5 StR 268/00 - 5. Strafsenat
Karar Dilini Çevir:
5 StR 268/00 - 5. Strafsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES 5 StR 268/00 URTEIL vom 30. August 2000 in der Strafsache gegen wegen Mordes - 2 - Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms, Richter Häger, Richter Basdorf, Richterin Dr. Tepperwien, Richter Dr. Brause als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt H als Verteidiger, Rechtsanwalt F als Vertreter der Nebenkläger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt: Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landg e - richts Chemnitz vom 21. Oktober 1999 wird verworfen. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. – Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Schwurgericht hat die Angeklagte wegen Mordes zu lebensla n - ger Freiheitsstrafe verurteilt. Ihre Revision hat keinen Erfolg. 1. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts tötete die Ang e - klagte bei einem nächtlichen Spaziergang ihren Ehemann; sie versetzte dem Tatopfer, das in der Tatsituation von ihrem Angriff völlig überrascht war, mehr als 40 Stiche mit einem Messer, das sie zur Verwirklichung ihres T ö - tungsplanes eingesteckt hatte. Die Angeklagte wollte ihren Mann beseitigen, weil er ihren Zukunftsplänen entgegenstand; sie wollte nämlich ohne den Mann – der mit einer Scheidung nicht einverstanden war – gemeinsam mit einer Freundin und den jeweiligen Kindern in dem bisherigen ehelichen Haus zusammenleben. - 4 - 2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts greift die auf § 338 Nr. 5 StPO in Verbindung mit § 247 StPO gestützte Verfahrensr ü - ge nicht durch. Die Revision beanstandet, daß das Schwurgericht während der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ohne Beschlußfa s - sung nach § 247 StPO deren 16jährige Tochter W über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und die Erklärung der Zeugnisverweig e - rung entgegengenommen habe. a) Ob die Rüge von vornherein daran scheitern muß, daß die Ang e - klagte einverständlich den Sitzungssaal verlassen hat, läßt der Senat offen. Zwar hat der Bundesgerichtshof ein derartiges Einverständnis bei Rügen dieser Art unter Hinweis auf die Unverzichtbarkeit des – mit einer Anwese n - heitspflicht korrespondierenden – Anwesenheitsrechts des Angeklagten wiederholt für unerheblich erachtet (vgl. BGHR StPO § 247 – Ausschli e - ßungsgrund 1; § 338 Nr. 5 – Angeklagter 10, 18; vgl. demgegenüber BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 – Mißbrauch 1; Basdorf StV 1997, 488, 492). Das sollte aber – zur gebotenen Vermeidung überspannter Formstrenge bei A n - wendung der absoluten Revisionsgründe – jedenfalls dann nicht gelten, wenn die Voraussetzungen für eine Abwesenheitsverhandlung zweifelsfrei vorliegen, entsprechend das Einverständnis des auf sein Anwesenheitsrecht verzichtenden Angeklagten – wie das sämtlicher Prozeßbeteiligter – auf der Anerkennung dieser verfahrensrechtlich eindeutigen Situation beruht (vgl. zum Meinungsstand BGHR StPO § 338 Nr. 5 – Angeklagter 18; BGH NJW 1976, 1108; BGH NStZ 1983, 36; BGH, Beschluß vom 6. Dezember 1977 – 5 StR 724/77; jeweils m.w.N.; so jedenfalls für das Fehlen einer Beschlu ß - begründung: BGHSt 22, 18, 20; BGHR StPO § 247 Satz 2 – Begründung s - erfordernis 1; vgl. auch BGHSt 45, 117 m. Anm. Rieß JR 2000, 253; a.A. Diemer in KK 4. Au fl. § 247 Rdn. 16). Daß dies hier der Fall war, liegt im Blick auf eine zu erwartende schwere psychische Belastung der Zeugin durch eine Konfrontation mit ihrer Mutter in der Situation einer Hauptve r - handlung gegen die Mutter wegen Ermordung des Vaters auf der Hand - 5 - (§ 247 Satz 2, zweite Alternative StPO; vgl. BGHR StPO § 247 Satz 2 – B e - gründungserfordernis 1 und 2). Die Frage bedarf keiner abschließenden Entscheidung; denn das Rügevorbringen genügt nicht den – bei Formalrügen dieser Art besonders strikt zu beachtenden (vgl. BGHR StPO § 247 – Abwesenheit 10, 18; BGH NStZ 2000, 328) – formalen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. b) In der Revisionsbegründung wird die Wesentlichkeit einer Anw e - senheit der Angeklagten bei der Belehrung über das Zeugnisverweigerung s - recht und der Berufung der Zeugin hierauf mit der sonst vereitelten Chance der Angeklagten begründet, die Zeugin zur Aussage zu veranlassen. Ferner wird ein Verstoß auch in der Abwesenheit der Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung der Zeugin gesehen, da die Angeklagte die Zeugin noch in diesem Stadium um die Nichtausübung des Zeugnisve r - weigerungsrechts hätte bitten können. In diesem Zusammenhang erwähnt die Revisionsbegründung noch nicht das Einverständnis aller Prozeßbete i - ligter – also auch der Angeklagten selbst – mit deren Entfernung; es wird vielmehr zunächst argumentiert wie für einen Fall, in dem die Entfernung der Angeklagten gegen ihren Willen erfolgt wäre. Erst im Zusammenhang mit der Beanstandung des fehlenden Beschlusses erwähnt die Revisionsb e - gründung dann das Einverständnis aller Prozeßbeteiligten eher beiläufig. Dabei läßt sie den besonderen prozessualen Hintergrund gänzlich une r - wähnt, vor dem es zu jenem – ersichtlich auch von der Angeklagten getr a - genen – Einverständnis gekommen ist. aa) Wie sich aus den Akten ergibt, hatten der Bruder des Getöteten – einer der Nebenkläger – und seine Ehefrau als Vormünder der Zeugin, ihrer Nichte, zwischen deren Zeugenladung und dem Beginn der Hauptve r - handlung durch ein persönliches Schreiben an das Gericht und über wi e - derholte Eingaben des Nebenklägervertreters (Bl. 1288, 1291 ff., 1311 f., - 6 - 1317 d.A.) einer Vernehmung der Zeugin widersprochen. Dabei hatten sie das Zeugnisverweigerungsrecht der Tochter erwähnt und auf deren schwere emotionale Belastung für den Fall einer Konfrontation mit der Mutter in der Hauptverhandlungssituation hingewiesen. Als das Gericht auf einem E r - scheinen der Zeugin bestand, hatten sie den dringenden Wunsch organis a - torischer Absicherung zur Vermeidung einer persönlichen Begegnung zw i - schen Angeklagter und Zeugin hervorgehoben. Vor diesem prozessualen Hintergrund verließ dann – nachdem der vorige Zeuge um 16.35 Uhr entla s - sen worden war – ”die Angeklagte im Einverständnis sämtlicher Verfahren s - beteiligter für die Erörterung der Frage, ob sich die Zeugin W auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beruft, den Sitzungssaal”. Nach Belehrung ”gemäß §§ 57 und 52 StPO” erklärte die Zeugin – ohne zur Person vernommen worden zu sein (§ 68 StPO) – , daß sie von ihrem Zeu g - nisverweigerungsrecht Gebrauch mache; sie wurde ”im allseitigen Einve r - ständnis um 16.40 Uhr entlassen” (S. 5 der Sitzungsniederschrift, Bl. 1332 d.A.). Nur bei vollständiger Kenntnis des Vorlaufs und Ablaufs dieser Zeugnisverweigerung läßt sich beurteilen, ob jener Vorgang, wie die Revis i - on geltend macht, ein – zudem wesentlicher – Teil der Hauptverhandlung gewesen ist oder vielmehr die Durchführung eines Freibeweisverfahrens am Rande der Hauptverhandlung, das gerade nicht deren wesentlicher Teil ist und für welches das durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gesicherte grundsätzliche Anwesenheitsgebot für den Ang e - klagten nicht gilt (vgl. BGHR StPO § 247 – Abwesenheit 17; vgl. ferner BGHR StPO § 338 Nr. 6 – Öffentlichkeit 2). Letzteres anzunehmen, läge hier nahe. Dies belegt das Erfordernis des vollständigen Sachvortrags zu jenen Verfahrensvorgängen, ohne den eine abschließende Prüfung durch den S e - nat nicht zu erfolgen hat. - 7 - bb) Erklärt ein zeu gnisverweigerungsberechtigter Zeuge vor einer Hauptverhandlung, daß er unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerung s - recht nicht aussagen wolle, ist das Gericht – wenn es keine Hinweise auf eine unzureichende Information des Zeugen über seine Rechtsstellung und Interessenlage oder über eine möglicherweise noch bestehende Unen t - schlossenheit des Zeugen über die Zeugnisverweigerung hat - nicht geha l - ten, den Zeugen zur Hauptverhandlung zu laden; ist die Zeugnisverweig e - rung eindeutig erklärt, ist das Gericht mit Rücksicht auf die Belange des Zeugen sogar gehindert, ihn zu laden. Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines derart eindeutig berechtigt das Zeugnis verweigernden Zeugen wäre unzulässig (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß 5. Aufl. S. 452 f.; ferner BGHSt 21, 12; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 – Unerreichbarkeit 17; BGH NStZ 1982, 126). Das Gericht, das sich so fre i - beweislich über die Zeugnisverweigerung unterrichten läßt, kann folglich fraglos etwa noch bestehende Zweifel über Willensmängel des Zeugen ebenfalls außerhalb der Hauptverhandlung freibeweislich beseitigen. Angesichts dessen, daß sich die Tochter der Angeklagten hier noch nicht ausdrücklich selbst über die Wahrnehmung ihres höchstpersönlichen Rechts auf Zeugnisverweigerung erklärt hatte, war es nicht unvertretbar, daß das Gericht zunächst noch auf ihrer Ladung bestand. Die vom Gericht zu wahrenden Interessen des Zeugenschutzes legten es hier indes nach den Eingaben der Vormünder der Zeugin nahe, eine – im Freibeweis mögl i - che – abschließende Klärung dieser Frage außerhalb der Hauptverhandlung herbeizuführen. Das Gericht hat zwar weder eine eindeutige schriftliche E r - klärung der Zeugin über ihre Zeugnisverweigerung angefordert noch die Frage der Zeugnisverweigerung im Rahmen einer informatorischen richterl i - chen Anhörung oder kommissarischen Vernehmung vor der Hauptverhan d - lung geklärt; es hat sich nicht einmal, um der psychisch ersichtlich gefäh r - deten jugendlichen Zeugin wenigstens das Betreten des Schwurgericht s - saales im Rahmen der Verhandlung über die Ermordung ihres Vaters zu e r - - 8 - sparen, dazu entschlossen, die Anhörung zur Frage der Zeugnisverweig e - rung – über deren Berechtigung das Mädchen ersichtlich zutreffend unte r - richtet war – in einem getrennten Raum ohne Öffentlichkeit – und selbstve r - ständlich in Abwesenheit der Angeklagten – freibeweislich zu klären. Es liegt aber auf der Hand, aus der verbliebenen Rücksichtnahme des Gerichts auf die psychischen Belange der Zeugin, wonach es wenigstens – im allseitigen Einverständnis der Prozeßbeteiligten – eine Konfrontation zwischen Mutter und Tochter im Gerichtssaal zu vermeiden suchte, darauf zu schließen, daß das Schwurgericht in zulässiger Weise die Frage der Zeugnisverweigerung durch informatorische Anhörung im Freibeweisverfahren selbst vor Verne h - mung zur Person abschließend klären wollte. Danach konnte die Frage einer Entfernung der Angeklagten gemäß § 247 StPO zunächst bis zum Abschluß jenes Freibeweisverfahrens zurückgestellt werden. Es gilt hier nichts and e - res als im Fall freibeweislicher Klärung der Vernehmungsfähigkeit eines Zeugen oder seiner psychischen Belastung bei Konfrontation mit dem Ang e - klagten, bei welcher der Angeklagte, da jene Freibeweiserhebung nicht no t - wendiger Teil der Hauptverhandlung ist, nicht anwesend sein muß (BGHR StPO § 247 – Abwesenheit 17). Nach solcher Verfahrensweise wäre erst nach Eintritt des eher unwahrscheinlichen – tatsächlich nicht eingetretenen - Falles einer Aussagebereitschaft der verweigerungsberechtigten Zeugin formell unerläßlich eine Beschlußfassung nach § 247 StPO geboten gew e - sen. Jene Abwesenheitsverhandlung stellte sich durch ihre besondere prozessuale Vorgeschichte hier eben nicht – wie es nach dem Revision s - vortrag erscheint – als ”Normalfall” des Beginns der Befragung eines gel a - denen zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen, dessen Zeugnisverwe i - gerung offen ist, dar, die regelmäßig Teil der Hauptverhandlung wäre. Daher war die Revision zum Vortrag über jene Vorgeschichte nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtet. - 9 - 3. Die übrigen Verfahrens rügen sind offensichtlich unbegründet. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten. Harms Häger Basdorf Tepperwien Brause

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