5. Senat - Diplomatenimmunität
Karar Dilini Çevir:
5. Senat - Diplomatenimmunität
BUNDESARBEITSGERICHT 5 AZR 949/11 17 Sa 1468/11 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes! Verkündet am 22. August 2012 URTEIL Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In Sachen Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, pp. Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 22. August 2012 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. Müller-Glöge, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Biebl sowie die ehrenamtlichen Richter Kremser und Busch für Recht erkannt: - 2 - 5 AZR 949/11 1. Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. No-vember 2011 - 17 Sa 1468/11 - und des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Juni 2011 - 36 Ca 3627/11 - aufgeho-ben. 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung - auch über die Kosten der Revision - an das Arbeitsgericht Berlin zurückverwiesen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über Vergütungs- und Schmerzensgeldansprüche. Der am 4. Oktober 1967 geborene Beklagte war akkreditierter Attaché der Bot-schaft des Königreichs Saudi-Arabien in der Bundesrepublik Deutschland. Er schloss am 13. Januar 2009 mit der am 9. Juli 1980 geborenen indonesischen Staatsangehörigen R einen Arbeitsvertrag. Als monatliche Vergütung wurden 750,00 Euro bei freier Kost und Unterbringung vereinbart. Der Umfang der ge-schuldeten Arbeitszeit wurde nicht bestimmt. In einer Verbalnote bestätigte die Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien die Bedingungen des Arbeitsvertrags und notifizierte Frau R Ankunft als private Hausangestellte eines Mitglieds der Mission. Frau R arbeitete vom 3. April 2009 bis zum 30. Oktober 2010 im Pri-vathaushalt des Beklagten. Mit Vertrag vom 15. Februar 2011 trat sie ihre An-sprüche aus dem Arbeitsverhältnis an die Klägerin ab. Der Beklagte verließ die Bundesrepublik Deutschland Ende Juli 2011. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe Frau R ausgebeutet, misshandelt, bedroht und gefangen gehalten. Die vereinbarte Vergütung habe sie nicht erhalten. 1 2 - 3 - 5 AZR 949/11 Die Klägerin hat zuletzt - sinngemäß - beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 30.754,00 Euro brutto sowie immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 40.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, jeweils nebst Zinsen in gestaf-felter Höhe zu zahlen. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Lan-desarbeitsgericht hat abgesondert über die Zulässigkeit der Klage verhandelt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsge-richt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Entscheidungsgründe Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Klage ist zulässig. Der Be-klagte ist nicht mehr von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Dies führt zur Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sa-che an das Arbeitsgericht. I. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte bis zu seiner Ausreise von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit war, wie die Vorinstanzen angenommen ha-ben. 1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvorausset-zung. Ihr Bestehen und ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BVerfG 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76 - zu B 2 b der Gründe, BVerfGE 46, 342). Die deutsche Gerichtsbarkeit beschränkt sich grundsätzlich auf deutsches Hoheitsgebiet. Ungeachtet der jeweiligen Staatsangehörigkeit unterliegen alle sich in der Bundesrepublik auf-haltenden Personen zunächst uneingeschränkt der den deutschen Gerichten übertragenen Rechtsprechungshoheit. Die §§ 18 bis 20 GVG regeln personelle 3 4 5 6 7 8 - 4 - 5 AZR 949/11 und sachbezogene Ausnahmen, die sich aus dem Völkerrecht ergeben. Nach § 18 GVG sind die Mitglieder der im Geltungsbereich des Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausange-stellten nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Be-ziehungen - WÜD - vom 18. April 1961 (BGBl. 1964 II S. 957 ff.) von der deut-schen Gerichtsbarkeit befreit. 2. Der Beklagte gehörte zum Kreis der gemäß § 18 GVG von der deut-schen Gerichtsbarkeit ausgenommenen Personen. Er war als Attaché Mitglied einer diplomatischen Mission (vgl. Art. 1 lit. d, e WÜD). Gemäß Art. 31 Abs. 1 WÜD war er damit von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Eine Streitigkeit, für die nach Art. 31 Abs. 1 lit. a bis c WÜD ausnahmsweise keine Immunität besteht, war nicht gegeben. 3. Es kann dahinstehen, ob - wie die Klägerin meint - die Immunität des Beklagten im Hinblick auf die Schwere der erhobenen Vorwürfe und der be-haupteten Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung im Entsendestaat aus-nahmsweise eingeschränkt war, denn der Beklagte ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision nicht mehr von der deutschen Gerichtsbar-keit befreit. Seine Immunität endete gemäß Art. 39 Abs. 2 WÜD mit der Ausrei-se (vgl. Prütting/Gehrlein/Bitz ZPO 4. Aufl. § 18 GVG Rn. 9). Sie besteht auch nicht gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 2 WÜD fort, weil der Beklagte nicht wegen der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit in Anspruch genommen wird. 4. Damit ist das Prozesshindernis im Zeitpunkt der Ausreise des Beklag-ten aus der Bundesrepublik Deutschland entfallen und der Mangel der deut-schen Gerichtsbarkeit nachträglich geheilt worden (vgl. Oberster Gerichtshof der Republik Österreich 17. Mai 2000 - 2 Ob 166/98 -). 9 10 11 - 5 - 5 AZR 949/11 II. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, denn kei-ne Instanz hat bislang in der Sache entschieden. Müller-Glöge Laux Biebl Kremser Busch 12

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