5 ZA (pat) 59/16  - 5. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT


5 ZA (pat) 59/16 zu
5 Ni 5/12 (EP)
hinzuverbunden
5 Ni 6/12 (EP)
KoF 84/16
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(Aktenzeichen)


B E S C H L U S S

In der Patentnichtigkeitssache



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betreffend das europäische Patent …
(DE …)
(hier: Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 8. Februar 2017
durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Martens und den Richter
Dipl.-Phys. Univ. Bieringer

beschlossen:

1. Die Erinnerung der Beklagten gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom
11. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

3. Der Wert des Erinnerungsverfahrens beträgt 146.760,80 €.
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G r ü n d e

I.

Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ist die Erstattungsfähigkeit der von der
Klägerin zu 2 neben den Kosten für einen Patentanwalt geltend gemachten
Rechtsanwaltskosten im Nichtigkeitsberufungsverfahren.

Mit Beschluss des X. Senats des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2016
(X …) sind der Beklagten u. a. die Kosten der Berufung auferlegt worden
(§ 110 Abs. 8 PatG i. V. m. § 516 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hatte zuvor die Be-
rufung gegen das am 19. November 2013 verkündete Urteil des Senats zurückge-
nommen. Dieser Beschluss ist auf Antrag der Klägerin zu 2 wegen eines Schreib-
fehlers am 29. September 2016 dahingehend berichtigt worden, dass deren Be-
zeichnung im Rubrum statt „N… Corporation ….“ richtig heißen muss: „M…
…“.

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 9. August 2016 betreffend das Nichtig-
keitsberufungsverfahren hat die Klägerin zu 2 neben den Kosten eines Patentan-
walts in Höhe von 146.760,80 € auch Rechtsanwaltskosten in gleicher Höhe gel-
tend gemacht, die von der Rechtspflegerin im angefochtenen Beschluss vom
11. Oktober 2016 auch als erstattungsfähig anerkannt wurden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Erinnerung der Beklagten vom
3. November 2016, zu deren Begründung sie vorträgt, im Nichtigkeitsberufungs-
verfahren hätten am 22. Mai 2014 die bisherige Klägerin zu 2, die N… Corpora-
tion, und die M… den Parteiwechsel von der N… Corporation
auf die M… beantragt. Die bisherige Nichtigkeitsklägerin zu 2
sollte aus dem Verfahren ausscheiden, das die M… übernehmen
und alleine weiterführen sollte. Hintergrund sei die Übernahme der Sparte „Geräte
und Services“ der N… Corporation mit Wirkung vom 25. April 2014. Es ist zwi-
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schen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte dem Parteiwechsel zugestimmt
hat.
Die Beklagte führt weiter aus, mit der M… habe zu keinem Zeit-
punkt ein das Streitpatent betreffender Verletzungsstreit bestanden. So seien im
parallelen Verletzungsverfahren gegen die V… GmbH nach Rücknahme
der Berufung im Beschluss des OLG Karlsruhe vom 15. August 2016 als Streit-
helferin nur die H… Corporation (hiesige Klägerin zu 1) und die N… Corporation
(frühere Klägerin zu 2) aufgeführt gewesen. Folglich sei die Zuziehung eines
Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt im Nichtigkeitsberufungsverfahren typi-
scherweise nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechts-
verteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs.1 Satz 1 ZPO gewesen. Die Be-
klagte beruft sich zur weiteren Begründung ihrer Erinnerung auf die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2012, X ZB 6/12, - Doppelvertretung
im Nichtigkeitsverfahren, in der jeder ausdrückliche Hinweis fehle, dass die typisie-
rende Betrachtungsweise auch im Nichtigkeitsberufungsverfahren Anwendung
finde.

Den Grundsatz, wonach im Nichtigkeitsberufungsverfahren die Kosten für die Mit-
wirkung des Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt nach ständiger Rechtspre-
chung als regelmäßig erforderlich i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und damit als
erstattungsfähig anzusehen sei, habe nach Ansicht der Beklagten der Beschluss
des 10. Senats des Bundespatentgerichts vom 18. Juni 2013
(Az.: 10 ZA (pat) 12/12 zu 10 Ni 21/10) in Frage gestellt. Dort sei eine Erstat-
tungsfähigkeit der Doppelvertretungskosten „jedenfalls bei gleichzeitiger Anhän-
gigkeit eines Verletzungsrechtsstreits und einer dasselbe Patent betreffenden
Nichtigkeitsklage“ anerkannt worden. Auch für die zweite Instanz müsse es daher
auf die vom BGH in der oben genannten Entscheidung definierte typische Be-
trachtungsweise ankommen.

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Die Beklagte beantragt:

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Oktober 2016 wird
aufgehoben und die Kosten des Rechtsanwalts in Höhe von
insgesamt € 146.760,80 werden abgesetzt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Die Klägerin zu 2 beantragt sinngemäß,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Die Klägerin zu 2 tritt dem Vorbringen der Beklagten in jeder Hinsicht entgegen.
Sie führt insbesondere aus, dass die Beklagte den Parteiwechsel auf die M…
maßgeblich mitveranlasst habe, da sie sich mit M… im Zusam-
menhang mit der Übernahme der Sparte von N… auf ein Stillhalteabkommen
geeinigt hatte. Die Klägerin zu 2 habe im von der Beklagten genannten Verlet-
zungsstreit nicht mehr in die Stellung der N… Corporation als Streithelferin ein-
treten können, da dieses Verfahren seit Januar 2014 einvernehmlich ausgesetzt
war. Daher finde sich die Klägerin zu 2 auch (noch) nicht im Rubrum des Be-
schlusses des OLG Karlsruhe vom 15. August 2016.

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 23 Abs. 2 RPflG zulässige Erinnerung der Beklagten ist nicht be-
gründet. Die in Ansatz gebrachten Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts der
Beklagten zu 2 sind im Nichtigkeitsberufungsverfahren als erstattungsfähig anzu-
erkennen.
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Kosten eines mitwirkenden Rechtsanwalts im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem
Bundesgerichtshof sind gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG
der obsiegenden Partei zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechts-
verfolgung notwendig waren. Im Nichtigkeitsberufungsverfahren sind die Kosten
für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundespatentgerichts als regelmäßig für die zweckentspre-
chende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig und damit als er-
stattungsfähig anzusehen (vgl. BPatGE 52, 142, 144 f. m. w. N., insb. Rn. 16. -
Doppelvertretungskosten, Nichtigkeitsberufungsverfahren). Die dort genannte Be-
gründung, dass der Bundesgerichtshof als gemeinsame oberste Instanz in allen
Patenterteilungs-, Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren ständig zur einheitlichen
Auslegung und Fortbildung des Patentrechts im Rahmen der Gesamtrechtsord-
nung berufen ist und hierzu auch der kundigen und auf allen Rechtsgebieten er-
fahrenen Mitwirkung von umfassend juristisch geschulten Rechtsanwälten in be-
sonderem Maße bedarf, hat entgegen der Ansicht der Beklagten weiterhin Be-
stand. Aus Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei sind die
Kosten der Doppelvertretung gerechtfertigt, da der Bundesgerichtshof im Patent-
nichtigkeitsverfahren als Berufungsgericht letztinstanzlich entscheidet. Anders als
bei dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Bundespatentgericht besteht somit
keine Möglichkeit mehr, unsachgemäßen, lückenhaften oder gar falschen Rechts-
vortrag in einem späteren Stadium des Prozesses klarzustellen, zu ergänzen oder
zu berichtigen. Nach Keukenschrijver in Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl.,
§ 121 Rn. 24 werden Doppelvertretungskosten im Berufungsverfahren als typi-
scherweise angebracht und erstattungsfähig anerkannt (vgl. auch Schulte/Püschel
PatG, 9. Auflage, § 80, Rn. 41, wonach die Doppelvertretung von Rechtsanwalt
und Patentanwalt im Nichtigkeitsberufungsverfahren regelmäßig als notwendig
i. S. v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesehen wird).

Von dieser ständigen Praxis geht zwar auch die Beklagte aus, sie vertritt jedoch
die Auffassung, der 10. Senat des Bundespatentgerichts habe in seinem Be-
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schluss vom 18. Juni 2013 diesen Grundsatz in Frage gestellt. Entgegen der An-
sicht der Beklagten ist dies jedoch der Entscheidung nicht zu entnehmen.

Die Entscheidung des 10. Senats betrifft einen seltenen Sonderfall, in dem die Be-
rufung wegen nicht rechtzeitiger Einreichung einer Begründung als unzulässig
verworfen worden war. Dem Leitsatz des Beschlusses ist die Problematik zu ent-
nehmen, ob in diesem frühen Stadium eines Berufungsverfahrens dem Rechts-
mittelgegner überhaupt schon erstattungsfähige Kosten für die Tätigkeit eines
Rechtsanwalts entstanden waren. Der Senat untersucht in diesem Zusammen-
hang, ob dessen Tätigkeit nicht als bloßer Annex zum erstinstanzlichen Nichtig-
keitsverfahren anzusehen bzw. dem Verletzungsstreit zuzurechnen sei. Er bejaht
letztlich die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten des Berufungsverfahren vor dem
Hintergrund des anhängigen parallelen Verletzungsstreits, da sich daraus nach
dem Sachverhalt im Hinblick auf die Einlegung der Berufung ein Abstimmungsbe-
darf ergab, der die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts im Nichtigkeitsberu-
fungsverfahren entstehen lässt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der 10. Senat mit seiner Entschei-
dung daher nicht zum Ausdruck gebracht, er weiche von der herrschenden ständi-
gen Rechtsprechung ab, wonach im Nichtigkeitsberufungsverfahren regelmäßig
Doppelvertretungskosten erstattungsfähig sind. Soweit der 10. Senat die BGH-
Entscheidung - „Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren“ (Beschluss vom
18. Dezember 2012, X ZB 11/12) zitiert, erfolgt dies nur zum Beleg dafür, dass
wegen eines gleichzeitig anhängigen Verletzungsverfahrens ein tatsächlicher Ab-
stimmungsbedarf begründet ist. Dass nur im Falle eines parallelen Verletzungs-
streit eine Erstattung von Doppelvertretungskosten gerechtfertigt sei, ist der zi-
tierten Entscheidung somit nicht zu entnehmen.

Eine anders lautende Aussage enthält auch nicht der von der Beklagten aus der
Begründung des Senats entnommene nachfolgende Satz (vgl. Rn. 17, 1. Satz):

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„Für die Kosten des in einem Nichtigkeitsberufungsverfahren mitwirkenden
Rechtsanwalts gilt dies gleichermaßen, jedenfalls bei gleichzeitiger Anhän-
gigkeit eines Verletzungsrechtsstreits und einer dasselbe Patent betreffen-
den Nichtigkeitsklage.“

Dieser Satz nimmt Bezug auf die im Absatz davor genannten Fälle, in denen es
für die Notwendigkeit i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO ausreicht, dass der Rechtsmittel-
gegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehafteten Situation für erforderlich hal-
ten darf, wie dies z. B. bei einer nur vorsorglich eingelegten Berufung der Fall ist.
Dementsprechend bejaht der 10. Senat die Notwendigkeit der Mitwirkung eines
Rechtsanwalts im Ergebnis auch in dem von ihm entschiedenen Fall, da wegen
der gleichzeitigen Anhängigkeit eines Verletzungsrechtsstreits und einer dasselbe
Patent betreffenden Nichtigkeitsklage ein Abstimmungsbedarf in diesem frühen
Stadium nicht ausgeschlossen werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 2 Satz 4 RPflG, § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Erinnerungsverfahrens entspricht der Höhe der beantragten Herab-
setzung des Erstattungsbetrags.

IV.

Der vorliegende Beschluss ist unanfechtbar. Die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde (§ 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 574 Abs. 1, Ziffer 2 ZPO) war nicht ange-
zeigt. Den vorstehenden Ausführungen ist zu entnehmen, dass hierin von höchst-

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richterlichen Vorgaben oder Entscheidungen anderer Spruchkörper entgegen der
Ansicht der Beklagten gerade nicht abgewichen wird.


Voit Martens Bieringer

Pr


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