5. Senat - Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay") - Verjährung - Zumutbarkeit der Klageerhebung
Karar Dilini Çevir:
5. Senat - Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay") - Verjährung - Zumutbarkeit der Klageerhebung
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17. Dezember 2014 Fünfter Senat - 5 AZR 8/13 - I. Arbeitsgericht Potsdam Urteil vom 13. März 2012 - 3 Ca 816/11 - II. Landesarbeitsgericht Berlin - Brandenburg Urteil vom 26. Oktober 2012 - 8 Sa 977/12 - Für die Amtliche Sammlung: Ja Entscheidungsstichworte: - Verjährung Bestimmungen: AÜG § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4; BGB § 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 Leitsatz: Die Tarifunfähigkeit einer Vereinigung (hier: der CGZP) ist keine Tats a- für den Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt hin- dern könnte, sondern eine im Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 iVm . § 97 ArbGG von den Gerichten für Arbeitssachen vorzunehmende rechtliche Bewertung. Hinweis des Senats: Im Anschluss an BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - BAGE 144, 322 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 5 AZR 8/13 8 Sa 977/12 Landesarbeitsgericht Berlin - Brandenburg Im Namen des Volkes! Verkündet am 17. Dezember 2014 URTEIL Radtke , Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger, p p . Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 17. Dezember 2014 du rch den Vizepräsidenten des Bundesa r- beitsgerichts Dr. Müller - Glöge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Biebl, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Weber sowie die ehrenamtliche Richterin Reinders und den ehrenamtlichen Richter Dr. Rahmstorf für Recht erkannt: - 2 - 5 AZR 8/13 - 3 - 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Lande s- arbeitsgerichts Berlin - Brandenburg vom 26. Oktober 2012 - 8 Sa 977/12 - wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay. Der 1979 geborene Kläger war vom 26. Oktober 2004 bis zum 20. März 2005 als Lagerhelfer und vom 21. März 2005 bis zum 30. Juni 2005 als Hilf s- kraft bei der Beklagten, die - damals firmierend unter T - gewerblich Arbeitne h- merüberlassung betreibt, beschäftigt. Arbeitsvertraglich war jeweils die Geltung der zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgebe r verband M ittelständischer Personaldiens t- lei s ter e.V. (AMP) abgeschlossenen Tarifverträge vereinbart. Der Kläger erhielt auf Grundlage der in Bezug geno m menen Tarifverträge einen Bruttostunde n- lohn von 5,60 Euro . A ußerdem waren Zuschläge f ür Mehr - , Nacht - , Sonn - und Feiertagsarbeit sowie Arbeit an beso n deren Tagen in unterschiedlicher Höhe vorgesehen. Die Entgeltzahlung sollte nach Abschluss des Kalendermonats durch Überweisung innerhalb von fün f zehn bis zwanzig Kalendertagen erfolgen. Der Kläger war im Streitzeitraum Oktober 2004 bis Juni 2005 verschi e- denen Entleihern im Raum Berlin - Brandenburg überlassen. Mit Schreiben vom 11. Februar 2011 verlangte er von der Beklagten Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitne h- mer in den Entleiherbetrieben und machte 1 2 3 4 - 3 - 5 AZR 8/13 - 4 - Eingehend beim Arbeitsgericht am 15. April 2011 hat der Kläger z u- nächst eine Stufenklage erhoben, mit der er das Auskunftsbegehren gegen die Beklagte weiterver folgt und einen nach erteilter Auskunft zu beziffernden Za h- lungsantrag gestellt hat. Nachdem das Arbeitsgericht in der Güteverhandlung auf die Auskunft s- pflicht des Entleihers nach § 13 AÜG aufmerksam machte, hat der Kläger - nach Einholung von Auskünften - die Klage mit einem a m 23. Dezember 2011 eingereichten Schriftsatz auf einen bezifferten Zahlungsantrag umgestellt. Er fordert für den Zeitraum Oktober 2004 bis Juni 2005 unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen der von der Beklagten er haltenen Verg ü- tung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiher vergleichbaren Stammarbei t- nehmern gewährt haben sollen. Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.438,88 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentp unkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2010 zu zahlen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Einrede der Ve r- jährung erhoben. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsg e- richt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Entscheidungsgründe Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des A r- beitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Anspr ü ch e des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt für die Dauer der jeweiligen Überlassungen im Streitzei t- raum sind verjährt . 5 6 7 8 9 10 - 4 - 5 AZR 8/13 - 5 - I. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Ar beitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung für die jeweilige Dauer der Überla s- sung entsteht und mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpu nkt fällig wird. Mangels Eingreifens der besonderen Tatbestände der §§ 196, 197 BGB unterliegt er der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Ja h- ren nach § 195 BGB (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 22 , BAGE 144, 322 ) . II. Für den Beginn der regelmäßi gen Verjährungsfrist kommt es - neben dem Entstehen des Anspruchs - nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Pe r- son des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. 1. Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine b e- stimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger W ürdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rech t- liche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände ( BAG 13. März 20 13 - 5 AZR 424/12 - Rn. 24 , BAGE 144, 322 ; BGH 26. Septe mber 2012 - VIII ZR 240/11 - Rn. 44 ; 28. Oktober 2014 - XI ZR 17/14 - Rn. 33 , jeweils mwN ) . 2. Danach hat der Leiharbeitnehmer von dem Anspruch auf gleiches A r- beitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ausreichende Kenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er Kenntnis von der Tatsache hat, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers mehr verdienen als er. Dagegen kommt es nicht auf eine zutreffende rechtliche Wü rdigung der arbeitsvertraglichen Klausel an, mit der der Verleiher von der gesetzlich eröffneten Möglichkeit, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, Gebrauch macht. Vertraut der Lei h- arbeitnehmer auf deren Rechtswirksamkeit und in diesem Zusammenha ng auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, ist dieses Vertrauen ebenso w e- 11 12 13 14 - 5 - 5 AZR 8/13 - 6 - nig geschützt wie das des Verleihers. Etwas anderes gilt nur dann, wenn und solange dem Leiharbeitnehmer die Erhebung einer die Verjährung hemmenden Klage (§ 204 Abs. 1 Nr . 1 BGB) unzumutbar war ( BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 25 , BAGE 144, 322 ; 20. November 2013 - 5 AZR 776/12 - Rn. 12) . 3. Dem Kläger waren die Tatsachen bekannt, aus denen er im vorliege n- den Rechtsstreit gefolgert hat, vergleichbare Stammarbeitnehmer der Entleiher hätten mehr verdient als er. So hat er den Anspruch auf Vergütungsnachza h- lung gegenüber der Beklagten dem Grunde nach geltend gemacht, bevor er Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer erhielt. De m- entspre chend begründete er sein Auskunftsbegehren gegenüber der Beklagten r- beitnehmer des jeweiligen Entleiherbetrieb e h- ren darauf hingewiesen, es sei die Beklagte gewesen, die ihm einen vorform u- dem Ziel vorgelegt habe, eine geringere Vergütung zu zahlen, als sie die jewe i- lige Stammbelegschaft erhielt. Danach wusste er, dass die Beklagte mittels der einzelvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge den gesetzlichen Anspruch des Klägers auf eine höhere als die vereinbarte Vergütung ausschließen wollte. Damit übereinstimmend hat er gerichtlich gar nicht in Abrede gestellt, von A n- fang an Kenntnis von einer höheren Vergütung vergleichbarer Stammarbei t- t- zung der Tarifunfähigkeit der CGZP begründet. Ob Vereinigungen tariffähig sind, ist aber entgegen der Auffassung de s Klägers keine Tatsache, sondern eine im Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 97 ArbGG von den Gerichten für Arbeitssachen vorzunehmende rechtliche Bewertung . 4. Dem Kläger war eine Klage auf gleiches Arbeitsentgelt vor einer recht s- kräftigen Entscheid ung über die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auch nicht unzumutbar. Eine solche hätte hinreichende Erfolgsaussicht gehabt (vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 27 ff. , BAGE 144, 322 ; 20. November 2013 - 5 AZR 776/12 - Rn. 14 ff.) . 15 16 - 6 - 5 AZR 8/13 - 7 - Nach einer von Schüren an allen deutschen Arbeitsgerichten durchg e- führten Befragung, an der sich 83 % der Arbeitsgerichte beteiligten (Stand: August 2007), bezweifelten Arbeitsgerichte in Deutschland seit 2003 nahezu ausnahmslos die Tariffähigkeit der CGZP. Leiharbeitne hmer, die den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt einklagten, hatten damit regelmäßig ganz oder tei l- weise Erfolg, nur eine einzige Klage wurde abgewiesen (Schüren NZA 2007, 1213) . Auch im Schrifttum ist die Tariffähigkeit der CGZP seit deren erstem T a- rifv ertragsabschluss im Jahre 2003 in Frage gestellt und ihr der Vorwurf g e- verso r- gen (vgl. nur Ankersen NZA 2003, 421; Schüren in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 9 Rn. 107 ff. mwN) . Selbst w enn eine entsprechende Z ahlung s klage nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ausgesetzt worden wäre und der Kläger von der Antragsbef u gnis des § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG hätte G ebrauch machen müssen, hätte dies keine Unzumutbarkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs bewirkt (aA Schüren AuR 2011, 142) . Ein gesetzlich vorgeseh e- nes V erfahren zur Klä r ung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage ist stets zumutbar. Zuwarten allein lässt keine Klärung der Rechtslage erwarten (Staudinger/Peters/Jacob y (20 14 ) § 199 BGB Rn. 62) . Der Zumutbarkeit der Klageerhebung stand auch nicht höchstrichter - liche Rechtsprechung entgegen (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung BGH 28. Oktober 2014 - XI ZR 17/14 - Rn. 42 ff. ) . Zu keinem Zeitpunkt ist in dem dafür nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 97 ArbGG vorgesehenen Verfahren vom Bundesarbeitsgericht (und auch nicht von Instanzgerichten) die Tariffähigkeit der CGZP festgestellt worden. 5. Danach hat die Verjährungsfrist für die streitgegenständlichen Anspr ü- che auf gleiches Arbeitsen tgelt jedenfalls mit Schluss des Jahres 2005 zu la u- fen be gonnen, § 199 Abs. 1 BGB. Bei Erhebung der Klage war die regelmäßige Verjährungsfrist abgelaufen. 6. Die vom Kläger in der Revisionsverhandlung angeregte Vorlage an den G emeinsamen S enat der o berste n G erichtshöfe des Bundes kommt nicht in Betracht . Dieser entscheidet nur , wenn ein oberster Gerichtshof in einer 17 18 19 20 - 7 - 5 AZR 8/13 Recht s frage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshof s oder des Gemeinsamen Senats abweichen will, § 2 Abs. 1 RsprEinhG. Dass di e Zumutbarkeit der Klageerhebung übergreifende Voraussetzung für den Verjä h- rungsbeginn ist (BGH 28. Oktober 2014 - XI ZR 17/14 - Rn. 33 mwN) , entspricht der Rechtsprechung des Senats. Ob diese Voraussetzung im Streitfall vorliegt, ist keine Rechtsfrage (zum B egriff etwa BAG 15. März 2011 - 9 AZN 1232/10 - R n. 6, BAGE 137, 218) , sondern Rechtsanwendung . III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller - Glöge Biebl Weber Reinders Rahmstorf 21

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