4. Senat - Feststellungsklage - "Verbandsklage" nach § 9 TVG - Anforderungen an den Klageantrag
Karar Dilini Çevir:
4. Senat - Feststellungsklage - "Verbandsklage" nach § 9 TVG - Anforderungen an den Klageantrag
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 4 AZR 371/10 7 Sa 36/09 Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes! Verkündet am 18. April 2012 URTEIL Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen 1. Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger zu 1., 2. Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger zu 2., pp. Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, - 2 - 4 AZR 371/10 - 3 - hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-arbeitsgericht Prof. Bepler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Creutzfeldt und Dr. Treber sowie die ehrenamtlichen Richter Steding und Rupprecht für Recht erkannt: 1. Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. Oktober 2009 - 7 Sa 36/09 - werden zurückgewiesen mit der Maßga-be, dass die Klagen als unzulässig abgewiesen werden. 2. Die Kosten der Revisionen haben die Klägerinnen zu gleichen Teilen zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Zulässigkeit von Feststellungsanträgen und in diesem Zusammenhang über die konkrete Anwendung der zwischen den klagenden Gewerkschaften und der Beklagten (eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts) geschlossenen Haustarifverträ-ge, bestehend aus Mantel- und Gehaltstarifvertrag vom 14. Mai 1957/30. November 1977 (im Folgenden: MTV und GTV). Der zwischen den Parteien geschlossene MTV enthält Regelungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen (Tarifziffer - TZ 250 ff.), zu den arbeitsver-traglichen Tätigkeitsbezeichnungen (TZ 311.1 f.), zu Grundsätzen der Eingrup-pierung und der Umgruppierung (TZ 410 ff.) und zur Gewährung von Funk-tionszulagen (TZ 434 f.). Im GTV sind die für die Eingruppierung maßgebenden Tätigkeitsmerkmale und Voraussetzungen (TZ 720 ff.) sowie sog. Richtposi-tionsbeschreibungen geregelt, denen insgesamt 18 Gehaltsgruppen zugeordnet sind. Seit dem Jahr 2003 überträgt die Beklagte Führungspositionen, die den drei Gehaltsgruppen 16 bis 18 zugeordnet sind, bei innerbetrieblichen Beset-1 2 - 3 - 4 AZR 371/10 - 4 - zungen zunächst nur befristet auf zwei bis fünf Jahre. Die betreffenden Arbeit-nehmer werden dabei nicht der maßgebenden Gehaltsgruppe zugeordnet, sondern erhalten für diesen Zeitraum eine Funktionszulage in Höhe der Diffe-renz zu der ihrer jeweiligen Führungsposition entsprechenden Gehaltsgruppe. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, diese Praxis der Be-klagten widerspreche den tariflichen Regelungen. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer müsse nach den tarifvertraglichen Bestimmungen vielmehr ab Übertragung der Aufgabe entsprechend der vertraglich festgelegten Tätigkeit erfolgen. Nach dem Tarifvertrag müsse eine Neueingruppierung mit Beginn der geänderten Tätigkeit vorgenommen werden, wenn die höherwertige Tätigkeit dauernd übertragen werde (TZ 414 MTV). „Dauernd“ entspreche nicht dem Begriff „nicht nur vorübergehend“ aus der TZ 727.1 GTV, der einen deutlich kürzeren Zeitraum zum Inhalt haben könne. Zudem seien Art und Umfang von Zulagen tariflich abschließend geregelt, was auch für die Funktionszulage in TZ 434 MTV gelte. Der MTV sehe eine Funktionszulage, wie sie die Beklagte zahle, nicht vor. Zudem sei die befristete Übertragung höherwertiger Tätigkeiten tarifwidrig. Die im MTV (TZ 250 bis 255) vereinbarten Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen seien auch auf die Befristung einzelner Arbeitsbedin-gungen anzuwenden. Die befristete Übertragung von Führungspositionen für die Dauer von zwei bis fünf Jahren zu Erprobungszwecken sei nach dem Tarifvertrag nicht möglich. Die Klägerinnen haben in der Revisionsinstanz - jeweils einzeln und bezogen auf ihre jeweiligen Mitglieder - noch beantragt: 1. Es wird festgestellt, dass es nicht zulässig ist, Arbeit-nehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglieder der Klägerin sind und deren von ihnen ausgeübte Tätig-keiten den Richtpositionsbeschreibungen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommen-den Gehaltstarifvertrages entsprechen, lediglich in die Gehaltsgruppen 14 oder 15 einzugruppieren und die Vergütungsdifferenz zur richtigen Gehaltsgruppe über Funktionszulagen auszugleichen. 3 4 - 4 - 4 AZR 371/10 - 5 - 2. Es wird festgestellt, dass die Befristung der Übertra-gung von Tätigkeiten, die nach den Richtpositions-beschreibungen den Gehaltsgruppen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommenden Gehaltstarifvertrages zuzuordnen sind, bei den Mitgliedern der Klägerin nicht zulässig ist. Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Die Feststellungs-anträge seien zu unbestimmt und daher unzulässig, weil sie die Namen der jeweiligen betroffenen Mitglieder der Klägerinnen nicht enthielten. Weiterhin fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Eine Höhergruppierung von Arbeitnehmern, denen höherwertige Tätigkeiten lediglich befristet übertragen werde, sehe der Tarifvertrag nicht vor. Eine zwei- bis fünfjährige Übertragung von Aufgaben erfolge weder „dauernd“ noch „nicht nur vorübergehend“ im tariflichen Sinne. Der Tarifvertrag sehe für die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit weder eine Höchstdauer vor noch seien die tariflichen Bestimmungen des MTV (TZ 250 ff.) einschlägig. Diese beträfen nur die Befris-tung von Arbeitsverhältnissen insgesamt und nicht diejenige einzelner Arbeits-bedingungen. Schließlich sei die Gewährung einer Funktionszulage zulässig. Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufungen der Klägerinnen hat das Landesarbeitsgericht die Klagen als unzulässig abgewie-sen. Mit den vom Bundesarbeitsgericht hinsichtlich der noch gestellten Anträge zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr bisheriges Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revisionen. Entscheidungsgründe Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet. Die von den Kläge-rinnen gestellten Anträge sind weder als allgemeine Feststellungsanträge nach § 256 Abs. 1 ZPO (unter I) noch unter besonderer Berücksichtigung der Vo-raussetzungen einer Klage nach § 9 TVG (unter II) zulässig. 5 6 7 - 5 - 4 AZR 371/10 - 6 - I. Die Anträge sind nicht auf die Feststellung eines von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzten Rechtsverhältnisses gerichtet. In der Folge fehlt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. 1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Be-stehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Ent-scheidung hat. a) Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache (st. Rspr., s. nur BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76 mwN). Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9; 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 122, 121). Hierzu gehört grundsätzlich auch die rechtliche Bewertung eines konkreten Verhaltens der Gegenseite. Namentlich die Rechtswidrigkeit des gegnerischen Verhaltens kann nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein (BGH 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74 - BGHZ 68, 331; Musielak/Foerste ZPO 9. Aufl. § 256 Rn. 2). Gleiches gilt für die Unwirksamkeit oder Wirksamkeit der Rechtshandlung einer Partei (BAG 21. Dezember 1982 - 1 AZR 411/80 - BAGE 41, 209; BGH 4. Juli 1962 - V ZR 206/60 - BGHZ 37, 331, 333; s. auch BAG 8. November 1957 - 1 AZR 274/56 - BAGE 5, 115: zur „Tarifwidrigkeit“ eines Arbeitsplatzbewertungsverfahrens; 14. April 1966 - 2 AZR 503/63 - zu IV der Gründe, BAGE 18, 223: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Nichtanrechnung; 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - BAGE 46, 322: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Arbeitskampfmaßnahme). 8 9 10 - 6 - 4 AZR 371/10 - 7 - b) Weiterhin muss das festzustellende Rechtsverhältnis grundsätzlich zwischen den Parteien bestehen. Geht es um die Feststellung eines Rechts-verhältnisses, an dem sie nicht beteiligt ist, handelt es sich um ein sog. Dritt-rechtsverhältnis. Ein solches kann zwar Inhalt eines Feststellungsantrages sein. Dann werden aber von der Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an das besondere Feststellungsinteresse gestellt. Die begehrte Feststellung muss gerade die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien berühren (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 190/08 - Rn. 42 mwN, AP TVG § 3 Nr. 48 = EzA TVG § 3 Nr. 34). Insbesondere muss der Kläger selbst von dem festgestellten Rechtsverhältnis in seinem Rechtskreis betroffen sein und ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung haben (zB BGH 25. Februar 1982 - II ZR 174/80 - BGHZ 83, 122, 125 f.; 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92 - BGHZ 123, 44; 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - NJW 2008, 69). Außer in den Fällen einer Prozess-standschaft mangelt es ansonsten an der Prozessführungsbefugnis des Klägers (MünchKommZPO/Becker-Eberhard 3. Aufl. § 256 Rn. 34; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 256 Rn. 3b). 2. Die begehrten Feststellungen betreffen kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern erstreben die Bewertung eines bestimmten Verhaltens der Beklagten gegenüber Arbeitnehmern, die Mitglieder der Klägerinnen sind, als „nicht zulässig“. Dabei kann dahinstehen, ob der Feststellungsantrag nicht schon des-halb unzulässig ist, weil die Anträge aufgrund des jeweils aufgenommenen Begriffs „nicht zulässig“ nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind. Mit ihm wird in der konkreten, von den Klägerinnen gebrauchten Form ein Unwerturteil ohne Einbeziehung oder gar den Ausspruch möglicher rechtlicher Folgen der Beanstandung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien begehrt. Die Beanstandung einer bestimmten betrieblichen Praxis eines tarifge-bundenen Arbeitgebers ist kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, son-dern allenfalls eine Vorfrage, auf die es für - kollektivrechtliche oder individual-rechtliche - Ansprüche ankommen mag. Eine Sachentscheidung des Senats 11 12 13 14 - 7 - 4 AZR 371/10 - 8 - über die gestellten Anträge würde auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens über die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers in einem Rechtsverhältnis zu einzelnen Dritten den tariflichen Vorgaben entspricht, hinauslaufen, das für sich selbst ohne unmittelbare rechtliche Folgen für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien bliebe. Die Erstellung von Rechtsgut-achten ist den Gerichten indes verwehrt (etwa BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76; 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - Rn. 19 mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19). 3. Die Anträge sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Feststellung eines sog. Drittrechtsverhältnisses zulässig. a) Die Unzulässigkeit der Anträge ergibt sich aus den vorgenannten Gründen (unter I 2) schon daraus, dass auch in Bezug auf die von den Maß-nahmen der Beklagten betroffenen tarifgebundenen Arbeitnehmer die rechtliche Bewertung eines Verhaltens beantragt wird, nicht aber die Feststellung eines zwischen diesen und der Beklagten bestehenden Rechtsverhältnisses. b) Weiterhin haben die Klägerinnen auch kein besonderes rechtlich geschütztes Interesse an der von ihnen verlangten Feststellung dargetan. Die in den jeweiligen konkreten Einzelmaßnahmen liegende - möglicherweise fehler-hafte - Tarifvertragsanwendung berührt lediglich die Rechtssphäre der betroffe-nen einzelnen tarifgebundenen Arbeitnehmer, denen selbst insoweit die Inan-spruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes obliegt. c) Eine Prozessstandschaft der Klägerinnen für die rechtlichen Interessen ihrer Mitglieder scheidet ungeachtet der die Arbeitnehmer nicht betreffenden Anträge aus. Eine Gewerkschaft hat keine Befugnis, Individualansprüche ihrer Mitglieder einzuklagen. Geht es um Rechte einzelner Arbeitnehmer, müssen diese selbst tätig werden (BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 91, 210). 15 16 17 18 - 8 - 4 AZR 371/10 - 9 - 4. Die Anträge sind auch keiner Auslegung zugänglich, die eine Sachent-scheidung ermöglichen würde (zu einer solchen Verpflichtung des Gerichts vgl. nur BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 11 mwN; 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9). a) Eine Auslegung des in den Anträgen jeweils enthaltenen Begriffs „nicht zulässig“ durch einen anderen, das erkennbare Interesse der Klägerinnen vollständig, aber nicht überschießend erfassenden Wortlaut ist nicht möglich. Nach dem Vorbringen der Klägerinnen ist ein Rechtsschutzziel, das mit der Feststellung eines Rechtsverhältnisses angestrebt werden soll, nicht hinrei-chend deutlich ersichtlich. Die Klägerinnen rügen in der Sache ein tarifwidriges Verhalten des Arbeitgebers, ohne dass erkennbar ist, worauf diese angestrebte rechtliche Bewertung im Ergebnis abzielt. Bei der erstmaligen Erhebung der zuletzt gestellten Anträge haben sie ausgeführt, die Parteien seien bei der Anwendung des Tarifvertrages hinsichtlich der umstrittenen befristeten Übertragung von Führungspositionen unterschiedlicher Ansicht, was auf eine unterschiedliche Auslegung des Tarifvertrages zurückzuführen sei. Es sei trotz zahlreicher Verhandlungen seit dem Jahr 2003 nicht gelungen, die Meinungsverschieden-heiten hierüber in Gesprächen beizulegen. Dies spricht dafür, dass es für die Klägerinnen selbst um eine abstrakte Auslegungsfrage des Tarifvertrages geht. Eine solche kann jedoch nur Gegenstand einer Feststellungsklage nach Maß-gabe der besonderen Voraussetzungen des § 9 TVG sein (dazu unter II). Gegenstand der Anträge und Bezugspunkt des gesamten Sachvortrages ist indes die konkrete Anwendungspraxis der Beklagten. b) Eine Auslegung der Anträge iSd. Klägerinnen kommt überdies nicht in Betracht, weil über das im Wortlaut des Antrages zu 1 beschriebene Verhalten der Beklagten kein Streit besteht. Dass Tätigkeiten, die den Richtpositionsbe-schreibungen der Gehaltsgruppen 16, 17 und 18 entsprechen, auch eine entsprechende Eingruppierung und Vergütungsverpflichtung zur Folge haben, ist evident und wird auch von der Beklagten so gesehen. Streitig ist allein die 19 20 21 22 - 9 - 4 AZR 371/10 - 10 - Frage, ob auch bei der befristeten Übertragung eine Tätigkeit nach diesen Richtpositionsbeschreibungen vorliegt. Diese ist nach dem Wortlaut des Antra-ges nicht Gegenstand der begehrten Feststellung. Auch der Sachvortrag der Klägerinnen zielt nicht auf diese Frage ab, sondern auf die Beanstandung der dargestellten Praxis der Beklagten. c) Gleiches gilt im Grundsatz für das im Antrag zu 2 beanstandete Verhal-ten der Beklagten. Seinem Wortlaut nach sind hiervon jegliche vorübergehen-den - auch ganz kurzfristige - Übertragungen von Tätigkeiten erfasst. Deren „Zulässigkeit“ bezweifeln selbst die klagenden Gewerkschaften nicht. Eine Auslegung des Antrages durch das Gericht müsste hier eine zeitliche Grenze ziehen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass der Streitgegenstand von den Klägerinnen bestimmt wird, nicht möglich. Die gebotene Einschränkung lässt sich dem klägerischen Vortrag nicht in hinreichend klarer Weise entnehmen. Zwar tragen die Parteien zu tatsächlichen Befristungen zwischen zwei und fünf Jahren vor. Dass die klagenden Gewerkschaften eine gleichartige Befristung von beispielsweise 18 Monaten für zulässig hielten, ergibt sich aus ihrem Vorbringen jedoch nicht. Im Übrigen zeigt ihr Vortrag, auch eine Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen bedürfe eines sie rechtfertigenden Sachgrundes, da es um die Ausgestaltung einzelner Arbeitsverhältnisse geht, die kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien betreffen. d) Eine Umdeutung der unzulässigen Anträge (dazu BGH 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - zu 1 der Gründe, NJW 2000, 354) in Leistungs-, nament-lich Unterlassungsanträge kommt vorliegend nicht in Betracht. Einen Unterlas-sungsantrag wollten die Klägerinnen erklärtermaßen gerade mit den Feststel-lungsanträgen nicht geltend machen. Zudem haben sie gegenüber der Beklag-ten in diesem Rechtsstreit in den Vorinstanzen von ihnen als Geltendmachung des „Durchführungsanspruchs“ bezeichnete - und vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesene - Leistungsanträge gestellt (etwa auf Verurteilung der Beklagten zur „Eingruppierung“). Dies steht der Annahme entgegen, auch die Feststellungsanträge beinhalteten einen Leistungsanspruch, dessen mögliches Rechtsschutzziel jedoch darüber hinaus nicht erkennbar wäre. 23 24 - 10 - 4 AZR 371/10 - 11 - II. Die Anträge sind auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 9 TVG zulässig. 1. Aus der in § 9 TVG vorausgesetzten Möglichkeit von Tarifvertragspar-teien, einen Prozess zur Feststellung eines abstrakten Rechtsverhältnisses zu führen, und der Bindungswirkung der darauf ergehenden gerichtlichen Ent-scheidung, ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Zulässigkeit eines in einem solchen Rechtsstreit gestellten Antrages. a) Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertra-ges ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bin-dend. Damit setzt § 9 TVG die Möglichkeit voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbe-dürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen (vgl. dazu näher BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehen Klagen. Sie spezifi-ziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarif-vertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarif-vertrages geführten Prozess. b) § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifver-trages mit einer möglichst einheitlichen Auslegung von Tarifbestimmungen zu unterstützen (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Die Vorschrift ordnet hinsichtlich der Wirkung einer Entscheidung über den Bestand oder die Auslegung eines Tarifvertrages deren Verbindlichkeit für Rechtsstrei-tigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten an. Damit entfaltet die Entscheidung in der Sache eine im gesetzlich benannten Geltungs- und Anwendungsbereich verbindliche Wirkung, die dem Geltungsan-spruch der auszulegenden Norm selbst entspricht, unabhängig davon, ob man 25 26 27 28 - 11 - 4 AZR 371/10 - 12 - dies auf eine subjektive Rechtskrafterstreckung zurückführt (so etwa Wiede-mann/Oetker TVG 7. Aufl. § 9 Rn. 10 ff.; Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertrags-recht § 4 Rn. 213; s. auch noch BAG 30. Mai 1984 - 4 AZR 512/81 - BAGE 46, 61, 64) oder sie unmittelbar als materiell-rechtlich normative Wirkung gleich derjenigen der Tarifnorm selbst ansieht (so Gamillscheg Kollektives Arbeits-recht Bd. I S. 551; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 81 ff.; ähnlich Kem-pen/Zachert TVG 4. Aufl. § 9 Rn. 4). c) Aus dieser Funktion der auch als sog. Verbandsklage bezeichneten Möglichkeit einer Feststellungsklage nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 9 TVG ergeben sich konkrete Anforderungen an den entsprechenden Klage-antrag. Für den Fall, dass es in einer Verbandsklage um die Auslegung einer Tarifnorm geht, sind im Antrag der fragliche Tarifvertrag, die betreffende Tarif-norm sowie umstrittene Tarifbegriffe zu benennen. Sodann ist der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene Auslegungsschritt zu formulieren. Die zwischen den Parteien - mit der in § 9 TVG geregelten weiter-reichenden Bindungswirkung - zu entscheidende Rechtsfrage hat die Verbin-dung eines abstrakten Tarifbegriffs mit einem - notwendig weniger abstrakten - ausgelegten Tarifbegriff zum Gegenstand. Auch letzterer muss jedoch abstrakt sein und darf sich nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen (vgl. zB den Tenor des Senatsurteils vom 15. Dezember 2010 - 4 AZR 197/09 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 215 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 137). Das Gericht darf keine Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechts-streit zu entscheiden. Die erweiterte Bindungswirkung eines sog. Verbandsklageurteils nach § 9 TVG ist auf den Tenor der Entscheidung begrenzt; die Urteilsgründe entfal-ten keine Bindungswirkung (s. nur Löwisch/Rieble § 9 Rn. 104). Demgemäß ist die von der klagenden Tarifvertragspartei gewählte Formulierung von maßge-bender Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstandes und die Reich-weite der streitigen und zu klärenden Rechtsfrage. Eine Auslegung des Antra- 29 30 31 - 12 - 4 AZR 371/10 - 13 - ges darf nicht dazu führen, dass über eine andere als die von der klagenden Partei gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird. 2. Diese Anforderungen erfüllen die Anträge nicht. Das ergibt sich bereits aus dem - hierzu in beiden Anträgen identischen - Wortlaut. Die begehrte Feststellung zielt nicht auf die im Wege der Auslegung gewonnene Konkretisie-rung eines Tarifbegriffs ab, sondern hat das konkrete Verhalten der Beklagten zum Gegenstand. Damit geht es nicht um eine abstrakte Auslegungsfrage aus dem Tarifvertrag. 3. Die Anträge können nicht in einer Weise ausgelegt werden, die zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt von § 9 TVG führt. Soweit sich die Kläge-rinnen für die Zulässigkeit ihrer Anträge ausdrücklich auf die Bestimmung des § 9 TVG beziehen, verkennen sie, dass sich diese nach ihrem Wortlaut nicht mit der Auslegung eines Tarifbegriffs, sondern mit der Anwendung verschiede-ner Tarifbestimmungen auf einen konkreten Lebenssachverhalt befassen. a) Die Klägerinnen haben noch in der Revisionsbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass der Antrag zu 1 das „Anwendungsergebnis“ feststellen solle, wonach „die Eingruppierung der Arbeitnehmer (in) die Gehaltsgruppen 14 oder 15 … unzulässig sein (soll)“, wenn höherwertige Tätigkeiten befristet übertragen werden. Die angestrebte Feststellung, dass eine bestimmte Maßnahme „nicht zulässig“ sei, ist kein abstraktes Auslegungsergebnis einer Tarifvertragsnorm, sondern lediglich eine Bewertung ihrer konkreten Anwendung. Dementspre-chend hätte eine Sachentscheidung über die gestellten Anträge auch eine Subsumtion des konkreten Verhaltens der Beklagten erfordert, was bei einer Verbandsklage nach § 9 TVG jedoch nicht statthaft wäre. b) Der Umstand, dass dem Rechtsstreit der Parteien letztlich die Ausle-gung von Tarifbegriffen zugrunde liegt, kann nicht zu einer Antragsumdeutung führen, die die Klage nach § 9 TVG zulässig macht. Die Klägerinnen verweisen noch in ihrer Revisionsbegründung darauf, die Eingruppierungs- und Vergütungspraxis der Beklagten widerspreche den „im Streit stehenden tarifvertraglichen Eingruppierungsvorschriften des GTV im 32 33 34 35 36 - 13 - 4 AZR 371/10 - 14 - Zusammenhang mit dem MTV“. Dies verdeutlicht zwar, dass der vorliegende Rechtsstreit auf eine unterschiedliche Auslegung mehrerer Tarifnormen zurück-geführt werden kann. Deren Auslegung ist aber nicht zum Streitgegenstand erhoben worden. Eine Auslegung oder gar Umdeutung der gestellten Anträge in solche mit einem zulässigen Inhalt würde erfordern, dass seitens des Gerichts die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfragen über die Auslegung der maßge-benden Tarifbestimmungen in einem ersten Schritt ermittelt werden müssten, um sodann - in einem weiteren Schritt - den oder die konkreten Anträge über die für zutreffend gehaltene fallübergreifende abstrakte Auslegung zu formulie-ren. Angesichts der insbesondere bei einem Auslegungsrechtsstreit nach § 9 TVG gebotenen Bindung an die Parteianträge ist dem Gericht ein solches Vorgehen verwehrt. III. Der Senat ist - auch wenn sich seine Begründung auf andere Erwägun-gen stützt als diejenige des Landesarbeitsgerichts - nicht daran gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO und die Zurückver-weisung der Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht ist nur dann geboten, wenn die klagen-den Parteien nach dem Verfahrensverlauf nicht ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hatten, einen Antrag zu stellen, der den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO entspricht (vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 16, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat sich bereits in den Tatsacheninstanzen auf die Unzulässigkeit der Anträge berufen. Auf-grund dieses Vortrages und eines richterlichen Hinweises nach § 139 Abs. 1 ZPO in der Berufungsinstanz hatten die klagenden Parteien ausreichend Anlass, ihre Anträge zu korrigieren (vgl. BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37 ff. mwN, NZA-RR 2007, 495). 37 38 - 14 - 4 AZR 371/10 IV. Die Klägerinnen haben die Kosten der Revisionen zu tragen, weil sie erfolglos bleiben (§ 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO). Der Vorsitzende Richter am Bun-desarbeitsgericht Prof. Bepler ist in den Ruhestand getreten und daher an der Unterschriftsleis-tung gehindert. Creutzfeldt Treber Creutzfeldt Steding Rupprecht 39

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