5 Ni 41/15  - 5. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

5 Ni 41/15
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
17. Mai 2017





In der Patentnichtigkeitssache





- 2 -
betreffend das deutsche Patent 102 52 340

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Voit
die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer,
Dipl.-Geophys. Univ. Dr. Wollny und Dipl.-Phys. Univ. Bieringer

für Recht erkannt:


I. Das deutsche Patent 102 52 340 wird für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreck-
bar.


T a t b e s t a n d

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 102 52 340
(Streitpatent), das die Priorität der deutschen Anmeldung 102 51 734 vom
5. November 2002 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent, das am
11. November 2002 angemeldet worden ist und dessen Offenlegung am
19. Mai 2004 erfolgte, trägt die Bezeichnung „Vorrichtung zum Erkennen einer auf
einem Substrat aufzubringenden Struktur sowie geeignete Verfahren hierfür“ und
umfasst 21 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.

Anspruch 1 und 14, auf die die Ansprüche 2 bis 13 bzw. 15 bis 21 rückbezogen
sind, lauten nach der Patentschrift DE 102 52 340 B4 wie folgt:

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Mit der am 10. September 2015 erhobenen Nichtigkeitsklage macht die Klägerin
geltend, die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 8 und 13 bis 20 des Streitpatents
beruhten angesichts des Standes der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit
(§§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Die Gegenstände der Ansprüche 9
bis 12 und 21 seien zudem unzureichend offenbart (§§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21
Abs. 1 Nr. 2 PatG).

Ihre Argumentation stützt die Klägerin auf folgende Dokumente:

NK1 DPMA: Registerauszug zum Aktenzeichen 102 52 340.1, Stand
10.09.2015, 5 S.
NK2 DE 102 52 340 B4 (Streitpatent)
NK3 EP 0 619 482 A1 (Druckschrift D1 des Prüfungsverfahrens)
NK4 DE 694 10 684 T2 (Dt. Übersetzung der Druckschrift NK3; zusätzlich als
Druckschrift D1a bezeichnet)
NK5 EP 0 715 163 A1 (Druckschrift D3 des Prüfungsverfahrens)
- 4 -
NK6 FR 2 741 438 A1 (Druckschrift D2 des Prüfungsverfahrens)
NK7 Maschinenübersetzung NK6/D2 via EPA Patent Translate (hier zusätzlich
als D2a bezeichnet)
NK8 Merkmalsgliederung des PA1 gemäß Streitpatent
NK9 RIBEIRO, A.F.: MACHINE VISION FOR INDUSTRY. In: Euro Conference
on Vision and Control Aspects of Mechatronics (VICAM), Guimarães : Uni-
versidade do Minho. Escola de Engenharia, 1996. ISBN 972-8063-07-5. S.
19-24
NK9a Deutsche Übersetzung der Druckschrift NK9 9 S.
NK10 US 5 365 084 A (Druckschrift D4 des Prüfungsverfahrens)
NK11 DE 692 23 505 T2 (Dt. Übers. eines EP-Familienmitglieds der Druckschrift
NK10, zusätzlich als Druckschrift D4a bezeichnet)
NK12 ASCHENBRENNER, N.: Werkstoffe nach Maß. In: SIEMENS AG: Pictures
of the Future, Die Zeitschrift für Forschung und Innovation. Frühjahr 2003;
S. 9 – 11; ISSN 1618-548X
NK13 Deutsche beglaubigte Übersetzung der Druckschrift NK6, 19 S.
NK14 SIEMENS AG: Pictures of the Future, Die Zeitschrift für Forschung und
Innovation. Frühjahr 2003; 43 S.; ISSN 1618-548X
NK15 DE 100 48 749 A1 (hier zusätzlich als Druckschrift D5 bezeichnet)
NK16 PRATT, W.K.: Digital image processing. Korean student edition, 1978; Ex-
zerpt von Titelseite und 4 S.; ISBN 0-471-01888-0
NK17 GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG ANGEWANDTER INFORMATIK
E.V.: TraB Technologietransferzentrum Bildverarbeitung. 2013, 1 S.
NK18 FRANKE, K.-H. & LUCHT, C.: Automatisierung der industriellen Waren-
schau bei komplex gemusterter Bahnenware - eine Herausforderung an die
Bildanalyse. In: 4. Workshop Farbbildverarbeitung, 1998, Koblenzer Schrif-
ten zur Informatik, ISBN 3923532-58-X. 7 S.
NK19 LANDGERICHT MANNHEIM: Aktenzeichen 2 O 57/15; Beschluss im
Rechtsstreit QuISS Qualitäts-Inspektionssysteme und Service AG gegen
ISRA VISION AG et al., beglaubigt 20.09.2016; 3 S.

- 5 -
NK20 LANDGERICHT MANNHEIM: Aktenzeichen 2 O 57/15; Urteil im Rechts-
streit QuISS Qualitäts-Inspektionssysteme und Service AG gegen ISRA
VISION AG et al., beglaubigt 20.09.2016; 19 S.
NK21 Ursprüngliche Anmeldeunterlagen des Streitpatents vom 11.11.2002; 19 S.
NK22 ULUPINAR, F. & MEDIONI, G: Refining Edges Detected by a LoG Opera-
tor. In: Computer Vision, Graphics and Image Processing, 1990, Vol. 51, S.
275 — 298
NK23 ROCKETT, P.: The Accuracy of Sub-Pixel Localisation in the Canny Edge
Detector. In: Electronic Proceedings of the 10th British Machine Vision
Conference, The University of Nottingham, 13 – 16 September 1999, S. 392
— 401
NK24 VERNON, D.: Machine Vision, Automated Visual Inspection and Robot Vi-
sion, Prentice Hall, 1991, S. vii – xiii, S. 84 – 117 (Kapitel 5 — The Seg-
mentation problem), ISBN 0-13-543398-3
NK25 HUERTAS, A. & MEDIONI, G.: Detection of Intensity Changes with Sub-
pixel Accuracy Using Laplacian-Gaussian Masks. In: IEEE
TRANSACTIONS ON PATTERN ANALYSIS AND MACHINE
INTELLIGENCE, VOL. PAMI-8, NO. 5, SEPTEMBER 1986; S. 651 – 664
NK26 SEUL, M., O’GORMAN, L. & SAMMON, M.J.: Practical Algorithms for Im-
age Analysis, Description, Examples, and Code. Cambridge University
Press, 2000; S. 81 – 84, ISBN 0-521-66065-3
NK27 IONESCU, D. & SASARMAN, M.: Automated Optical Inspection of Geomet-
rical Shapes. In: IMTC/09 Conference Proceedings, IEEE Instrumentation
and Measurement Technology Conference, IEEE Catalog No. 98CH36222,
St. Paul Minnesota, 18 - 21 May 2009, S. i – xxiv, S. 14 – 17 (zusätzlich als
Druckschrift D6 bezeichnet),

Die Klägerin beantragt,

das deutsche Patent 102 52 340 für nichtig zu erklären.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die
Fassung des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schriftsatz vom
27. März 2017, erhält,
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass der dor-
tige Hilfsantrag 2 zum Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 3 zum Hilfsan-
trag 2 wird.


Die Klägerin beantragt auch insoweit die Nichtigerklärung.

Der Anspruch 1 in der mit Hauptantrag (entspricht Hilfsantrag 1 vom
27. März 2017) verteidigten Fassung lautet:


Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 12 unterscheidet sich von der erteilten
Fassung lediglich durch die geänderten Rückbezüge auf die Vorrichtung nach den
- 7 -
Ansprüchen 1 bis 11. Wegen des Wortlauts der auf Anspruch 1 und 12 rückbezo-
genen Unteransprüche wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom
27. März 2017 verwiesen.


Der Anspruch 1 der Fassung nach dem jetzigen Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:


Die Ansprüche 2 bis 18 entsprechen der Fassung nach Hauptantrag.

Der Anspruch 1 der Fassung nach dem jetzigen Hilfsantrag 2 unterscheidet sich
von der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 durch die Aufnahme des erteilten An-
spruchs 8 und lautet wie folgt:

- 8 -



Dem schließen sich nach Anpassung der Rückbezüge die Ansprüche 2 bis 17 der
Fassung nach Hauptantrag an.

Den in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus überreichten Hilfsantrag 3 hat
der Senat als verspätet zurückgewiesen. Wegen der Anspruchsfassung wird auf
die Anlage zum Protokoll vom 17. Mai 2017 Bezug genommen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen, insbe-
sondere hält sie das Streitpatent in einer der verteidigten Fassungen für patentfä-
hig.

Sie beruft sich hierbei auf folgende Dokumente:

BK1 Merkmalsgliederung des erteilten Anspruchs 1
BK2 Kommentierte Figur 4 gemäß Streitpatent.
- 9 -
BK3 Beglaubigte dt. Übersetzung der Druckschrift NK6 vom 08.01.2016; 19 S.
BK4 Merkmalsanalyse zu Anspruch 1 des ehemaligen Hilfsantrags 1 vom
27.03.2017 ; 1 S.
BK5 Kommentierte Fotografien „patentgemäßer Vorrichtungen A bis C“ vom
27.04.2017; 2 S.
BK6 N.N.: Beleuchtung, In Lichtgeschwindigkeit gerechnet. – In: INSPEC, 13.
Jg. August 2012; Special: Grundlage der Bildverarbeitung + optischen
Meßtechnik; S. 20 und 21 sowie Titelseite der Ausgabe
BK7 Beispiel Grauwertverlauf / orthogonaler Schnitt durch eine auf einem Sub-
strat aufgetragene Dichtmittelspur / Klebstoffspur, 2 S.

Der Senat hat den Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom
1. Februar 2017 die Gesichtspunkte mitgeteilt, die für die Entscheidung voraus-
sichtlich von besonderer Bedeutung sind.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

A.

Die zulässige Klage ist begründet.

Soweit das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr
verteidigt wird, war es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr.,vgl.
auch: Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 82 Rdn. 101 m. w. Nachw.;
Schulte/Voit, Patentgesetz, 10. Aufl., § 81 Rdn. 127).

Mangels Patentfähigkeit kann das Streitpatent aber auch nicht in der Fassung
nach dem Hauptantrag oder in einer der Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 und
2 Bestand haben. Den erstmals in der mündlichen Verhandlung überreichten
Hilfsantrag 3 hat der Senat gemäß § 83 Abs. 4 PatG zurückgewiesen.

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I. Zum Gegenstand des Streitpatents

1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem
Substrat aufzubringenden Struktur gemäß dem Anspruch 1 sowie ein geeignetes
Verfahren hierfür (Streitpatent, Absatz [0001]).

Bislang würden zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur
optische Vermessungen durchgeführt, wobei häufig verschiedene Systeme zur
vollautomatischen Prüfung der Struktur, u. a. Klebstoff- und Dichtmittelraupen,
verwendet würden. Hierzu würden eine oder mehrere Videokameras auf die zu
erkennende Struktur gerichtet. Zusätzlich sei ein Beleuchtungsmodul erforderlich,
das zur Erzeugung eines kontrastreichen Kamerabildes diene. Die Überprüfung
der Struktur erfolge zeitlich versetzt, einige Sekunden nachdem die Struktur auf
dem Substrat aufgebracht sei. Häufig erfolge die Überprüfung erst nachdem der
komplette Strukturauftrag auf dem Substrat erfolgt sei. Nachteilig hieran sei, dass
somit die Überprüfung separat und unabhängig von dem Aufbringvorgang durch-
geführt werde, was umständlich und schwierig zu handhaben sei. Bislang wären
die Systeme zur Überprüfung zu instabil und umständlich bei der Parametrisierung
(Streitpatent, Absatz [0002]).

Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es somit, die bekannte Vorrichtung zum
Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur und ein geeignetes
Verfahren hierfür derart weiterzubilden, dass einerseits eine unmittelbare Über-
prüfung der aufgebrachten Struktur möglich und andererseits die Überprüfung mit
verbesserter Erfassung und Auswertung der aufgebrachten Struktur zu handha-
ben sei. Ferner sei es eine Aufgabe, auch bei nachträglicher Überprüfung das be-
kannte Verfahren zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden
Struktur derart weiterzubilden, dass eine nachträgliche Überprüfung möglich sei
und eine genaue Fehleranalyse der aufzubringenden Struktur bereitgestellt werde
(Streitpatent, Absätze [0003] und [0004]).

- 11 -
2. Zur Lösung dieser Aufgabe wird in der erteilten Fassung mit Patentan-
spruch 1 eine Vorrichtung bzw. mit Patentanspruch 14 ein zugehöriges Verfahren
unter Schutz gestellt, die nun nicht mehr verteidigt werden.
Stattdessen verteidigt die Beklagte mit dem nunmehrigen Hauptantrag den Ge-
genstand eines Anspruchs 1, der sich in folgende Merkmale gliedern lässt (Ände-
rungen im Vergleich zum erteilten Patentanspruch 1 fett hervorgehoben):
Me Wortlaut
1.01 Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem dreidimensional ausgebilde-
ten Substrat aufzubringenden Struktur in Form einer Kleberaupe oder
Dichtmaterialspur bestehend aus
1.1 einem Beleuchtungsmodul und einer Sensoreinheit
1.1a wobei die Sensoreinheit (3) auf der Einrichtung (1) zum Auftragen der
Struktur vorgesehen ist,
1.1a1 und wobei die Einrichtung (1) zum Auftragen der Struktur in x-, y- und
z-Richtung verfahrbar ist,
1.1b wobei das Beleuchtungsmodul ein LED-Beleuchtungsmodul ist, welches
die Bereiche Rot, Blau, Grün, Infrarot und/oder Ultraviolett ausstrahlt,
1.c1 wobei die Sensoreinheit (3) und das LED-Beleuchtungsmodul (5) in
einem gemeinsamen Gehäuse an der Einrichtung (1) zum Auftragen
der Struktur positionierbar sind und
1.2 wobei die Auswerteeinheit einen Satz von Calipern über den mit den
Bildelementen ermittelten Datensatz legt,
1.2a1 wobei die Strukturbestimmung über die Auswertung des Helligkeits-
verlaufs der Grauwerte entlang der Caliper ermittelt wird,
1.3 wobei die Caliper orthogonal zu der Substratspur verlaufen, und
1.4 wobei die Auswerteeinheit die Strukturermittelung nach zumindest einem
der folgenden Kriterien durchführt:
1.4a a. Kantenstärke
1.4b b. Strukturbreite
1.4c c. Soll-lst-Positions-Differenz

Gemäß geltendem Hauptantrag, wird nun ein Verfahren in Form des Gegenstan-
des eines Anspruchs 12 verteidigt, der sich vom erteilten Patentanspruch 14 bis
auf die Nummerierung und Rückbezugsangaben nicht unterscheidet; dieser lässt
sich in folgende Merkmale gliedern (Änderungen im Vergleich zum erteilten Pa-
tentanspruch 14 fett und durchgestrichen):
- 12 -
Me Wortlaut
12.0 Verfahren zum Erkennen einer Struktur und insbesondere zur Anwendung
bei der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 bis 13 11, welches die Schritte
aufweist:
12.1 a) Bereitstellen eines Beleuchtungsmoduls und einer Sensoreinheit,
12.1a die auf der Einrichtung zum Auftragen der Struktur vorgesehen ist.
12.1b b) Bestimmen der Struktur während die Struktur auf das Substrat aufgetra-
gen wird,
12.2 wobei das Beleuchtungsmodul ein LED-Beleuchtungsmodul ist, welches
die Bereiche Rot, Blau, Grün, Infrarot und/oder Ultraviolett ausstrahlt,
12.3 wobei die Auswerteeinheit einen Satz von Calipern über den mit den
Bildelementen ermittelten Datensatz legt,
12.4 wobei die Caliper orthogonal zu der Substratspur verlaufen, und
12.5 wobei die Auswerteeinheit die Strukturermittelung nach zumindest einem
der folgenden Kriterien durchführt:
12.5a a. Kantenstärke
12.5b b. Strukturbreite
12.5c c. Soll-lst-Positions-Differenz

Die Vorrichtung, die mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 verteidigt wird,
unterscheidet sich von der Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nur
in der begrifflichen Ergänzung des Merkmals 1.2a1 (fett hervorgehoben) zu Merk-
mal

1.2a2 wobei die Strukturbestimmung über die Auswertung des Helligkeitsverlaufs
der Grauwerte entlang der Caliper Subpixel genau ermittelt wird,

Das nebengeordnete, ebenfalls gemäß Hilfsantrag 1 verteidigte, Verfahren des
Anspruchs 12 entspricht dem des Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag.

Die Vorrichtung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der
gemäß Hilfsantrag 1 indem ein weiteres Merkmal zwischen dem Merkmal 1.2a2
und dem Merkmal 1.3 eingeschoben wird, das folgendermaßen lautet:

1.2a3 wobei die zweite Ableitung im Verlauf der Grauwerte zur Strukturer-
mittelung herangezogen werden,
- 13 -
Das nebengeordnete, gemäß Hilfsantrag 2 verteidigte Verfahren des An-
spruchs 11 entspricht bis auf die Änderung einer Rückbezugsangabe dem des
Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag.

3. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sowie die nun
verteidigten Gegenstände des Streitpatents richten sich an einen Diplom-Physiker
mit Berufserfahrung bei der Entwicklung optischer Inspektionssysteme für die in-
dustrielle Bildverarbeitung zum Einsatz in Fertigungsprozessen. Er verfügt über
profunde Kenntnisse der Optik, insbesondere der Beleuchtung und der Abbil-
dungsgeometrie sowie über Bilderfassungssensoren. Zu seinem Basiswissen
zählen Auswerteverfahren der digitalen Bildverarbeitung.

4. Zum Verständnis der verteidigten Patentgegenstände

Dieser Fachmann versteht die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche
der Antragsfassungen und die dort verwendeten Begrifflichkeiten unter Heranzie-
hen der Beschreibung und der Figuren der Streitpatentschrift wie folgt:

Unter einer Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem dreidimensional ausgebil-
deten Substrat aufzubringenden Struktur in Form einer Kleberaupe oder Dicht-
materialspur ist eine Vorrichtung zu verstehen, die geeignet ist, auf einer räumlich
ausgebildeten Unterlage ein sich von derselben abhebendes, pastöses Material
aufzubringen, das als Struktur auf dieser Unterlage anzusprechen und nachzuwei-
sen ist (Merkmal 1.0).

Zum Erkennen bzw. dem Nachweis bedarf es zweier Bestandteile dieser Vorrich-
tung und zwar eines so genannten Beleuchtungsmoduls und einer im Anspruchs-
wortlaut nicht näher spezifizierten Sensoreinheit, die auf einer Einrichtung zum
Auftragen der Struktur angebracht ist; der Fachmann weiß im gegebenen techni-
schen Kontext, dass das Beleuchtungsmodul die Funktionsfähigkeit der Sen-
soreinheit beeinflusst bzw. bedingt; er wird die Sensoreinheit vor dem gegebenen
technischen Hintergrund in günstiger Weise als Zeilen- oder Flächenkamera aus-
- 14 -
gestalten, auch wenn die Sensorik gemäß Anspruchswortlaut nicht darauf be-
schränkt ist (Merkmale 1.1, 1.1a). Die Einrichtung zum Auftragen der Struktur
selbst ist dabei zum Auftragen in allen drei kartesischen Raumrichtungen (x,y,z)
verfahrbar (Merkmal 1.1a1).
Das Beleuchtungsmodul ist als so genanntes LED-Beleuchtungsmodul ausge-
staltet, das verschiedenste EM-Spektralbereiche auszusenden vermag, sei es se-
lektiv oder zeitgleich (vgl. hierzu die wortlautgemäß umfassten möglichen
und/oder Kombinationen; Merkmal 1.1b).
Baulich sind die Sensoreinheit und das Beleuchtungsmodul an der genannten Ein-
richtung innerhalb eines gemeinsamen Gehäuses angeordnet, so dass sie auch
gemeinsam positionierbar sind (Merkmal 1.c1).
Bei der Auswerteeinheit (Merkmale 1.2 und 1.4) handelt es sich um eine Rechen-
einheit, die Bildverarbeitungsalgorithmen ausführt. Der Wortlaut des Anspruchs 1
legt aber nicht fest, ob sich die Auswerteeinheit in der Sensoreinheit befindet oder
nur mit dieser verbunden ist, also etwa ein externer Computer ist.
Der Begriff Bildelemente und die Formulierung den Bildelementen ermittelten Da-
tensatz finden in der Beschreibung keine konkrete Stütze. Der Fachmann wird
aber das Bildelement als Fachbegriff erkennen, als Pixel ansehen, und unter ei-
nem Datensatz von Bildelementen zum Beispiel ein digitales Bild verstehen.
Die funktionalen Merkmale aller Antragsfassungen (Merkmale 1.2teils bis 1.4c) der
beanspruchten Vorrichtung versteht der Fachmann vor diesem Hintergrund fol-
gendermaßen:
- Den im Streitpatent nicht definierten Begriff „Caliper“ verortet der Fachmann
aufgrund seiner Fachkenntnis (dokumentiert z. B. durch die Druckschrift
RIBEIRO, 1996 (NK9)) im Bereich der digitalen Bildverarbeitung als virtuellen
Messschieber, dessen Daten mittels der Auswerteeinrichtung analysiert wer-
den; so werden Strukturdaten entlang einer Linie zwischen zwei virtuellen
Schenkeln (Merkmal 1.2teils) über die Analyse der Grauwerte einzelner Pixel
entlang besagter Linie bestimmt, wobei die Genauigkeit bis auf Subpixel-Ni-
veau heruntergebrochen wird, indem über Rechnerkapazität die zweite Ablei-
tung der Grauwertkurve Eingang in die Analyse findet (Merkmale 1.2a1 bzw.
1.2a2).
- 15 -
- Den im Streitpatent ebenfalls nicht definierten Begriff „Substratspur“ wird der
Fachmann als offensichtliche Unrichtigkeit erkennen, hierunter die Soll-Spur
der Struktur auf dem Substrat verstehen (vgl. Streitpatent, Figur 2, Referenzli-
nie „22“; Abs. [0026]) und folglich Caliper als zur Referenzlinie orthogonale Li-
nien über das Bild der Struktur legen (Merkmal 1.3)
- Die Struktur bzw. die Position oder Breite der Struktur wird im Folgenden mit-
tels der Auswerteeinheit bestimmt, wobei drei Kriterien betrachtet werden, und
zwar eine
o Kantenstärke, d. h. in wieweit sich über eine Grauwertbetrachtung ein
zu einer Kante der Struktur gehöriges / zu rechnendes Pixel von einem
Pixel (ggf. Subpixel), das zum Substrat gerechnet wird, unterscheidet
(Merkmal 1.4a);
o eine Strukturbreite, d. h. die geometrische Ausdehnung der aufgebrach-
ten Struktur senkrecht zu ihrer Auftragsrichtung auf das Substrat
(Merkmal 1.4b);
o eine Soll-Ist-Positionsdifferenz, d. h. die geometrische Positionsabwei-
chung der tatsächlich aufgebrachten Struktur an bestimmten Punkten
der Auftragsstrecke im Vergleich zu der Position, wie sie durch die Ein-
richtung vorgesehen und/oder eingelernt ist (Merkmal 1.4c).

Da die Merkmale des jeweils nebengeordneten Verfahrensanspruchs aller An-
tragsfassungen faktisch nur stets das zum Vorrichtungsanspruch 1 zugeordnete
Verfahren beschreiben, gelten die obigen Ausführungen für diese entsprechend.


II. Zum Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit

Der Gegenstand des Streitpatents wie er mit dem Hauptantrag verteidigt wird,
ergab sich für den Fachmann ausgehend von der Druckschrift FR 2 741 438 A1
(NK6) am Prioritätstag unter Einsatz seines Fachwissens in naheliegender Weise.
Dies gilt im Ergebnis in gleicher Weise für die Fassungen nach den Hilfsanträ-
gen 1 und 2.
- 16 -
1. Zur Fassung gemäß Hauptantrag

Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung und gemäß den Ausführungen des
Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung kommt es für den Fachmann
im gegebenen technischen Kontext darauf an, dass zur Erkennung der geometri-
schen Grenzen einer auf ein Substrat aufgebrachten Kleberaupe insbesondere
mittels entsprechender Beleuchtung darauf hinzuwirken ist, optische Kontraste
zwischen Substrat und Kleberaupe derart zu schaffen, dass sich diese nach der
Messwertaufnahme (beispielsweise in Bildform) für eine Auswertung in Form einer
Grauwertanalyse als besonders vorteilhaft erweisen.
Der so sensibilisierte Fachmann wird folglich für alle Maßnahmen, die für eine
qualitativ hochwertige Messwertaufnahme samt Auswertung nötig sind, auf sein
physikalisches Basiswissen zurückgreifen und sich seiner Kenntnisse auf dem
Gebiet der Beleuchtungstechnik, der Bildanalysevorrichtungen und der in diesen
zur Anwendung kommenden (digitalen) Bildverarbeitungsmechanismen bedienen,
die am Prioritätstag vorlagen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten agiert er dabei unabhängig davon, ob im
Stand der Technik explizit von pastösen (oder gar durchsichtigen) Materialien die
Rede ist, die vor einem speziellen Hintergrund in ihren geometrischen Konturen zu
bestimmen sind, oder ob anders geartete Objekte in einer wie auch immer gestal-
teten Umgebung zu bestimmen oder zu identifizieren sind; letztlich kommt es für
ihn in beiden Fällen nur darauf an, die geltenden physikalischen Randbedingun-
gen jeweils über eine an das Objekt angepasste optische Messwertaufnahme mit
darauf abgestimmten Datenverarbeitungsmethoden so zu berücksichtigen, dass
eine eindeutige Erkennung des Objektes ermöglicht wird.

1.1 Zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag

Aus der Druckschrift NK6 ist eine Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem drei-
dimensionalen Substrat aufzubringenden Struktur in Form einer Kleberaupe oder
Dichtmaterialspur bekannt (NK6, Titel: „DISPOSITIF ET PROCEDE DE
CONTROLE DIMENSIONNEL D'UN CORDON DE MATIERE DEPOSE SUR UN
SUPPORT” i. V. m. Figur 1: „cordon 3“, „support 5“ und S. 1, Z. 1-11, insb.: „ …
- 17 -
L'invention va être décrite à titre d'exemple non limitatif en relation avec le depôt
d'un cordon de colle sur la surface d'une tôle, … etant entendu que l'invention peut
être géneralisée et étendue au contrôle du depôt d'une matière pâteuse ou pul-
verulente quelconque sur un support de toute nature.“ (Unterstreichungen hinzu-
gefügt); Merkmal 1.01).
Die bekannte Vorrichtung weist hierzu ein Beleuchtungsmodul 6 („moyens
d'éclairage 6“ z. B. NK6, S. 5, Z. 16 und Z. 22-25) und eine Sensoreinheit 7 („ca-
méra 7“ z. B. NK6, S. 5, Z. 17 und Z. 26-32) auf (Merkmal 1.1). Die Sensoreinheit
7 ist auf einer Einrichtung zum Auftragen der Struktur vorgesehen („dispositif 1“
mit „buse d'extrusion 2“ zum Auftragen eines „cordon de matière 3“ z. B. NK6,
S. 5, Z. 10-21 i. V. m. Figur 1; Merkmal 1.1a) und es wird allgemein die Möglich-
keit beschrieben, die pastösen Materialien, die mit dieser Vorrichtung zum Auftrag
kommen, über eine dreidimensionale Verfahrbarkeit der Düse aufzubringen (NK6,
S. 1, Z. 1-11 i. V. m. S. 1, Z. 16f: „La buse est par exemple fixe, et la tôle est mo-
bile par rapport à la buse selon une trajectoire tridimensionnelle.“ (Unterstreichun-
gen hinzugefügt); Merkmal 1.1a1).
Das aus dieser Druckschrift bekannte Beleuchtungsmodul 6 weist keine LEDs
auf, die speziell die EM-Bereiche des Rot, Blau, Grün, IR und/oder UV abdecken,
vielmehr ist hier von einer Halogenlampe die Rede, die die Beleuchtung des Un-
tersuchungsbereichs vornimmt (z. B. NK6, S. 5, Z. 22-25: „Les moyens d'éclairage
6 sont de préférence constitués par une lampe halogène dont le faisceau est di-
rigé vers le cordon 3, et de puissance suffisante pour que la zone éclairée ne soit
pas perturbée par l'éclairage ambiant dans l'atelier.“ (Unterstreichung hinzuge-
fügt); Merkmal 1.1b).
Nicht explizit ist es der Druckschrift zu entnehmen, dass das Beleuchtungmodul
und die Sensoreinheit (NK6, Figur 1: „moyens d'éclairage 6“, „caméra 7“) in einem
gemeinsamen Gehäuse der Einrichtung untergebracht sind; für eine derartige
fachmännische Maßnahme sind jedoch vor dem gegebenen technischen Hinter-
grund keine besonderen Umstände feststellbar, die eine solche aus fachlicher
Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich er-
scheinen lassen und welche der Fachmann folglich bei Bedarf aufgrund seines
- 18 -
Fachwissen umsetzt (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR
2014, 647 – Farbversorgungssystem, Leitsatz; Merkmal 1.c1).
Die Existenz einer Auswerteeinheit ist für den Fachmann bei der bekannten Vor-
richtung funktionsnotwendig, da ansonsten die dort geschilderten Erkennungs-
maßnahmen nicht durchgeführt werden könnten (NK6, Figur 1 i. V. m. S. 4, Z. 19-
26: „- pour déterminer le diamètre du cordon courant, on détermine ses limites
transversales à l'aide de niveaux de gris, le passage sur le cordon correspondant
à un front montant d'un signal représentatif du niveau de gris, et le passage pour
quitter le cordon correspondant à un front descendant du signal représentatif du
niveau de gris, le diamètre courant du cordon étant constitué par la distance entre
le front montant et le front descendant.” (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal
1.2).
Was die Behandlung und Auswertung der mit der Einrichtung (1) aufgezeichneten
Bilder anbelangt, so ist aus dieser Druckschrift gemäß obiger Lesart auch der Ein-
satz einer Auswerteeinrichtung im Zusammenhang mit Calipern bekannt (NK6,
S. 4, Z. 19-26 und S. 8, Z. 26-29 i. V. m. Figur 1 und „cordon de matière 3“) sowie,
dass diese für einen Fachmann in der Praxis geschuldeten Fehler-
/Toleranzgrenzen orthogonal zu einer dortigen Substratspur verlaufen, d.h. bild-
verarbeitungstechnisch mit einem Winkel nahe an 90°, um je nach Lichtdesign
entlang der genannten Caliper entsprechende/vermutete/angestrebte Übergänge
zwischen beleuchtetem Substrat und aufliegender Struktur sensorisch in Form
eines möglichst kontrastreichen Helligkeitsverlaufs von Graustufen situationsab-
bildender Pixel zu ermitteln (NK6, Figur 4 i. V. m. S. 8, Z. 26 bis S. 9, Z. 2:
„Considérons l'image traitée numéro n (voir figure 4). Les points An et Bn sont
fournis par la phase d'apprentissage comme décrit plus haut, puis les profils P i
successifs orthogonaux au segment [An,Bn] sont positionnés. Selon l'invention,
l'algorithme de contrôle permet de déterminer les bords supérieurs B2i et inférieur
B2i+1 du cordon 3, malgré la présence possible de reflets sur la tôle et/ou le cor-
don.” (Unterstreichungen hinzugefügt) i. V. m. S. 4, Z. 13-26, insb.: „ ... pour dé-
terminer le diamètre du cordon courant, on détermine ses limites transversales à
I'aide de niveaux de gris. le passage sur le cordon correspondant à un front mon-
tant d'un signal représentatif du niveau de gris, et le passage pour quitter le cor-
- 19 -
don correspondant à un front descendant du signal representatif du niveau de gris,
... .” (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmale 1.2Rest, 1.2a1, 1.3, 1.4).

Die für eine Strukturermittlung relevanten Kriterien sind ebenfalls bereits in dieser
Druckschrift verwirklicht, im Einzelnen:
 Kantenstärke: indem die Strukturermittlung mittels einer Schwellwertbestim-
mung der Grauwerte entlang einer Querlinie zur langgesteckten Struktur und
zwar an der jeweils zugehörigen ansteigenden und an der abfallenden Flanke
derselben durchgeführt wird (NK6, S. 4, Z. 19-26: „- pour déterminer le dia-
mètre du cordon courant, on détermine ses limites transversales à l'aide de ni-
veaux de gris, le passage sur le cordon correspondant à un front montant d'un
signal représentatif du niveau de gris, et le passage pour quitter le cordon cor-
respondant à un front descendant du signal représentatif du niveau de gris, le
diamètre courant du cordon étant constitué par la distance entre le front mon-
tant et le front descendant.” (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal 1.4a);
 Strukturbreite: vgl. NK6, ebenda, Stichwort: „déterminer le diamètre du cordon
courant“ (Unterstreichung hinzugefügt); Merkmal 1.4b);
 Soll-Ist-Positionsdifferenz: indem hier die Position der aufgebrachten Raupe im
Verhältnis zu einer Referenzraupe bestimmt wird (NK6, S. 4, Z. 14-18: „- pour
déterminer la position du cordon courant par rapport au cordon de référence,
on détermine la distance entre la médiane du cordon de référence et la médi-
ane du cordon courant, en une pluralité de plans transversaux successifs du
cordon dans le sens de formation de celui-ci;” (Unterstreichungen hinzugefügt);
Merkmal 1.4c).

Somit sind bis auf das Merkmal 1.1b, das im Beleuchtungsmodul den Einsatz von
LEDs mit bestimmtem EM-Spektrum vorsieht, sämtliche Merkmale des Anspruchs
1 gemäß Hauptantrag aus dieser Druckschrift bekannt.

Zum Prioritätszeitpunkt waren verschiedenfarbige LEDs bereits einige Jahre be-
kannt – demzufolge auch ihre Vorteile gegenüber anderen gängigen Leuchtmitteln
wie etwa breitbandig abstrahlenden Glühlampen. Der Durchschnittsfachmann wird
- 20 -
sich entsprechend seiner Inspektionsaufgabe (z. B. semitransparente Kleberaupe
vor reflektierendem Metalluntergrund) und den sich ihm bietenden Randbedingun-
gen (z. B. Abschattungen, Streuungen) das am geeignetsten erscheinende
Leuchtmittel samt Spektralbereich in der gewünschten Form und Anzahl oder eine
Kombination derselben mit jeweils unterschiedlichem Wellenlängenspektrum so
auswählen, dass er sein Ziel auf möglichst unmittelbare Weise erreicht. Wider-
stände, die eine solche Maßnahme aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit
Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen, kann der Se-
nat in diesem technischem Kontext nicht erkennen, weshalb diese auch keine er-
finderische Tätigkeit begründen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 –
X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem, Leitsatz).

Dem Fachmann ist der prinzipielle Einsatz von LEDs zur Beleuchtung überdies
auch im streitpatentverwandten Umfeld im Rahmen einer Objekterkennung be-
kannt, wie sie etwa die Druckschrift US 5 365 084 A (NK10) zeigt. Dort wird ein
Beleuchtungsmodul („lighting array 16“) explizit mit LEDs realisiert, weil erkannt
wurde, dass diese Vorteile gegenüber sonst üblichen Beleuchtungskörpern wie
Glühlampen, aufweisen; gleichfalls bedienen die dort benannten LEDs auch aus-
drücklich unterschiedliche EM-Bereiche (NK10, Sp. 2, Z. 34-68 i. V. m. Sp. 3,
Z. 10-32, insb.. „array of light emitting elements formed of LEDs of multiple spec-
tral characteristics.” (Unterstreichung hinzugefügt)).

Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.

1.2 Zum Anspruch 12 gemäß Hauptantrag

Im Falle des nebengeordneten Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag wird lediglich
das zur Vorrichtung zugehörige Verfahren beansprucht. Das beanspruchte Verfah-
ren zum Erkennen einer Struktur nach dem Anspruch 12 lässt keinen eigenständi-
gen erfinderischen Gehalt erkennen; Gegenteiliges wurde seitens der Beklagten
- 21 -
auch nicht vorgetragen, daher teilt Anspruch 12 in Folge das Schicksal des An-
spruchs 1.

1.3 Zu den Unteransprüchen gemäß Hauptantrag

Die Unteransprüche 2 bis 11 und 13 bis 18 teilen das Schicksal der unabhängigen
Ansprüche, weil sie nicht mehr als handwerkliche Lehren zum technischen Han-
deln darstellen und damit nichts eigenständig Patentfähiges enthalten. Zudem
wurde seitens der Beklagten auch nichts Gegenteiliges geltend gemacht.

2. Zu den Gegenständen nach Hilfsantrag 1 und 2

Soweit die Beklagte das Streitpatent in der Fassung des Anspruchs 1 gemäß
Hilfsantrag 1 bzw. 2 verteidigt, kann dies in beiden Fällen nicht den Nichtigkeits-
grund der mangelnden Patentfähigkeit beseitigen.

Beide Merkmalsergänzungen (d. h. die Merkmale 1.2a und 1.2a3) stellen im gege-
benen Kontext letztlich nur fachmännische Maßnahmen im Rahmen einer digitalen
Bildverarbeitung dar, über die ein Fachmann zum Prioritätszeitpunkt als Basiswis-
sen verfügte, und welche er - sofern sie ihm notwendig und sinnvoll erschienen -
auch entsprechend für die Aufbereitung seiner optischen Messdaten einzusetzen
weiß, ohne dass ihm eine solche Maßnahme aus fachlicher Sicht als nicht mög-
lich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen würde (vgl.
BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 – Farbversor-
gungssystem, Leitsatz). Daher kann das Vorsehen derartiger Auswertefunktionen
auch keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Zum Beleg des zum Prioritätszeitpunkt angesetzten einschlägigen Fachwissens
sei ergänzend auf die Lehrbuchauszüge HUERTAS & MEDIONI, 1991 (NK25),
dort insbesondere Abstract, S. 651, „I. Introduction“, linke Spalte, Absatz 1 und
Figur 2 i. V. m. S. 652 „A. Detection of Intensity Changes“, linke Spalte, Absatz 1,
sowie SEUL et al., 2000 (NK26), dort insbesondere S. 81, „3.4.1 SIMPLE EDGE
DETECTION: DIFFERENCE OPERATORS“, Absätze 1 bis 4 i. V. m. S. 82, Fi-
- 22 -
gur 3.4.2 mit Figurenunterschrift, verwiesen, die letztlich beide vor dem Hinter-
grund einer angestrebten „subpixel accuracy“ insbesondere die Auswertung der
zweiten Ableitung des Grauwertintensitätsverlaufs von benachbarten Pixeln leh-
ren.

Das nebengeordnete Verfahren des Anspruchs 12 bzw. 11 beider Antragsfas-
sungen entspricht - bis auf die Nummerierung und eine Rückbezugsangabe in
letzterem Fall - dem Anspruch 12 gemäß Hauptantrag und leistet keinen eigenen
erfinderischen Beitrag. Jedenfalls wurde hierzu von der Beklagten nichts Gegen-
teiliges vorgetragen. Er teilt somit das Schicksal des jeweiligen Anspruchs 1 der
entsprechenden Hilfsanträge. Gleiches gilt auch für die jeweiligen Unteransprü-
che, zu denen von der Beklagten ebenfalls nichts weiter vorgetragen wurde, was
eine Patentfähigkeit begründen würde.

Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen kann daher dahinstehen, ob der Hilfs-
antrag 1 in vorliegender Form zulässig ist bzw. ob die seitens der Beklagten in
allen Antragsfassungen substantiiert angegriffenen Gegenstände einzelner Unter-
ansprüche tatsächlich so deutlich offenbart sind, dass ein Fachmann sie ausfüh-
ren kann (§§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 PatG).


III. Zum Hilfsantrag 3

Der Senat hat den in der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Hilfsan-
trag 3 nach § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG als verspätet zurückgewiesen.
Nach dieser Vorschrift kann das Patentgericht eine Verteidigung des Beklagten
mit einer geänderten Fassung zurückweisen, die nach Ablauf der Frist zur Stel-
lungnahme auf den qualifizierten Hinweis (§ 83 Abs. 2 PatG) vorgebracht wird,
und unter den Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 PatG ohne
weitere Ermittlungen entscheiden.

- 23 -
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 basiert auf der Fassung nach Hilfsantrag 2 und
enthält am Ende zusätzlich das folgende Merkmal:

Zur Offenbarung verweist die Beklage auf die erteilten Ansprüche 9 und 10 sowie
auf den vorletzten Satz in Absatz [0030] der Streitpatentschrift in Verbindung mit
Figur 8.
Die Klägerin, die die Antragsstellung als verspätet rügt, weist zu Recht darauf hin,
dass diese Merkmalskombination bisher nicht Gegenstand der Erörterungen zwi-
schen den Parteien gewesen sei. Aufgrund des bisherigen Vortrags der Beklagten
und deren Verteidigung mit dem Haupt- und den Hilfsanträgen war nach Auffas-
sung des Senats auch nicht ansatzweise damit zu rechnen, dass die Beklagte ei-
nen solchen Gegenstand beanspruchen werde. Zudem hatte die Klägerin bereits
in der Klageschrift gerügt, dass ein Fachmann die Erfindung teilweise nicht aus-
führen könne und hierzu die erteilten Ansprüche 9 bis 12 und 21 genannt. Eine
schriftsätzliche Äußerung der Beklagten hierzu erfolgte nicht, auch nicht, nachdem
der Senat im qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG angemerkt hatte, dass
hierzu eine Stellungnahme der Beklagten ausstehe und er sich vorläufig insoweit
der Ansicht der Klägerin anschließe. Daher mussten unter Berücksichtigung auch
dieses weiteren Gesichtspunkts weder der Senat noch die Klägerin damit rechnen,
dass die Ansprüche 9 und 10 sowie Absatz [0030] der Streitpatentschrift von der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Verteidigung des Streitpatents her-
angezogen werden würden.
Infolgedessen hätte die Berücksichtigung des neuen Hilfsantrags eine Vertagung
der mündlichen Verhandlung (§ 83 Abs. 4 Nr.1 PatG) unter dem Aspekt erforder-
lich gemacht, dass der Klägerin Gelegenheit gegeben hätte werden müssen, nach
einschlägigem Stand der Technik bezüglich dieses neuen Merkmals zu recher-
chieren. Auch die weiteren Voraussetzungen einer Zurückweisung liegen vor,
denn die Beklagte hat die Verspätung nicht genügend entschuldigt
(§ 83 Abs. 4 Nr.2 PatG). Die Belehrung nach § 83 Abs. 4 Nr.3 PatG erfolgte mit
dem Hinweis des Senats vom 1. Februar 2017.

- 24 -
B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1
Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf
§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


C.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils, spätestens
aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, durch einen Rechts- oder
Patentanwalt als Bevollmächtigten schriftlich beim Bundesgerichtshof, Her-
renstr. 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.


Voit Martens Albertshofer Dr. Wollny Bieringer

prö
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