4 StR 249/01 - 4. Strafsenat
Karar Dilini Çevir:
4 StR 249/01 - 4. Strafsenat
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 249/01 vom 23. Oktober 2001 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Genera l - bundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Oktober 2001 gemäß §§ 154 Abs. 2, 154 a Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: I. Das Verfahren wird auf Antrag des Generalbundesa n - walts 1. im Fall II 1 c der Urteilsgründe auf den Vorwurf des schweren Raubes beschränkt, 2. eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen Bedrohung verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des A n - geklagten. II. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 9. August 2000, s o - weit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben, 1. soweit der Angeklagte wegen schwerer räuber i - scher Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl und wegen Computerbetruges verurteilt worden ist, 2. im gesamten Rechtsfolgenausspruch. III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ve r - handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. - 3 - IV. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Grnde: Das Landgericht hat den Angeklagten "der schweren ruberischen E r - pressung in zwei Fllen, in einem Fall in Tateinheit mit Diebstahl, des schw e - ren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer ruberischer Erpressung, des Computerbetruges, des versuchten Computerbetruges, des gemeinschaftlichen Diebstahls, des versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls in zwei Fllen, in einem Fall in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Sachbeschdigung, der Körpe r - verletzung und der Bedrohung" schuldig gesprochen. Im brigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Es hat ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von si e - ben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in "einer Erziehungsanstalt" (richtig: Entziehungsanstalt) angeordnet. Mit seiner Revision rgt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. I. Das Verfahren gegen den Angeklagten wird im Fall II 1 c der Urteil s - grnde mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des schweren Raubes beschrnkt. Soweit der Angeklagte im Fall II 6 der Urteilsgrnde wegen Bedrohung verurteilt worden ist, wird das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Damit entfallen die Verurteilungen wegen tateinheitlich - 4 - versuchter schwerer ruberischer Erpressung und wegen Bedrohung in den genannten Fllen. II. Das Rechtsmittel hat zum Schuldspruch in den Fllen II 1 a und b der Urteilsgrnde und zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg, im brigen ist es unb e - grndet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen schwerer ruberischer E r - pressung in Tateinheit mit Diebstahl (Fall II 1 a der Urteilsgrnde) und wegen Computerbetruges (Fall II 1 b) hat keinen Bestand. Insoweit greift die von der Revision erhobene Rge der Verletzung des § 261 StPO durch. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Tterschaft des Ang e - klagten im Fall II 1 a der Urteilsgrnde (Überfall auf das Pizza-Bistro in De m - min gegen 19.10 Uhr) und im Fall II 1 b (Verwendung der bei dem Überfall e r - beuteten EC-Karte und der vom Tatopfer genannten Geheimnummer zur A b - hebung von Bargeld um 19.35 und 19.37 Uhr) auf Videoprints (Bd. I Bl. 22 d.A.) gesttzt. Es hat dazu u.a. ausgefhrt: "Der Angeklagte ist auf Videoprints, die gefertigt worden sind von einem Videofilm, der von der Überwachungskamera am Geldautomaten der Sparkasse Demmin, Zweigstelle Dargun aufgenommen wurde, eindeutig zu erkennen. Insbesondere die Nase, der Mund, die Augen und die Kopfform des Ang e - klagten stimmen mit der auf diesen Videoprints erkennbaren Person berein" (UA 20). - 5 - Daû die in Bezug genommenen Videoprints in Augenschein genommen worden wren, ist jedoch in dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht vermerkt. Die Einnahme eines Augenscheins ist eine wesentliche Förmlichkeit, deren Beurkundung durch § 273 Abs. 1 StPO vorgeschrieben ist. Schweigt das Pr o - tokoll ber die Einnahme eines Augenscheins, so gilt dieser wegen der B e - weiskraft des Protokolls nach § 274 S tPO als nicht erfolgt (BGH NStZ 1993, 51; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 31). Auch wenn dieses Ergebnis der wahren Sachlage widersprechen sollte, muû es als Konsequenz der dem § 274 StPO zugrundeliegenden gesetzgeberischen Entscheidung hingeno m - men werden (BGH NStZ 1993, 51 m.N.). Die Beweiskraft des Protokolls entfllt nur dann, wenn es offensichtliche Widersprche oder Lcken aufweist. Dann kann das Revisionsgericht das Protokoll im Wege des Freibeweises ergnzen (vgl. BGHSt 17, 220, 222; 31, 39, 41). Hier liegen die Voraussetzungen fr eine Ergnzung des Protokolls im Wege des Freibeweises jedoch nicht vor. Das Protokoll weist zwar aus, daû die Videoprints sowohl der in dem Pizza-Bistro berfallenen Zeugin St. als auch dem Polizeibeamten T. und dem Bankkaufmann O. im Rahmen ihrer Zeugenvernehmungen vorg e - halten und damit als Vernehmungshilfsmittel eingesetzt worden sind (Bd. III Bl. 270, 272, 299). Soweit das Protokoll darber hinaus keinen Hinweis darauf enthlt, daû die Videoprints dabei auch Gegenstand der Beweisaufnahme durch Augenschein wurden, liegt darin aber entgegen der Auffassung des G e - neralbundesanwalts keine offensichtliche Lcke des Protokolls. Es kann dahi n - stehen, ob es gngiger Praxis beim Vorhalt von Lichtbildern an Zeugen en t - spricht, daû alle Mitglieder des Gerichts den Beweisgegenstand in Auge n - - 6 - schein nehmen und allen Prozeûbeteiligten Gelegenheit gegeben wird, diesen zu besichtigen. Eine solche – im brigen nicht belegte - gngige Praxis der Strafkammer wrde eine Durchbrechung der negativen Beweiskraft des Prot o - kolls nicht rechtfertigen. Die vorliegende Fallgestaltung ist mit den Sachve r - halten, die den Entscheidungen des 3. Strafsenats (NStZ 1999, 424: Unterble i - ben der Verlesung des Anklagesatzes, der Belehrung ber die Aussagefreiheit sowie der Vernehmung zur Sache) und des 2. Strafsenats (Urteil vom 8. August 2001 – 2 StR 504/00 : fehlende Anwesenheit eines notwendigen Verteidigers an einem der Sitzungstage) nicht vergleichbar. Soweit der Angeklagte in den Fllen II 1 a und b verurteilt worden ist, beruht das Urteil auf dem Verfahrensfehler. Die Zeugin St. hat den Tter, der bei dem berfall eine gestrickte Maske trug, auf den ihr vorgelegten Vide o - prints, "die nach berzeugung der Kammer den Angeklagten A. zeigen", nicht erkannt (UA 22). Das Landgericht hat mithin insoweit seine berzeugung von der Tterschaft des Angeklagten auf den selbstndigen Beweiswert der Videoprints gesttzt, auf denen der Angeklagte “eindeutig zu erkennen” ist. 2. Der Rechtsfolgenausspruch hat insgesamt keinen Bestand. Die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf den zu den Tatzeiten zwischen 20 Jahre und 20 Jahre acht Monate alten Angeklagten begegnet aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 13. September 2001 (S. 6 ff.) zutreffend ausgefhrten Grnden, auf die der Senat Bezug nimmt, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte, bei dem Entwicklungsdefizite nicht vorhanden seien, habe bis zur Begehung der Straftaten eine gute Sozialisationsleistung gezeigt (UA 39), - 7 - ist durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt. Der Werdegang des A n - geklagten, insbesondere die von ihm von Anfang 1996 bis Mrz 1999 bega n - genen Straftaten, sein Drogenkonsum sowie die Tatsache, daû er nach dem Scheitern des Versuchs, im Jahr 1999 eine Lehre aufzunehmen, mit einer Cl i - que umherzog und keiner geregelten Arbeit nachging, lassen es zweifelhaft erscheinen, daû bei dem Angeklagten zur Tatzeit keine Reifeverzögerungen vorgelegen haben. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lût auch die Heirat des Angeklagten im April 1998 nicht ohne weiteres auf eine altersg e - rechte Entwicklung schlieûen, da der Angeklagte die Ehe mit einer Armenierin "traditionsgemû und auf Anraten seiner Eltern" schloû (UA 6) und zu seiner Ehefrau, die nach Armenien zurckkehren muûte, kaum Kontakte hat. Da nicht auszuschlieûen ist, daû sich die neu festzusetzende Strafe auf die verhngte Maûregel auswirken kann, hebt der Senat auch diese auf. Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

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