5 Ni 52/15 (EP) - 5. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

5 Ni 52/15 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
11. September 2017





In der Patentnichtigkeitssache




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betreffend das europäische Patent 1 259 046
(DE 502 04 654)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 11. September 2017 durch den Vorsitzenden Rich-
ter Voit, die Richterin Martens und die Richter Dipl.-Ing. Gottstein,
Dipl.-Geophys. Univ. Dr. Wollny und Dipl.-Phys. Univ. Bieringer

für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


T a t b e s t a n d

Der Beklagte war bis zum 16. April 2016 eingetragener Inhaber des auch mit Wir-
kung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäi-
schen Patents 1 259 046 (Streitpatent), das am 22. April 2002 unter Inanspruch-
nahme der Priorität der österreichischen Anmeldung AT 6512001 vom
23. April 2001 angemeldet worden ist und beim Deutschen Patent- und Marken-
amt unter dem Aktenzeichen 502 04 654.6 geführt wird; im dortigen Register ist
als Rechtsnachfolger nunmehr die T… GmbH in S…
… eingetragen. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung: „Anlage für die si
chere Durchführung von Transaktionen mittels mehrerer Authentifizierungscodes“
und umfasst 6 Ansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.

Anspruch 1, auf den sich die Ansprüche 2 bis 6 direkt oder indirekt zurückbezie-
hen, lautet nach der Streitpatentschrift (EP 1 259 046 B1) wie folgt:
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„1. Anlage für die sichere Durchführung von Transaktionen zwi-
schen informationsverarbeitenden Systemen mit einem Terminal
(102), das zur Eingabe einer Benutzerkennung dient, mit einer
Auswerteeinheit (106), die mit dem Terminal (102) über ein primä-
res Netz (101) verbunden ist, und im wesentlichen aus einer Spei-
cher- und Prozessoreinheit besteht, welche zur Speicherung von
Benutzerstammdaten und laufenden Transaktionsdaten dient, mit
einem Codegenerator, der einen Sicherheitscode erzeugt, mit ei-
ner Sendeeinrichtung, die den Sicherheitscode über ein sekundä-
res Netz (107) an ein Empfangsgerät (108) sendet, und mit einer
Eingabemöglichkeit für den Sicherheitscode am Terminal und ei-
ner Überprüfung des eingegebenen Sicherheitscodes auf Gültig-
keit durch die Auswerteeinheit (106), dadurch gekennzeichnet,
daß die Auswerteeinheit (106) einen zusätzlichen Codegenerator
zur Erstellung eine Zusatzcodes aufweist und eine zusätzliche
Sendeeinrichtung zur Übermittlung des Zusatzcodes über das
primäre Netz (101) an das Terminal (102) und zur Ausgabe des
Zusatzcodes aufweist, wobei das Terminal neben der Eingabe-
möglichkeit des Sicherheitscodes eine Ausgabe- und Eingabe-
möglichkeit für den Zusatzcode aufweist und die Auswerteeinheit
(106) derart ausgestaltet ist, daß diese den eingegebenen Zusatz-
code überprüft und bei Gültigkeit von
eingegebenem Sicherheitscode und Zusatzcode die Transaktion
autorisiert.“

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift
Bezug genommen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage vom 13. November 2015 macht die Klägerin fehlende
Patentfähigkeit geltend, da der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfin-
derischen Tätigkeit beruhe.

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Sie stützt sich hierbei auf die folgenden Druckschriften:

NK12 DE 197 18 103 A1
NK13 S. Mitchell & J. Atkinson, „Sams Teach Yourself Active Ser-
ver Pages 3.0 in 21 Days“, Sams Publishing, Januar 2000,
Titelblatt, Impressum, Inhaltsverzeichnis, S. 1 - 2 und S. 331
- 372
NK14 EP 1 065 634 A1
NK15 H. Loeser, „Techniken für Web-basierten Datenbankanwen-
dungen: Anforderungen, Ansätze, Architekturen“. Informatik
Forsch. Entw. (1998) 13: 196-216.
NK16 A. Iyengar, „Dynamic Argument Embedding: Preserving
State an the World Wide Web“, März / April 1997
NK18 US 6,061,741 A
NK20 Auszug aus dem Online—Lexikon Wikipedia zum Begriff
„Transaktionssystem“

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent 1 259 046 mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen, hilfsweise nach Maßgabe
des Hilfsantrags vom 2. Februar 2017.

Wegen des Wortlauts der mit dem Hilfsantrag verteidigten Fassung von An-
spruch 1 wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 2. Februar 2017 Bezug ge-
nommen.

- 5 -
Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in jeder Hinsicht entgegen und hält
den Gegenstand des Streitpatents in einer der verteidigten Fassungen für patent-
fähig, insbesondere nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.

Informationshalber hat der Beklagte als Anlage B2 eine Abschrift des Urteils des
Landgerichts Düsseldorf im parallelen Verletzungsverfahren (dortiges Aktenzei-
chen 4b O 79/15) überreicht.

Der Senat hat den Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom
19. Mai 2017 die Gesichtspunkte mitgeteilt, die für die Entscheidung voraussicht-
lich von besonderer Bedeutung sind.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage, die sich trotz Veräußerung und Umschreibung des Streitpa-
tents weiterhin gegen den Beklagten richtet (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 265 Abs. 2 ZPO), ist nicht begründet und daher abzuweisen. Die Klägerin
konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass der Gegenstand des Streitpa-
tents durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik dem Fachmann am
Prioritätstag nahegelegt war und somit nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhend anzusehen ist.


I.

1. Das Streitpatent betrifft eine Anlage für die sichere Durchführung von
Transaktionen mittels mehrerer Authentifizierungscodes (Streitpatent, Titel,
Abs. [0001]).
Für die sichere Durchführung von Transaktionen zwischen informationsverarbei-
tenden Anlagen würden User-IDs, PINs, Passwörter, Kreditkartennummern, Pre-
Paid-Karten und TANs für die Authentifizierung und Autorisierung eines Benutzers
- 6 -
verwendet. Für Händler würden die existierenden Anlagen bei der Durchführung
von Distanzgeschäften eine hohe Sicherheit gewähren, jedoch nicht für den Be-
nutzer. Zwar erweise sich die Verwendung von TAN-Listen (Transaktionsnum-
mern) als relativ sicher, jedoch sei nachteilig, dass die TANs (seitens des Benut-
zers) in schriftlicher Form aufbewahrt würden und kein Ablaufdatum existiere, was
ein latentes Sicherheitsproblem darstelle. Nachteilig sei auch, dass der Versand
von TAN-Listen einen hohen und kostenintensiven Verwaltungsaufwand erfordere.
Schließlich vernachlässigten Systeme, die einen sekundären Leitungsweg zur
Übermittlung von Autorisierungscodes, wie elektronische TANs/PIN-Code gemäß
WO 00/78009 A2 verwendeten, das Problem der Fälschung der Anmeldebild-
schirme durch Dritte. Dies sei als partiell unsicher anzusehen, weil ein Empfänger
(Benutzer) auf das gegenständliche Empfangsgerät immer den kompletten Autori-
sierungcode erhalte und mit diesem allein die Transaktion bereits autorisieren
könne (Streitpatent, Abs. [0002]).

2. Aufgabe des Streitpatents sei es daher, eine Anlage zur Verfügung zu stel-
len, welche die Nachteile beseitige und den an einer Transaktion Beteiligten eine
sehr hohe Sicherheit biete (Streitpatent, Abs. [0003]).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 eine Vor-
richtung mit folgenden Merkmalen vor:

M1 Anlage für die sichere Durchführung von Transaktionen zwi-
schen informationsverarbeitenden Systemen
M2 mit einem Terminal (102), das zur Eingabe einer Benutzerken-
nung dient,
M3 mit einer Auswerteeinheit (106),
M3.1 die mit dem Terminal (102) über ein primäres Netz (101)
verbunden ist, und
M3.2 im wesentlichen aus einer Speicher- und Prozessoreinheit
besteht, welche zur Speicherung von Benutzerstammdaten
und laufenden Transaktionsdaten dient,
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M4 mit einem Codegenerator, der einen Sicherheitscode erzeugt,
M5 mit einer Sendeeinrichtung, die den Sicherheitscode über ein
sekundäres Netz (107) an ein Empfangsgerät (108) sendet,
und
M6 mit einer Eingabemöglichkeit für den Sicherheitscode am
Terminal und
M7 einer Überprüfung des eingegebenen Sicherheitscodes auf
Gültigkeit durch die Auswerteeinheit (106),

dadurch gekennzeichnet, daß

M8 die Auswerteeinheit (106)
M8.1 einen zusätzlichen Codegenerator zur Erstellung eine Zu-
satzcodes aufweist und
M8.2 eine zusätzliche Sendeeinrichtung zur Übermittlung des
Zusatzcodes über das primäre Netz (101) an das Terminal
(102) und zur Ausgabe des Zusatzcodes aufweist,
M9 wobei das Terminal neben der Eingabemöglichkeit des Sicher-
heitscodes eine Ausgabe- und Eingabemöglichkeit für den Zu-
satzcode aufweist und
M10 die Auswerteeinheit (106) derart ausgestaltet ist, daß diese den
eingegebenen Zusatzcode überprüft und bei Gültigkeit von
eingegebenem Sicherheitscode und Zusatzcode die Transak-
tion autorisiert.

4. Der Gegenstand des Streitpatents richtet sich an einen Diplom-Ingenieur
der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet
der sicheren Durchführung von Transaktionen zwischen informationsverarbeiten-
den Systemen, der über grundlegende Kenntnisse auf dem Gebiet der Informatik
und der sicheren Datenübertragung in Netzwerken verfügt.

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5. Der Fachmann versteht den Gegenstand des Streitpatents und die verwen-
deten Begrifflichkeiten unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnun-
gen der Streitpatentschrift wie folgt:

Der beanspruchte Gegenstand betrifft eine Vorrichtung (= Anlage) für die sichere
Durchführung einer Transaktion, etwa im Rahmen des online banking, zwischen
informationsverarbeitenden Systemen (Merkmal M1). Sie weist gegenständlich
drei Hauptkomponenten auf:
- ein Terminal (Merkmal M2)
- ein Empfangsgerät (Merkmal M5),
- eine Auswerteeinheit (M3) mit zwei Codegeneratoren (Merkmale M4, M8.1)
und zwei Sendeeinrichtungen (Merkmale M5, M8.2).
Eine erste Sendeeinrichtung ist geeignet, einen mit dem ersten Codegenerator
(Merkmal M4) erzeugten Sicherheitscode über ein sekundäres Netz (z. B: Mobil-
funknetz) an das Empfangsgerät (z. B: Mobilfunktelefon) zu übertragen. Die zweite
Sendeeinrichtung ist geeignet, einen mit dem zweiten („zusätzlichen“) Codegene-
rator erzeugten Zusatzcode über ein primäres Netz (z. B: Internet) an das Termi-
nal zu übertragen. Das Terminal wird durch die Merkmale M2, M3.1, M6, M8.2 und
M9 spezifiziert. Der Fachmann versteht, dass das Terminal
- mit der Auswerteeinheit über das primäre Netz verbunden ist,
- Eingabemöglichkeiten für eine Benutzerkennung, den Sicherheitscode und
den Zusatzcode sowie
- eine Ausgabemöglichkeit zur Ausgabe des Zusatzcodes aufweist.
Gemäß Ausführungsbeispiel (vgl. Streitpatent, Abs. [0005]) kann das Terminal ein
Soft- oder Hardwareterminal sein, wobei der Fachmann Ersteres als auf einem
Computer implementierten Browser verstehen kann. Die Eingabemöglichkeit für
die Benutzerkennung kann vollständig oder teilweise mittels elektronischem
Schreib- oder Übertragungsgerät, Magnetkarte, Chipkarte oder vergleichbaren,
geeigneten Anlagen erfolgen. Der Benutzer kann seine Benutzerkennung auch
selbst eingeben.

- 9 -
Der „Zusatzcode“ wird anspruchsgemäß in den kennzeichnenden Merkmalen
M8.1 bis M10 spezifiziert. Da der Patentanspruch 1 eine Vorrichtung („Anlage“)
betrifft, versteht der Fachmann den Zusatzcode als sowohl in der Auswerteeinheit
(Merkmal M8) als auch im Terminal implementierte Funktionalität (Merkmale M8.2,
M9, M10). Auf der einen Seite ist die Auswerteeinheit geeignet, den Zusatzcode
mittels eines zusätzlichen Codegenerators zu erzeugen (Merkmal M8.1), diesen
mittels einer zusätzlichen Sendeeinrichtung für das primäre Netz zu senden
(Merkmal M8.2) sowie den Zusatzcode mit ihm entsprechenden Daten zu verglei-
chen (Merkmal M10), wodurch letztlich die Überprüfung der Autorisierung einer
Transaktion realisiert wird. Auf der andere Seite ist das Terminal funktionsnotwen-
dig geeignet, diesen Zusatzcode zu empfangen, ihn mittels einer Ausgabe– und
Eingabemöglichkeit sowohl aus- als auch einzugeben (Merkmal M9), und hierfür
ebenfalls in funktionsnotwendiger Weise den eingegebenen Zusatzcode an die
Auswerteeinheit zu senden.

Die in den oben aufgeführten streitpatentgemäßen Merkmalen als „Zusatzcode“
bezeichnete Begrifflichkeit stellt hierbei weder einen gängigen Fachterminus dar
noch wird diese im Patentanspruch definiert. Zur Auslegung sind folglich die Be-
schreibung und die Figuren der Streitpatentschrift heranzuziehen. Auf dieser Basis
versteht der Fachmann zur Überzeugung des Senats unter dem anspruchsgemä-
ßen Zusatzcode einen transaktionsspezifischen Autorisierungscode, der durch
den zusätzlichen Codegenerator der Auswerteeinheit erzeugt wird. Er ist ein spe-
zieller Autorisierungscode und Teil der Transaktionsdaten (Streitpatent,
Abs. [0010]). Der Zusatzcode bewirkt gemeinsam mit dem Sicherheitscode, dass
eine Transaktion autorisiert wird, sofern beide – als wesensgleich aufzufassende –
Autorisierungscodes von der Auswerteeinheit als gültig erkannt werden. Dazu
steht nicht im Widerspruch, dass der Zusatzcode (wie auch der Sicherheitscode)
darüber hinaus für andere Zwecke als die Autorisierung genutzt werden könnte,
soweit der Zusatzcode (bei Gültigkeit zusammen mit dem Sicherheitscode) zu-
mindest die Autorisierung der Transaktion bewirkt.

- 10 -
Im Übrigen sieht der Senat den Zusatzcode im Sinne des Streitpatents dahinge-
hend als wesensgleich mit dem Sicherheitscode, dass auch der Zusatzcode ein
Autorisierungscode ist; zudem kann der Abbruch der Transaktion aus anderen
Gründen als der ungültigen Autorisierung nicht als Negativprüfung eines Zusatz-
codes verstanden werden, da die beanspruchte Auswerteeinheit eine Überprüfung
im Sinne des Merkmals M10 in diesem Fall gar nicht durchführen würde.

Die Begriffe Transaktion und Autorisierung sind dahingehend miteinander ver-
knüpft, dass die beanspruchte Vorrichtung der Durchführung der in Rede stehen-
den Transaktion dient und diese autorisiert. Im Kontext mit der Benutzerkennung
und dem Sicherheitscode lässt sich unter Transaktion insbesondere eine vom Be-
nutzer autorisierte Finanztransaktion verstehen.

6. Zum Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit

Die Erfindung tragende Lösung ist nach Überzeugung des Senats, dass die bean-
spruchte Vorrichtung zwei Codegeneratoren aufweist und den für die Autorisie-
rung einer Transaktion erforderlichen Code zweiteilig erzeugt (und überprüft), so
dass ein Empfangsgerät allein nicht die komplette Autorisierungsinformation er-
hält, und die Transaktion nicht allein mit der Übertragung eines Sicherheitscodes
erfolgen kann.

Die Druckschrift DE 197 18 103 A1 (NK12) bildet den nächstliegenden Stand der
Technik. Unstrittig sind die Merkmale des Oberbegriffs (Merkmale M1 bis M7) aus
der Druckschrift NK12 bekannt. Die kennzeichnenden Merkmale (Merkmale M8
bis M10) kann der Fachmann ihrer Lehre jedoch nicht entnehmen.

Soweit die Nichtigkeitsklägerin vorgetragen hat, der Fachmann würde ausgehend
von der Druckschrift NK12 die Druckschriften NK13, NK15 oder NK16 in Betracht
ziehen und in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen,
folgt der Senat dem nicht:

- 11 -
Die Session-ID gemäß Druckschrift NK13 (vgl. NK13, Seite 345) ist kein Autorisie-
rungscode und daher auch kein Zusatzcode im Sinne der anspruchsgemäßen
Lehre. Gemäß Merkmal M3.1 der streitpatentgemäßen Lehre wird beansprucht,
dass eine Verbindung zwischen Terminal und Auswerteeinheit über ein primäres
Netz (z. B. Internet) besteht. Dem Fachmann ist dabei klar, dass diese Verbindung
netzwerktechnisch verwaltet werden muss, und dass eine Session-ID eines von
mehreren probaten Mitteln dafür darstellt. Wäre die Session-ID der Druckschrift
NK13 als Zusatzcode zu verstehen, würde eine Autorisierung allein schon durch
den Sicherheitscode und die Netzwerkverwaltung erfolgen. Dies steht aber im Wi-
derspruch zur patentgemäßen Lehre, wonach dies allein gerade nicht ausreichen
soll, um eine Autorisierungsprüfung zu bestehen (vgl. Streitpatentschrift, Spalte 2,
Zeilen 1 bis 5).

Somit ist jegliche Netzwerkverwaltung, soweit sie nicht auch einen expliziten Auto-
risierungscode betrifft, als Zusatzcode nicht geeignet. Die in den Druckschriften
NK13, NK15 und NK16 angesprochenen Session-IDs, HTTP-Cookies bzw. Sta-
tusparameter mit User-ID (vgl. NK13, Seite 345; NK15, Seiten 202 und 207; NK16,
Seiten 51 und 56) betreffen jedoch jeweils netzwerkseitige Verwaltungen von Ver-
bindungen zwischen Terminal/Client und Server („Zustandsmanagement“). Sie
betreffen jeweils eine Sitzung und sind nicht transaktionsspezifisch. Sie können
nicht zur Autorisierung einer Transaktion beitragen und betreffen somit keinen Zu-
satzcode im Sinne des Streitpatents. Keine der genannten Druckschriften vermit-
telt eine technische Lehre mit zwei Codegeneratoren und zwei Sendeeinrichtun-
gen zum Erzeugen und Senden eines Sicherheitscodes und eines Zusatzcodes.
Selbst die Zusammenschau der Druckschrift NK12 mit einer der Druckschriften
NK13, NK15 oder NK16 führt nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1. Glei-
ches gilt für eine entsprechende Kombination ausgehend von der Druckschrift
NK14.

Soweit die Nichtigkeitsklägerin vorgetragen hat, die Druckschrift NK18 betreffe
nicht nur einen sitzungsspezifischen, sondern auch einen transaktionsspezifischen
Datenaustausch, sieht der Senat selbst bei einer Kombination der Druckschriften
- 12 -
NK12 und NK18 nicht sämtliche Merkmale des Gegenstandes des Patentan-
spruchs 1 realisiert, da der in der Druckschrift NK18 angesprochene „panel token“
(vgl. NK18, Sp. 7, Z. 42 bis Sp. 8, S. 13) nicht die Autorisierung einer Transaktion
mittels Zusatzcode im Sinne des Streitpatents offenbart.

Es mangelt dem Fachmann bereits an einer Veranlassung, ausgehend von der
Druckschrift NK12 die Druckschrift NK18 heranzuziehen. Die Druckschrift NK18
betrifft nämlich Client-Server-Systeme im Internet bzw. in einem Intranet, insbe-
sondere kodierte Token, um verbindungslose Anwendungen zwischen Server und
Klienten zu synchronisieren (vgl. NK18, Spalte 1, Zeilen 16 bis 20). Die Zielset-
zung der Druckschrift NK18 hierbei ist, für verbindungslose Anwendungen einen
Mechanismus anzugeben, der dem Server bzw. Klienten erlaubt, festzustellen, ob
sich die jeweilige Gegenseite im korrekten Zustand befindet bzw. synchronisiert ist
(vgl. NK18, Spalte 1, Zeilen 40 bis 44; „…,if the other side is in the correct state or
“synchronized.”). Die gemäß der Druckschrift NK18 angesprochenen Token be-
treffen dabei den Datenaustausch zwischen Konsole („panel“; „panel token 220“)
und Klienten („client token 222), um Klienten und Konsole in einem Web-Browser
mit einem realen Klienten und einer realen Konsole im AS/400-System zu syn-
chronisieren (vgl. NK 18, Sp. 7, Z. 41-59). Die Druckschrift NK18 auf der Suche
nach Verbesserungen zur Autorisierung von Transaktionen beizuziehen, lag dem
Fachmann daher nicht nahe.

Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die auf diesen rückbezogenen Unteran-
sprüche 2 bis 6 Bestand, da sie jeweils vorteilhafte Weiterbildungen des sie tra-
genden Hauptanspruchs beschreiben.


II.

Entgegen der Ansicht der Klägerin, die die Neuheit des Gegenstands des Streit-
patents nicht in Frage stellt, hat das Streitpatent folglich in der erteilten Fassung
Bestand, da sich dessen Lehre für den Fachmann am Prioritätstag nicht in nahe-
- 13 -
liegender Weise aus dem Stand der Technik ergab und somit als auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist. Der Nichtigkeitsgrund der fehlenden
Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a, Art. 56
EPÜ) ist daher zu verneinen.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

IV.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils, spätestens
aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, durch einen Rechts- oder
Patentanwalt als Bevollmächtigten schriftlich beim Bundesgerichtshof, Her-
renstr. 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.


Voit Martens Gottstein
Zugleich für
den wegen
Eintritts in
den
Ruhestand
verhinderten
Richter
Gottstein
Voit
Dr. Wollny Bieringer

prö


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