4. Senat - Eingruppierung nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie NW - Anforderungsmerkmal "Mitarbeiterführung" - regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten
Karar Dilini Çevir:
4. Senat - Eingruppierung nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie NW - Anforderungsmerkmal "Mitarbeiterführung" - regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 4 AZR 549/09 14 Sa 1585/08 Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes! Verkündet am 18. Mai 2011 URTEIL Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin, pp. Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter, hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-arbeitsgericht Prof. Bepler, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Treber, die - 2 - 4 AZR 549/09 - 3 - Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Winter sowie den ehrenamtlichen Richter Pieper und die ehrenamtliche Richterin Plautz für Recht erkannt: 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Lan-desarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1585/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 18. September 2008 - 4 Ca 1096/08 - wird zurück-gewiesen. 2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten für die Zeit ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA). Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im me-chanischen Labor eingesetzt: Dort sind - neben dem Laborleiter - insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe Qualitätsprüfung-Metallografie im Zweischichtbetrieb tätig. Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Um-formtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu Industriekaufleuten und zu Verfahrensmechanikern werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu Verfahrensmechanikern ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des Ausbildungsplans und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei Schülerpraktikanten betreut. Grundsätzlich 1 2 - 3 - 4 AZR 549/09 - 4 - wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt. Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte ERA-Einführung schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung gemäß § 2 Nr. 4 ERA-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nord-rhein-Westfalens (ERA-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV, § 4 Nr. 3 ERA und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Auf-gabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 11 ERA mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das Anforderungsmerkmal „Kooperation“ gestützt war und der von der Paritätischen Kommission am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen. Mit der im Juni 2007 insoweit ergänzten Aufgabenbeschreibung des Klägers werden die einzelnen Anforderungsmerkmale des ERA bewertet. Das Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ ist der Stufe 1 zugeordnet, womit insoweit 0 Punkte vergeben worden sind. Aus dem Gesamtwert von 110 Punkten folgt eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 ERA. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu be-werten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in Entgeltgruppe 12 ERA ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche. 3 4 5 6 - 4 - 4 AZR 549/09 - 5 - Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Entgeltgruppe 12 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einzugruppieren ist. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung ver-treten, dass die Bewertung des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ be-inhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des Klägers nicht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Entscheidungsgründe Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers zu Unrecht stattgegeben. Die zulässige Klage ist un-begründet. I. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war nach den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG an die Berufungsbegründung noch zulässig. 1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revi-sionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10 mwN, BAGE 7 8 9 10 11 12 - 5 - 4 AZR 549/09 - 6 - 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Be-rufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzu-weisen, dass sie verworfen wird (im Ergebnis ebenso BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9, NZA 2011, 767; 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - zu 1 der Gründe mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - zu I 1 der Gründe, EzA ZPO § 519 Nr. 13). 2. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Ent-scheidung noch ausreichend angegriffen worden. a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11, NZA 2011, 767; 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - aaO). Die Berufungs-begründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 13 14 - 6 - 4 AZR 549/09 - 7 - 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinander-setzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vor-bringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - aaO). b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 28. November 2008 noch. aa) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Es könne offenbleiben, ob das besondere Verfahren nach § 7 ERA-ETV als Schiedsgutachterabrede interpretiert werden müsse mit der Folge, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission nur auf grobe Unbilligkeit zu überprüfen wäre. Auch könne offenbleiben, ob die Paritätische Kommission sich mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ beschäftigt habe. Der Kläger habe jedenfalls keine Tatsachen dargelegt und unter Beweis gestellt, aus denen sich eine Bewertung dieses Anforderungsmerkmales mit fünf Punk-ten ergebe. In der Regel sei das Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, wenn zur Erfüllung eines bestimmten Aufgaben-zweckes andere, in der Regel geringer qualifizierte Beschäftigte zugeteilt seien. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Allein vom zeitlichen Umfang der Betreuung der Auszubildenden und Praktikanten handele es sich um eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung. Eine regelmäßige Betreuung sei nicht ersichtlich, diese Anforderung sei auch nicht charakteristisch für die dem Kläger übertragene Aufgabe. Zudem seien die Auszubildenden und Praktikanten dem Kläger nicht zur Erfüllung seiner Aufgabe zugewiesen. Werkstoffprüfer würden nicht ausgebildet, es gehe nur um ein allgemeines Kennenlernen des Berufs-bildes. bb) In der Berufungsbegründungsschrift setzt sich der Kläger mit ver-schiedenen Aspekten, die Grundlage der arbeitsgerichtlichen Entscheidung waren, auseinander. Dazu gehört insbesondere - wenn auch ohne ausdrück- 15 16 17 - 7 - 4 AZR 549/09 - 8 - liche wörtliche Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil -, in welchen Punkten tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil aus seiner Sicht fehlerhaft ist. In dieser Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten der Urteilsgründe, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheits-zeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Aus-bildungsinhalte im mechanischen Labor, unter teils wiederholendem, teils vertiefendem Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen liegt eine zumindest implizite und damit noch ausreichende Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts. II. Die Klage ist hinsichtlich des allgemein üblichen Eingruppierungsfest-stellungsantrages bei gebotener Auslegung zulässig. Der Antrag ist darauf gerichtet festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Januar 2007 Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu zahlen. III. Die Klage ist jedoch unbegründet. Es besteht kein Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die Voraussetzungen der Bewertungsstufe 2 des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ in der Tätigkeit des Klägers nicht erfüllt. 1. Es kann - auch nachdem die Parteien dies im Revisionsverfahren nicht weiter erörtert haben - offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein zwischen den Betriebsparteien vereinbartes besonderes Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren gem. § 7 ERA-ETV und § 4 Nr. 3 ERA die gerichtliche Überprüfung der Eingruppierung einschränkt. Weiterhin muss der Senat auch nicht darüber befinden, ob der Umstand von Bedeutung ist, dass ein solches Verfahren zwar in einer Betriebsvereinbarung vereinbart und eine Paritätische Kommission eingerichtet worden ist, es jedoch nicht zu einer abschließenden Entscheidung einer tariflichen Einigungsstelle iSd. § 7 Nr. 4 ERA-ETV ge-kommen ist. Jedenfalls ist die Klage auch bei einer uneingeschränkten gericht-lichen Überprüfung unbegründet. 18 19 20 - 8 - 4 AZR 549/09 - 9 - 2. Die maßgebenden Eingruppierungsbestimmungen des ERA, das nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung findet, lauten wie folgt: „§ 2 Allgemeine Bestimmungen zur Eingruppierung … 2. Der Beschäftigte hat Anspruch auf Vergütung ent-sprechend der Entgeltgruppe, in die er eingruppiert wurde. 3. Grundlage der Eingruppierung des Beschäftigten ist die Einstufung der übertragenen und auszu-führenden Arbeitsaufgabe. Die Arbeitsaufgabe kann eine Einzelaufgabe beinhalten oder einen Aufgaben-bereich umfassen. Bei der Einstufung der Arbeitsaufgabe nach dem in § 3 bestimmten Punktbewertungsverfahren erfolgt eine ganzheitliche Bewertung der Arbeitsaufgabe, die alle übertragenen und auszuführenden Tätig-keiten umfasst, unabhängig davon, wie oft und wie lange diese ausgeführt werden. Bei dieser Bewertung ist bei dem Anforderungs-merkmal ‚Können’ das höchste für die Arbeitsauf-gabe erforderliche Könnensniveau für die Einstufung der übertragenen Arbeitsaufgabe entscheidend. Bei den Anforderungsmerkmalen ‚Handlungs- und Entscheidungsspielraum’, ‚Kooperation’ und ‚Mit-arbeiterführung’ ist eine Gewichtung danach vorzu-nehmen, ob und inwieweit die Tätigkeiten die Arbeitsaufgabe insgesamt prägen. … § 3 Punktbewertungsverfahren 1. Grundlage der Einstufung einer Arbeitsaufgabe sind folgende Anforderungsmerkmale: 1. Können (…) 2. Handlungs- und Entscheidungsspielraum 3. Kooperation 4. Mitarbeiterführung. Für jedes Anforderungsmerkmal werden Be-wertungsstufen gebildet, diesen Bewertungsstufen Punktwerte zugeordnet und damit eine Gewichtung 21 - 9 - 4 AZR 549/09 - 10 - zueinander festgelegt. Die Begriffsbestimmungen und Bewertungsstufen der Anforderungsmerkmale ergeben sich aus Anlage 1a dieses Tarifvertrags. 2. Es werden 14 Entgeltgruppen gebildet und diesen Gesamtpunktspannen wie folgt zugeordnet. Entgeltgruppe (EG) Gesamtpunktspanne … … 11 102 - 112 12 113 - 128 … … 3. Der Gesamtpunktwert einer Arbeitsaufgabe und damit ihre Zuordnung zu einer der 14 Entgeltgruppen ergibt sich aus der Addition der Punktwerte der für die Arbeitsaufgabe jeweils zutreffenden Bewertungs-stufe der vier Anforderungsmerkmale. Der tarifliche Punktbewertungsbogen ist als Anlage 1b Bestandteil dieses Tarifvertrags.“ In der Anlage 1a, Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“, heißt es: „Mit dem Anforderungsmerkmal ‚Mitarbeiterführung’ werden die vom Beschäftigten geforderten Voraus-setzungen beschrieben, im Rahmen der übertragenen und auszuführenden Arbeitsaufgabe zur Erreichung des Arbeitsergebnisses andere Beschäftigte fachlich anzu-weisen, anzuleiten und zu unterstützen, die Kooperation zu fördern, Arbeitsziele vorzugeben oder zu vereinbaren, Beschäftigte zur Zielerfüllung einzusetzen, sie zu fördern und damit zu motivieren. Der Grad der Führung wird wesentlich mitbestimmt von der Anzahl der zu führenden Beschäftigten und dem von ihnen abgeforderten Anforderungsniveau.“ In der „Anlage 1b - Punktbewertungsbogen zur Bewertung von Arbeits-aufgaben“, Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“, heißt es: „Bewertungsstufen für die Arbeitsaufgabe Punktwert 1 Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben erfordert kein Führen. 0 2 Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben erfordert, Beschäftigte fachlich anzu-5 22 23 - 10 - 4 AZR 549/09 - 11 - weisen, anzuleiten und zu unter-stützen. 3 Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben erfordert, Beschäftigte zur Ziel-erreichung zweckmäßig einzusetzen, zu unterstützen, zu fördern und zu motivieren. 10 4 … 20“ 3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht zur Auslegung der Ein-gruppierungsbegriffe des ERA das Gemeinsame ERA-Glossar des Verbandes METALL NRW und der IG Metall Bezirksleitung NRW vom 20. Dezember 2005 (ERA-Glossar) herangezogen, dessen Regelungscharakter als „gemeinsame Erläuterungen der wichtigsten tariflichen Fachbegriffe des ERA“ und „ge-meinsame Beschreibung und Auslegung von Begriffen des ERA“ die Tarifver-tragsparteien im Vorwort dieses Glossars (S. 3) klargestellt haben. Darin heißt es ua.: „VI. Anforderungsmerkmal ‚Mitarbeiterführung’ Gemäß ERA-Anlage 1a werden mit dem Anforderungs-merkmal ‚Mitarbeiterführung’ die vom Beschäftigten geforderten Voraussetzungen beschrieben, im Rahmen der übertragenen und auszuführenden Arbeitsaufgabe zur Erreichung des Arbeitsergebnisses andere Beschäftigte fachlich anzuweisen, anzuleiten und zu unterstützen, die Kooperation zu fördern, Arbeitsziele vorzugeben oder zu vereinbaren, Beschäftigte zur Zielerfüllung einzusetzen, sie zu fördern und damit zu motivieren. Der Grad der Führung wird wesentlich mitbestimmt von der Anzahl der zu führenden Beschäftigten und dem von ihnen abgeforderten Anforderungsniveau. 1. Begriffe … 2. Bewertungsstufen (Mitarbeiterführung) Kein Führen erforderlich (Bewertungsstufe 1) Diese Stufe ist eine ‚Null-Stufe’, da die Erforderlichkeit des Führens in seinen verschiedenen Ausprägungen nicht zum Inhalt der Arbeitsaufgabe gehört. Der Zuordnung zu dieser Bewertungsstufe widerspricht 24 - 11 - 4 AZR 549/09 - 12 - nicht • die nur kurzzeitige gelegentliche Zuordnung anderer Beschäftigte, z.B. Helfer bei Unter-stützungsmaßnahmen, • die nur gelegentliche Betreuung von Auszu-bildenden, Praktikanten, Leiharbeitnehmer etc. während des Betriebsdurchlaufes. Fachliches Anweisen, Anleiten und Unterstützen von Beschäftigten (Bewertungsstufe 2) Diese Stufe beinhaltet im Rahmen der eigenen Arbeits-aufgabe das fachliche Führen im Hinblick auf Anweisen, Anleiten und/oder Unterstützen gegenüber anderen Beschäftigten. Üblicherweise handelt es sich in dieser Bewertungsstufe um Arbeitsaufgaben von Vorarbeitern im bisherigen gewerblichen und von Gruppenleitern im bisherigen Angestelltenbereich. Gleichermaßen zählen auch die Arbeitsaufgaben solcher Beschäftigten dazu, denen zur Erfüllung eines bestimmten betrieblichen Aufgaben zweckes andere i.d.R. geringer qualifizierte Beschäftigte zugeteilt sind, z.B. Maschinen- oder Anlagenführer mit Helfer; Techniker mit Service-personal u. Ä. sowie die regelmäßige Betreuung von Auszubildenden, Praktikanten, Leiharbeitnehmer etc. Zweckmäßiger Einsatz, Unterstützen, Fördern und Motivieren von Beschäftigten (Bewertungsstufe 3) Die Arbeitsaufgabe beinhaltet die Wahrnehmung von disziplinarischer Mitarbeiterführung (= Personalver-antwortung) gegenüber anderen Beschäftigten. … Entwickeln von Zielen, zweckmäßiger Einsatz, Unter-stützen, Fördern und Motivieren von Beschäftigten (Bewertungsstufe 4) Im Unterschied zur Bewertungsstufe 3 handelt es sich um Führungsaufgaben, bei denen eigene Ziele entwickelt bzw. eigene Entscheidungen über Ziele innerhalb der eigenen Führungs- bzw. Organisationseinheit getroffen werden. …“ - 12 - 4 AZR 549/09 - 13 - 4. In der Tätigkeit des Klägers sind entgegen der Auffassung des Landes-arbeitsgerichts die Voraussetzungen der Bewertungsstufe 2 des An-forderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nicht erfüllt, weshalb die dafür vorgesehenen fünf Bewertungspunkte nicht erreicht werden. Unter Berück-sichtigung von - zwischen den Parteien unstreitig - 110 Bewertungspunkten für die Anforderungsmerkmale „Können“, „Handlungs- und Entscheidungsspiel-raum“ und „Kooperation“ erreicht die Tätigkeit des Klägers somit nicht die für die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 12 ERA erforderlichen 113 Mindestgesamtpunkte. a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass - neben der zwischen den Parteien unstreitigen Bewertung der Anforderungsmerkmale „Können“, „Handlungs- und Entscheidungsspielraum“ und „Kooperation“ - das Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nach der Bewertungsstufe 2 mit fünf Punkten zu bewerten sei. Der Kläger habe als Werkstoffprüfer im mechani-schen Labor regelmäßig Auszubildende und Praktikanten zu betreuen, womit die Voraussetzungen des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“, Be-wertungsstufe 2, nach dem ERA-Glossar erfüllt seien. Die Regelmäßigkeit einer Tätigkeit hänge nicht davon ab, dass sie zeitlich überwiegend anfalle, sie müsse nur vorhersehbar und immer wieder in einem zeitlich nicht nur unerheb-lichen oder gelegentlichen Umfang vorkommen. Vorliegend falle die Betreuung der Auszubildenden und Schülerpraktikanten über das Jahr vorhersehbar und in einem zeitlich erheblichen Umfang von 10 bis 12,5 % der jährlichen Arbeits-tage des Klägers an. Unerheblich sei, dass keine Werkstoffprüfer ausgebildet würden, da eine vierwöchige Ausbildungszeit im mechanischen Labor für jeden Auszubildenden im Betrieb der Beklagten - sowohl bei gewerblicher als auch bei kaufmännischer Ausbildung - vorgesehen sei und die jährliche Prüfungsvor-bereitung der Auszubildenden zum/r Verfahrensmechaniker/in hinzukomme. Unerheblich sei dabei, dass die Betreuung der Auszubildenden und Praktikan-ten nicht rund um die Uhr erfolge. Darüber hinaus präge die regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten die Arbeitsaufgabe an-forderungsentsprechend, da diese Betreuung zum Arbeitsalltag im 25 26 - 13 - 4 AZR 549/09 - 14 - mechanischen Labor gehöre, vergleichbar der Führungstätigkeit eines Vor-arbeiters oder Gruppenleiters. b) Damit hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen der Be-wertungsstufe 2 des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ verkannt. Die dafür erforderliche Prägung der Arbeitsaufgabe liegt bei einer Tätigkeit wie der des Klägers, der selbst nach der von der Revision angegriffenen Berechnung des Landesarbeitsgerichts mit aufgerundet 15 vH der Arbeitstage nur gelegent-lich mit der Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten befasst ist, nicht vor. Ein solcher Betreuungsumfang ist von der Bewertungsstufe 1 des An-forderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ erfasst. aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (zu den Kriterien vgl. ua. 4. April 2001 - 4 AZR 180/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 97, 271) und ist - wie auch die Auslegung von Gesetzen selbst - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (st. Rspr., zB BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240). bb) Nach dem Tarifwortlaut, der mit dem tariflichen Gesamtzusammenhang bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages maßgebend zu berücksichtigen ist (BAG 4. April 2001 - 4 AZR 180/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 97, 271), erfordert das Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ in der Bewertungsstufe 2 Beschäftigte fachlich anzuweisen, anzuleiten und zu unter-stützen (Anlage 1b zum ERA, Punktbewertungsbogen zur Bewertung von Arbeitsaufgaben). Bei zutreffender Heranziehung des ERA-Glossars setzt dies für die Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten voraus, dass diese regelmäßig erfolgt. Im Unterschied dazu ist nach den Erläuterungen im ERA-Glossar in der Bewertungsstufe 1 des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiter-führung“ die nur gelegentliche Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten während des Betriebsdurchlaufes miterfasst, wobei unter dem Begriff „Betriebs-durchlauf“, der von den Tarifvertragsparteien nicht definiert worden ist, nach allgemeiner Wortbedeutung das Durchlaufen des gesamten Betriebes oder der 27 28 29 - 14 - 4 AZR 549/09 - 15 - für die Ausbildung relevanten Betriebsabteilungen oder Betriebsteile zu ver-stehen ist. Dieser Bewertungsunterschied entspricht der allgemeinen Be-stimmung zur Eingruppierung des § 2 Nr. 3 Abs. 3 ERA, wonach bei dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ eine Gewichtung danach vorzu-nehmen ist, ob und inwieweit die Tätigkeit die Arbeitsaufgabe insgesamt prägt. Der damit nach § 2 Nr. 3 Abs. 3 ERA und dem Wortlaut der Er-läuterungen im ERA-Glossar für die Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten ersichtliche Unterschied zwischen „gelegentlich“ und „regelmäßig“ spiegelt sich auch im Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung wider, da mit der nächsthöheren Bewertungsstufe 3 des Anforderungsmerkmales „Mit-arbeiterführung“ in der Erläuterung des ERA-Glossars bereits Personalver-antwortung im Sinne der Wahrnehmung disziplinarischer Mitarbeiterführung erfasst ist. cc) Für die Tätigkeit des Klägers ist nach den vorstehenden Maßstäben nur von einer gelegentlichen Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten auszugehen. Dies zeigt sich bereits am zeitlichen Umfang von aufgerundet 15 vH der Arbeitstage, womit bereits nicht von einer „Prägung“ der Arbeitsauf-gabe iS der allgemeinen Bestimmung zur Eingruppierung des § 2 Nr. 3 Abs. 3 ERA gesprochen werden kann. Dieser Betreuungsumfang ist nicht als „regel-mäßig“, sondern nur als „gelegentlich“ zu bezeichnen. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass dabei keine Ausbildung von Werkstoffprüfern stattfindet, sondern die Auszubildenden anderer Berufe im Betriebsdurchlauf betreut werden, für die zutreffende Bewertung nach der Bewertungsstufe 1 des An-forderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“. 30 31 - 15 - 4 AZR 549/09 IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 91 ZPO zu tragen. Bepler Treber Winter Pieper Plautz 32

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