5 Ni 59/16 (EP) - 5. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:151117U5Ni59.16EP.0


BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

5 Ni 59/16 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
15. November 2017





In der Patentnichtigkeitssache




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betreffend das europäische Patent 1 280 279
(DE 694 34 727)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 15. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter
Voit, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer,
Dipl.-Geophys. Univ. Dr. Wollny und Dipl.-Phys. Univ. Bieringer,

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 280 279 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet
der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Patentanspruchs 21 für
nichtig erklärt.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsklagen als unzulässig verworfen.

II. Von den Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerinnen samtverbindlich
20%, die Beklagte 80%.

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III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 280 279
(Streitpatent), das am 29. Dezember 1994 unter Inanspruchnahme zweier
niederländischer Prioritäten vom 21.01.1994 (NL 9400100) und vom 25.11.1994
(NL 9401980) angemeldet wurde und durch Ablauf der Schutzdauer am
29. Dezember 2014 erloschen ist.
Das Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem
Aktenzeichen 694 34 727.2 geführt wird, betrifft ein Verfahren und eine
Vorrichtung zur Transformation einer Serie von Datenpaketen mit Hilfe von
Datenkompression. Es ist als Teilanmeldung aus der europäischen
Patentanmeldung 95906282.9 hervorgegangen, die auf der am 27. Juli 1995 als
WO 95/20285 A1 veröffentlichten internationalen Anmeldung beruht.

Anspruch 21, auf den sich die Ansprüche 22 bis 25 direkt oder indirekt
zurückbeziehen, lautet in der Verfahrenssprache nach der Streitpatentschrift
(EP 1 280 279 B1) wie folgt:

21. Device (100; 200) for compressing data packets,
comprising input means (110;210) for receiving a
first series of data packets (10) each having a header
field (h) and a data field (d), identification means
(110;210) for determining the channel (A, B, ..) of
the data packets received, processing means (130;
230) for compressing the data field of each data
packet to be compressed, and output means (160;
260) for forming a second series (20) of data packets
- 4 -
each having a header field and a data field, and for
accommodating, in the data field of a data packet of
the second series (20), a compressed data field of
the first series (10), characterized in that process-
ing means (130;230) are provided, for compressing
per channel (A, B,..) data to be accommodated in a
data field of the second series (20) and for accom-
modating, in each data field of the second series
(20), data of only one channel (e.g. A).


Mit ihrer jeweils am 2. September 2016 eingereichten Nichtigkeitsklage tragen die
Klägerinnen übereinstimmend vor, sie seien von der Beklagten wegen Verletzung
des Streitpatents vor dem Landgericht Düsseldorf (Az. 4c O 11/16 bzw.
4c O 12/16) in Anspruch genommen worden und zwar nur aus Patentanspruch 21.
Beide Klägerinnen machen geltend, das Streitpatent sei insgesamt für nichtig zu
erklären, da es gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen
(WO 95/20285 A1, vorgelegt als Anlage K1a bzw. Nkl2) unzulässig erweitert sei.
Seinen Gegenständen fehle darüber hinaus die Patentfähigkeit, da sie gegenüber
dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik weder neu seien noch auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Zur fehlenden Patentfähigkeit beruft sich die Klägerin zu 1) auf folgende
Dokumente:

K4 CA 2 065 578,
K5 WO 92/20176 A1,
K6 WO 92/21188 A1,
K7 WO 92/21189 A1,
K8 WO 92/21185 A1
K9 US 5 258 983,
K10 TDoc SMG4 263/94,
- 5 -
K11 US 4 058 672, und
K12 CCITT Q.922.


Die Klägerin zu 2) stützt ihren Vortrag zur fehlenden Patentfähigkeit auf folgende
Unterlagen:

Nkl11 Buddenberg mit Anlage Nkl11a,
Nkl12 US 5 179 555,
Nkl13 Datenblatt LLC MK 5025,
Nkl14 WO 92/20176 A1 (= K5 aus 5 Ni 59/16),
Nkl15 Lidinsky,P et al.: Proposal for Fermilab Remote Access Via ISDN,
1993,
Nkl16 US 5 307 413,
Nkl17 Agapiou mit Nkl17a,
Nkl18 Wikipedia Eintrag zu Stac Electronics,
Nkl19 US 5 126 739,
Nkl20 Auszug aus „Handbook of Computer-Communication Standards“
mit Akzessionsdaten Auszug aus „The Anatomy of Programming
Languages“,
Nkl21 Auszug aus „The Anatomy of Programming Languages“,
Nkl22 Recommendation X.25 mit Akzessionsdaten,
Nkl23 US 5 131 016,
Nkl24 EP 559 593 B1,
Nkl25 EP 740 877 B1 und
Nkl26 Government Reports Announcements & Index (1. März 1987).


Die Klägerin zu 1) beantragt,

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das europäische Patent 1 280 279 (DE 694 34 727) mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig
zu erklären.



Die Klägerin zu 2) beantragt,

das europäische Patent 1 280 279 (DE 694 34 727) mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der
Patentansprüche 1 bis 26 für nichtig zu erklären.


Die Beklagte beantragt,

die Klagen kostenpflichtig abzuweisen, hilfsweise nach Maßgabe des mit
Schriftsatz vom 25. September 2017 vorgelegten Hilfsantrags (Bl. 282/285).

Gegenüber der Fassung nach dem Streitpatent enthält Patentanspruch 21 in der
Fassung nach dem Hilfsantrag vom 25. September 2017 am Ende das zusätzliche
Merkmal:

„and separate buffer means (161;261) are provided for buffering, per
channel (A, B,..), compressed data to be accommodated in a data field
of the second series (20).”


In der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2017 hat die Beklagte auf der
Basis des Hilfsantrags vom 25. September 2017 einen weiteren Hilfsantrag
(Hilfsantrag 2) eingereicht, der am Ende um das folgende Merkmal ergänzt ist:

„such that for each channel the compressed data are buffered until a
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data field (21) of the second series (20) can be filled in its entirety and
the remaining compressed data stored in the buffer are stored in a
subsequent data field (22) of the second series (20) not filled in its
entirety.”

Der Senat hat die Verteidigung der Beklagten mit Hilfsantrag 2 nach
§ 83 Abs. 4 PatG durch Beschluss zurückgewiesen.

Mit Hilfsantrag 3, ebenfalls überreicht in der mündlichen Verhandlung, verteidigt
die Beklagte das Streitpatent mit Anspruch 21 der erteilten Fassung in
Kombination mit den erteilten Ansprüchen 22 und 23. Wegen des Wortlauts dieser
Fassung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15. November 2017 Bezug
genommen.


Die Klägerinnen wenden sich auch gegen die Verteidigung des Streitpatents mit
den Hilfsanträgen.


Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen. Sie
trägt vor, das Streitpatent sei jedenfalls in einer der verteidigten Fassungen weder
unzulässig erweitert noch fehle ihm die Patentfähigkeit.



Der Senat hat die beiden Nichtigkeitsklagen nach § 147 ZPO mit Beschluss vom
5. April 2017 verbunden und den Parteien mit einem Hinweis nach
§ 83 Abs. 1 PatG vom 10. Juli 2017 die Gesichtspunkte mitgeteilt, die für die
Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.


Entscheidungsgründe
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A.

Die gegen das Streitpatent insgesamt gerichteten Klagen sind nur soweit zulässig,
als sie den Patentanspruch 21 betreffen, dessen Gegenstand eine Vorrichtung
zum Komprimieren von Datenpaketen bildet. Nachdem das Streitpatent durch
Ablauf seiner Schutzdauer bereits vor Erhebung der Nichtigkeitsklagen erloschen
war, bedarf es eines besonderen, eigenen Rechtsschutzbedürfnisses der
Klägerinnen als Prozessvoraussetzung, da die Klagen nicht vom Interesse der
Allgemeinheit an der Beseitigung unberechtigter Schutzrechte getragen werden
(vgl. Keukenschrijver in Busse/Keukenschrijver PatG § 81, Rn 68ff m.w.N.). Auf
Nachfrage des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung haben die
Klägerinnen bestätigt, dass sie weiterhin lediglich aus Patentanspruch 21 des
Streitpatents in Anspruch genommen werden. Folglich besteht nur insoweit ein
Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents. Im Umfang der
weiteren Patentansprüche, insbesondere des Verfahrensanspruchs 1, sind die
Klagen als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, Urt. vom 19.5.2005, X ZR 188/01
„Aufzeichnungsträger“ sowie Urt. vom 15.3.2011, X ZR 58/08).

Soweit die Klagen zulässig sind, erweisen sie sich auch als begründet.
Patentanspruch 21 in der erteilten Fassung, zu dem die Parteien in der
mündlichen Verhandlung nicht weiter ausgeführt haben, ist jedenfalls mangels
Patentfähigkeit für nichtig zu erklären.
Auch in keiner der hilfsweise verteidigten Fassungen kann Patentanspruch 21
Bestand haben, denn sein Gegenstand in der Fassung nach dem Hilfsantrag (1)
vom 25.09.2017 ist nicht neu gegenüber der Druckschrift K5 bzw. Nkl14
(WO 92/20176 A1). Der Senat hat Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen
Verhandlung vom 15. November 2017, nach § 83 Abs. 4 PatG nicht zugelassen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 21 in der Fassung nach dem Hilfsantrag 3
beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

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I.

1. Das Streitpatent betrifft - soweit es zulässigerweise angegriffen ist - eine
Vorrichtung zur Datenkompression und –dekompression von Datenpaketen (vgl.
Streitpatent, Absatz [0001]), spezieller eine Vorrichtung, um eine erste Serie von
Datenpaketen, die jeweils einen Header und ein Datenfeld besitzen, in eine zweite
Serie von Datenpaketen, die ebenfalls jeweils einen Header und ein Datenfeld
besitzen, zu wandeln. Die Daten der Datenfelder der ersten Serie werden hierbei
komprimiert und dann von den Datenfeldern der zweiten Serie aufgenommen (vgl.
Streitpatent, Absatz [0002]). Bei einem im Stand der Technik bekannten Verfahren
wird gemäß Streitpatent eine erste Serie von Datenpaketen, welche aus
verschiedenen Kanälen stammen können, in eine zweite Serie von Datenpaketen
gewandelt, die dann über einen Kanal übertragen werden. In den Datenfeldern der
zweiten Serie muss hierfür eine „Verwaltungsinformation“ gespeichert werden, mit
deren Hilfe die Daten beim Empfänger „kanalgetreu“ wiederhergestellt werden
können (vgl. Streitpatent, Absatz [0004]). Das bekannte Verfahren sei
nachteilbehaftet, da die Notwendigkeit, zusätzliche „Verwaltungsinformation“ zu
übertragen, das Verfahren weniger effizient mache. Zudem sei, aufgrund der
Vermischung der Daten mehrerer Quellen bzw. Kanäle in den Datenfeldern der
zweiten Serie, ein zusätzlicher Schritt bei der Dekompression (nämlich die
vorherige Auftrennung der Daten nach Kanälen) notwendig und das Netzwerk
müsse für solch eine „gemischte“ Übertragung hergerichtet sein (vgl. Streitpatent,
Absätze [0004] und [0005]).

Daher sei es Aufgabe des Streitpatents, die vorgenannten Nachteile zu
überwinden und ein effizientes Verfahren zur komprimierten Übertragung von
Datenpaketen aus verschiedenen Kanälen bereitzustellen (vgl. Streitpatent,
Absätze [0007] und [0008]).


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2. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Streitpatent vor, dass jedes Datenfeld der
zweiten Serie nur Daten enthält, die aus einem Kanal stammen, und dass Daten,
welche von einem Datenfeld der zweiten Serie aufgenommen werden sollen, pro
Kanal (also „kanalrein“) komprimiert werden (vgl. Streitpatent, Absatz [0011] sowie
Patentanspruch 1 zum grundlegenden Verfahren bzw. Patentanspruch 21 zur
Vorrichtung).


Der im Streit stehende Patentanspruch 21 erteilter Fassung lässt sich in folgende
Merkmale gliedern (jeweils in der Verfahrenssprache Englisch und nachfolgender
deutscher Übersetzung kursiv):

D1 Device (100; 200) for compressing data packets, comprising
Vorrichtung (100; 200) zum Komprimieren von Datenpaketen,
umfassend:

D2 input means (110; 210)
for receiving a first series of data packets (10) each having a
header field (h) and a data field (d),
Eingangsmittel (110; 210) zum Empfangen einer ersten Folge von
Datenpaketen (19), die jeweils ein Kopffeld (h) und ein Datenfeld (d)
aufweisen,

D3 identification means (110; 210)
for determining the channel (A, B, ...) of the data packets
received,
Identifizierungsmittel zum Erkennen der Kanalzugehörigkeit (A, B, …)
der empfangenen Datenpakete,

D4 processing means (130; 230)
for compressing the data field of each data packet to be
compressed, and
- 11 -
Verarbeitungsmittel (130; 230) zum Komprimieren des Datenfeldes
jedes zu komprimierenden Datenpakets und

D5.1 output means (160; 260)
for forming a second series (20) of data packets each having a
header field and a data field, and
Ausgabemittel (160; 260) zum Formen einer zweiten Folge von
Datenpaketen (20), die jeweils ein Kopffeld (h) und ein Datenfeld (d)
aufweisen und

D5.2 for accommodating, in the data field of a data packet of the
second series (20), a compressed data field of the first series
(10).
um in das Datenfeld eines Datenpaketes der zweiten Folge ein
komprimiertes Datenfeld der ersten Folge aufzunehmen.

D6.1 Processing means (130;230) are provided,
for compressing per channel (A, B,..) data to be accommodated
in a data field of the second series (20) and
Es werden Verarbeitungsmittel (130; 230) bereitgestellt zur
kanalweisen (A, B, …) Komprimierung von Daten, die in ein Datenfeld
der zweiten Folge (29) aufgenommen werden sollen und

D6.2 for accommodating, in each data field of the second series (20),
data of only one channel (e.g. A).
um in jedes Datenfeld der zweiten Folge (20) Daten von nur einem
Kanal (z.B. A) aufzunehmen.


In der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 (vom 25. September 2017) wurde in den
erteilten Vorrichtungsanspruch 21 nach dem Merkmal D6.2 das folgende
zusätzliche Merkmal aufgenommen:

- 12 -
D6.3Hi1 and separate buffer means (161;261) are provided for
buffering, per channel (A, B,..), compressed data to be
accommodated in a data field of the second series (20).

In der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 weist der Patentanspruch 21 gegenüber der
Fassung nach Hilfsantrag 1 nach dem Merkmal D6.3Hi1 (mit angepasster
Interpunktion und Konjunktion) folgendes zusätzliches Merkmal auf:

DHi2 such that for each channel the compressed data are buffered
until a data field (21) of the second series (20) can be filled in its
entirety and the remaining compressed data stored in the buffer
are stored in a subsequent data field (22) of the second series
(20) not filled in its entirety.

In der Fassung gemäß Hilfsantrag 3 weist der Patentanspruch 21 gegenüber der
Fassung nach Hilfsantrag 1 nach dem Merkmal D6.3Hi1 folgendes zusätzliche
Merkmal auf:

D6.4Hi3 wherein for each channel (A, B, ..) memory space is reserved in
a memory (150;250;BP) common to the channels.


3. Das Streitpatent richtet sich an einen Diplomingenieur der Elektrotechnik mit
Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit der Datenübertragung befasst
ist und über Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Datenkomprimierung
verfügt.


4. Zum Verständnis der Vorrichtung nach Patentanspruch 21

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Folgende Begriffe des Patentanspruchs 21 in erteilter Fassung bzw.
Patentanspruch 20 in den Fassungen gemäß Hilfsantrag 1 bis 3 bedürfen einer
Auslegung:

data packet:
Das Streitpatent verwendet einen weiten Begriff des Datenpakets: „It should be
noted that, where this text speaks of a "data packet", this can also be understood
as protocol data unit ("PDU"), container or data unit in general.“ (vgl.
Streitpatentschrift, Absatz [0038]). Ein Datenpaket im Sinne des Streitpatents ist
folglich jede abgeschlossene Datenmenge. Auch hinsichtlich der Komplexität
eines Datenpaketes lässt das Streitpatent jeden Spielraum: „It will be evident that
the data packets or data units may also comprise, apart from a headerfield and a
data field, other fields such as a trailer field (or trailer).“ (vgl. ebenda).

series of data packets:
Eine Folge von Datenpaketen wird gemäß Streitpatent aus einer oder mehreren
Nachrichten gebildet und ist in ihrer Länge nicht beschränkt oder definiert (vgl.
Streitpatent, Absatz [0016]). So kann eine Folge auch die Länge „1“ haben, also
nur aus einem einzigen Datenpaket bestehen (vgl. ebenda).

channel:
Ein Kanal im Sinne des Streitpatents ist eine logische Verbindung, also eine
(wenigstens zeitweise) bestehende Übertragungsroute zwischen einer
Datenquelle und einer Datensenke, welche nicht zwingend an einen
physikalischen Verbindungsweg geknüpft ist (vgl. Streitpatent, Absatz [0014]).

accommodate data in a data field:
Unter dieser Begrifflichkeit ist laut Streitpatent ein Aufnehmen der Daten in einem
Datenfeld zu verstehen; eine besondere Anpassung hierfür wird nicht zwingend
vorgenommen; so kann ein Datenfeld der zweiten Folge auch nach dem
Aufnehmen von Daten aus der ersten Folge nur teilweise (also „unangepasst“)
gefüllt sein. Das Streitpatent verweist in den Absätzen [0057] bis [0059] auf drei
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verschiedene Betriebsarten der streitpatentlichen Lehre, wobei im zweiten
Betriebsfall (vgl. Streitpatent, Absatz [0058]) grundsätzlich nur teilweise gefüllte
Pakete gebildet werden („…since in general only partially filled data packets will be
formed.“) und dies in gleicher Weise (wenn auch seltener) in der dritten
beschriebenen Betriebsart vorkommt (vgl. Streitpatent, Absatz [0059]). Zudem
verweist das Streitpatent gerade darauf, dass eine Folge von Datenpaketen auch
die Länge „1“ haben, also nur aus einem einzigen Datenpaket bestehen kann (vgl.
Streitpatent, Absatz [0016]). Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, die in
Rede stehende Begrifflichkeit sei als ein “Einpassen” im Sinne eines “passenden
Einfügens (z.B. Zerschneiden bzw. Zuschneiden und Zusammensetzen)” zu
verstehen (vgl. Widerspruchsbegründung in 5 Ni 59/16, S. 6 – 9 und
Widerspruchsbegründung in 5 Ni 60/16 vom 20.02.2017, Seiten 10 und 11), kann
der Senat dem nicht beitreten. Zwar findet sich in der Beschreibung der
Streitpatentschrift ein Ausführungsbeispiel für eine optimale (angepasste) Füllung
der Datenpakete der zweiten Folge (vgl. Abs. [0013]), jedoch hat dies keinen
Eingang in den Patentanspruch 21 gefunden. Dieser kann daher auch nicht auf
dieses Ausführungsbeispiel beschränkt werden. Vielmehr sieht der zweite
Betriebsmodus (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0058], Sp. 14, Z. 27-33) vor, dass
die Datenpakete der ersten Folge „1 zu 1“ in die Datenpakete der zweiten Folgen
konvertiert werden (dort: „1-to-1 conversion“), und dass nach Datenkompimierung
in diesem Fall eine Verbesserung der Datenübertagung eintritt.

compress per channel:
Mit einer Komprimierung „je Kanal“ meint das Streitpatent „getrennt nach
Kanälen“. Aus dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 geht nämlich hervor, dass mit
„compress per channel“ eine Anwendung des Komprimierungsprozesses auf
Daten jeweils nur eines Kanals gemeint ist (vgl. Streitpatent, Absatz [0039]).

Beansprucht wird somit eine Vorrichtung, die zum Komprimieren von
Datenpaketen geeignet ist (Merkmal D1). Die beanspruchte Vorrichtung weist
hierzu
- Eingabemittel („input means“; Merkmal D2),
- 15 -
- Identifikationsmittel („identification means“; Merkmal D3)
- Verarbeitungsmittel („processing means“; Merkmale D4, D6.1)
- Ausgabemittel („output means“; Merkmalsgruppe D5, D6.2)
auf.
Die Eingabe- und Ausgabemittel sind jeweils geeignet, eine Folge von
Datenpaketen, jeweils aus Header und Datenfeld bestehend, zu empfangen bzw.
zu erzeugen. Die Identifikationsmittel sind geeignet, aus den empfangenen
Datenpakten das Datenquelle/Datenziel-Paar zu erfassen („channel“). Jedes
Datenpaket weist Daten eines Kanals auf, ist also vor dem Wandeln und nach
dem Wandeln kanalrein. Aus dem Kontext der Beschreibung und mittels seines
Fachwissens versteht der Fachmann, dass der Header jedes Datenpakets eine
Quell- und ein Zieladresse aufweisen soll, wodurch der Kanal festgelegt ist
(source-destination-pair). Die Identifikationsmittel sind geeignet aus den
empfangenen Datenpakten den Kanal zu erfassen („channel“). Gemäß Merkmal
D4 in Verbindung mit Merkmal D5.2 sind die Verarbeitungsmittel geeignet, die
Daten aus den Datenfeldern der Pakete aus der ersten Serie zu komprimieren
(„compressing the data field of each data packet to be compressed“). Darüber
hinaus sind die Verarbeitungsmittel geeignet Daten kanalweise zu komprimieren
(Merkmal M6.1) und die komprimierten Datenfelder in Datenfelder der zweiten
Folge aufzunehmen (Merkmal D6.2).


II. Zur erteilten Fassung von Patentanspruch 21

Der Patentanspruch 21 in der erteilten Fassung ist für nichtig zu erklären, da der
mit der Klage u. a. geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden
Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a)
EPÜ gegeben ist, denn sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 21 sind aus der
Druckschrift WO 92/20176 A1 (K5; NKl14; im folgenden nur noch K5 genannt)
bekannt. Ob darüber hinaus auch der weitere Nichtigkeitsgrund der unzulässigen
Erweiterung gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahinstehen. Ebenso kommt
es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht auf den Vortrag der Klägerinnen zur
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behaupteten unwirksamen Prioritätsinanspruchnahme an, da die K5 deutlich vor
dem älteren Prioritätsdokument veröffentlicht wurde.

Die Druckschrift K5 betrifft die Kompression von Datenpaketen, wobei für die
Kompression von Paketen verschiedener Verbindungen bzw. verschiedener
Kanäle jeweils unterschiedliche Kompressionswörterbücher genutzt werden.

Die Druckschrift K5 geht von Kommunikationsnetzen aus, in denen verschiedene
lokale Netze (LANs) über sogenannte „interconnect nodes“ verbunden werden
(K5, S. 1, 2. Abs. und S. 7, 2. und 3. Abs. i.V.m. Fig. 1). Der Datenaustausch
zwischen der Vielzahl von Quellen und Senken wird durch die interconnect nodes
geordnet gemischt (K5: „multiplexed“) und in einer Rahmenstruktur übertragen
(K5, S. 1, 3. Abs. und S. 7, 3. Abs. i.V.m. Fig. 2). Für die Kompression eines
derartigen Datenverkehrs gebe es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: den (schon)
gemultiplexten Verkehr zu komprimieren oder – und das sei effizienter – die noch
nicht gemultiplexten Daten zu komprimieren (K5, S. 2 unten bis S. 3 oben). Diese
Druckschrift weist explizit darauf hin, dass eine Kompression per Quelle eine
höhere Effizienz verspricht (vgl. K5, S. 3, 2. Abs.). Ihre Lösungsidee besteht darin,
für die Kompression jeder Verbindung (= Quelle/Senke-Paar) ein spezifisches
Kompressionswörterbuch zu verwenden und so die Statistik dieser Verbindung
(i.w. die Redundanz) optimal auszunutzen (K5, S. 4, 2. und 3. Abs.). Die aus
einem LAN über einen interconnect node zu übertragenden Daten können
zunächst gepuffert werden (K5, S. 9, 1. Abs.). Die Daten jedes Kanals
(= Verbindung, welche durch ein Quelle/Senke-Paar beschrieben ist) werden nun
paketweise komprimiert, wobei ein spezifisch für diese Verbindung genutztes
Kompressionswörterbuch verwendet wird (K5, S. 10, 2. und 3. Abs.; S. 11, 1.
Abs.; S. 20, 2. Abs.). Die je Verbindung komprimierten Daten werden sodann in
jeweiligen Frames übertragen (K5, S. 14, 2. Abs. und S. 20, 2. Abs. i.V.m. Fig. 5).

Im Einzelnen zeigt die Druckschrift K5 dem Fachmann Folgendes:

- 17 -
Merkmal D1: Eine Vorrichtung zum Komprimieren von Datenpaketen,
umfassend:
Der „node 16“ komprimiert Datenpakete, welche von den Quellen des
LAN 1 an den node 16 geliefert werden, und sendet die komprimierten
Datenpakete über den Link A an den node 18 (K5, S. 8, 2. Abs.; S. 9,
1. Abs.; S. 10, 2. Abs. i.V.m. Fig. 1 und 5).

Merkmal D2: Eingangsmittel zum Empfangen einer ersten Folge von
Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen:
Der node 16 (K5, Fig. 1) empfängt und speichert Datenrahmen (K5,
S. 9, Z. 6-7: „buffer data frames“), die von den Quellen in LAN 1 an ihn
geliefert werden und jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen
(K5, S. 7, 1. Abs. bis S. 9, 1. Abs. i.V.m. Fig. 1 und 2).

Merkmal D3: Identifizierungsmittel zum Erkennen der Kanalzugehörigkeit
der empfangenen Datenpakete:
Die Bridge des node 16 bereitet die empfangenen Daten für eine
Übertragung vor (K5, S. 9, 1. Abs.), hierzu gehört die Komprimierung
mit einem für jeden Kanal spezifischen Wörterbuch (K5, S. 20, 2. Abs.
i.V.m. Fig. 9B, BZ 124); daher enthält node 16 Identifizierungsmittel
zum Erkennen der Kanalzugehörigkeit (K5, S. 8, 1. Abs. und S. 9, 1.
Abs.).

Merkmal D4: Verarbeitungsmittel zum Komprimieren des Datenfeldes jedes
zu komprimierenden Datenpakets:
Dies entspricht dem „data compression apparatus“ in node 16 (K5,
S. 10, 2. Abs).

Merkmal D5.1: Ausgabemittel zum Formen einer zweiten Folge von
Datenpaketen, die jeweils ein Kopffeld und ein Datenfeld aufweisen:
Der node 16 liefert als Ausgabe die zweite Folge („frame multiplexed
data stream“; K5, S. 9, Z. 8), die jeweils Datenpakete mit Kopffeld und
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Datenfeld aufweist (K5, S. 8, 2. Abs.; S. 9, 1. Abs., S. 10, 2. Abs. und
S. 14, 2. Abs. i.V.m. Fig. 5).

Merkmal D5.2: um in das Datenfeld eines Datenpaketes der zweiten Folge
ein komprimiertes Datenfeld der ersten Folge aufzunehmen:
Vgl. ebenda und Fig. 9B, BZ 124.

Merkmal D6.1: Es werden Verarbeitungsmittel bereitgestellt zur
kanalweisen Komprimierung von Daten, die in ein Datenfeld der
zweiten Folge aufgenommen werden sollen:
Dies ergibt sich im node 16 zwangsläufig, da die Pakete der ersten
Folge jeweils einzeln in Pakete der zweiten gewandelt (und hierbei
komprimiert) werden und jedes erste Paket zu genau einer
Verbindung (= Kanal) gehört, s.o.

Merkmal D6.2: um in jedes Datenfeld der zweiten Folge Daten von nur
einem Kanal aufzunehmen:
Dies ergibt sich aus dem zu Merkmal D6.1 genannten Grund ebenfalls
zwangsläufig. Die Figur 5 der Druckschrift zeigt in jedem Datenfeld
des „frame multiplexed data stream“ ein eigenes s/d-Paar
(„source/destination address pair“), was jeweils einem Kanal entspricht
(K5, Fig. 5 i.V.m. S. 14, 2. Abs.).

Somit ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 21, zu dem die Parteien
in der mündlichen Verhandlung nicht weiter vorgetragen haben, mit sämtlichen
Merkmalen aus der Druckschrift K5 bekannt. Er ist daher nicht neu.


III. Zu den Fassungen nach den Hilfsanträgen

1. Zum Hilfsantrag 1 vom 25.09.2017
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Der Patentanspruch 20 gemäß Hilfsantrag 1 ist zur Selbstbeschränkung nicht
geeignet, da sein Gegenstand nicht neu ist.

Nach Umnummerierung wird der Patentanspruch 21 hier zum Patentanspruch 20,
wobei zusätzlich das Merkmal D6.3Hi1 aufgenommen wurde.

1.1. Die Anspruchsfassung ist zulässig. Das hinzugefügte Merkmal entspricht
nach seinem technischen Gehalt dem Kennzeichen des erteilten Patentanspruchs
22.
Soweit die Klägerin zu 1) die Auffassung vertritt, „separate buffering means“ seien
in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht offenbart, kann sich
der Senat dem nicht anschließen. Bei einem fachmännischem Verständnis dieser
Begrifflichkeit und der gebotenen widerspruchsfreien Auslegung der
Streitpatentschrift kann der Auffassung, dass es sich bei den „separate buffering
means“ um jeweils getrennte (im Sinne von mehrere) Speicherbausteine handeln
könnte, nicht beigetreten werden. Vielmehr versteht der Fachmann auch unter
Berücksichtigung der Figuren 4 und 5, sowie der Absätze [0054], [0055] und
[0063] der Streitpatentschrift und der Ausgestaltung gemäß erteiltem
Patentanspruch 22, dass die „separate buffering means“ Bereiche („section(s)“) in
einem Speicher bilden, und somit die Speicherverwaltung zum kanalreinen Puffern
der Daten betreffen. Gleiches entnimmt der Fachmann auch den ursprünglich
eingereichten Anmeldeunterlagen (vgl. K1a/Nkl2, S. 20, Z. 15 bis S. 21, Z. 3 und
S. 23, Z. 2 bis 17 sowie Figuren 4 und 5 und Anspruch 29). Auch dort sind
getrennte Puffer für jeden Kanal vorgesehen (vgl. K1a/Nkl2, Anspruch 28).
Der Senat vermag sich der Auffassung der Klägerin zu 2 (vgl. Schriftsatz vom
02. November 2017, S. 8 bis 11) ebenfalls nicht anzuschließen, wonach eine
unzulässige Erweiterung darin zu sehen sei, dass eine Pufferung komprimierter
Daten pro Kanal nur in Verbindung mit dem vollständigen Befüllen der Datenfelder
der zweiten Serie ursprungsoffenbart sei. In den ursprünglich eingereichten
Anmeldeunterlagen (vgl. K1a, S. 19, Z. 4 bis S. 22, Z. 22) wird die Vorrichtung mit
Puffer und allen drei Ausführungsmodi beschrieben (entspricht Abs. [0051] bis
[0061] der Streitpatentschrift); insbesondere der zweite Modus beschreibt, dass
- 20 -
sofort nach dem Komprimieren eines Datenpakets übertragen wird. Der Senat
entnimmt der Druckschrift K1a, in der Beschreibung zur Figur 4, überdies auch die
Offenbarung der Pufferung komprimierter Daten pro Kanal.

1.2. Der Gegenstand des Patentanspruchs ist nicht neu gegenüber der
Druckschrift K5.
Gemäß der Lehre der Druckschrift K5 wird zumindest pro Kanal ein Datenpaket
gepuffert, bevor es komprimiert wird. Aus dieser ist auch eine nach Kanälen
getrennte 1-zu-1-Komprimierung bekannt: Der dortige node 16 muss Puffermittel
aufweisen, um die Datenfelder komprimiert in den „frame multiplexed data stream“
gemäß Figur 5 einzufügen (K5, Fig. 5 mit S. 14, 2. Abs.). Gemäß den
Ausführungen zur Figur 5 werden sieben Datenpakete kanalrein (d.h. jeweils nur
ein Adresspaar, „s/d-pair“) komprimiert. Um das aktuelle Datenpaket („current
frame“) bestehend aus dem Header „1/2“ und dem Datenfeld „F1“ zu
komprimieren, wird das Vokabelverzeichnis „V1“ verwendet, danach wird das
nächste Datenpaket („5/9“ F2) mit dem Vokabelverzeichnis „V2“ komprimiert usw..
Dem Fachmann ist klar, dass für das „current frame“ ein Speicherbereich
vorhanden sein muss. Die sodann komprimierten Daten werden in den „frame
multiplexed data stream“ (~ „second series“ i.S. des Streitpatents) eingefügt.
Somit ist auch das Merkmal D6.3Hi1 aus der K5 bekannt.
Soweit die Beklagte vorgetragen hat, die Druckschrift K5 biete keine Möglichkeit,
komprimierte Daten zu speichern, kann der Senat dem nicht beitreten, denn die
Druckschrift K5 muss zumindest für das „current frame“
funktionsnotwendigerweise entsprechende Puffermittel vorsehen.

2. Zum Hilfsantrag 2
Der Senat hat den in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 2 nach
§ 83 Abs. 4 Satz 1 PatG als verspätet zurückgewiesen.
Nach dieser Vorschrift kann das Patentgericht eine Verteidigung des Beklagten
mit einer geänderten Fassung zurückweisen, die nach Ablauf der Frist zur Stel-
lungnahme auf den qualifizierten Hinweis (§ 83 Abs. 2 PatG) vorgebracht wird,
- 21 -
und unter den Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 PatG ohne
weitere Ermittlungen entscheiden.

Der Anspruch 21 nach Hilfsantrag 2 basiert auf der Fassung nach dem Hilfsantrag
(1) vom 25.09.2017 und enthält am Ende zusätzlich das folgende Merkmal:

„such that for each channel the compressed data are buffered until a
data field (21) of the second series (20) can be filled in its entirety and
the remaining compressed data stored in the buffer are stored in a
subsequent data field (22) of the second series (20) not filled in its
entirety.”

Zur Offenbarung des zusätzlichen Merkmals verweist die Beklagte auf die Figur 2
der Streitpatentschrift sowie auf Absatz [0037] der dazugehörigen Beschreibung.

Die Klägerinnen, die übereinstimmend die Antragsstellung als verspätet rügen,
weisen zu Recht darauf hin, dass diese Merkmalskombination bisher nicht
Gegenstand der Erörterungen zwischen den Parteien gewesen sei. Soweit die
Beklagte darauf verweist, die neue Antragsstellung beruhe nicht zuletzt auf der
Diskussion in der mündlichen Verhandlung, die ergeben habe, dass zu Ungunsten
der Beklagten von einer breiten Auslegung des Begriffes „separate buffer means“
im Hilfsantrag (1) vom 25.09.2017 durch den Senat ausgegangen werde, weisen
die Klägerinnen zutreffend auf den Vortrag der Beklagten bereits im
Verletzungsstreit hin, in dem diese ihrerseits ein breites Verständnis des Begriffs
angenommen habe. Somit wäre es der Beklagten ohne weiteres möglich
gewesen, diese Auslegung innerhalb der im Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1
PatG gesetzten Frist und damit rechtzeitig im Rahmen einer hilfsweisen
Verteidigung zu berücksichtigen. Damit ist die verspätete Vorlage des Hilfsantrags
2 nicht genügend entschuldigt (§ 83 Abs.4 Satz 1 Nr. 2 PatG).

Die Berücksichtigung des Hilfsantrags 2 hätte im Übrigen auch wegen der
Aufnahme von neuen Teilmerkmalen aus der Beschreibung eine Vertagung der
- 22 -
mündlichen Verhandlung (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 PatG) erforderlich gemacht,
denn den Klägerinnen hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, nach
einschlägigem Stand der Technik bezüglich dieser neuen Teilmerkmale zu
recherchieren. Auch die weitere Voraussetzung, unter der der Senat einen
verspäteten Hilfsantrag zurückweisen kann, liegt vor, denn die Belehrung nach
§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 PatG erfolgte mit dem Hinweis des Senats vom
10. Juli 2017.

3. Zum Hilfsantrag 3
Der Patentanspruch 21 gemäß Hilfsantrag 3 ist zur Selbstbeschränkung nicht
geeignet, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

3.1. Die Anspruchsfassung ist zulässig. Die gegenüber dem erteilten
Patentanspruch 21 hinzugefügten Merkmale D6.3Hi1 und D6.4Hi3 entsprechen nach
ihrem technischen Gehalt den Kennzeichen der erteilten Patentansprüche 22 und
23. Hinsichtlich der Offenbarung in den ursprünglich eingereichten
Anmeldeunterlagen gelten die Ausführungen zu Ziff. 1.1 entsprechend.
Der Fachmann versteht das Merkmal D6.4Hi3 dahingehend, dass für jeden Kanal
ein Speicherbereich im Speicher reserviert ist. Es handelt sich um ein
Verfahrensmerkmal, das die beanspruchte Vorrichtung insoweit beschränkt, als
dass sie geeignet sein muss, eine Speicherverwaltung auszuführen.

3.2. Aus der Druckschrift K5 ist bekannt, dass die Komprimierung für jedes
Datenpaket mit dem entsprechenden Vokabular separat erfolgt. Dazu führt diese
eine Speicherverwaltung durch (K5,. S. 10, 2. Abs. und S. 14, 2. Abs.). Sie
offenbart zwar nicht explizit, dass für jeden Kanal ein Bereich eines Speichers
reserviert wird, jedoch wird eine Speicherverwaltung für das „current frame“ und
das Kompressionswörterbuch (Vokabular für die Komprimierung) durchgeführt.
Die Speicherverwaltung in der Weise zu gestalten, dass für jeden Kanal ein
Bereich reserviert wird, stellt letztlich nur eine fachmännische Maßnahme auf dem
Gebiet der Datenübertragung und -komprimierung dar, über die der Fachmann
zum Prioritätszeitpunkt verfügte, und welche er – sofern sie ihm notwendig und
- 23 -
sinnvoll erschien – auch ohne Weiteres einsetzen würde, zumal ihm eine solche
Maßnahme nicht als unmöglich, mit besonderen Schwierigkeiten verbunden oder
sonst untunlich erscheinen würde (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 –
X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem). Daher kann die
Reservierung eines Speicherbereichs für jeden Kanal eine erfinderische Tätigkeit
nicht begründen.


B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1
Satz 1 ZPO, wobei bei der Kostenaufteilung die wertmäßige Auswirkung einer
möglichen Klagerücknahme anteilig berücksichtigt wurde. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709
ZPO.


C.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils, spätestens
aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, durch einen Rechts- oder
Patentanwalt als Bevollmächtigten schriftlich beim Bundesgerichtshof, Her-
renstr. 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.



Voit Martens Albertshofer Dr. Wollny Bieringer

- 24 -




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