4. Senat - Auslegung einer tariflichen Entgeltsicherungsklausel - § 11 Abs 6 ERTV Deutsche Telekom AG - Wechsel von sog. Nichtvertriebstätigkeit in eine Vertriebstätigkeit
Karar Dilini Çevir:
4. Senat - Auslegung einer tariflichen Entgeltsicherungsklausel - § 11 Abs 6 ERTV Deutsche Telekom AG - Wechsel von sog. Nichtvertriebstätigkeit in eine Vertriebstätigkeit
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 4 AZR 644/08 5 Sa 2572/07 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes! Verkündet am 27. Januar 2010 URTEIL Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen 1. Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin zu 1), 2. Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin zu 2), pp. Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte, - 2 - 4 AZR 644/08 - 3 - hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Bun-desarbeitsgericht Prof. Bepler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Creutzfeldt und Dr. Treber sowie die ehrenamtlichen Richter Schmalz und Weßelkock für Recht erkannt: 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Lan-desarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Mai 2008 - 5 Sa 2572/07 - aufgehoben. 2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. November 2007 - 76 Ca 12100/07 - wird zurückgewiesen. 3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revi-sion zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die zutreffende Entgeltstufe für die Vergütung der Klägerin nach einem Entgeltgruppenwechsel. Die gewerkschaftlich organi-sierte Klägerin war bis zum 24. Juni 2007 bei der Beklagten zu 1) und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galt kraft beider-seitiger Tarifbindung der Entgeltrahmentarifvertrag der Deutschen Telekom AG idF vom 7. Juni 2006 (ERTV) und der Entgelttarifvertrag der Deutschen Telekom AG idF vom 7. Juni 2006 (ETV). Bis zum Ende des Monats November 2006 arbeitete die Klägerin in der Privatkundenniederlassung N der Beklagten zu 1). Sie erhielt eine Vergütung nach der Entgelttabelle für Arbeitnehmer, die nicht in Vertriebsfunktionen beschäftigt sind (Entgeltgruppen T), nach der Entgeltgruppe T 4, Gruppenstufe 4, der Anlage 1b zu § 2 Abs. 1 ETV. Ab dem 1. Dezember 2006 wurde die Klägerin infolge einer Organisationsmaßnahme der Beklagten zu 1) auf dem Arbeitsplatz „Accounter Vertrieb/Kundenbetreuung Platin“ beschäftigt. Die Beklagte zu 1) ordnete diese Tätigkeit der Klägerin den 1- 3 - 4 AZR 644/08 - 4 - Entgelttabellen für Arbeitnehmer, die in Vertriebsfunktionen beschäftigt sind (Entgeltgruppen V), und dabei der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 1, der Anlage 2b zu § 3 Abs. 1 ETV zu. Eine Bewertung der Tätigkeit der Klägerin durch die tariflich vorgesehene Bewertungskommission fand nicht statt. Nach der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 1 ETV ergab sich für die Klägerin ein geringeres Bruttomonatsentgelt gegenüber ihrer vorherigen Tätig-keit. Im Monat April 2007 änderte die Beklagte zu 1) die Entgeltabrechnungen der Klägerin rückwirkend zum 1. Januar 2007, behielt die nach ihrer Auffassung erfolgten Überzahlungen im ersten Quartal 2007 ein und zahlte auch nach-folgend nur das geringere Entgelt. Mit Schreiben vom 7. Mai 2007 widersprach die Klägerin den Kürzungen und verlangte die einbehaltenen Abzüge, was die Beklagte zu 1) ablehnte. Zum 25. Juni 2007 übernahm die Beklagte zu 2) den Betrieb im Wege eines Betriebsübergangs. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von beiden Beklagten die Differenz zwischen den Monatsentgelten der vormaligen Entgeltgruppe T 4, Gruppen-stufe 4 ETV und der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 1 ETV für die Monate Januar bis Mai 2007 sowie die Feststellung einer Vergütungspflicht nach der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 3 ETV. Der Wechsel von der Entgeltgruppe T 4 ETV zur Entgeltgruppe V 2 ETV sei eine Höhergruppierung iSd. tariflichen Entgeltsicherungsklausel des § 11 Abs. 6 ERTV. Deshalb schuldeten ihr die Beklagten das Entgelt derjenigen Gruppenstufe der Entgeltgruppe V 2 ETV, welches am nächsten über ihrem bisherigen Monatsentgelt liege. Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - in der Sache zuletzt beantragt, 1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 833,42 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins-satz seit dem 27. Juli 2007 zu zahlen, 2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) seit dem 25. Juni 2007 verpflichtet ist, die Klägerin gemäß der Entgeltgruppe V 2, Stufe 3 der Anlage 2b des Ent-gelttarifvertrages in der Fassung des Änderungstarif-vertrages vom 7. Juni 2006 (Deutsche Telekom AG) zu vergüten. 234- 4 - 4 AZR 644/08 - 5 - Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. § 11 Abs. 6 ERTV könne schon deshalb nicht herangezogen werden, weil das in § 5 ERTV vorgesehene Eingruppierungsverfahren durch die tarifliche Bewertungs-kommission noch nicht abgeschlossen sei. Zudem könne § 11 Abs. 6 ERTV bei einem Wechsel von den Entgeltgruppen T zu denen der Gruppe V nur mit der Maßgabe angewendet werden, dass die Tabellenentgelte der Gruppe T mit einem Faktor von 90 vH umzurechnen seien. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Mit der vom Landes-arbeitsgericht zugelassenen Revision streben die Beklagten die Wieder-herstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Die Klägerin beantragt die Zurück-weisung der Revisionen. Entscheidungsgründe Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgeben. Die Klage ist unbegründet. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung der klageabweisenden Ent-scheidung erster Instanz. I. Die Klage ist insgesamt zulässig. Bei dem Eingruppierungsfeststel-lungsantrag besteht auch hinsichtlich der aufgeführten Entgeltstufe das er-forderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Dieses liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats bei der Feststellung einer konkreten Entgeltstufe vor, wenn neben der Entgeltgruppe die Zuordnung zu einer Ent-geltstufe zwischen den Parteien - wie vorliegend - umstritten ist und durch den Feststellungsantrag dieser umstrittene Teil eines Vergütungsanspruchs zwi-schen den Parteien rechtskräftig geklärt und weitere gerichtliche Auseinander-setzungen vermieden werden können (BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 15, BAGE 124, 240; 25. Januar 2006 - 4 AZR 613/04 - Rn. 13, 5678- 5 - 4 AZR 644/08 - 6 - AP BAT-O § 27 Nr. 4; 21. Februar 2007 - 4 AZR 242/06 - Rn. 10, ZTR 2007, 616). II. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Die Klägerin kann für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2007 weder ihr vormaliges Entgelt beanspruchen noch die begehrte Stufenzuordnung in Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV verlangen. Bei einem Wechsel von einer Tätigkeit iSd. Entgeltgruppen T des ETV in eine Tätigkeit, in der Vertriebsfunktionen ausgeübt werden und die Entgeltgruppen V maßgebend sind, handelt es sich nicht um eine Höher-gruppierung iSd. § 11 Abs. 6 ERTV. Das ergibt die Auslegung des ERTV und des ETV (zu den Maßstäben der Auslegung etwa BAG 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - zu I 2 a bb [2] [c] [bb] der Gründe, BAGE 113, 291, 299). Dabei muss der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob einer Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV im vorliegenden Fall bereits entgegensteht, dass es an einer abschließenden Entscheidung der tariflichen Bewertungs-kommission nach § 4 und § 5 ERTV hinsichtlich der von der Klägerin aus-geübten Tätigkeit fehlt, wie es die Beklagten meinen, oder ob - was näher liegt und auch vom Landesarbeitsgericht angenommen wurde - der im An-wendungsbereich des ERTV nach dessen § 10 Abs. 1 und 2 bestehende Grundsatz der Tarifautomatik (vgl. BAG 14. November 2007 - 4 AZR 945/06 - Rn. 21 ff., NZA-RR 2008, 358) dazu führt, dass der Vergütungsanspruch bereits aus der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale folgt, ohne dass es einer Maßnahme des Arbeitgebers oder einer Bewertung einer tariflichen Kommission nach bestimmten Vorgaben bedarf. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von letzterem ausgeht, ist ihr Begehren unbegründet. 1. Für das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist im Verhältnis zur Beklagten zu 1) der ERTV nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG und gegenüber der Beklagten zu 2) sind dessen Bestimmungen nach den Feststellungen des Landesarbeits-gerichts infolge des Betriebsübergangs von der Beklagten zu 1) auf diese jedenfalls nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB maßgebend. 91011- 6 - 4 AZR 644/08 - 7 - 2. Ob das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Recht-sprechung des Senats aufgrund des übereinstimmenden Vortrags der Parteien in den Tatsacheninstanzen und der vorläufigen Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zur Entgeltgruppe V 2 ETV durch die Beklagte zu 1) anhand einer pauschalen, nicht näher begründeten Überprüfung davon ausgehen konnte, die Klägerin erfülle das Tätigkeitsmerkmal dieser Entgeltgruppe (vgl. zum Maßstab der pauschalen Überprüfung etwa BAG 22. April 2009 - 4 AZR 166/08 - Rn. 21, ZTR 2009, 581; 25. Januar 2006 - 4 AZR 613/04 - AP BAT-O § 27 Nr. 4; 12. Mai 2004 - 4 AZR 371/03 - mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 301) oder es hierzu an ausreichenden Feststellungen fehlt, wie die Revision nunmehr gel-tend macht, und bereits deshalb nicht von einer Tätigkeit der Klägerin aus-gegangen werden kann, die das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe V 2 ETV erfüllt, kann dahinstehen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von erste-rem ausgeht, kann sie keine Vergütung nach der Entgeltstufe 3 dieser Entgelt-gruppe in Anwendung von § 11 Abs. 6 ERTV beanspruchen. a) Die maßgebende Bestimmung des § 11 ERTV lautet ua.: „§ 11 Gruppenstufen (1) Der Arbeitnehmer ist entsprechend seiner Be-schäftigungszeit innerhalb derselben Entgeltgruppe einer Gruppenstufe zugeordnet (Gruppenstufenzugehörigkeit). (2) Es erhalten Arbeitnehmer mit einer Gruppenstufen-zugehörigkeit bis zu 1 Jahr das Monatsentgelt der Stufe 1, von mehr als 1 Jahr das Monatsentgelt der Stufe 2, von mehr als 2 Jahren das Monatsentgelt der Stufe 3, von mehr als 3 Jahren das Monatsentgelt der Stufe 4. (3) Als Dauer der Beschäftigung im Sinne von Absatz 1 gelten die Zeiten einer Beschäftigung in der Ein-gruppierungsentgeltgruppe seit dem Zeitpunkt der Ein-gruppierung sowie einer während dieser Zeit erfolgten vorübergehenden Beschäftigung in einer anderen Entgelt-gruppe. Zeiten einer vorübergehenden Beschäftigung in einer höheren Entgeltgruppe sind bei der Zuordnung in die Gruppenstufe im Falle der Höhergruppierung anzu-erkennen, soweit hierfür eine Tätigkeitszulage gezahlt wurde. 1213- 7 - 4 AZR 644/08 - 8 - ... (6) Bei einer Höhergruppierung erhält der Arbeitnehmer so lange das Monatsentgelt nach der Gruppenstufe der höheren Entgeltgruppe, das am nächsten über seinem bisherigen Monatsentgelt liegt, bis ihm aufgrund seiner Beschäftigungszeit in der neuen Entgeltgruppe eine höhere Gruppenstufe zusteht. Die für die Gruppenstufe der höheren Entgeltgruppe geforderte zeitliche Mindest-zugehörigkeit gilt als erfüllt. ...“ b) Bei der Umgruppierung der Klägerin von der Entgeltgruppe T 4 ETV in die Entgeltgruppe V 2 ETV anlässlich der Übernahme einer geänderten Tätig-keit handelt es sich nicht um eine Höhergruppierung im Sinne des § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 ERTV. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt eine Höhergruppierung iSd. § 11 Abs. 6 ERTV nicht bereits dann vor, wenn eine Arbeitnehmerin von einer Tätigkeit in den sogenannten Nichtvertriebs-entgeltgruppen in eine Vertriebstätigkeit wechselt, bei der das Grundentgelt der Entgeltstufe 1 höher ist als das der vormaligen Tätigkeit. Umgruppierungen zwischen den Entgeltgruppensystemen T und V werden von § 11 Abs. 6 ERTV nicht erfasst. aa) Der Begriff der Höhergruppierung beschreibt grundsätzlich die Zu-ordnung einer Tätigkeit des Arbeitnehmers zu einer höheren Entgeltgruppe als derjenigen, in welche er zuvor eingruppiert war (s. etwa Kaiser in Richardi/ Dörner/Weber BPersVG 3. Aufl. § 75 Rn. 51). Von daher ist es nicht aus-geschlossen, auch die Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit und die damit aufgrund der Tarifautomatik verbundene Umgruppierung - verstanden als Neueinreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Entgeltordnung, weil die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen derjenigen Entgeltgruppe entspricht, nach der er bisher eingruppiert ist (dazu ausf. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 51 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 38 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 41) -, die mit einem Wechsel des Entgeltgruppensystems verbunden ist, zugleich auch als Höhergruppierung zu erfassen. 1415- 8 - 4 AZR 644/08 - 9 - Hiergegen spricht allerdings im vorliegenden Zusammenhang bereits die Wortwahl der Tarifvertragsparteien des ERTV in dem bei der Beklagten zu 1) im Übrigen geltenden Tarifwerk. Die Tarifvertragsparteien erfassen den Wechsel von einer Vertriebs- in eine Nichtvertriebsentgeltgruppe terminologisch nicht als Fall einer Höhergruppierung oder Herabgruppierung. Soweit ein solcher Entgeltgruppenwechsel in dem bei der Beklagten zu 1) bestehenden Tarifwerk in § 1 Abs. 3 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des von den-selben Tarifvertragsparteien geschlossenen Tarifvertrages Rationalisierungs-schutz und Beschäftigungssicherung der Deutschen Telekom AG (TV-Ratio) behandelt wird („Erfolgt ein Wechsel von einer Vertriebs- in eine Nichtvertriebs-entgeltgruppe bzw. umgekehrt, …“), verwenden sie hierfür den abweichenden Begriff des „Wechsels“ der Entgeltgruppe. Demgegenüber enthalten die Abs. 1, 5 und Abs. 9 derselben Bestimmung des TV-Ratio die Begriffe der „Herab-gruppierung“ und der „Höhergruppierung“, was zeigt, dass sie den Fall des Entgeltgruppenwechsels bereits als etwas begrifflich anderes erfassen. Dementsprechend erfolgt die Bestimmung des zu sichernden Monatsentgeltes nach § 1 Abs. 3 Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio eigenständigen, von § 1 Abs. 2 Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio abweichenden Berechnungsregelungen. bb) Auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen ergibt sich, dass § 11 Abs. 6 ERTV den Wechsel von den Entgeltgruppen T zu denjenigen der Gruppen V oder umgekehrt nicht erfasst. (1) Die Regelung in § 11 Abs. 6 ERTV zur Entgeltstufenbestimmung bei Höhergruppierungen lässt sich nicht widerspruchsfrei auf Fälle des Entgelt-gruppenwechsels von den Entgeltgruppen T in eine der Entgeltgruppen V oder umgekehrt anwenden. Die Bestimmung, wann eine „Höhergruppierung“ iSd. § 11 Abs. 6 ERTV vorliegt, kann nach den tariflichen Regelungen nur für einen Aufstieg innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung der Vertriebs- und Nichtver-triebsentgeltgruppen festgestellt werden. Hier ergibt sich die höhere Ein-gruppierung sowohl anhand der tariflichen Tätigkeitsmerkmale als auch der 161718- 9 - 4 AZR 644/08 - 10 - Höhe des regelmäßigen Monatsentgelts (Regelentgeltgruppen nach den An-lagen 1b und 2b zum ETV) in den jeweiligen Entgeltgruppen. (a) Die tarifliche Bewertung der Entgeltgruppen V 1 und V 2 ERTV sowie der Entgeltgruppen T 4 und T 5 ERTV lautet nach den Anlagen 1b und 2b zum ETV ua.: Entgeltgruppe T 4 Tätigkeiten, die selbstständig nach allgemeiner Anweisung ausgeführt werden und für deren Ausführung Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die durch eine ab-geschlossene Berufsausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung im Tätigkeitsfeld erworben werden können. … Entgeltgruppe T 5 Tätigkeiten, die nach allgemeinen Richtlinien selbstständig und eigenverantwortlich ausgeführt werden und für deren Ausführung Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine entsprechende Berufserfahrung im Tätigkeitsfeld er-worben werden können. … Entgeltgruppe T 6 Schwierige Tätigkeiten, die nach allgemeinen Richtlinien selbstständig und eigenverantwortlich für einen ab-gegrenzten Teilbereich ausgeführt werden und für deren Ausführung Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die durch ein Studium oder eine abgeschlossene Berufs-ausbildung in Verbindung mit einjähriger Berufserfahrung im Tätigkeitsfeld erworben werden können. … … Entgeltgruppe V 1 Vertriebstätigkeiten, die nach allgemeinen Richtlinien selbstständig und eigenverantwortlich ausgeführt werden und für deren Ausführung Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene Berufs-ausbildung und eine entsprechende Berufserfahrung im Tätigkeitsfeld erworben werden können. … 19- 10 - 4 AZR 644/08 - 11 - Entgeltgruppe V 2 Schwierige Vertriebstätigkeiten, die nach allgemeinen Richtlinien selbstständig und eigenverantwortlich für einen abgegrenzten Teilbereich ausgeführt werden und für deren Ausführung Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die durch ein Studium oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in Verbindung mit einjähriger Berufs-erfahrung im Tätigkeitsfeld erworben werden können. … ...“ (b) Bei einer Änderung der Tätigkeit, die mit einem Wechsel von den Entgeltgruppen T zu denen der Entgeltgruppen V oder umgekehrt verbunden ist, können die genannten Maßstäbe nicht mehr herangezogen werden, da andere tarifliche Bewertungs- und Entgeltparameter von Bedeutung sind. Ein Rückgriff auf die abstrakten Merkmale der Entgeltgruppen zur Bestimmung der Wertigkeit der ausgeübten Tätigkeit ist zwischen den beiden Entgeltgruppen-ordnungen T und V nicht möglich. Es ist bereits offen, ob durch die Verwendung gleicher Merkmale innerhalb der einzelnen Tätigkeitsmerkmale der Entgelt-gruppen T und V eine gleiche tarifliche Wertigkeit beschrieben werden soll. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass beispielsweise die Be-wertung von Nichtvertriebstätigkeiten der Entgeltgruppe T 5 ERTV derjenigen von Vertriebstätigkeiten mit den im Übrigen gleichen Merkmalen der Entgelt-gruppe V 1 ERTV entspricht oder ob die Tarifvertragsparteien die Bewertung von Vertriebs- und Nichtvertriebstätigkeiten schon im Ansatz unterschiedlich beurteilen. Eine Orientierung an den regelmäßigen Bruttomonatsentgelten der Entgeltgruppen, die dem Wortlaut nach vergleichbare Merkmale aufweisen, würde zu anderen Ergebnissen führen. Danach erwiese sich der Wechsel von der Entgeltgruppe T 5 ERTV zur Entgeltgruppe V 1 ERTV nach den Anlagen 1b und 2b ETV als Höhergruppierung, umgekehrt wäre der Wechsel wegen des niedrigeren regelmäßigen Bruttomonatsentgelts als Rückgruppierung zu be-werten, nach den tariflichen Merkmalen wäre keine von beiden Bewertungen zutreffend. 20- 11 - 4 AZR 644/08 - 12 - (2) Die Bestimmung der zutreffenden Entgeltstufe nach § 11 Abs. 6 ERTV im Falle eines Wechsels zwischen den Entgeltgruppen V und T würde auch zu wenig nachvollziehbaren Ergebnissen führen, wenn man - wie es die Klägerin meint - die tarifliche Wertigkeit an den Oberbegriffen der Entgeltgruppen aus-richten würde, soweit sie dem Wortlaut nach vergleichbare Merkmale be-inhalten. (a) Im Rahmen der Entgelttabellen der Anlagen zu § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 ETV führt die Anwendung des § 11 Abs. 6 ETV bei einer Eingruppierung in einer höheren Entgeltgruppe innerhalb der Entgeltgruppen V oder T, wenn zuvor eine höhere Entgeltstufe erreicht worden war, zu einer höheren Entgelt-stufe, und zwar im Umfang von einer bis zwei Entgeltstufen. Mit einem Aufstieg in die nächsthöhere Entgeltgruppe innerhalb einer Entgeltgruppenordnung verbindet sich dann in der Regel das Überspringen einer Entgeltgruppenstufe. Erfolgt ein Entgeltgruppenaufstieg in die übernächste Entgeltgruppe, so kann sich bei einer vormaligen Eingruppierung in der Entgeltstufe 4 auch dann noch eine höhere Entgeltstufe als die Stufe 1 ergeben. (b) Demgegenüber würde die Anwendung von § 11 Abs. 6 ERTV auf einen Entgeltgruppenwechsel von den Entgeltgruppen T zu den Entgeltgruppen V zu Änderungen der Entgeltstufe führen, während im umgekehrten Fall der Wechsel regelmäßig ohne Folge für die maßgebende Entgeltstufe bliebe. So wäre bei einem Wechsel von der Entgeltgruppe T 5, Stufe 4 ERTV in die Entgeltgruppe V 2 deren Stufe 3 einschlägig. Im umgekehrten Fall - etwa bei einem Wechsel von der Entgeltgruppe V 1, Stufe 4 ERTV in die Entgeltgruppe T 6 ERTV - ergäbe sich keine höhere Grundstufe, obwohl - jedenfalls nach dem Verständ-nis der Klägerin - eine „höherwertige“ Tätigkeit ausgeübt wird. (3) Schließlich spricht auch die von den Tarifvertragsparteien mit § 11 Abs. 6 ERTV verfolgte Zwecksetzung dagegen, einen Entgeltgruppenwechsel von den Entgeltgruppen T zu denen der Entgeltgruppen V als Höher-gruppierung iSd. § 11 Abs. 6 ERTV aufzufassen. 21222324- 12 - 4 AZR 644/08 - 13 - (a) § 11 Abs. 6 ERTV beinhaltet einen Schutz vor einem niedrigeren Bruttomonatsentgelt für Arbeitnehmer, die nach einem Tätigkeitswechsel in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert sind, für die jedoch aufgrund der Regelung in § 11 Abs. 1 ERTV „an sich“ die dortige Entgeltstufe 1 maßgebend wäre. Dieser Schutz wird in Anwendung von § 11 Abs. 6 ERTV durch eine Korrektur der Entgeltstufe verwirklicht. (b) Ändert sich mit dem Wechsel der Entgeltgruppenordnung jedoch die Zusammensetzung des Entgelts, würde diese Korrektur zu Ergebnissen führen, die über die Entgeltsicherungsfunktion hinausgehen. Die Veränderung der Entgeltstufe nach § 11 Abs. 6 ERTV orientiert sich allein an den Regelentgeltgruppen der Anlagen 1b und 2b zum ETV. Zu den dort aufgeführten regelmäßigen Monatsentgelten treten jedoch variable Ent-geltanteile, die bei den Vertriebs- gegenüber den Nichtvertriebstätigkeiten wesentlich höher ausfallen können. Es kann im Sinne einer sachgerechten tariflichen Regelung nicht davon ausgegangen werden, die Tarifvertrags-parteien hätten bei der Vorschrift des § 11 Abs. 6 ERTV, die der Entgelt-sicherung dient, allein die Regelentgeltgruppen als Maßstab herangezogen, den Umstand des unterschiedlich ausgestalteten variablen Entgelts aber unbe-rücksichtigt gelassen. (aa) Im Bereich der Nichtvertriebstätigkeiten wird neben dem regelmäßigen Bruttomonatsentgelt ein prozentual bestimmter Budgetbetrag als Leistungs-entgelt ausgeschüttet, der nach individuell bewerteter Leistung anfällt (§ 13 Abs. 3, §§ 14 ff. ERTV), während im Vertriebsbereich ein ergebnisbezogenes Entgelt gezahlt wird, das sich aus einer Zielbewertung ergibt (§ 13 Abs. 2, §§ 35 ff. ERTV iVm. dem Tarifvertrag über ein ergebnisbezogenes Entgelt im Vertrieb vom 14. März 2004). Dabei ist der mögliche variable Vergütungsanteil unterschiedlich hoch. Bei den Nichtvertriebstätigkeiten umfasst er einen budget-bezogenen Anteil von 7 vH der Bruttoentgeltsumme (§ 16 Abs. 2 ERTV: „Das Budget Leistungsentgelt beträgt ab 1. Juli 2002 je 7 vH der zum Stichtag 30. September bzw. 31. März ermittelten Bruttoentgeltsumme.“). Wird eine Vertriebstätigkeit ausgeübt, ist der zusätzlich zur regelmäßigen Bruttomonats-25262728- 13 - 4 AZR 644/08 - 14 - vergütung bestehende variable Vergütungsanteil bei Zielerreichung nach § 34 Abs. 4 ERTV iVm. den jährlichen Basisbeträgen des ergebnisbezogenen Entgelts nach der Anlage 5b des ETV gegenüber den Leistungsentgelten mindestens doppelt so hoch. Mit den nach § 16 Abs. 2 ERTV und § 3 Abs. 3 iVm. Anlagen 5a und b ETV geregelten variablen Entgeltanteilen einschließlich der Festsetzung des Budgets für das Leistungsentgelt und der Basisbeträge für den ergebnisbezogenen „Entgeltanteil Vertrieb“ regeln die Tarifvertragsparteien zudem nicht bloße Verdienstoptionen, sondern verbinden damit die Erwartung, dass diese variablen Entgeltbestandteile von den Beschäftigten typischerweise auch individuell erreicht werden. (bb) Die unterschiedliche Entgeltzusammensetzung in den Entgeltgruppen T und V sowie die möglichen höheren variablen Entgeltbestandteile in den Ver-triebsentgeltgruppen sprechen bei einer zweckorientierten Auslegung des § 11 Abs. 6 ERTV dagegen, dessen Anwendungsbereich auch auf Tätigkeits-änderungen anzuwenden, die in der Folge zu einer Umgruppierung aus den Entgeltgruppen T in jene der Entgeltgruppen V führen. Dabei bliebe die damit verbundene Möglichkeit eines höheren ergebnisbezogenen Entgelts nach den §§ 25 ff. ERTV außer Betracht. Bei einer undifferenzierten Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV auf den Wechsel zwischen den Entgeltgruppen T und V würde der Wechsel in eine Vertriebstätigkeit überproportional begünstigt. Dass die Tarif-vertragsparteien eine Entgeltsicherung nach § 11 Abs. 6 ERTV ohne Berück-sichtigung der gesamten Entgeltzusammensetzung schaffen wollten, kann nicht angenommen werden. (c) Für das vorliegende Ergebnis spricht schließlich auch § 1 Abs. 3 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio. § 1 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio lautet auszugsweise wie folgt: „§ 1 Sicherung des Entgelts … (2) Bei einer Minderung des Monatsentgeltes im Sinne von § 7 ERTV erhält der Arbeitnehmer eine Sicherung des bisherigen Monatsentgelts auf 100 % Basis (zu sicherndes Monatsentgelt) nach den Bestimmungen dieses Paraga-2930- 14 - 4 AZR 644/08 fen. (3) Erfolgt ein Wechsel von einer Vertriebs- in eine Nicht-vertriebsentgeltgruppe bzw. umgekehrt, wird das zu sichernde Monatsentgelt jeweils durch Umrechnung mit einem Faktor 0,906 bzw. bei den Entgeltgruppen V5/V6/VI5/VI6 bzw. T9/TI9/T10/TI10 dem Faktor 0,85 ermittelt. Erfolgt der Wechsel vom Vertrieb in den Nicht-vertrieb, wird das vorherige Entgelt durch den vor-genannten Faktor dividiert, im umgekehrten Fall multi-pliziert.“ Die Festlegung des Umrechnungsfaktors in Abs. 3 zeigt, dass die Tarif-vertragsparteien bei einem Wechsel in eine Vertriebstätigkeit von einem auf-grund der besonderen Entgeltstruktur zu erreichenden höheren Gesamtentgelt im Verhältnis zum regelmäßigen Monatsentgelt nach der Anlage 2b des ERTV ausgegangen sind. Deshalb wird das zu sichernde Monatsentgelt, welches nach § 7 ERTV durch das regelmäßige Monatsentgelt nach den Regelentgelt-gruppen des ETV gebildet wird, durch Multiplikation mit den aufgeführten Faktoren berechnet und bei einem Wechsel in den Vertrieb gekürzt. c) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV stützen. Die Gerichte für Arbeitssachen können allenfalls eine unbewusste Tariflücke schließen (vgl. BAG 25. Februar 2009 - 4 AZR 964/07 - Rn. 19, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 215; 15. Juni 1994 - 4 AZR 330/93 - zu II 2 der Gründe, BAGE 77, 94, 101). Die nach dem tarif-lichen Gesamtzusammenhang bewusst begrenzte Regelung in § 11 Abs. 6 ERTV kann daher nicht auf ein nicht mit umfasstes Regelungsziel, den Wechsel von einer Nichtvertriebs- in eine Vertriebsentgeltgruppe, erweitert werden. III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen. Bepler Creutzfeldt Treber Schmalz Weßelkock 313233

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