbar und eindeutig als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann
(st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urteil vom 19. Juli 2016 – X ZR 36/14, juris, Rn. 27 –
m. w. N.).

1.2 Die Anweisungen in den einzelnen Merkmalen des nach Hauptantrag
geltenden Anspruchs 1 gehen in zulässiger Weise auf folgende Stellen der ur-
sprünglich eingereichten Unterlagen zurück – wobei der Senat davon ausgeht,
dass die ursprünglichen Anmeldeunterlagen mit der Offenlegungsschrift
- 44 -
WO 01/37264 A1 übereinstimmen:

Merkmale 1.1,
1.1.1, 1.1.2:

ursprünglicher Anspruch 1;
Merkmal 1.2: ursprünglicher Anspruch 1; ursprüngliche Beschrei-
bung, Seite 28, Zeile 29 bis Seite 29, Zeile 18, ur-
sprüngliche Fig. 2:
Merkmal 1.3: ursprünglicher Anspruch 1 und ursprüngliche Be-
schreibung, Seite 30, Zeile 9;
Merkmal 1.4: ursprünglicher Anspruch 1;
Merkmal 1.5: ursprünglicher Anspruch 1 und ursprüngliche Be-
schreibung, Seite 29, Zeilen 27 bis 31;
Merkmal 1.6: ursprünglicher Anspruch 1.

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen geht insbesondere der Teil der Anwei-
sung im Merkmal 1.2, wonach ein innovativer Verstärkungsfaktor (g) in Bezug auf
mindestens einen zweiten (g) Signalcodierungsparameter des Satzes zu finden
ist,

1.2 finding … an innovative codebook gain (g) in relation to … at least
one second (g) signal encoding parameters of said set,

in zulässiger Weise auf die vorstehend angegebenen Fundstellen in den ur-
sprünglich eingereichten Unterlagen zurück.

In den Ursprungsunterlagen ist zwar die Anweisung, den Verstärkungsfaktor zu
finden, nicht wortwörtlich enthalten, ursprungsoffenbart ist jedoch, dass die Sig-
nalcodierungsparameter (synthesis model parameters) in einem Demultiplexer aus
der im digitalen Eingangskanal empfangenen Binärinformation extrahiert werden
und die aus jedem empfangenen Rahmen extrahierten Parameter neben dem In-
dex k des innovativen Codebuchs auch die innovative Verstärkung g für jeden
Unterrahmen umfassen (vgl. ursprüngliche Beschreibung, Seite 28, Zeile 29 bis
- 45 -
Seite 29, Zeile 18). Weiter ist ursprungsoffenbart, dass der innovative Codevektor
ck mit dem decodierten Verstärkungsfaktor g skaliert wird (vgl. ursprüngliche Be-
schreibung, Seite 29, Zeilen 16 bis 18). In der ursprünglichen Fig. 2 sind diese
zwei Schritte, um aus der empfangenen Binärinformation (222) den innovativen
Verstärkungsfaktor (g) abzuleiten, als „DEMUX AND DECODE“ bezeichnet.


Ausschnitt aus der ursprünglich eingereichten Fig. 2

Weder der Begriff des Extrahierens noch der Begriff des Decodierens des Ver-
stärkungsfaktors ist in den ursprünglichen Unterlagen näher bestimmt. Insbeson-
dere ist in der Ursprungsoffenbarung nicht vorgegeben, auf welche Art und Weise
der Verstärkungsfaktor in der Binärinformation codiert ist. Es bleibt somit dem
Fachmann überlassen, welche Einzelmaßnahmen zu ergreifen sind, um den Ver-
stärkungsfaktor zu decodieren. Das Decodieren eines codierten Parameters kann
insbesondere auch Berechnungen und Korrekturschritte erfordern. Der Bedeu-
tungsinhalt der ursprungsoffenbarten Anweisungen des Extrahierens und Deco-
dierens ist vielmehr lediglich dadurch beschränkt, dass die Ausgangsdaten, der im
digitalen Eingangskanal eintreffende Bitstrom mit Signalcodierungsparametern,
und das gewünschte Ergebnis, der innovative Verstärkungsfaktor, vorgegeben
sind.

Die Anweisung im Merkmal 1.2 des nach Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 ist
nicht breiter als die Ursprungsoffenbarung, denn der Bedeutungsinhalt des Be-
griffes „Finden“ ist gleichermaßen durch die im Merkmal 1.2 angegebenen Aus-
gangsdaten, mindestens einen zweiten (g) Signalcodierungsparameter des Sat-
zes, und das gewünschte Ergebnis beschränkt, den innovativen Verstärkungsfak-
tor.

- 46 -
1.3 Hinsichtlich des Anspruchs 21 gemäß Hauptantrag gelten ähnliche Überle-
gungen.

1.4 In Bezug auf die übrigen Ansprüche 2 bis 17, 22 bis 37 und 41 bis 92 ge-
mäß Hauptantrag hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass die hier enthalte-
nen Merkmale in unzulässiger Weise über den Inhalt der Anmeldung in der ur-
sprünglich eingereichten Fassung hinausgehen. Entsprechendes haben die Kläge-
rinnen auch nicht geltend gemacht.

2. Erweiterung des Schutzbereichs

Der beschränkten Fassung nach Hauptantrag steht auch nicht der Nichtigkeits-
grund nach Art. II § 6 Absatz 1 Nr. 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Absatz 1 Buchst. d)
EPÜ entgegen. Denn anders als die erteilte Fassung betrifft die Fassung des Pa-
tents nach Hauptantrag nunmehr nur noch eine Teilmenge von Codevektoren und
Verstärkungsfaktoren, nämlich innovative Codevektoren und ihre Verstärkungs-
faktoren. Der Schutzbereich des Patents ist damit gegenüber der erteilten Fas-
sung nicht erweitert.

3. Patentfähigkeit

Der nach Hauptantrag verteidigten Fassung des Streitpatents steht auch nicht der
Nichtigkeitsgrund nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1
Buchst. a), Art. 52, 56 EPÜ entgegen, denn die Lehre der unabhängigen Ansprü-
che gilt gegenüber dem Stand der Technik als neu und auch als auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit beruhend.

3.1 Stand der Technik

Der nach Angaben der Klägerinnen am 3. November 2000 veröffentlichte Entwurf
einer AMR-WB-Spezifikation

- 47 -
NK12 3GTS 26.090WB V0.1 (2000-11). 3rd Generation Partner-
ship Project; Technical Specification Group Services and
System Aspects; Mandatory Speech Codec speech pro-
cessing functions. AMR Wideband speech codec;
Transcoding functions.

ist kein Stand der Technik für das Streitpatent in der nach Hauptantrag verteidig-
ten Fassung, da diese die Unionspriorität der kanadischen Anmeldung 2290037
vom 18. November 1999 wirksam in Anspruch nimmt.

3.1.1 Die Inanspruchnahme einer Priorität ist wirksam, wenn Vor- und
Nachanmelder identisch sind (Anmelderidentität) und es sich bei Vor- und Nach-
anmeldung um dieselbe Erfindung (Art. 87 EPÜ) handelt (Erfindungsidentität). Die
Erfindungsidentität ist gegeben, wenn der Fachmann den Gegenstand des An-
spruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und ein-
deutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann (Große Beschwerde-
kammer des EPA, GRUR Int. 2002, 80). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung
anhand des Offenbarungsgehalts des Prioritätsdokuments zu beurteilen, wofür die
Prinzipien der Neuheitsprüfung heranzuziehen sind (vgl. BGH 11. Sep-
tember 2001, BGHZ 148, 383 – Luftverteiler, BGH, GRUR 2004, 133, 135 –
Elektronische Funktionseinheit; Große Beschwerdekammer des EPA a. a. O.). Die
Priorität aus der Erstanmeldung kann daher beansprucht werden, soweit diese –
wäre sie als Stand der Technik heranzuziehen – den Gegenstand der bean-
spruchten europäischen Anmeldung neuheitsschädlich vorwegnähme. Dabei
brauchen einzelne Merkmale in der Prioritätsanmeldung nicht ausdrücklich er-
wähnt zu sein, vielmehr reicht es, wenn der Fachmann sie auf Grund seines
Fachwissens allein, bei der Nacharbeitung der offenbarten Erfindung oder durch
Vornahme einfacher Versuche der Prioritätsanmeldung entnehmen kann.

3.1.2 Vorliegend sind sowohl die Anmelder- als auch die Erfindungsidentität
gegeben.

- 48 -
Da sowohl die Prioritätsschrift als auch die Anmeldung des Streitpatents von der
Fa. Voiceage Corp. angemeldet worden war, besteht an der Anmelderidentität
kein Zweifel.

Die Erfindungsidentität wiederum ergibt sich daraus, dass die Anweisungen in den
einzelnen Merkmalen des nach Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 dem Fach-
mann an folgenden Stellen der Prioritätsanmeldung offenbart sind:

Merkmal 1.1: Anspruch 2;
Merkmal 1.1.1 Anspruch 2 und Beschreibung, Seite 28, Zeile 1;
Merkmale 1.1.2
und 1.2:

Beschreibung, Seite 28, Zeilen 2-23, Seite 29, Zeilen
22, 23, Seite 30, Zeile 26;
Merkmal 1.3: Anspruch 2 und Beschreibung, Seite 29, Zeilen 16-24;
Merkmal 1.4: Anspruch 2 und Beschreibung, Seite 29, Zeile 6-9;
Merkmal 1.5: Anspruch 2 und Beschreibung, Seite 29, Zeilen 4-6;
Merkmal 1.6: Anspruch 2.

Soweit die Klägerinnen hiergegen u. a. geltend machen, dass der im Merkmal
1.1.2 beanspruchte Satz von Signalcodierungsparametern nicht auf Parametern
des aktuellen Rahmens oder des dazugehörigen Unterrahmens beschränkt sei,
sondern gerade auch Parameter von anderen, angrenzenden Rahmen beinhalten
könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung der Klä-
gerinnen entnimmt der Fachmann dies nämlich schon der Prioritätsanmeldung.
Denn zum einen stellt eine Glättung des Verstärkungsfaktors nichts anderes als
eine Vergleichmäßigung oder Mittelung der Verstärkungsfaktoren aus unter-
schiedlichen Zeitabschnitten dar, erfordert also regelmäßig Verstärkungsfaktoren
und somit Signalcodierungsparameter aus unterschiedlichen Unterrahmen bzw.
Rahmen (vgl. Prioritätsdokument, Seite 32, Zeilen 19 bis 21: gain smoothing cal-
culator 228 by comparing the fixed codebook gain g to a threshold given by the
initial modified gain from the past subframe, g-1). Zum anderen offenbart das Aus-
führungsbeispiel der Prioritätsanmeldung die Berechnung des Stabilitätsgrads Ds,
- 49 -
der in die Glättung des Verstärkungsfaktors eingehen soll, nach der auf Seite 30,
Zeile 26 angegebenen Vorschrift:

𝐷𝐷𝑠𝑠 = �(𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖(𝑛𝑛) − 𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖(𝑛𝑛−1))2𝑝𝑝−1
𝑖𝑖−1


Demnach gehen in den geglätteten Verstärkungsfaktor auch über den Stabilitäts-
grad Ds Signalcodierungsparameter ispi(n), ispi(n−1)sowohl aus dem aktuellen n-ten
Rahmen als auch aus dem vorhergehenden n-1-ten Rahmen ein.

Die im Ausführungsbeispiel der Prioritätsanmeldung offenbarten Signalcodie-
rungsparameter b, T, g, k, ispi(n), ispi(n−1), g-1 (vgl. Prioritätsdokument, Seite 29,
Zeilen 22, 23, 26, Seite 31, Zeilen 20, 21) bilden für den Fachmann schon deshalb
einen Satz von Signalcodierungsparametern, weil aus diesen Parametern der ver-
stärkungsgeglättete innovative Codevektor bestimmt wird.

In Bezug auf die Offenbarung der im Merkmal 1.2 des Anspruchs 1 enthaltenen
Anweisung in der Prioritätsanmeldung gelten ähnliche Überlegungen wie vorste-
hend zur unzulässigen Erweiterung ausgeführt. Denn der Abschnitt „Gain
smoothing“ in der Prioritätsanmeldung, der ab Seite 29, Zeile 3 bis Seite 32,
Zeile 10 ein Ausführungsbeispiel der Glättung des Verstärkungsfaktors beschreibt,
entspricht nahezu wortidentisch dem Abschnitt „Gain smoothing“ von Seite 29,
Zeile 25 bis Seite 33, Zeile 19 der ursprünglichen Anmeldung.

3.1.3 Hinsichtlich des Anspruchs 21 gemäß Hauptantrag gelten vergleichbare
Überlegungen.

3.1.4 In Bezug auf die übrigen Ansprüche 2 bis 17, 22 bis 37 und 41 bis 92 ge-
mäß Hauptantrag ist für den Senat nicht erkennbar, aus welchem Grund diese die
Priorität nicht wirksam in Anspruch nehmen sollten. Entsprechendes haben die
Klägerinnen auch nicht geltend gemacht.

- 50 -
3.2 Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 nach Hauptantrag

3.2.1 Stand der Technik nach der Offenlegungsschrift EP 1 073 039 A2
(= NK8, AD6)

Die europäische Anmeldung EP 1 073 039 A2 mit Prioritätsdatum 28. Juli 1999,
welche am 31. Januar 2001 und damit nach dem Anmeldetag des Streitpatents
veröffentlicht wurde, ist Stand der Technik nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ und wird ge-
mäß Art. 56 Satz 2 EPÜ bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in
Betracht gezogen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag gilt gegenüber dem Stand
der Technik nach der Offenlegungsschrift EP 1 073 039 A2 als neu.

Die Offenlegungsschrift EP 1 073 039 A2 – im Folgenden als Schrift NK8 bezeich-
net – offenbart entsprechend den Anweisungen in den Merkmalen 1.1 bis 1.1.2
des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ein Verfahren zum Erzeugen eines verstär-
kungsgeglätteten (performing smoothing processing) innovativen Codevektors
(sound source signal) während der Decodierung eines codierten Breitbandsignals
aus einem Satz von Signalcodierungsparametern (based on the decoded informa-
tion, vgl. NK8, Anspruch 1). Denn das Tonquellensignal (sound source signal)
stellt einen Vektor in einem festen Codebuch, d. h. einen innovativen Codevektor
dar (vgl. NK8, Absatz 0009), und der vom Decodierer empfangene Bitstrom ist
dadurch bestimmt, dass das Sprachsignal im Codierer mit einer Abtastrate von
z. B. 16 KHz abgetastet wurde (vgl. NK8, Absatz 0047). Ein solches mit 16 KHz
abgetastetes Sprachsignal sieht der Fachmann nach den vorstehenden Ausfüh-
rungen zum Verständnis des Streitpatents als Breitband-Sprachsignal an.

Das aus der Schrift NK8 entnehmbare Verfahren umfasst entsprechend den An-
weisungen in dem Merkmal 1.2 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag auch den
Schritt des Findens eines innovativen Codevektors (sound source vector) und ei-
nes Verstärkungsfaktors des innovativen Codebuchs (second gain) in Bezug auf
- 51 -
mindestens einen ersten (index corresponding to a sound source vector) und min-
destens einen zweiten Signalcodierungsparameter (index corresponding to the
second gain) dieses Satzes (vgl. NK8, Absatz 0048, Zeilen 22 bis 27).

Die Schrift NK8 offenbart zwar das Berechnen eines ersten Faktors (identification
flag Svs), welcher angibt, ob das Breitband-Sprachsignal im aktuellen Rahmen
stimmhaft oder stimmlos ist (vgl. NK8, Absatz 0057: Svs = 1 corresponds to voiced
speech, and Svs = 0 corresponds to unvoiced speech …), als Reaktion auf min-
destens einen dritten Signalcodierungsparameter (LSP, Smode, Êrms) dieses Satzes
(vgl. NK8, Absatz 0052) und das Berechnen eines zweiten Faktors (classification
flag Snz), welcher angibt, ob sich die Frequenzcharakteristik des Rauschens im
Breitband-Sprachsignal unstetig oder stetig mit der Zeit ändert (vgl. NK8, Ab-
satz 0062: Snz = 1 corresponds to noise whose frequency characteristics un-
steadily change over time, and Snz = 0 corresponds to noise whose frequency cha-
racteristics steadily change over time …), als Reaktion auf mindestens einen vier-
ten Signalcodierungsparameter (LSP) dieses Satzes (vgl. NK8, Absätze 0054,
0056). Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist das Identifizierungsflag Svs
jedoch kein Faktor entsprechend Merkmal 1.3 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag,
welcher repräsentativ für den Grad der Stimmhaftigkeit im Breitbandsignal ist,
denn das Identifizierungsflag Svs stellt keine Abstufung des mehr oder weniger
starken Vorhandenseins der Eigenschaft Stimmhaftigkeit dar, sondern kann ledig-
lich die beiden Werte 1 (stimmhaft) oder 0 (stimmlos) annehmen. Entsprechendes
gilt für das Klassifizierungsflag Snz hinsichtlich des Stabilitätsgrads des Breit-
bandsignals (vgl. Merkmal 1.4), denn auch das Klassifizierungsflag Snz kann nur
die beiden Werte 0 oder 1 annehmen.

Nach Auffassung der Klägerinnen könne alternativ der sog. Intra-Rahmen-Mittel-
wert des Tonhöhenvorhersagegewinns G̅emem(n) (vgl. NK8, Absatz 0084: pitch
predition gain … intra-frame average G̅emem(n)) als Faktor angesehen werden,
welcher repräsentativ für einen Grad der Stimmhaftigkeit im Breitbandsignal sei.
Der Langzeit-Mittelwert d̄q1(n) der Variation der linearen Vorhersagekoeffizienten
(LSP) könne als Faktor angesehen werden, welcher repräsentativ für einen Stabi-
- 52 -
litätsgrad des Breitbandsignals sei (vgl. NK8, Absatz 0054: A variation amount
dq(n) of the LSP in the nth frame …, Absatz 0056: A long-term average d̄q1(n) of
dq(n) is calculated ...).

Einem solchen Verständnis der Schrift NK8 kann sich der Senat nicht vollumfäng-
lich anschließen. Die Parameter G̅emem(n) und d̄q1(n) mögen zwar jeweils einen
Wertevorrat von mehr als zwei Werten umfassen und der Parameter d̄q1(n) mag
auch repräsentativ für einen Stabilitätsgrad des Breitbandsignals sein. An keiner
Stelle der Schrift NK8 wird jedoch der Parameter G̅emem(n) als repräsentativ für
den Grad der Stimmhaftigkeit im Breitbandsignal bezeichnet (vgl. Merkmal 1.3).
Eine solche Bedeutung liest der Fachmann in der Schrift NK8 auch nicht ohne
weiteres mit, denn dort wird ein Sprachsegment als stimmhaft klassifiziert (Svs=1),
welches die Bedingung

d̄q1(n) ≥ Cth1 (vgl. NK8, Absatz 0057, Zeile 33)

erfüllt, andernfalls ist das Sprachsegment stimmlos (Svs=0). In dieses Entschei-
dungskriterium geht der Parameter G̅emem(n) nicht ein. Schon aus diesem Grund
kann der Parameter G̅emem(n) nach der Lehre aus der Schrift NK8 nicht
repräsentativ für den Grad der Stimmhaftigkeit im Signal sein. Für die als stimmlos
klassifizierten Sprachsegmente (Svs=0) wird mit einem zweiten Entscheidungskri-
terium geprüft, ob diese Zuweisung berichtigt werden muss. Das zweite Entschei-
dungskriterium wertet die Parameter Êrms und Smode aus und lautet:

If (Êrms ≥ Crms and Smode ≥ 2) then Svs=1
else Svs=0 (vgl. NK8, Absatz 0058, Zeile 42).

Da der Parameter Smode aus dem Parameter G̅emem(n) abgeleitet wird (vgl. NK8,
Absatz 0084), mag der Parameter G̅emem(n) somit zwar als Hilfskriterium in die
Entscheidung darüber eingehen, ob ein Rahmen als stimmhaft oder stimmlos
erkannt wird, da für die Entscheidung jedoch insgesamt drei Parameter berück-
sichtigt werden müssen, nämlich die Parameter d̄q1(n), G̅emem(n) und Êrms, liest der
- 53 -
Fachmann in der Schrift NK8 nicht ohne weiteres mit, dass bereits der Parameter
G̅emem(n) repräsentativ für den Grad der Stimmhaftigkeit im Signal ist.

Insoweit kann der Senat auch nicht den Ausführungen in dem von der Klägerin im
Verfahren 6 Ni 60/16 (EP) eingereichten Gutachten

Vary, P., RWTH Aachen University: Gutachten zur Patentschrift
EP 1 232 494 B1 (= AD12)

– im Folgenden kurz als Gutachten AD12 bezeichnet – beitreten, in dem der Pa-
rameter gemem(m) (bzw. dessen logarithmierter Wert Gemem(m)) als primärer Voi-
cing-Faktor bezeichnet wird, der ein direktes primäres Maß für den Grad der
Stimmhaftigkeit liefere (vgl. AD12, Seite 12, letzter Absatz sowie Seite 13, vor-
letzter und letzter Absatz), und aus dem die Parameter G̅emem(n) und ein sekundä-
rer Voicing-Faktor Smode abgeleitet werde (vgl. AD12, Seite 14, erster Absatz).
Nach der Lehre aus der Schrift NK8 gibt vielmehr allein das Identifizierungsflag Svs
an, ob das Sprachsignal stimmhaft oder stimmlos ist. Eine Bedeutung der Para-
meter Gemem(m) bzw. Smode als primärer bzw. sekundärer Voicing-Faktor ist nicht
als allgemeines Fachwissen des Fachmanns nachgewiesen, denn im Teil B des
Gutachtens AD12, das ausweislich der Einführung auf Seite 2, fünfter Absatz das
allgemeine Fachwissen des Fachmanns betrifft, finden sich keine Aussagen zur
Stimmhaftigkeit oder zu Parametern wie G̅emem(m) bzw. Smode.

Somit offenbart die Schrift NK8 in keiner der von den Klägerinnen geltend ge-
machten Zuordnungsvarianten alle Anweisungen im Merkmal 1.3 des Anspruchs 1
gemäß Hauptantrag.

Insoweit spielt es keine Rolle, dass die Schrift NK8 im Absatz 0067 die Lehre ver-
mittelt, dass eine zweite Umschaltschaltung (2210) abhängig vom konkreten Wert
des Identifizierungflags Svs und des Klassifizierungsflags Snz im aktuellen Rahmen
n die für die einzelnen Unterrahmen m gefundenen Verstärkungsfaktoren ĝ2(m)(n)
im Fall Svs=0 und Snz=0 an das vierte Filter (2250), im Fall Svs=0 und Snz=1 an das
- 54 -
fünfte Filter (2260) und im Fall Svs=1 an das sechste Filter (2270) ausgibt. Die Klä-
gerin im Verfahren 6 Ni 10/16 (EP) hat diesen Sachverhalt zutreffend in der fol-
genden Grafik dargestellt:


Grafik aus dem Schriftsatz der Klägerin im Verfahren 6 Ni 10/16 (EP)
vom 2. August 2017, Seite 9

Für jeden Unterrahmen empfängt entweder das vierte oder das fünfte oder das
sechste Filter (2250, 2260, 2270) den gefundenen innovativen Verstärkungsfaktor
(second gain ĝ2(m)(n)) und glättet diesen unter Verwendung eines linearen oder
nichtlinearen Filters (vgl. NK8, Absätze 0068 bis 0070). Die Klägerinnen haben in
der mündlichen Verhandlung auch zu Recht geltend gemacht, dass die beispiel-
haft im Absatz 0068 und 0069 angegebenen linearen Filterfunktion des vierten
(2250) und fünften Filters (2260) entgegen der im qualifizierten Hinweis, Abschnitt
III.3.3, geäußerten vorläufigen Meinung des Senats gerade nicht identisch sind,
denn diese unterscheiden sich durch die Parameter ḡ2,1(m-1)(n) und ḡ2,2(m-1)(n), also
durch den geglätteten innovativen Verstärkungsfaktor (second gain, vgl. Angabe
„2“ an der ersten Position des Tiefindex ḡ2,1(m-1)(n) bzw. ḡ2,2(m-1)(n)), welcher im
vorhergehenden, m-1-ten Unterrahmen des n-ten Rahmens durch den vierten
bzw. fünften Filter (vgl. Angabe „1“ bzw. „2“ an der zweiten Position des Tiefindex)
erzeugt wurde.

Damit offenbart die Schrift NK8 zwar gemäß einem Teil des Merkmals 1.5 das Be-
rechnen eines geglätteten Verstärkungsfaktors (vgl. NK8, Absatz 0056 bis 0070:
smoothed gain ḡ2,1(m)(n), ḡ2,2(m)(n), ḡ2,3(m)(n)) unter Anwendung einer nichtlinearen
Operation (smoothes it using a linear or non-linear filter) in Bezug auf das Identifi-
zierungflag Svs und das Klassifizierungsflag Snz und Anwendung auf den gefunde-
- 55 -
nen Verstärkungsfaktor des innovativen Codebuchs (second gain ĝ2(m)(n)) sowie
gemäß Merkmal 1.6 im Übrigen auch das Verstärken des gefundenen innovativen
Codevektors mit dem geglätteten Verstärkungsfaktor, um dadurch den verstär-
kungsgeglätteten innovativen Codevektor zu erzeugen (vgl. NK8, Absatz 0011:
multiplies the first sound source vector and the second gain to decode a second
sound source vector).

Da das Identifizierungsflag Svs nach den vorstehenden Überlegungen jedoch kein
erster Faktor im Sinne des Merkmals 1.3 ist, also kein Faktor, der den Grad der
Stimmhaftigkeit im Breitbandsignal kennzeichnet, sind die Anweisungen in den
Merkmalen 1.3 und 1.5 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag der Schrift NK8 nur
teilweise entnehmbar.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag gilt somit gegenüber dem
Stand der Technik nach der Schrift EP 1 073 039 A2 als neu.

3.2.2 Stand der Technik nach der Spezifikation TS 26.090 V2.0.0 (1999-06)
(= NK27, AD7)

a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gilt gegenüber dem
Stand der Technik nach der Technischen Spezifikation TS 26.090 V2.0.0 als neu.

Die Technische Spezifikation TS 26.090 V2.0.0 – im Folgenden als Spezifikation
NK27 bezeichnet – offenbart auf den Seiten 38, 39, Kapitel 6.1, insbesondere Ab-
schnitt 4), die Anweisungen in den Merkmalen 1.1 und 1.1.2 sowie einem Teil des
Merkmals 1.1.1, nämlich ein Verfahren zum Erzeugen eines verstärkungsgeglät-
teten innovativen Codevektors ( 4) Smoothing of the fixed codebook gain …) wäh-
rend der Decodierung eines codierten Signals aus einem Satz von Signalcodie-
rungsparametern (vgl. NK27, Seiten 38, 39, Kapitel 6.1, Abschnitte 2) bis 4): …
received algebraic codebook index … received index … 10 LSPs). Die Spezifika-
tion NK27 betrifft jedoch die Decodierung eines Sprachsignals, welches im Codie-
rer mit einer Abtastrate von 8 kHz abgetastet wurde (vgl. NK27, Seite 5, Kapitel 1:
- 56 -
The sampling rate is 8 000 samples/s), und somit nicht die Decodierung eines co-
dierten Breitbandsignals gemäß Restmerkmal 1.1.1 des Anspruchs 1 nach Haupt-
antrag.

Weiterhin sind der Spezifikation NK27 die Anweisungen im Merkmal 1.2 des An-
spruchs 1 entnehmbar, nämlich das Finden eines innovativen Codevektors (al-
gebraic codevector c(n)) und eines Verstärkungsfaktor des innovativen Code-
buchs (quantified fixed codebook gain ĝc) in Bezug auf mindestens einen ersten
(algebraic codebook index) und mindestens einen zweiten Signalcodierungspara-
meter (received index) dieses Satzes (vgl. NK27, Seite 38, Kapitel 6.1,
Abschnitte 2) und 3)).

Die Spezifikation NK27 offenbart auf den Seiten 38, 39, Kapitel 6.1, Abschnitt 4)
einen Teil des Merkmals 1.4 des Anspruchs 1: das Berechnen eines zweiten
Faktors (diffm), welcher repräsentativ für einen Stabilitätsgrad des Signals ist (sta-
tionarity of the short-term spectrum), als Reaktion auf mindestens einen vierten
Signalcodierungsparameter (10 LSPs) dieses Satzes. Von einem Faktor, welcher
repräsentativ für Grad der Stimmhaftigkeit im Signal ist, ist in der Spezifikation
NK27 jedoch nicht die Rede. Die Klägerinnen sehen den auf Seite 38, Kapitel 6.1,
Abschnitt 3) der Spezifikation NK27 beschriebenen quantisierten Verstärkungs-
faktor ĝp des Tonhöhencodebuchs (quantified adaptive codebook gain, ĝp) als
repräsentativ für Grad der Stimmhaftigkeit im Signal an und verweisen auf Ab-
satz 0099 der Streitpatentschrift, in dem ausgeführt ist, dass der Verstärkungs-
faktor des Tonhöhencodebuchs einen Anhaltspunkt für die Periodizität des
Sprachsignals liefert (provides an indication of periodicity).

Unterstellt, der quantisierte Verstärkungsfaktor ĝp des Tonhöhencodebuchs wäre
ein Faktor, welcher repräsentativ für den Grad der Stimmhaftigkeit im Signal ist,
welcher als Reaktion auf mindestens einen dritten Signalcodierungsparameter
(received index) dieses Satzes berechnet wird (Teilmerkmal 1.3), geht die Offen-
barung der Spezifikation NK27 in Bezug auf das Merkmal 1.5 des Anspruchs 1
über Folgendes nicht hinaus (vgl. NK27, Seite 39, insbesondere Gleichungen (72),
- 57 -
(74) und den dazugehörenden Text): das Berechnen eines geglätteten Verstär-
kungsfaktors ĝc

ĝc = ĝc * km + g̅c * (1-km). (74)

unter Anwendung einer nichtlinearen Operation
km = min(K2, max(0, diffm - K1))/K2, (72)

in Bezug auf den zweiten Faktor (diffm) und Anwendung auf den gefundenen Ver-
stärkungsfaktor des innovativen Codebuchs (ĝc), denn in die Operation zur
Berechnung der geglätteten Verstärkung ĝc geht der zweite Faktor diffm durch die
Maximum-Funktion max(0, diffm-K1) in nichtlinearer Weise, nicht jedoch der Faktor
ĝp ein.

Die Anweisung im Merkmal 1.6 des Anspruchs 1, das Verstärken des gefundenen
innovativen Codevektors (c(n)) mit dem geglätteten Verstärkungsfaktor (ĝc), um
dadurch den verstärkungsgeglätteten innovativen Codevektor (ĝc c(n)) zu erzeu-
gen, ergibt sich in der Spezifikation NK27 aus der Gleichung (75) auf Seite 40:

u(n) = ĝp v(n) + ĝc c(n). (75).

Die Spezifikation NK27 offenbart somit weder die Decodierung eines codierten
Breitbandsignals (Restmerkmale 1.1.1, 1.3, 1.4) noch das Berechnen eines ge-
glätteten Verstärkungsfaktors unter Anwendung einer Operation in Bezug auf ei-
nen ersten Faktor, welcher repräsentativ für den Grad der Stimmhaftigkeit im
Breitbandsignal ist (Restmerkmal 1.5).

b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht ausgehend
vom Stand der Technik nach der Spezifikation NK27 auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit.

- 58 -
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen legt der Stand der Technik nach
der Spezifikation NK27 dem Fachmann das im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag
beanspruchte Verfahren nicht nahe.

Die Klägerinnen haben sinngemäß vorgetragen, der Fachmann habe vor dem
Hintergrund der Offenbarung der Spezifikation NK27 und seines allgemeinen
Fachwissens die Veranlassung, auch die Stimmhaftigkeit des Signals bei der
Glättung des Verstärkungsfaktors heranzuziehen. Denn nach Auffassung der Klä-
gerinnen enthalte die Spezifikation NK27 schon selbst einen unmittelbaren Hin-
weis bzw. eine Motivation, auch die Stimmhaftigkeit des Signals bei der Glättung
des innovativen Verstärkungsfaktors heranzuziehen. So spreche die Spezifikation
NK27 davon, dass die Glättung der Verstärkung des innovativen Codevektors er-
folgt, um unnatürliche Fluktuationen in der Energiekontur des Signals zu vermei-
den (vgl. NK27, Seite 38, letzter Absatz). Dem Fachmann sei es bekannt, dass es
allein mit dem Stabilitätsparameter nicht möglich sei, stimmhafte Signalabschnitte
mit hoher Stabilität (z. B. lang anhaltende Vokale) von stationärem Hintergrund-
rauschen zu unterscheiden, denn beide seien Signale mit relativ hoher Stabilität.
Bei stimmhaften Abschnitten würden aber sprunghafte Änderungen der Verstär-
kungen zum Sprachsignal gehören, seien also natürliche Fluktuationen, die im
rekonstruierten Sprachsignal zwecks besserer Verständlichkeit wiedergegeben
werden sollten. Im stationären Hintergrundrauschen seien solche Sprünge jedoch
Artefakte, die durch die abschnittsweise Codierung „hereinkommen“ würden, also
unnatürliche Fluktuationen. Nach Auffassung der Klägerinnen seien diese Zu-
sammenhänge dem Fachmann bekannt; er werde daher angesichts des Hinwei-
ses in der Spezifikation NK27, unnatürliche Fluktuationen zu vermeiden, nahelie-
genderweise zusätzlich die Stimmhaftigkeit des Signals bei der Verstärkungsglät-
tung heranziehen, um zu vermeiden, dass durch die Glättung auch (natürliche)
Sprünge in den stimmhaften Signalabschnitten "weggebügelt" würden. Zur Stüt-
zung Ihrer Auffassung verweisen die Klägerinnen auf das Gutachten AD12, und
zwar dort auf Seite 4/5, den Brückenabsatz und Seite 17, vorletzter Absatz.

- 59 -
Diesem Vortrag der Klägerinnen kann sich der Senat aus den folgenden Gründen
nicht anschließen: Zum einen ist für den Senat nicht offenbar, dass die genannten
Fundstellen im Gutachten AD12, Seite 17 und Seite 4/5 das allgemeine Fachwis-
sen des Fachmanns beschreiben. Ausweislich der Einführung in das Gutachten,
Seite 2, vorletzter Absatz betrifft vielmehr der Teil B des Gutachtens das allge-
meine Fachwissen. In diesem Teil B ab Seite 30 des Gutachtens sind keine Aus-
führungen in Bezug auf Stimmhaftigkeit oder unnatürliche Fluktuationen des Sig-
nals enthalten. Die von den Klägerinnen in Bezug genommene Fundstelle im Brü-
ckenabsatz auf Seite 4/5 betrifft ausweislich der Kapitelüberschrift auf Seite 3 die
wesentlichen Elemente der Streitpatentschrift. Die zweite von den Klägerinnen in
Bezug genommene Fundstelle auf Seite 17, vorletzter Absatz, betrifft ausweislich
der Kapitelüberschrift auf Seite 11 den Stand der Technik nach der Schrift
EP 1 073 039 A2, welche bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in
Betracht gezogen wird.

Die Klägerinnen haben nicht nachgewiesen, dass der Fachmann auf Grund seines
allgemeinen Fachwissens den Begriff der „unnatürlichen Fluktuation“ mit der
Stimmhaftigkeit eines Sprachsignals in Verbindung bringt. Der Begriff der unnatür-
lichen Fluktuation wird vielmehr in der Spezifikation NK27 ausschließlich in Ver-
bindung mit einer Glättung verwendet, die auf einem Maß für die Stationarität des
Kurzzeitspektrums in der q-Domäne basiert (vgl. NK27, Seite 38, letzter Absatz).
An keiner Stelle der Spezifikation NK27 werden unnatürliche Fluktuationen in Ver-
bindung mit Langzeitprädiktionsparametern oder gar der Stimmhaftigkeit des Sig-
nals gebracht.

Wenn der Senat unterstellt, dass die vorstehend in Bezug genommenen Fund-
stellen im Teil A) des Gutachtens AD12 zum allgemeinen Fachwissen des Fach-
manns gehören, dann muss dies auch für die Ausführungen im Gutachten AD12,
Seite 25, zweiter und dritter Absatz gelten:

- 60 -
„In stimmhaftem Sprachabschnitten (im Gegensatz zu Hintergrundrau-
schen) sind Fluktuationen nicht unnatürlich, sondern gehören - im Gegenteil
- zum Sprachsignal.

So können stimmhafte Abschnitte z. B. kurze eingebettete stimmlose Inter-
valle enthalten. Die resultierenden Fluktuationen des innovativen Gainfak-
tors sollten nicht durch Glättung beseitigt werden.“

Falls der innovative Verstärkungsfaktor also weder in rein stimmhaften Sprach-
segmenten noch in Sprachsegmenten zu glätten wäre, welche sowohl stimmhafte
als auch stimmlose Abschnitte enthalten, dann zieht der Fachmann gerade nicht in
Betracht, den innovativen Verstärkungsfaktors anhand des Grades der Stimmhaf-
tigkeit zu glätten (vgl. Merkmal 1.5 des Anspruchs 1).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergibt sich für den Fach-
mann somit vor dem Hintergrund der Offenbarung der Spezifikation NK27 und
seines wie angegeben unterstellten allgemeinen Fachwissens nicht in naheliegen-
der Weise.

bb) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht gegenüber
einem Stand der Technik bei Zusammenschau der Spezifikation NK27 und dem
Artikel

Tasaki, H., Takahashi, S., Post noise smoother to improve low bit rate
speech-coding performance, Proceedings der Konferenz IEEE Workshop
on Speech Coding, Model, Coders and Error Criteria, Porvoo, Finnland, 20.-
23. June 1999, Seiten 159-161. (= NK28, S7, Tasaki)

– im Folgenden als Aufsatz NK28 bezeichnet – auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Es mag zutreffen, dass dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents
das Problem von Hintergrundgeräuschen bei der Codierung/Dekodierung von
- 61 -
Sprache nach den herkömmlichen Verfahren bekannt war. Die Klägerinnen ver-
weisen hierzu z. B. auf die Machbarkeitsstudie
ETSI TC SMG Tdoc SMG P-99-429. Agenda items: 6.10. Meeting #29. 23rd
– 25th June, 1999, Miami. Adaptive Multi-Rate Wideband (AMR-WB) Feasi-
bility study report Version 1.0.0. (= AD14),

welche ein Leistungsziel eines künftigen Breitband-Codierungsverfahren im Falle
von Hintergrundrauschen formuliere (vgl. AD14, Seite 9, Tabelle III. Zeile „Office
noise (SNR=20 dB)“). Der Fachmann dürfte daher bestrebt gewesen sein, Maß-
nahmen zur verbesserten Filterung dieser Geräusche zu entwickeln. Im Zuge des-
sen wäre er ausgehend von der Spezifikation NK27 unter Berücksichtigung dieser
Problemstellung auf den Aufsatz NK28 gestoßen. Soweit folgt der Senat noch
dem Vortrag der Klägerinnen.

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen wird in dem Aufsatz NK28 für das
Problem des Hintergrundrauschens jedoch keineswegs vorgeschlagen, den inno-
vativen Verstärkungsfaktor unter Berücksichtigung eines Maßes der Stimmhaf-
tigkeit zu glätten. Vielmehr offenbart der Aufsatz NK28 - seine Vorveröffentlichung
unterstellt - dem Fachmann ein Verfahren, bei dem decodierte Sprache (perfor-
med on the decoded speech) durch Glättung des Hintergrundrauschens (post
noise smoother) nachbearbeitet wird (post-process, vgl. NK28, Abstract). Die
Nachbearbeitung des Sprachsignals erfolgt, indem drei mit unterschiedlichen Ver-
stärkungsfaktoren (g0, gs, gA) skalierte Signalversionen addiert werden, um das
endgültige Sprachsignal zu erzeugen (vgl. NK28, Abstract und Seite 159, rechte
Spalte, zweiter Absatz), nämlich:

- das nachgefilterte decodierte Sprachsignal (a conventionally post-filtered
decoded speech (S0)),
- eine spektral geglättete Variante des decodierten Sprachsignals (a
spectrally smoothed decoded speech (Ss))
- und eine automatisch generierte Nachahmung eines Rauschsignals (an
average background noise (SA)).
- 62 -
Das Verfahren aus dem Aufsatz NK28 nimmt keinen Zugriff auf die während der
Decodierung des Signals vorliegenden innovativen Codevektoren oder deren Ver-
stärkung (Merkmal 1.2) und glättet diese auch nicht (vgl. Merkmale 1.1, 1.6).
Weiterhin ist an keiner Stelle des Aufsatzes NK28 von einem Grad der Stimmhaf-
tigkeit die Rede (Merkmal 1.3). In dem Aufsatz NK28 wird vielmehr vorgeschlagen,
das Verhältnis R des Hintergrundrauschens zu den übrigen Signalanteilen im de-
codierten Signal (ratio of the background noise in a decoded signal) mittels einer
Histogrammanalyse abzuschätzen. Hierzu wird das decodierte Sprachsignal in-
vers gefiltert unter Verwendung der mittleren linearen Prädiktionsfilterkoeffizienten
des Hintergrundrauschabschnitts (the average LSP of the background noise sec-
tion). Nach dieser inversen Filterung liegt ein Restsignal vor, dessen Leistungs-
wert P berechnet wird. Der Leistungswert Pn des Hintergrundrauschabschnitts wird
bestimmt und nach der folgenden Vorschrift das Verhältnis R der Hintergrundrau-
schleistung zu der Leistung der übrigen Signalanteile im decodierten Signal be-
rechnet (vgl. NK28, Seite 159, rechte Spalte, Abschnitt 2.2):
R = log(Pn)-log(P)

Falls dieses Verhältnis R in einem Rahmen des Sprachsignals klein ist (low), ent-
hält das Signal wenig Hintergrundrauschen, es ist sprachähnlich (Speech-like),
falls das Verhältnis R groß ist (high), ist das Signal rauschähnlich (Noise-like, vgl.
NK28, Seite 160, Fig. 2). In Abhängigkeit dieses Rauschverhältnisses R werden
die Verstärkungsfaktoren g0, gs, gA für die eingangs erwähnten Signalversionen
S0, Ss, SA gewählt (vgl. NK28, Fig. 2). Das Verhältnis R des Hintergrundrauschens
zu den übrigen Signalanteilen im decodierten Signal versteht der Fachmann nicht
als Grad der Stimmhaftigkeit (Merkmal 1.3). Denn sprachähnliche Signale (Spe-
ech-like) können stimmhafte und stimmlose Segmente enthalten und bei einem
stimmlosen Sprachsegment kann nicht gefolgert werden, dass es sich dabei nicht
um Sprache (Speech-like), sondern vielmehr um Hintergrundrauschen (Noise-like)
handelt.

- 63 -
Daher kann auch eine Zusammenschau der technischen Spezifikation NK27 mit
dem Aufsatz NK28 das Restmerkmal 1.5 nicht nahe legen, den innovativen Ver-
stärkungsfaktor unter Anwendung einer Operation in Bezug auf den Grad der
Stimmhaftigkeit zu glätten.

Über die von der Beklagten bestrittene Vorveröffentlichung des Aufsatzes NK28
musste daher nicht entschieden werden.

cc) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht gegenüber
einem Stand der Technik bei Zusammenschau der Spezifikation NK27 und der
Offenlegungsschrift

WO 99/45532 A1 (= KB4, AD8, Hagen)

– im Folgenden als Schrift KB4 bezeichnet – auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie vorstehend ausgeführt, mag der Fachmann ausgehend vom Stand der Tech-
nik nach der Technischen Spezifikation NK27 das Problem von Hintergrundgeräu-
schen bei der Codierung/Dekodierung von Sprache nach den herkömmlichen
Verfahren erkannt haben. Der Fachmann dürfte daher bestrebt gewesen sein,
Maßnahmen zur verbesserten Filterung dieser Geräusche zu entwickeln. Im Zuge
dessen wäre er ausgehend von der Spezifikation NK27 unter Berücksichtigung
dieser Problemstellung auch auf die Schrift KB4 gestoßen.

Dieser Schrift KB4 konnte der Fachmann zwar entnehmen, dass dann, wenn der
Verstärkungsfaktor (AG) des Tonhöhencodebuchs groß ist, das Sprachsegment
wahrscheinlich stimmhaft ist, und dann, wenn der Verstärkungsfaktor (AG) des
Tonhöhencodebuchs klein ist, das Signal entweder stimmlos ist oder Hintergrund-
rauschen enthält (vgl. KB4, Seite 4, Zeile 31 bis Seite 5, Zeile 3). Entgegen der
Auffassung der Klägerinnen führt dieser Hinweis in der Schrift KB4 den Fachmann
jedoch nicht in naheliegender Weise zu der Anweisung im Merkmal 1.5 des An-
spruchs 1, den innovativen Verstärkungsfaktor unter Anwendung einer nichtlinea-
- 64 -
ren Operation in Bezug auf den Grad der Stimmhaftigkeit und den Stabilitätsgrad
zu glätten.

Denn die Schrift KB4 präsentiert dem Fachmann im selben Absatz auf Seite 5,
Zeilen 2 bis 8 die Lehre, auf welche Weise das Signal zu behandeln ist. Demnach
ist das Signal in Abhängigkeit des Werts des Verstärkungsfaktors zu modifizieren,
in stimmlosen Segmenten oder bei Hintergrundrauschen stärker als in stimmhaf-
ten Segmenten. Die Modifikation besteht darin, den skalierten innovativen Code-
vektor (coded signal estimate from the fixed codebook after application of the gain
FG) abhängig von dem Wert des adaptiven (AG) und innovativen Verstärkungs-
faktors (FG) zu verändern (vgl. KB4, Seite 4, Zeilen 24 bis 26 und Fig. 2).


Ausschnitt aus Fig. 2 der KB4

Eine solche Veränderung des skalierten innovativen Codevektors stellt keine
Glättung des innovativen Verstärkungsfaktors (vgl. Merkmal 1.6), d. h. keine Ver-
gleichmäßigung oder Mittelung der innovativen Verstärkungsfaktoren aus unter-
schiedlichen Sprachsegmenten, sondern eine sog. Anti-Sparseness-Filterung des
skalierten innovativen Codevektors dar (vgl. KB4, Seite 9, Zeilen 30 bis 32). Das
Gutachten AD12 beschreibt diese Filterung auf Seite 24, erster Absatz, wie folgt:

„Unter "sparseness" (dt. etwa: "Seltenheit") versteht AD8 die Eigenschaft
von Vektoren des innovativen Codebuchs, nur wenige von Null verschie-
dene Komponenten aufzuweisen, wie beispielhaft in Fig. 10 von AD8 ge-
zeigt ist. Durch Anwendung eines ,,Allpass-Filterung" (anti-sparseness filter)
wird die Energie der wenigen von Null verschiedenen Komponenten über
den Vektor verteilt, wie in Fig. 11 von AD8 veranschaulicht ist.“

- 65 -
Auch die Spezifikation NK27 sieht auf Seite 39, Abschnitt 5) einen Schritt „Anti-
Sparseness processing“ vor. Die Zusammenschau der Spezifikation NK27 mit der
Schrift KB4 legt es dem Fachmann daher allenfalls nahe, dieses „Anti-Sparseness
processing“ gemäß der Lehre aus der Schrift KB4 durchzuführen.

Der Hinweis der Klägerinnen, dass in der Spezifikation NK27 bereits ausgeführt
sei, dass die Glättung des innovativen Verstärkungsfaktors unnatürliche Fluktuati-
onen in der Energie des decodierten Sprachsignals vermeiden soll, hilft hier nicht
weiter, denn in der gesamten Schrift KB4 ist von einem Vermeiden unnatürlicher
Fluktuationen in der Energie des decodierten Sprachsignals nicht die Rede.

Daher kann es auch eine Zusammenschau der technischen Spezifikation NK27
mit der Schrift KB4 nicht nahe legen, den innovativen Verstärkungsfaktor unter
Anwendung einer nichtlinearen Operation in Bezug auf den Grad der Stimmhaf-
tigkeit und den Stabilitätsgrad zu glätten (Merkmal 1.5).

3.2.3 Weiterer von den Klägerinnen genannter Stand der Technik

Auch gegenüber dem übrigen von den Klägerinnen genannten, weiter abliegenden
Stand der Technik, insbesondere dem nach den Schriften

WO 00/11650 A1 (= KB1) und
JP 10-97296 A (= NK30, AD9)

ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag neu.

Soweit der entgegengehaltene Stand der Technik bei der Beurteilung der erfinde-
rischen Tätigkeit in Betracht zu ziehen wäre, legt auch eine Zusammenschau des
gesamten von den Klägerinnen genannten Standes der Technik den Gegenstand
des Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht nahe.

- 66 -
3.2.3.1 Stand der Technik nach der Offenlegungsschrift WO 00/11650 A1
(= KB1)

Die im Prioritätsintervall des Streitpatents als WO 00/11650 A1 veröffentlichte äl-
tere Anmeldung – im Folgenden kurz als Schrift KB1 bezeichnet – betrifft die
Kompensierung von Störgeräuschen bei der Codierung und Decodierung von
Sprachsignalen (vgl. KB1, Seite 3b, erster Absatz). Insbesondere vermittelt sie
dem Fachmann die Lehre, Verstärkungsfaktoren unter Einsatz eines Faktors
βsub(n) zu glätten (vgl. Seite 43, zweiter Absatz, letzter Satz und Anspruch 6). Der
Wert dieses Glättungsfaktor βsub(n) wird dadurch bestimmt,

- ob ein Unterrahmen Sprache oder Hintergrundrauschen enthält (VAD,
Voice Activity Detection), und insbesondere
- ob stationäre rauschähnliche Segmente von Sprach-, Musik-, tonähnlichen
Signalen, nicht-stationärem Rauschen usw. vorliegen (vgl. Seite 43, erster
Absatz).

Denn nach der Schrift KB1 geht in den Glättungsfaktor βsub(n) u. a. der Parameter
speech_mode ein (vgl. Seite 48, Abschnitt „2. Classify subframe and calculate
smoothing:“), der durch die Sprachaktivität VAD bestimmt wird (vgl. Seite 46, Ab-
schnitt „3. Classify subframe:“). Ein VAD-Algorithmus wird verwendet, um den ak-
tuellen Sprachrahmen entweder als aktiven oder inaktiven Sprachrahmen (Hinter-
grundrauschen oder Stille) zu klassifizieren (vgl. Seite 24, zweiter Absatz). Damit
erfolgt beim Verfahren aus der Schrift KB1 die Glättung der Verstärkungsfaktoren
des innovativen Codevektors zwar mittels eines Faktors, welcher repräsentativ für
den Stabilitätsgrad des Signals ist, denn eine Aussage darüber, ob ein Signal sta-
tionär ist oder nicht, betrifft den Stabilitätsgrad eines Signals.

An keiner Stelle ist der Schrift KB1 jedoch entnehmbar, den Verstärkungsfaktor
des innovativen Codevektors unter Anwendung einer Operation in Bezug auf den
Grad der Stimmhaftigkeit des Breitbandsignals zu glätten (vgl. Teilmerkmal 1.5).

- 67 -
Zwar wird bei dem Verfahren aus der Schrift KB1 die Stimmhaftigkeit des Signals
bestimmt (voiced/unvoiced decision, VUV, vgl. Seite 25, vorletzter Absatz und
Seite 24, vorletzter Absatz). Diese geht dort jedoch lediglich in die Berechnung der
Tonhöhennacheilung (vgl. Seite 30, erster Absatz) und in die Entscheidung ein, ob
der Verstärkungsfaktor normalisiert werden soll (vgl. Seite 62, erster und zweiter
Absatz). Die Normalisierung eines Verstärkungsfaktors in Bezug auf die Energie
des Signals im aktuellen Unterrahmen ist für den Fachmann etwas anderes als
eine Glättung der Verstärkungsfaktoren aus unterschiedlichen Zeitabschnitten.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen kommt es insbesondere nicht auf den
Faktor β(n) an, der die Linienspektralfrequenzen (LSF, Line Spectral Frequencies)
glättet, denn Linienspektralfrequenzen stellen keine Codevektoren dar, sondern
sind andere Darstellungen der linearen Prädiktionskoeffizienten (vgl. Seite 71,
vorletzter Absatz).

Die Entgegenhaltung KB1 offenbart im Übrigen auch kein Breitbandsignal (vgl.
Teilmerkmal 1.1.1 des Anspruchs 1), denn auf Grund der Abtastrate von 8 kHz
(vgl. Seite 17, zweiter Absatz) enthält das abgetastete Signal nur Frequenzkom-
ponenten bis maximal 4 kHz. Auch eine Filterung mit einem Hochpass mit einer
unteren Grenzfrequenz von 80 Hz (vgl. Seite 22, zweiter Absatz) kann das Fre-
quenzband des abgetasteten Signals nicht erweitern.

3.2.3.2 Stand der Technik nach der Offenlegungsschrift JP 10-97296 A
(= NK30, AD9)

Die Offenlegungsschrift JP 10-97296 A beschreibt ausweislich ihres Familienmit-
glieds US 6 047 253 A (= NK31, AD9a) – im Folgenden kurz als Schrift NK31 be-
zeichnet – einen Decodierer für Sprachsignale (vgl. NK31, Bezeichnung), wobei
im Decodierer Anteile von Rauschen zu stimmhaften und stimmlosen Anteilen des
Sprachsignals addiert werden, um das rekonstruierte Sprachsignal natürlicher
klingen zu lassen (vgl. Spalte 1, Zeilen 43 bis 53).

- 68 -
Die Fig. 4 zeigt ein Ausführungsbeispiel des Decodierers, welcher separate Verar-
beitungszüge für stimmhafte (V) und stimmlose (UV) Sprachabschnitte aufweist
(vgl. z. B. Spalte 9, Zeilen 37 bis 41), insbesondere umfassend zwei separate
Nachbearbeitungsfilter (238v, 238u) zur Nachbearbeitung decodierter stimmhafte
bzw. stimmlose Abschnitte, welche anschließend in einem Addierer (239) zusam-
mengefügt werden.

Die Fig. 17 zeigt eine Glättungsoperation, die in den beiden Nachbearbeitungsfil-
tern (238v, 238u) ausgeführt wird (vgl. Spalte 10, Zeilen 40 bis 44, Spalte 10,
Zeile 65 bis Spalte 11, Zeile 5). Entgegen den Anweisungen im Merkmal 1.5 des
Streitpatents erfolgt die Glättung des Verstärkungsfaktors aufeinanderfolgender
Zeitabschnitte nach der Lehre aus der Schrift NK31 weder unter Anwendung einer
nichtlinearen Operation noch in Bezug auf den Grad der Stimmhaftigkeit oder den
Stabilitätsgrad des Sprachsignals. Insbesondere geht auch der sog. Pitch-Intensi-
täts-Informations-Parameter (105) (vgl. Fig. 3 und 6 aus NK31/S6a) nicht in die
Glättungsoperation in den beiden Nachbearbeitungsfiltern (238u, 238v) ein. Denn
gemäß Fig. 17 erfolgt die Glättung vielmehr als einfache lineare Interpolation zwi-
schen den Verstärkungsfaktoren aufeinanderfolgender Zeitabschnitte, ohne dass
dort Faktoren wie Stimmhaftigkeitsgrad oder Stabilitätsgrad des Signals eingehen.

Im Übrigen betrifft die Glättungsoperation aus der Schrift NK31 entgegen dem
Merkmal 1.6 des Anspruchs 1 des Streitpatents keinen Verstärkungsfaktor zum
Verstärken eines innovativen Codevektors, sondern einen Verstärkungsfaktor G
zum Verstärken des decodierten Sprachsignals (vgl. Fig. 15, BZ 443 und
Spalte 18, Zeilen 1 bis 12).

3.3 Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend auch für den
nebengeordneten Anspruch 21 gemäß Hauptantrag, dessen Gegenstand eine
Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens mit den im Anspruch 1 genannten
Merkmalen ist.

- 69 -
Die übrigen nebengeordneten Ansprüche 41, 58, 75, und 92 betreffen ein zellula-
res Kommunikationssystem, ein Netzwerkelement, ein bidirektionales drahtloses
Kommunikationssystem sowie ein Mobiltelefon, welche jeweils die im Anspruch 21
beanspruchte Vorrichtung umfassen. Auch hinsichtlich dieser Ansprüche gelten
die vorstehenden Ausführungen sinngemäß.

Weiterhin begegnen auch den Unteransprüchen nach Hauptantrag, welche vor-
teilhafte Ausgestaltungen des Erfindungsgegenstands betreffen, keine Bedenken.
Gegenteiliges haben auch die Klägerinnen nicht geltend gemacht.

4. Sonstige Nichtigkeitsgründe

Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Schutzfähigkeit des Streitpatents in der
Fassung nach Hauptantrag sonstige Nichtigkeitsgründe entgegenstehen könnten.
Solche haben die Klägerinnen auch nicht geltend gemacht.


III.

Da somit der mit Hauptantrag vorgelegte Anspruchssatz zulässig ist und ihm keine
Nichtigkeitsgründe entgegenstehen, war das Streitpatent mit Wirkung für die Bun-
desrepublik Deutschland nur insoweit teilweise für nichtig zu erklären, als es über
die Fassung laut Hauptantrag hinausgeht, und die weitergehenden Klagen abzu-
weisen.


B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 und
§ 100 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat dabei berücksichtigt, inwieweit sich die be-
schränkte Verteidigung des Streitpatents auf den wirtschaftlichen Wert des Streit-
patents auswirkt. Da sich dieser nach Einschätzung des Senats infolge der Be-
- 70 -
schränkung in etwa halbiert haben dürfte, ist es gerechtfertigt, die Kosten des
Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben, wobei die Klägerinnen hinsichtlich der
Gerichtskosten nach § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen haften.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 ZPO.


C.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift, die auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)
eingereicht werden kann, muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zu-
gelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundes-
republik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unter-
zeichnet oder im Fall der elektronischen Einreichung mit einer qualifizierten elekt-
ronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer fortgeschrittenen
elektronischen Signatur versehen sein, die von einer internationalen Organisation
auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes herausgegeben wird und sich
zur Bearbeitung durch das jeweilige Gericht eignet. Die Berufungsschrift muss die
Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklä-
rung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Beru-
fungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen
Urteils vorgelegt werden.

Die Berufungsschrift muss innerhalb eines Monats schriftlich beim Bundesge-
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht oder als elektronisches
- 71 -
Dokument in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes
(www.bundesgerichtshof.de/erv.html) übertragen werden. Die Berufungsfrist be-
ginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens
aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist ist nur
gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht.


Friehe Schwarz Arnoldi Matter Friehe
zugleich für
Dr. Haupt,
der wegen Ur-
laubs an der Un-
terschrift verhin-
dert ist.

prö


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