5. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 17.11.2011, 5 AZR 681/09.
Karar Dilini Çevir:
5. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 17.11.2011, 5 AZR 681/09.
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 5 AZR 712/09 17 Sa 44/08 Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes! Verkündet am 17. November 2011 URTEIL Radtke, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsbeklagte, Berufungsklägerin, Anschlussberufungs- beklagte, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte, Klägerin, Berufungsklägerin, Berufungsbeklagte, Anschlussberufungs- klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin, - 2 - 5 AZR 712/09 - 3 - hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-handlung vom 17. November 2011 durch den Vizepräsidenten des Bundesar-beitsgerichts Dr. Müller-Glöge, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Biebl sowie den ehrenamtlichen Richter Feldmeier und die ehrenamtliche Richterin Christen für Recht erkannt: 1. Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückwei-sung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. September 2009 - 17 Sa 44/08 - teilweise aufgehoben. 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. September 2008 - 21 Ca 7628/07 - abgeändert, soweit es die Beklagte verurteilt hat, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2007 195 Stun-den gutzuschreiben. Insoweit wird die Klage abgewie-sen. 3. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Lan-desarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Sep-tember 2009 - 17 Sa 44/08 - wird zurückgewiesen und der Hilfsantrag der Klägerin abgewiesen. 4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 31 % und die Beklagte 69 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto und dem Urlaubskonto der Klägerin. Die Klägerin ist seit September 1975 bei der Beklagten als Näherin be-schäftigt. Seit 1. Juli 2006 ist sie Mitglied der Industriegewerkschaft Metall. Die Beklagte trat mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 aus dem Verband der 1 2 - 3 - 5 AZR 712/09 - 4 - Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. aus. Bis zu diesem Zeit-punkt wandte sie auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig von einer Gewerk-schaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden an. Am 24. Juni 2005 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen neuen Arbeitsvertrag, in dem sie eine regelmäßige Wochenarbeits-zeit von 40 Stunden vereinbarten und festhielten, dass keine Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden. In einer am 7. Dezember 2005 geschlossenen „Betriebsvereinbarung Nr. 02/2005“ heißt es: „… 2. Dauer der Arbeitszeit Für die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer beträgt die persönliche, regelmäßige, wöchentliche Arbeits-zeit ab dem 01. Januar 2006 40 Stunden. … 4. Arbeitszeitkonto Die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und der Regelarbeitszeit wird 1:1 in ein Arbeitszeit-konto übertragen, welches für jeden einzelnen Arbeitnehmer geführt wird. (…)“ Ab 1. Januar 2006 arbeitete die Klägerin 40 Wochenstunden, während der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttem-berg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 (im Folgenden: MTV) eine tarifliche wö-chentliche Arbeitszeit (ohne Pausen) von 35 Stunden vorsah. Einen sowohl im Urlaubsabkommen für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttem-berg/Nordbaden vom 18. Dezember 1996 (UrlAbk) als auch im UrlAbk-ERA vom 14. Juni 2005 vorgesehenen Zusatzurlaub von einem Arbeitstag jährlich nach einer Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren gewährte die Beklagte der Klägerin im Urlaubsjahr 2007 nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 22. August 2007 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr bis zum 5. September 2007 zu bestätigen, dass sie für jede ab 3 4 5 6 - 4 - 5 AZR 712/09 - 5 - dem 1. Juli 2006 über 35 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitsstunde eine entsprechende Bezahlung erhalte oder jede über 35 Stunden pro Woche geleistete Arbeitsstunde gutgeschrieben werde. Mit ihrer der Beklagten am 5. Oktober 2007 zugestellten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, ihrem Arbeitszeitkonto seien für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. September 2007 325 Stunden gutzuschreiben. Des Weiteren könne sie nach den tariflichen Bestimmungen aufgrund ihrer Betriebszugehörigkeit für das Jahr 2007 einen weiteren Urlaubstag beanspruchen. Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Interesse - bean-tragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. Juli 2006 bis 30. September 2007 325 Stunden und dem Urlaubskonto der Klägerin für das Urlaubsjahr 2007 einen zusätzlichen Tag Urlaub gutzuschreiben. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie sei zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in die Industriegewerkschaft Metall nicht mehr an die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden gebunden gewesen. Zudem habe die Klägerin die sechsmonatige Ausschlussfrist des MTV nicht eingehalten. Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklag-te verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2007 195 Stunden sowie ihrem Urlaubskonto für das Urlaubs-jahr 2007 einen zusätzlichen Urlaubstag gutzuschreiben. Das Landesarbeitsge-richt hat die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht allein für die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt diese ihr Begehren auf vollständige Klageab-weisung weiter. Mit der vom Bundesarbeitsgericht für die Klägerin zugelasse-nen Revision verfolgt diese ihren ursprünglichen Klageantrag weiter mit der Maßgabe, dass die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin in der Spalte „FLEX“ erfolgen solle. Außerdem hat die Klägerin in der Revisionsin-stanz ihre Klage um einen Hilfsantrag erweitert, mit dem sie die Zahlung von 7 8 9 - 5 - 5 AZR 712/09 - 6 - 4.706,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007 begehrt. Entscheidungsgründe I. Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurück-gewiesen, soweit sie sich gegen eine Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin richtet. 1. Insoweit ist die Klage mit dem in den Vorinstanzen gestellten (Haupt-)Antrag mit der in der Revisionsinstanz nachgeholten Konkretisierung dieses Leistungsantrags zulässig. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hin-reichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können (vgl. BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 1036/06 - Rn. 9, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 42 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 16; 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 72). Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeit-konto Nr. 3). Seit der im Revisionsverfahren erfolgten Konkretisierung des Leistungsbegehrens (Gutschrift in der Spalte „FLEX“) ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. 2. Die Klage auf Zeitgutschrift ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch, dass die vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2007 über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit 10 11 12 13 14 - 6 - 5 AZR 712/09 - 7 - als Mehrarbeit auf ihrem Arbeitszeitkonto in der Spalte „FLEX“ verbucht wird. Dafür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. a) Aus der Betriebsvereinbarung Nr. 2/2005 vom 7. Dezember 2005 ergibt sich kein Anspruch darauf, dass die über 35 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit auf den Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer als Mehrarbeit verbucht wird. Die Betriebsvereinbarung wurde für eine Regelarbeitszeit von 40 Wo-chenstunden getroffen, nur die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und dieser Regelarbeitszeit wird in ein Arbeitszeitkonto übertragen (Ziff. 2 und Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung; vgl. dazu auch BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 50). b) Ebenso wenig ergibt sich der Klageanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag vom 24. Juni 2005. aa) Der Sachvortrag der Klägerin enthält keine Anhaltspunkte dafür, aus dem Arbeitsvertrag ließe sich herleiten, dass die Differenz zwischen vertragli-cher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto verbucht werden solle. bb) Aus § 611 Abs. 1 BGB kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt aber voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleis-tung hätte erbracht werden müssen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). cc) Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Ausgehend von den erteilten Lohnab-rechnungen steht dies zwischen den Parteien außer Streit. Damit sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin in der 15 16 17 18 19 - 7 - 5 AZR 712/09 - 8 - Spalte „FLEX“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, von der Beklagten lau-fend vergütet worden. Daran ändert die - zugunsten der Klägerin unterstellte - Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 4 Abs. 3 TVG nichts. Die Klägerin hat allen-falls für die wöchentlich „zu viel“ geleisteten Arbeitsstunden eine zu geringe Vergütung erhalten, sofern auch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinba-rung - wozu es allerdings an Sachvortrag der Klägerin fehlt - nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam sein sollte. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeits-stunden begründet aber keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeit-konto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern nur auf Zahlung der Vergütungsdif-ferenz. II. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Beklagte setzt sich in der Revisionsbegründung zwar ausreichend mit den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts auseinander, die zur Zurück-weisung der Berufung der Beklagten gegen das der Klage auf Gutschrift eines zusätzlichen Urlaubstags für das Jahr 2007 stattgebende Urteil des Arbeitsge-richts geführt haben. Die Revision ist jedoch unbegründet, weil in diesem Umfang bereits die Berufung unzulässig war. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446; 19. Oktober 2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. 6, EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 8). Das Landesarbeitsgericht hätte die Berufung insoweit bereits als unzulässig verwerfen müssen, weil sich die Beklagte in der Berufungsbegründung mit den Erwägungen des Arbeitsge-richts, die zur Stattgabe der Klage auf Gutschrift eines zusätzlichen Urlaubstags für das Jahr 2007 geführt haben, überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. In der Berufungsbegründung muss aber für jeden der Streitgegenstände eine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung gegeben werden (st. Rspr., vgl. BAG 8. Mai 2008 - 6 AZR 517/07 - Rn. 28 mwN, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 6). 20 21 - 8 - 5 AZR 712/09 III. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Für den Anspruch auf Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto fehlt es an einer Grund-lage (siehe unter I 2). Der erstmals in der Revisionsinstanz klageerweiternd gestellte Hilfsantrag ist unzulässig. Die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz stellt eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) und damit eine Klage-änderung gem. § 263 ZPO dar, ohne dass lediglich einer der Fälle des § 264 ZPO vorliegen würde. Diese Klageänderung ist in der Revisionsinstanz unzu-lässig. Das Revisionsgericht kann nicht erstmals ein bisher nicht beschiedenes Begehren beurteilen, welches die Feststellung neuer Tatsachen erfordert (BAG 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 17, BAGE 119, 62; 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 29, jeweils mwN). Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Entscheidung über den Hilfsantrag würde neue Feststellungen zur Unwirksam-keit der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung, der Höhe der tariflichen Vergütung sowie zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist erfordern. IV. Unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts nach § 91a ZPO hinsichtlich des in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits haben von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz die Klägerin 31 % und die Beklagte 69 % zu tragen, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Revision hat die Klägerin gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Das Unterliegen der Beklagten in der Revisionsinstanz ist verhältnismäßig geringfügig (vgl. dazu BAG 23. September 2010 - 6 AZR 174/09 - Rn. 26, AP TV-L § 16 Nr. 1). Müller-Glöge Laux Biebl Feldmeier Christen 22 23 24

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