4 Ni 25/15 (EP) - 4. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

4 Ni 25/15 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
8. Juni 2017





In der Patentnichtigkeitssache





















- 2 -
betreffend das europäische Patent 2 047 872
(DE 50 2007 005 015)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter
Engels, die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Müller und Dipl.-Ing. Veit sowie die
Richterinnen Dorn und Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 2 047 872 wird für das Hoheits-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt,
soweit es über folgende Fassung hinausgeht:
- 3 -

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- 6 -

- 7 -


- 8 -
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 3/4
und die Klägerin zu 1/4.

VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig voll-
streckbar.


Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents EP 2 047 872, deutsches Akten-
zeichen DE 50 2007 005 015 (Streitpatent), das am 8. Oktober 2007 angemeldet
und am 8. September 2010 erteilt worden ist. Das Streitpatent mit der
Bezeichnung „Katheter-Vorrichtung“ betrifft eine solche, insbesondere eine
Katheter-Vorrichtung mit einer langgestreckten Antriebswelle [vgl. Abs. [0001]). Es
umfasst 27 Patentansprüche, welche sämtlich angegriffen worden sind.

Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:

Katheter-Vorrichtung umfassend,
- einen am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) befind-
lichen Motor (7),
- eine sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis
zum distalen Endbereich erstreckende Antriebswelle (4) zum Antrei-
ben eines sich am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1)
befindlichen drehenden Elementes,
dadurch gekennzeichnet, dass die Antriebswelle (4) am proximalen
Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) mittels einer Kupplung (9) mit
- 9 -
dem Motor verbunden ist, und die Kupplung (9) eine Magnetkupplung
mit einer proximalen und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) ist,
wobei die proximale Magneteinheit (23.2) mit dem Motor (7)
verbunden ist und die distale Magneteinheit
(23.1) mit der Antriebswelle (4) verbunden ist, und die distale
Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19) gelagert ist und
von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24)
räumlich getrennt ist.

Wegen des Wortlauts der erteilten abhängigen Ansprüche 2 bis 27 wird auf den
Akteninhalt verwiesen.

Auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin und den begründeten Widerspruch der
Beklagten hat der Senat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom
7. November 2016 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug
genommen wird.

Hierauf verteidigt die Beklagte das Streitpatent nicht mehr in der erteilten Fassung,
sondern zuletzt nur noch eingeschränkt mit neuem Hauptantrag sowie mit
Hilfsanträgen 1 bis 10, jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017.

Die Klägerin macht insoweit den bereits mit der Klageerhebung eingeführten
Nichtigkeitsgrund geltend, dass die beanspruchten Gegenstände nach dem
Haupt- und den Hilfsanträgen 1 bis 10 jeweils nicht patentfähig seien, da diese
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG
i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52, Art. 56 EPÜ).

Die Klägerin stützt sich zum Stand der Technik auf folgende Dokumente:

K1 Anlagenkonvolut "Reitan", umfassend
- 10 -
K1.1 André Dekker et al., "Efficacy of a New Intraaortic Propeller Pump
vs. the Intraaortic Balloon Pump", Chest Journal, Juni 2003, 2089-
2095 ("Dekker”)
K1.2 JOMED GmbH, Marketing-Broschüre ("JOMED-Broschüre II”)
K1.2.1 Historischer Handelsregisterauszug HRB 547, Abt. B des
Amtsgerichts Hechingen zur Firma JOMED IMPLANTATE GmbH
bzw. JOMED GmbH
K1.3 Martin Rothman, "The Reitan Catheter Pump: A New Versatile
Aproach for Hemodynamic Support", Präsentation beim Trans-
catheter Cardiovascular Therapeutics Kongress am 26. Oktober
2006 "Rothman”)
K1.3.1 Programm der TCT 2006 zur Präsentation (= K1.3) von Martin
Rothman beim Transcatheter Cardiovascular Therapeutics
Kongress am 26. Oktober 2006 über die Reitan-Herzkatheter-
pumpe ("Reitan percutaneous cardiac pump")
K1.4 CD mit einem Video der RCP
K1.5 Ausdruck aus Wayback Machine, archivierte Version der Internet-
seite der Firma JOMED (www.jomed.com/products/reitan-
catheterpump ...) vom 22. Februar 2003 ("JOMED-Internetseite”)
K1.6 JOMED GmbH, Marketing-Broschüre ("JOMED-Broschüre I”)
K1.7 Øyvind Reitan et al., "Hydrodynamic Properties of a New Percuta-
neous Intra-aortic Axial Flow Pump", ASAIO Journal 46(3):323-
329, 2000 ("Reitan 2000”)
K1.8 Øyvind Reitan, "Evaluation of a New Percutaneous Cardiac Assist
Device", Dissertation, Lund University 2002 ("Reitan Dissertation”)
K1.9 Øyvind Reitan et al., "Hemodynamic Effect of a New
Percutaneous Circulatory Support Device in a Left Ventricular
Failure Model", ASAIO Journal 2003, 731 et seq. ("Reitan 2003”)
K2 Anlagenkonvolut "Sieß" umfassend
K2.1 Thorsten Sieß, "Systemanalyse und Entwicklung intravasaler
Rotationspumpen zur Herzunterstützung", Dissertation, Shaker
Verlag, Aachen, 1999
- 11 -
K2.2 Thorsten Sieß, Christoph Nix und Frank Menzler, "From a lab type
to a product: A retrospective view of impella’s assist technology”,
Artificial Organs, 25(5): 414-421, Blackwell Science, Inc., 2001
K2.3 Thorsten Sieß, Helmut Reul und Günter Rau, "Concept,
realization, and first in vitro testing of an intraarterial microaxial
blood pump", Artificial Organs, 19(7): 644-652, Blackwell Science,
Inc., Boston, 1995
K2.4 WO 97/37698, Thorsten Sieß et al., "Intravasale Blutpumpe",
veröffentlicht 16. Oktober 1997
K2.5 T. Sieß, H. Reul, G. Rau, "Hydraulic refinement of an intraarterial
microaxial blood pump", The International Journal of Artificial Or-
gans, Vol. 18, Nr. 5, 1995
K2.6 Thorsten Sieß und Helmut Reul, "Basic Design Criteria for Rotary
Blood Pumps", H. Matsuda, Rotary Blood Pumps, Springer,
Japan, 2000
K4 US 4,115,040 B1 ("Knorr")
K5 US 4,686,982 ("Nash")
K6 US 5,405,383 ("Barr")
K7 US 6,245,007 ("Bedingham")
K8 WO 99/044651 A1 ("Schmitz-Rode") [im Streitpatent genannt]
K9 DE 100 59 714 C1 ("Sieß") [im Streitpatent genannt]
K10 DE 11 2004 001 809 T5 ("Allaire")
K11 Compendium of Technical and Scientific Information for the Hemopump
Temporary Cardiac Assist System, Johnson & Johnson Interventional
Systems 1988
K12 W. Aboul-Hosn und R. Wampler, "The Hemopump: Clinical Results and
Future Applications", Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 1995, S. 152-165.
K13 Thomas Schmitz-Rode et al., "An Expandable Percutaneous Catheter Pump
for Left Ventricular Support", Journal of the American College of Cardiology,
Vol. 45, No. 11, 2005, S. 1856–1861
K14 WO 2007/112033 A2 ("McBride")
K14.1 WIPO-Patentscope-Registerauszug zu WO 2007/112033 A2
- 12 -
K15 Charles de Marolles, Siegfried Liegat, "Leckagefreie Pumpen dank
Magnetkupplung", Sulzer Technical Review, 3/2000
K16 DE 39 22 426 A1
K25 Gutachten Prof. Willem A. Hoyng vom 19.09.2016
K26 US 60/785,531
K27 US 60/785,299
K28 US 2006/0062672 A1 ("McBride")
K29 US 60/610,938
K30 Brücker, Ch. et al., "Strömungstechnische Auslegung und Optimierung
einer perkutan implantierbaren Miniatur-Blutpumpe", Biomedizinische
Technik, Band 47, Ergänzungsband 1, Teil 1, 2002, S. 114-117
K31 US 2005/0137680 A1
K32 US 2003/0149473 A1
K33 WO 2006/111954 A2
K34 Ferrari M. et al., "Successful High-Risk Coronary Angioplasty in a Patient
with Cardiogenic Shock under Circulatory Assist with a 16F Axial Flow
Pump", Catheterization and Cardiovascular Interventions 66, 2005, S. 557–
561
K35 US 6,007,478

Soweit die Beklagte bestreite, dass die Dokumente K1.2 bis K1.6 des
Anlagenkonvoluts K1 öffentlich zugänglich gemacht worden seien, und sich auf
einen Geheimhaltungsvorbehalt berufe, sei dies unzutreffend und werde bereits
durch die äußeren Umstände und den Zeitablauf widerlegt. Die Klägerin hat mit
Schriftsatz vom 21. Oktober 2016 eine offenkundige Vorbenutzung der „Reitan
Herzkatheterpumpe (RCP)“ geltend gemacht und hat mit Schriftsatz vom
26. Oktober 2016 ihren diesbezüglichen Sachvortrag und das Beweisangebot auf
Einvernahme u.a. der Zeugen Dekker, Reesink und van der Veen (= Autoren der
K1.1) weiter präzisiert. Ergänzend hat sie sich auf das parallele Streitverfahren der
Parteien vor dem High Court of Justice und der dort von den Zeugen
abgegebenen schriftlichen Erklärungen sowie der Einvernahme des Zeugen
Dekker berufen (vgl. Anlagen K17 bis K23 zum Schriftsatz der Klägerin vom
- 13 -
21. Oktober 2016). Sie hat ferner mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 das im
englischen Verfahren zwischenzeitlich ergangene Urteil des High Court of Justice
vom 28. Oktober 2016 als Anlage K24 vorgelegt und darauf verwiesen, dass die
dort zur Entscheidung anstehenden Ansprüche 1, 5, 7, 8, 21 und 22 sämtlich als
nicht patentfähig angesehen worden sind und der High Court die geltend
gemachte offenkundige Vorbenutzung der „Reitan Herzkatheterpumpe (RCP)“ oh-
ne Zweifel bestätigt hat, während er die von der Beklagten geltend gemachte
Geheimhaltungsverpflichtung u. a. nach Zeugeneinvernahme Dekker verneint hat.


In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin bei ihrem Vortrag zur fehlen-
den Patentfähigkeit auf die Druckschrift K1.1 als Ausgangspunkt gestützt. So
seien dem Fachmann die Merkmale P1 bis A2.3 zum Zeitpunkt der Anmeldung
des Streitpatents aus dieser Druckschrift ohne weiteres ersichtlich gewesen. Der
Fachmann werde K1.1 auch heranziehen, da zum einen die Lehre des
Streitpatents nicht auf eine Verwendung der Pumpe in der linken Herzkammer
eingeschränkt sei und sich zum anderen die Position der „Reitan-Pumpe“ nicht auf
die absteigende Aorta beschränke, sondern von der Art der Anwendung abhänge;
im Übrigen werde in K 1.1 (und auch in K 1.2) ausdrücklich die linksventrikuläre
Unterstützung des Herzens durch die „Reitan-Pumpe“ beschrieben.

Die weiteren Merkmale A21 bis A22.3 des geltenden Anspruchs 1 nach Haupt-
antrag seien - ausgehend von der sich dem Fachmann stellenden Aufgabe der
Weiterentwicklung des Pumpenkopfes - durch K 13, K 14, K 26, K 29 bzw. K 30
nahegelegt.

Auch die Hilfsanträge 1 bis 10 seien - abgesehen von der insoweit bemängelten
fehlenden ursprünglichen Offenbarung der Merkmale HA1.1, HA1.2, HA2, HA3.1
bis HA3.3, HA5.1 bis HA5.6, HA6/HA7 und damit ihrer Unzulässigen Änderungen
der Ansprüche - nicht geeignet, eine Patentfähigkeit zu begründen. Die nach
Hilfsantrag 1 beanspruchte Ausgestaltung, die eine distale Lagerung der Antriebs-
welle ermögliche, sei dem Fachmann durch K 1.1, K 1.8, K 2.1, K 2.2, K 13 bzw. K
30 nahelegt. Die mit den Merkmalen HA2, HA3.3, HA5.6 (Hilfsanträge 2 bis 6)
- 14 -
beanspruchte unterschiedliche Größe der Gitteröffnungen sei dem technischen
Umstand geschuldet, dass im Bereich des Pumpenabschnitts eine hohe Stabilität
und in den anderen Bereichen ein hoher Blutdurchfluss gewünscht seien; diese
Lehre befinde sich bereits in K 14 und K 26 sowie - im Bereich der Stents - in K 31
und K 32. Hinsichtlich des mit Merkmal 5.4 beanspruchten Wellenschutzes
(Hilfsanträge 5 und 6) sei außer einer als rein handwerklich anzusehenden
Stützfunktion keine weitere Funktion erkennbar, insbesondere nicht ein Schutz vor
einem ungewollten Ausfädeln und auch nicht die Gefahr, dass Gefäßwände durch
die rotierende Welle beschädigt würden. Das Merkmal HA6/HA7 (Hilfsanträge 6
bis 10) definiere eine axiale Verschiebbarkeit der distalen Magneteinheit in
Richtung distal, ohne dabei zu benennen, mit welchen technischen Mitteln diese
Verschiebbarkeit realisiert werden solle. Die hierfür erforderlichen konstruktiven
Elemente würden erst mit Merkmal HA9 eingeführt. Jedenfalls könne Merkmal
HA6/HA7 keine erfinderische Tätigkeit begründen, denn dem Fachmann verbleibe
bei der sich ihm stellenden Aufgabe, bei einer Stirndrehkupplung eine „Ent-
kopplung“ zu realisieren, quasi keine andere sinnvolle Alternative, als das Ent-
fernen der distalen Magneteinheit durch die Abstoßungskräfte, wobei die
Abstoßung aufgrund des Aufbaus nach distal erfolgen müsse. Die Klägerin hat
hierzu in der mündlichen Verhandlung auf Frage erklärt, dass ein Stand der
Technik insoweit nicht entgegengehalten werden könne.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das europäische Patent 2 047 872 mit Wirkung für das Hoheits-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland vollumfänglich für nichtig
zu erklären,

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen, soweit das europäische Patent 2 047 872
mit Hauptantrag vom 28. Februar 2017 verteidigt wird, hilfsweise
die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsanträgen 1
- 15 -
bis 10, eingereicht mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017, verteidigt
wird mit der Maßgabe, dass Hilfsantrag 7 an die Stelle von
Hilfsantrag 6 tritt und umgekehrt.

Wegen des Wortlauts der jeweiligen Anspruchssätze nach dem Hauptantrag und
den Hilfsanträgen 1 bis 10 wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten
vom 28. Februar 2017 verwiesen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Anspruchsfassung nach Hauptantrag sei
erfinderisch gegenüber dem geltend gemachten Stand der Technik.
So sei die „Reitan Herzkatheterpumpe (RCP)“ vorliegend kein geeigneter
Ausgangspunkt für die Frage der erfinderischen Tätigkeit, da sich ihr Sitz in der
Aorta vor dem Bogen oder danach befinde und ein Druckgefälle in der Aorta
erzeuge, wobei das Blut auch aus den Koronararterien angesaugt werde und
deshalb das Gegenteil erfolge, was nach dem Streitpatent - als ventrikuläres
Unterstützungssystem - erwünscht sei, nämlich eine vermehrte Blutmenge
zuzuführen. Der Fachmann würde daher K 1.1 nicht heranziehen. Auch die
weiteren von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführten Dokumente
könnten die Lehre nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag - auch in Verbindung mit
allgemeinem Fachwissen - nicht nahelegen.

Jedenfalls sei eine der Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 10, die allesamt auch
nicht unzulässig erweitert seien, erfinderisch gegenüber dem von der Klägerin
geltend gemachten Stand der Technik. Insbesondere zeige dieser weder eine
distale Lagerung der Antriebswelle (Merkmale HA1.2, HA3.2, HA5.4) oder kleinere
Gitteröffnungen im Bereich des Pumpenabschnitts als im Bereich des Ein- und
Auslasses (Merkmale HA2, HA3.3, HA5.6), noch eine Antriebswelle mit einem
Wellenschutz, die vom Rotor bis zum distalen Ende führe (Merkmal H5.4) oder
eine Beabstandung der distalen Magneteinheit durch distales Drücken (Merkmal
HA6/HA7).

- 16 -
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt
allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
8. Juni 2017 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als das Streitpatent in den Fassungen
nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 verteidigt wird, weil die
jeweils beanspruchte Lehre - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der
danach maßgeblichen beschränkten Anspruchsfassungen - gegenüber dem Stand
der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
IntPatÜG, § 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. 52, Art. 56 EPÜ). Soweit das
Streitpatent in der erteilten Fassung im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung
nicht mehr verteidigt wird, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland
ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren
vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse/ Keukenschrijver,
PatG, 8. Aufl., § 82 Rdn. 119 m. w. Nachw.; Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81
Rdn. 127).

Soweit das Streitpatent in der Fassung gemäß (neuem) Hilfsantrag 6 verteidigt
wird, ist die Klage abzuweisen, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass sich
der gegen diese zulässig beschränkte Fassung der Ansprüche gerichtete
Nichtigkeitsangriff im Hinblick auf den von der Klägerin geltend gemachten
Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG,
§ 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. 52, Art. 56 EPÜ) als begründet erweist.

Auf die Zulässigkeit und Patentfähigkeit der jeweiligen Anspruchsfassung gemäß
den Hilfsanträgen 7 bis 10 kam es bei dieser Sachlage nicht an.

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I.

1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Katheter-Vorrichtung,
insbesondere eine Katheter-Vorrichtung mit einer langgestreckten Antriebswelle
(siehe Streitpatent K0a Abs. [0001]).

In der Beschreibungseinleitung wird ausgeführt, dass für die Behandlung schwer
herzkranker Patienten zunehmend implantierbare Blutpumpen eingesetzt würden.
Medizinische Ziele seien dabei die Entlastung und Gesundung des Herzens oder
aber die Überbrückung bis zu einer möglichen Herztransplantation. Die Breite des
Einsatzgebietes solcher Pumpen hänge einerseits von der Einfachheit der
Einbringung in den Körper, andererseits von den realisierbaren technischen
Eigenschaften und insbesondere der zuverlässig realisierbaren Betriebsdauer der
verfügbaren Pumpensysteme ab (siehe Streitpatent K0a Abs. [0002]).

Zur temporären Behandlung bei einem kardiogenen Schock wird der Einsatz eines
temporären links-ventrikulären Unterstützungssystems angesprochen, bei dem die
Pumpfunktion des linken Ventrikels teilweise bzw. weitgehend übernommen wer-
den solle und die Koronarversorgung verbessert werden könne. Bei Herzope-
rationen könne ein solches System links- und rechtsventrikulär eingesetzt werden
und eine Herz-Lungenmaschine ersetzen (siehe Streitpatent K0a Abs.[0003]).

Als Stand der Technik wird auf die transfemoral implantierbare Mikro-Axialpumpe
"Hemopump TM" der Firma Medtronic Inc, USA, und Blutpumpen nach den
Patentanmeldungen WO 99/44651, US 4 753 221, DE 10 059 714 C1,
JP 4126158 , EP 0 445 782 A1, EP 0 364 293 A2 und US 5 376 114 verwiesen.

Beispielsweise werde bei der Mikro-Axialpumpe "Hemopump TM" der Ansaug-
stutzen der Pumpe retrograd über die Aortenklappe im linken Ventrikel platziert.
Der Pumpenrotor befinde sich am Ende einer Kanüle in der oberen Aorta
descendens und werde durch einen externen Motor angetrieben. Nachteil des
Systems sei, dass die transfemorale Implantation aufgrund des großen Durch-
- 18 -
messers des Rotors nur operativ über eine femorale Arterietomie und gege-
benenfalls durch eine Graftankopplung möglich sei.

Aus der US 5,376,114 gehe eine Kanülenpumpe hervor, die mittels eines kleinen
Einschnittes im Herz temporär eingesetzt werden könne. Die Pumpe weise nach
der Beschreibungseinleitung ein Flügelrad auf, das mittels einer Welle angetrieben
werde. Die Welle sei fest mit einem Motormagneten verbunden. Der Motormagnet
sei von Magnetspulen umgeben, mit welchen ein sich drehendes Magnetfeld
erzeugt werden könne, so dass der Motor in Drehbewegung versetzt werde (siehe
Streitpatent K0a Abs. [0005]-[0011]).

2. Vor diesem Hintergrund liegt nach den Angaben in der Streitpatentschrift
der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Katheter-Vorrichtung mit einer sich fast
über die gesamte Katheter-Vorrichtung erstreckenden Antriebswelle zu schaffen,
die zuverlässig mit hoher Drehzahl angetrieben werden kann (siehe Streitpatent
K0a Abs. [0012]).

3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patent-
anspruch 1 eine Katheter-Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung
hinzugefügt):
Katheter-Vorrichtung umfassend,
P1 einen am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen
Motor (7),
P2 eine sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis
zum distalen Endbereich erstreckende Antriebswelle (4)
P3 zum Antreiben eines sich am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung
(1) befindlichen drehenden Elementes,
dadurch gekennzeichnet, dass
P4 die Antriebswelle (4) am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung
(1) mittels einer Kupplung (9) mit dem Motor verbunden ist, und
P4.1 die Kupplung (9) eine Magnetkupplung mit einer proximalen
Magneteinheit und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) ist,
- 19 -
P4.1.1 wobei die proximale Magneteinheit (23.2) mit dem Motor (7) verbunden
ist und
P4.1.2 die distale Magneteinheit (23.1) mit der Antriebswelle (4) verbunden ist,
und
P4.1.3 die distale Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19)
gelagert ist und
P4.1.4 von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24)
räumlich getrennt ist
Die folgenden angegriffenen Ansprüche 2 bis 27 sind jeweils unmittelbar oder
mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

Die Ansprüche 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 10 weisen in der
von der Beklagten beantragten Reihenfolge folgende Merkmale auf

In Patentanspruch 1 in der mit Hauptantrag beschränkt verteidigten Fassung
wurden gegenüber dem erteilten Anspruch 1 die Merkmale A4, A2.1 bis A2.3, A21
bis A21.2 und A22 hinzugefügt:
(Gliederung hinzugefügt, Merkmalsgliederung der Beklagten in [ ], Unterschiede
zum erteilten Patent und der danach geltenden Fassung durch Unterstreichung
gekennzeichnet):

Katheter-Vorrichtung umfassend,
P1 einen am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen
Motor (7),
P2 eine sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis
zum distalen Endbereich erstreckende Antriebswelle (4)
P3 zum Antreiben eines sich am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung
(1) befindlichen drehenden Elementes, [M1.4]
A4 wobei das sich drehende Element ein Rotor (3.2) ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
P4 die Antriebswelle (4) am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung
(1) mittels einer Kupplung (9) mit dem Motor verbunden ist, [M1.5] und
- 20 -
P4.1 die Kupplung (9) eine Magnetkupplung mit einer proximalen
Magneteinheit und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) ist, [M1.6]
P4.4.1 wobei die proximale Magneteinheit (23.2) mit dem Motor (7) verbunden
ist [M1.6.1] und
P4.1.2 die distale Magneteinheit (23.1) mit der Antriebswelle (4) verbunden ist
[M1.6.2], und
P4.1.3 die distale Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19)
gelagert ist [M1.6.3] und
P4.1.4 von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24)
räumlich getrennt ist [M1.6.4]
A2.1 und die distale Magneteinheit (23.1) im Kupplungsgehäuse (19)
flüssigkeitsdicht gelagert ist und
A2.2 ein schlauchförmiger Katheterschaft (8) sich vom proximalen End-
bereich bis zum distalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1)
erstreckt,
A2.3 wobei der Katheterschaft (8) mit seinem proximalen Ende flüssig-
keitsdicht mit dem Kupplungsgehäuse (19) verbunden ist,
A21 und ein Pumpengehäuse vorgesehen ist, das den Rotor (3.2) mit einem
rohrförmigen Pumpenabschnitt (3.1.3) umgibt,
A21.1 wobei das Pumpengehäuse (3.1) aus einem Gitter ausgebildet ist,
A21.2 dessen Öffnungen zumindest im Bereich des Pumpenabschnittes
(3.1.3) mittels einer elastischen Bespannung geschlossen sind,
A22 und das Gitter des Pumpengehäuses (3.1) aus einem Formge-
dächtnismaterial ausgebildet ist.


In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurden gegenüber dem Hauptantrag die
Merkmale HA1.1 und HA1.2 aufgenommen:
HA1.1 und das Pumpengehäuse (3.1) von distal nach proximal einen distalen
Gehäuseabschnitt (3.1.1, 3.1.2), den Pumpenabschnitt (3.1.3) und einen
proximalen Gehäuseabschnitt (3.1.4, 3.1.5) aufweist,
- 21 -
HA1.2 wobei zum Zentrieren der Antriebswelle (4) in dem Pumpengehäuse
(3.1) in dem distalen Gehäuseabschnitt (3.1.1, 3.1.2) und dem
proximalen Gehäuseabschnitt (3.1.4, 3.1.5) jeweils ein Lagerbereich für
die Antriebswelle (4) ausgebildet ist.


In Hilfsantrag 2 wurde in Anspruch 1 gegenüber Hilfsantrag 1 das Merkmal HA2
aufgenommen:
HA2 wobei Öffnungen des Gitters im Bereich des distalen Gehäuseab-
schnitts (3.1.1, 3.1.2) und Öffnungen des Gitters im Bereich des
proximalen Gehäuseabschnitts (3.1.4, 3.1.5) größer sind als Öffnungen
des Gitters im Bereich des Pumpenabschnitts.

Hilfsantrag 3 spezifiziert Hilfsantrag 2 weiter, wobei HA3.1 das Merkmal HA1.1,
HA3.2 das Merkmal HA1.2 und HA3.3 das Merkmal HA2 ersetzen (Unterschiede
zu Hilfsantrag 2 unterstrichen/durchgestrichen):
HA3.1 und das Pumpengehäuse (3.1) in einer Förderrichtung von distal nach
proximal einen distalen Endabschnitt (3.1.1), einen Ansaugabschnitt
(3.1.2) den Pumpenabschnitt (3.1.3), einen Auslassabschnitt (3.1.4) und
einen proximalen Endabschnitt ( 3.1.5) aufweist,
HA3.2 wobei zum Zentrieren der Antriebswelle (4) in dem Pumpengehäuse
(3.1) proximal und distal des Rotors (3.2) in dem distalen
Gehäuseabschnitt (3.1.1, 3.1.2) und dem proximalen Gehäuseabschnitt
(3.1.4, 3.1.5) jeweils ein Lagerbereich für die Antriebswelle (4)
ausgebildet ist, indem die Antriebswelle (4) drehbar in einem distalen
Lager (13.1) aufgenommen ist, das mit dem distalen Endabschnitt
(3.1.1) verbunden ist, und drehbar in einem proximalen Lager (13.2)
aufgenommen ist, das mit dem proximalen Endabschnitt (3.1.5)
verbunden ist, und
HA3.3 wobei Öffnungen des Gitters im Bereich des Ansaugabschnitts (3.1.2)
distalen Gehäuseabschnitts (3.1.1, 3.1.2) und Öffnungen des Gitters im
Bereich des Auslassabschnitts (3.1.4) proximalen Gehäuseabschnitts
- 22 -
(3.1.4, 3.1.5) größer sind als Öffnungen des Gitters im Bereich des
Pumpenabschnitts (3.1.3).


Hilfsantrag 4 weist gegenüber Hilfsantrag 3 folgendes zusätzliche Merkmal auf:
HA4 wobei eine Lagerung des Rotors (3.2) in axialer Richtung an einem dem
Rotor (3.2) zugewandten Ende des distalen Lagers (13.1) und/oder an
einem dem Rotor (3.2) zugewandten Ende des proximalen Lagers
(13.2) vorgesehen ist,


Hilfsantrag 5 spezifiziert Hilfsantrag 4 weiter, wobei HA5.1 und HA5.6 den
Merkmalen HA3.1 und HA3.3 entsprechen, die Merkmale HA5.2, HA5.3 und
HA5.5 hinzugefügt werden und das Merkmal HA5.4 das Merkmal HA3.2 präzisiert
(Unterschiede zu Hilfsantrag 4 unterstrichen/durchgestrichen) :
HA3.1 =
HA5.1 das Pumpengehäuse (3.1) in einer Förderrichtung von distal nach
proximal einen distalen Endabschnitt (3.1.1,), einen Ansaugabschnitt
(3.1.2) den Pumpenabschnitt (3.1.3), einen Auslassabschnitt (3.1.4) und
einen proximalen Endabschnitt (3.1.5) aufweist
HA5.2 wobei der Ansaugabschnitt (3.1.2) in dem expandierten Zustand in
Förderrichtung (5) konusförmig aufgeweitet ist,
HA5.3 wobei der Auslassabschnitt (3.1.4) sich in dem expandierten Zustand in
Förderrichtung (5) konusförmig verengt,
HA5.4 wobei zum Zentrieren der Antriebswelle (4) in dem Pumpengehäuse
(3.1) in dem proximalen Endabschnitt (3.1.5) und dem distalen
Endabschnitt (3.1.1) proximal und distal des Rotors (3.2) jeweils ein
Lagerbereich für die Antriebswelle (4) ausgebildet ist, indem die
Antriebswelle (4) drehbar in einem distalen Wellenschutz (13.1) in
einem distalen Lager (13.1) aufgenommen ist, der das mit dem distalen
Endabschnitt (3.1.1) verbunden ist, und drehbar in einem proximalen
Wellenschutz (13.2) in einem proximalen Lager (13.2) aufgenommen ist,
- 23 -
der das mit dem proximalen Endabschnitt (3.1.5) verbunden ist, wobei
der jeweilige Wellenschutz (13.1, 13.2) die Innenseite des Pumpen-
gehäuses (3.1) berührt), und
HA5.5 wobei zur Lagerung des Rotors (3.2) in axialer Richtung zwischen dem
Rotor (3.2) und dem distalen Wellenschutz (13.1) und /oder zwischen
dem Rotor (3.2) und dem proximalen Wellenschutz (13.2) eine
Lagerscheibe (15) vorgesehen ist, und
HA3.3 =
HA5.6 wobei Öffnungen des Gitters im Bereich des Ansaugabschnitts (3.1.2)
und Öffnungen des Gitters im Bereich des Auslassabschnitts (3.1.4)
größer sind als Öffnung des Gitters im Bereich des Pumpenabschnitts
(3.1.3).


Hilfsantrag 6
Hilfsantrag 6 (neu) beruht auf dem Hauptantrag mit dem zusätzlichen Merkmal
HA6:
HA6 = die Kupplung derart ausgebildet ist, dass die distale Magneteinheit
(23.1) von der proximalen Magneteinheit (23.2) in Richtung distal
gedrückt werden kann, um die magnetische Verbindung zwischen den
beiden Magneteinheiten (23.1, 23.2) durch eine Verschiebung eines die
distale Magneteinheit (23.1) tragenden Kupplungselements (22) in
Richtung distal zu trennen.


Hinsichtlich der weiteren Hilfsanträge 7-9 wird auf den Akteninhalt verwiesen.


4. Als zur objektiven Problemlösung berufenen Fachmann sieht der Senat
einen mit der Entwicklung von kardiovaskulären Geräten, insbesondere zur Herz-
katheteruntersuchung, befassten Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik bzw.
Maschinenbau-Ingenieur mit Kenntnissen in der Medizintechnik, der bezüglich
- 24 -
medizinischer Fragen mit einem Kardiologen mit Schwerpunkt auf der inter-
ventionellen Kardiologie zusammenarbeitet.

Dieser Fachmann kannte im Prioritätstzeitpunkt aufgrund seiner Sachkunde
motorbetriebene Katheter-Vorrichtungen, insbesondere Herzkatheter-Pumpen,
sowie deren Antriebs- und Steuerungskonzepte, und besitzt grundlegende
Kenntnisse auf dem Gebiet der Motoren mit Antriebswelle und den Kupp-
lungsvarianten zwischen Motor und Antriebswelle. Aufgrund seines Fachwissens
ist ihm auch das Prinzip der Magnetkupplung bekannt.


II.

Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Auslegung des Inhalts der
Patentansprüche und der am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der
Patentschrift orientierenden Betrachtung und Auslegung der Patentansprüche
durch den angesprochenen Fachmann legt der Senat der Lehre nach Anspruch 1
folgendes Verständnis zu Grunde:


1. Der Kern des Erfindungsgegenstands nach Anspruch 1 liegt nach der Lehre
des Streitpatents in der Ausbildung der erfindungsgemäßen Kupplung der
Katheter-Vorrichtung als Magnetkupplung, und zwar mit einer proximalen und
distalen Magneteinheit, welche durch eine Wandung räumlich getrennt sind,
wodurch das Problem der Dichtigkeit der abtriebsseitigen Kupplungselemente bis
hin zum distalen Ende vorteilhaft ohne Abdichtung gelöst wird (Abs. [0014]-[0015])
und es zudem in Verbindung mit einem Magnetringlager und weiteren Maß-
nahmen - die jedoch nicht Teil des Anspruchs 1 sind - möglich ist, die über-
tragenen Drehmomente zu begrenzen und die Magneteinheiten zu trennen (Abs.
[0016], Abs. [0021]).

- 25 -
Dabei zeigt die Entwicklung des Stands der Technik eine entsprechende
Fokussierung des Problems dichter Kopplungen des Antriebs im Rahmen der
dritten Generation ventrikulärer Unterstützungssysteme bzw. Pumpen (Ventricular
Assist Devices = VAD) und der Verbesserung durch kontaktlose Antriebs-
mechanismen, wobei üblicherweise kontaktfreie, nämlich magnetische oder
hydrodynamische, Lager als Lösung anboten und favorisiert wurden, um die
Verschmutzung der Antriebsseite mit Blut zu vermeiden und eine sichere und
bessere Dichtigkeit zu gewährleisten. Dies ist auch der ausführlichen Begründung
des High Courts of Justice in seinem Urteil vom 28.10.2016 (Anlage K24) zu
entnehmen.


2. Die erfindungsgemäße Katheter-Vorrichtung nach dem geltenden
Anspruch 1 in der Fassung nach Hauptantrag lässt sich in folgende Komponenten
gliedern (funktionale Merkmalsgliederung):

1 Motor (7)
- befindet sich am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) [P1]
2 Antriebswelle (4)
- erstreckt sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis
zum distalen Endbereich [P2]
3 drehendes Element im Pumpengehäuse
- am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1) [P3]
- wird durch Antriebswelle (4) angetrieben [P2, P3]
- Rotor (3,2) [A4]
- Pumpengehäuse umgibt den Rotor (3.2) mit einem rohrförmigen
Pumpenabschnitt (3.1.3) [A21]
-- aus einem Gitter ausgebildet [A21.1]
-- dessen Öffnungen zumindest im Bereich des Pumpenabschnittes (3.1.3)
mittels einer elastischen Bespannung geschlossen sind [A21.2]
-- Gitter des Pumpengehäuses (3.1) ist aus einem
Formgedächtnismaterial ausgebildet [A22]
- 26 -
4 Kupplung (9) im Kupplungsgehäuse
- verbindet Antriebswelle (4) mit dem Motor [P4]
- ist als Magnetkupplung ausgebildet [P4.1]
- weist eine proximale Magneteinheit (23.2) auf, die mit dem Motor (7)
verbunden ist [P4.1, P4.1.1]
- weist eine distale Magneteinheit (23.1) auf, die mit der Antriebswelle (4)
verbunden ist [P4.1, P4.1.2]
- distale Magneteinheit (23.1) ist in einem Kupplungsgehäuse (19)
flüssigkeitsdicht gelagert [P4.1.3], [A2.1]
- distale Magneteinheit (23.1) ist von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch
eine Wandung (24) räumlich getrennt [P4.1.4]
5 schlauchförmiger Katheterschaft (8)
- erstreckt sich vom proximalen Endbereich bis zum distalen Endbereich der
Katheter-Vorrichtung (1) [A2.2]
- ist mit seinem proximalen Ende flüssigkeitsdicht mit dem Kupplungsgehäuse
(19) verbunden [A2.3]

- 27 -
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren stammen aus der Streitpatentschrift.
Die Fig. 1 zeigt eine perspektivische Darstellung einer erfindungsgemäßen
Katheter-Vorrichtung,






die Fig. 15 eine erfindungsgemäße
Kupplung mit dem Kupplungs-
gehäuse.








3. Einige Merkmale des Patentgegenstandes bedürfen der Erläuterung:

3.1 Die erfindungsgemäße Katheter-Vorrichtung umfasst zumindest die
Komponenten
- Motor (7) am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) [P1],
- Antriebswelle (4) vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis
zum distalen Endbereich [P2],

- 28 -
- Rotor am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1) [P3], [A4],
- Kupplung (9), die die Antriebswelle mit dem Motor verbindet [P4] und
- schlauchförmiger Katheterschaft (8) [A2.2], [A2.3]

Die Eigenschaften “proximal” oder “distal” geben die Richtung zum Anwender an,
d. h. das proximale Ende des Katheters ist das Katheterende beim Anwender, das
distale Ende befindet sich im Patienten, entfernt vom Anwender. Dabei wird
jedoch keine Aussage getroffen, ob das proximale Katheterende mit dem Motor
sich innerhalb oder außerhalb des Patienten befindet, wodurch auch die Länge
der Antriebswelle vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis
zum distalen Endbereich unbestimmt ist.

Die Angabe vom „proximalen Endbereich“ bis zum
„distalen Endbereich“ lässt Spielraum in Bezug auf
die Länge der Antriebswelle. Genau definiert ist
dagegen, dass sich der Motor am proximalen
Ende und das sich drehende Element am distalen
Ende der Kathetervorrichtung befinden (Merkmale
P1-P3).

Der schlauchförmige Katheterschaft (8) erstreckt
sich vom proximalen Endbereich bis zum distalen
Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) [A2.2]
und ist mit seinem proximalen Ende flüssig-
keitsdicht mit dem Kupplungsgehäuse (19) ver-
bunden [A2.3].



3.2 Wesentliches Element der Katheter-Vorrichtung ist die Kupplung (9)
zwischen Antriebswelle (4) und Motor (7), die als Magnetkupplung ausgebildet ist
- 29 -
[P4 und P4.1]. Ein Ausführungsbeispiel ist in Fig. 15 des Streitpatents gezeigt
(s. o.).

Durch die berührungslose, magnetische Kraftübertragung zwischen einer mit dem
Motor verbundenen proximalen Magneteinheit und einer mit der Antriebswelle (4)
verbunden distalen Magneteinheit (23.1) [P4.1, P4.1.1 und P4.1.2] ist keine
Antriebswellendurchführung notwendig (vgl. Streitpatent Abs. [0015]: “Durch die
Trennung der abtriebsseitigen Kupplungselemente bis hin zum distalen Ende der
Katheter-Vorrichtung ist es nicht notwendig, die Antriebswelle nach außen durch
ein Loch zu führen. Eine solche Durchführung müsste abgedichtet werden. ...”).
Mittels der Magnetkupplung wird das übertragene Drehmoment begrenzt. Dabei
ist zwischen Entkopplung und Drehmomentbegrenzung zu unterscheiden.

Grundsätzlich gilt, dass sich bei Überschreiten eines maximalen Drehmoments die
beiden Magneteinheiten nicht mehr gegenüber liegen, da die abtriebsseitige
Magneteinheit der antriebsseitigen Magneteinheit aufgrund der schnellen Dreh-
bewegung nicht mehr nachlaufen kann, wenn die magnetischen Bindungskräfte
nicht mehr ausreichen. Hierdurch überlagern sich die Nord- und Südpole nicht
mehr (Slippling). Das maximal übertragbare Drehmoment ist begrenzt (vgl. auch
Streitpatent Abs. [0146]).

Eine Entkopplung mit einer physischen Beabstandung der Magneteinheiten findet
statt, wenn zumindest eine der beiden Magneteinheiten von der anderen
Magneteinheit entfernt wird, sodass keine magnetische Kraft mehr zwischen den
Magneteinheiten wirkt. Dies kann als Folge der Drehmomentbegrenzung
auftreten, wenn gemäß dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents die Mag-
neteinheiten in axialer Richtung durch die Abstoßung der Magneteinheiten so weit
auseinander verschoben werden, dass keine wirksame Kraft mehr zwischen den
Magneteinheiten wirkt. Das Halten des entkoppelten Zustands wird im Streitpatent
durch Ringmagnete 20.1, 20.2 erreicht (vgl. Streitpatent Abs. [0146]: „Die
Magneteinheiten 23.1, 23.2 werden vom Magnetringlager 20.3 durch die
gegenseitige Abstoßung der Ringmagnete 20.1, 20.2 im entkoppelten Zustand
- 30 -
gehalten.“). Diese axiale Verschiebbarkeit ist jedoch nicht bereits in Anspruch 1
nach Hauptantrag beansprucht, sondern erst in den Hilfsanträgen 6 bis 10, das
Magnetringlager findet sich in den Hilfsanträgen 8 bis 10.

Das Magnetringlager mit den Ringmagneten 20.1 und 20.2 ist in Fig. 15 des
Streitpatents gezeigt und in den Abs. [0108] und [0109] beschrieben, dabei wird
die Magnetisierung der Kreisflächen (axiale Magnetisierung) für die radiale und
axiale Lagerung verwendet:
„[0108] Am distalen äußeren Ende bzw. Umfang des zylinderförmigen
Abschnitts 22.2 des Kupplungselements 22 ist ein Absatz 22.4 ausgebildet.
Auf diesem Absatz 22.4 ist ein zweiter innerer Ringmagnet 20.2
angeordnet. ... Dieser bildet in Verbindung mit dem im Lagerungsabschnitt
19.9 des Kupplungsgehäuses 19 entsprechend ihn umgebenden äußeren
Ringmagneten 20.1 ein Magnetringlager 20.3 aus.
[0109] …. Das Magnetringlager 20.3 zentriert die Antriebswelle 4 in axialer
und in radialer Richtung. Die radiale Zentrierung erfolgt durch die magne-
tischen Anziehungskräfte in radialer Richtung. Die axiale Zentrierung erfolgt
dadurch, dass bei einem kleinen Versatz des inneren Ringmagneten 20.2
magnetische Rückstellkräfte erzeugt werden, die den inneren Ringmag-
neten 20.2 in eine in Axialrichtung mit der Position des äußeren
Ringmagneten 20.1 übereinstimmende Stellung ziehen. Bei einem größe-
ren Versatz treten hingegen Abstoßungskräfte zwischen den beiden
Magnetringen 20.1 und 20.2 auf, wodurch sie auseinander gedrückt
werden.“


3.3 Nach Anspruch 1 wird weiter vorgegeben, dass die distale Magneteinheit
(23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19) flüssigkeitsdicht gelagert ist [P4.1.3,
A2.1]. Dabei ist eine Wandung (24) - in der Beschreibung auch „Abschluss-
scheibe“ genannt - vorhanden, durch die die distale Magneteinheit (23.1) von der
proximalen Magneteinheit (23.2) räumlich getrennt ist [P4.1.4].

- 31 -
3.4 Der Rotor (3.2) ist von einem Gehäuse (Pumpengehäuse) mit einem
rohrförmigen Pumpenabschnitt (3.1.3) umgeben. Das Gehäuse soll dabei aus
einem Gitter aus Formgedächtnismaterial ausgebildet sein, wobei die Öffnungen
des Gitters zumindest im Bereich des Pumpenabschnittes (3.1.3) mittels einer
elastischen Bespannung geschlossen sind. Der Fachmann liest damit aufgrund
der in Abs. [0045] genannten Vorteile mit, dass die Öffnungen flüssigkeitsdicht
geschlossen sind (vgl. Streitpatent Abs. [0045]: “Die Gitterstruktur 3.1.6 des
Pumpengehäuses 3.1 ist im Pumpenabschnitt 3.1.3 mit einer PU-Bespannung
3.1.8 bespannt, wodurch die Gitteröffnungen flüssigkeitsdicht verschlossen sind.”).

Nach dem Streitpatent wird durch die Gitterstruktur eine sehr gute radiale und
axiale Stabilität sowie eine sehr gute axiale Komprimierbarkeit und Expan-
dierbarkeit erreicht (vgl. Streitpatent Abs. [0049]: “Durch die Gitterstruktur 3.1.6
ergibt sich eine sehr gute radiale und axiale Stabilität sowie eine sehr gute axiale
Komprimierbarkeit und Expandierbarkeit. Durch die spezielle Struktur kann sehr
einfach eine Anpassung von Länge und Durchmesser an die Leistungsanfor-
derungen erfolgen.”).

Dabei sieht der Senat keinen Synergieeffekt durch die Aggregation der Mag-
netkupplung und des beanspruchten Pumpengehäuses, da durch die einzelnen
Komponenten unterschiedliche Aufgaben gelöst werden (verbesserte Abdichtung
– verbesserte Stabilität/Komprimierbarkeit) [siehe auch Entscheidung des HCJ Rn
142-150, Anlage K24].

III.

Der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den
Hilfsanträgen 1 bis 5 erweist sich - bei unterstellter Zulässigkeit - als nicht
patentfähig, da die jeweils beanspruchte Lehre zwar neu ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 52, Art. 54 EPÜ), jedoch für den
angesprochenen Fachmann im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents durch
- 32 -
den Stand der Technik jeweils nahegelegt war (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG
i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 56 EPÜ).

Dies ergibt sich schon aus dem schriftlich belegten unbestrittenen Stand der
Technik, wozu hinsichtlich der Reitan-Herzkatheter-Pumpe (Anlagenkonvolut 1)
unzweifelhaft die Einzeldokumente K1.1, K1.7 bis K1.9 gehören. Es bestand daher
keine Notwendigkeit zur Sachaufklärung der zwischen den Parteien umstrittenen
Vorbenutzung und der in diesem Zusammenhang umstrittenen öffentlichen Zu-
gänglichkeit der Einzeldokumente K1.2 bis K1.6 aus dem Anlagenkonvolut 1 bzw.
des Bestehens der von der Beklagten insoweit geltend gemachten Geheim-
haltungsvereinbarung. Soweit im Folgenden auf das „Anlagenkonvolut 1“ verwie-
sen wird, sind daher nur die Einzeldokumente K1.1 und K1.7 bis K1.9 gemeint.

1. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist neu, sie ergab
sich für den Fachmann aber im Prioritätszeitpunkt in naheliegender Weise aus der
Zusammenschau der Reitan-Katheterpumpe nach der K1.1 und dem Pumpen-
kopfdesign nach der K13 oder der K14.

Für die Beurteilung, ob eine beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruht, ist von dem auszugehen, was der Gegenstand der Erfindung in
der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang
(BGH GRUR 2007, 1055– Papiermaschinengewebe) gegenüber dem Stand der
Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (BGH GRUR 2010, 607 - Fettsäure-
zusammensetzung), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen
sein können (BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger).

1.1 Ausgangspunkt war die Suche des Fachmanns nach einer Lösung des
Problems, eine Katheter-Vorrichtung mit einer sich fast über die gesamte
Katheter-Vorrichtung erstreckenden Antriebswelle zu entwickeln, die zuverlässig
mit hoher Drehzahl angetrieben werden kann. Entgegen der Auffassung der
Beklagten hatte der mit der Aufgabenstellung des Streitpatents betraute Fach-
mann damit Anlass, die bekannte Herzkatheter-Pumpe, wie sie in den Schriften
- 33 -
nach dem Anlagenkonvolut K1 offenbart ist, als Ausgangspunkt seines Bemühens
um eine Problemlösung heranzuziehen.

Die Einordnung eines bestimmten Ausgangspunkts als "nächstkommender" Stand
der Technik ist hierfür weder ausreichend noch erforderlich, sondern es können
verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein (BGH GRUR 2009,
1039 - Fischbissanzeiger; BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin). Vielmehr bedarf
es konkreter Umstände, die dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt Veranlassung
gaben, eine bestimmte Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt
seiner Überlegungen heranzuziehen (BGH GRUR 2017, 148 - Opto-Bauelement).
Diese Rechtfertigung liegt in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns, für
einen bestimmten Zweck eine bessere oder andere Lösung zu finden, als sie der
Stand der Technik zur Verfügung stellt (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382
Rn. 51 - Olanzapin). Auch bedarf es dafür, die Lösung des technischen Problems
auf dem Weg der Erfindung zu suchen, über die Erkennbarkeit des technischen
Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger
Anlässe (BGH GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).

Ausgehend hiervon sieht der Senat die Reitan-Katheterpumpe nach der K1.1 als
maßgebliche Lehre, welche der Fachmann als geeignetes Sprungbrett für eine
Problemlösung heranzog. Dem stand vorliegend bei den Vorrichtungen nach dem
Anlagenkonvolut K1 nicht entgegen, dass diese in der absteigenden Aorta posi-
tioniert sind, wohingegen im Ausführungsbeispiel nach Fig. 24 des Streitpatents
sich der Pumpenkopf 3 vollständig in der linken Herzkammer befindet.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die K13 oder K14 aus rückschauender Sicht
im Vergleich zu den Druckschriften aus dem Anlagenkonvolut K1 möglicherweise
als "nächstliegender" Stand der Technik angesehen werden könnten. Selbst wenn
dies zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass die Druckschriften aus dem
Anlagenkonvolut K1 oder sonstige Entgegenhaltungen als möglicher Ausgangs-
punkt ausscheiden. Wenn für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere
Alternativen in Betracht kommen, können mehrere von ihnen naheliegend sein.
- 34 -
Hierbei ist grundsätzlich ohne Bedeutung, welche der Lösungsalternativen der
Fachmann als erste in Betracht zöge (BGH GRUR 2016, 1023 - Anruf-
routingverfahren).

Die mit der Reitan-Pumpe angestrebten Vorteile - insbesondere die
linksventrikuläre Unterstützung des Herzes durch die Reitan-Pumpe (vgl. K1.1
S. 2089: „Like the IABP, the aim of the intraaortic PP is to reduce pressure
proximal to the pump, thereby reducing the afterload of the left
ventricle.“) - decken sich mit der Aufgabenstellung des Streitpatents (vgl.
Streitpatent Abs. [0003]: „Durch den Einsatz eines temporären linksventrikulären
Unterstützungssystems soll die Pumpfunktion des linken Ventrikels teilweise bzw.
weitgehend übernommen und die Koronarversorgung verbessert werden.“). Die
Position der Reitan-Pumpe ist auch nicht auf die absteigende Aorta beschränkt,
sondern hängt von der Art der Anwendung ab.

Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass auch die Lösung nach
dem Streitpatent nicht auf die Positionierung in der Herzkammer und/oder die
Verbesserung der Koronarversorgung eingeschränkt ist. Vielmehr kann die
erfindungsgemäße Lösung beispielsweise für Drainagen oder zum Auffüllen von
Hohlorganen bzw. -räumen verwendet werden (vgl. Streitpatent Abs. [0162]: „Das
eben beschriebene Ausführungsbeispiel kann beispielsweise für Drainagen oder
zum Auffüllen von Hohlorganen bzw. -räumen verwendet werden.“).

1.2 Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Veranlassung, die Reitan-
Herzkatheter-Pumpe nach dem Anlagenkonvolut K1 als erfolversprechenden
Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen.

In der Druckschrift K1.1. wird die Reitan-Herzkatheter-Pumpe (vgl. K1.1 S. 2089
re. Sp.: „...intraaortic propeller pump (PP) [In 2000, the intraaortic propeller pump
(PP) [Reitan catheter pump; Jomed; Helsingborg, Sweden]“) im Vergleich zur
bekannten Ballon-Katheterpumpe (intraaortic ballon pump (IABP)) untersucht.

- 35 -
Die Reitan-Herzkatheter-Pumpe umfasst dabei am distalen Ende der Katheter-
Vorrichtung als
drehendes
Element einen
Rotor
(deployable
propeller)
[= Merkmale P3
und A4], der
über eine An-
triebswelle
(driveshaft)
[= Merkmal P2] von einem Motor (driving unit) am proximalen Ende der Katheter-
Vorrichtung [= Merkmal P1] angetrieben wird (vgl. K1.1 S.2090 Kap. „Intraaortic
PP“: „The new intraaortic PP is a support device with a deployable propeller
(Fig. 2), which is driven by a flexible central driveshaft. The other end of the
driveshaft is a permanent, disk-shaped magnet, which is placed in the driving
unit.“), wobei sich ein schlauchförmiger Katheterschaft vom proximalen
Endbereich bis zum distalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung erstreckt (vgl.
K1.1 Fig. 2) [= Merkmal A2.2].

Die Antriebswelle (driveshaft) ist über eine proximalen Magneteinheit (permanent,
disk-shaped magnet) und eine distale Magneteinheit (rotating magnet) mit dem
Motor (driving unit) gekoppelt (vgl. K1.1 S.2090f Kap. „Intraaortic PP“: „… The
other end of the driveshaft is a permanent, disk-shaped magnet, which is placed in
the driving unit. The driving unit consists of a rotating magnet that can be set
between zero and ≤ 14,000 rpm.“). Die Kopplung erfolgt somit über berüh-
rungslose, magnetische Kraftübertragung, also eine Magnetkupplung [= Merkmale
P4, P4.1, P4.1.1, P4.1.2].

- 36 -
Die von der Beklagten angeführte fehlende Offenbarung zur Trennbarkeit oder
Schutzfunktion oder auch zur unterschiedlichen Positionierung geht ins Leere, da
auch der Anspruch 1 keine derartige Funktionalität zwingend vorsieht.

Sowohl die proximale Magneteinheit (permanent, disk-shaped magnet) als auch
die distale Magneteinheit (rotating magnet) befinden sich in der Antriebseinheit
(driving unit) (vgl. K1.1 S.2090f Kap. „Intraaortic PP“: „… The other end of the
driveshaft is a permanent, disk-shaped magnet, which is placed in the driving unit.
The driving unit consists of a rotating magnet that can be set between zero and ≤
14,000 rpm.“), der Fachmann las dabei ein Gehäuse unmittelbar und eindeutig
mit, so dass es keiner ausdrücklichen Erwähnung bedurfte. Merkmal P4.1.3,
nämlich die Lagerung der distalen Magneteinheit in einem Kupplungsgehäuse, ist
somit ebenfalls gelehrt. Denn offenbart kann auch dasjenige sein, was nicht
ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung
der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner
besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen" wird (BGHZ 179, 168
Olanzapin). Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an.

Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass der
Fachmann trotz der Erkenntnis, dass aufgrund der
erwähnten Verwendung einer Spül- und Schmier-
flüssigkeit für den Rotor (vgl. K1.1 S.2091 li. Sp: „A
solution of 20% glucose and 5 IU/mL heparin was
used at 25 mL per hour to purge and lubricate the
pump.“) zur Vermeidung einer Verschmutzung der
Rotorflüssigkeit bzw. der Verschmutzung/Kontamination der Antriebsseite die
Notwendigkeit eines flüssigkeitsdichten Gehäuses bestand, das die Katheter- und
die Motorseite trennt, die Offenbarung durch Fachwissen ergänzten musste,
ergeben sich die Merkmale P4.1.4, A2.1 und A2.3 zumindest in nahe liegender
Weise. Im Übrigen ist auch ein Kupplungsgehäuse mit Anschlüssen für die
Spülflüssigkeit der Reitan-Pumpe nach der K1.8 zu entnehmen (vgl. K1.8
Figure 1).
- 37 -
1.3 Der Fachmann erfuhr aus der Lehre zur Reitan-Katheterpumpe, dass die
Position und das Design des Pumpenkopfs nicht für den klinischen Einsatz
geeignet sind (vgl. K13 S.1860: „None of these devices featured an expandable
pump unit, other than the Reitan pump, which was designed for operation in the
descending aorta (7) and whose unconventional concept led to reduced perfusion
of carotid and coronary arteries, thus making it unsuitable for the clinical setting.“).

Damit erhielt der Fachmann bereits den Fingerzeig und die Anregung, zur
Erzielung einer höheren Pumpleistung den Pumpenkopf nach der K1.1. weiter-
zuentwickeln. Der Fachmann war auch veranlasst dabei Katheterpumpen unab-
hängig vom Antrieb in Betracht ziehen, wenn er dort Lösungen zum Pumpenkopf
erwarten konnte. Selbstverständlich beachtet der Fachmann stets die medizi-
nischen Erfordernisse (Gefahr der Hämolyse bei zu hohen Drehzahlen), jedoch ist
der Fachmann keineswegs abgehalten, zur Erhöhung der angesprochenen
niedrigen Pumpleistung weitergehende Modifikationen wie das Umgestalten
ganzer Komponenten - insbesondere bei einer Weiterentwicklung eines
Prototypen wie bei der Vorrichtung nach dem Anlagenkonvolut K1 - in Betracht zu
ziehen.

So zeigt die K13 eine expandierbare Pumpeneinheit, bei der das Pumpengehäuse
aus einem Gitter aus einer Metalllegierung mit Formgedächtnis ausgebildet ist
(vgl. K13 Fig. 1, S.1856f Abs. „MATERIALS AND METHODS“) und mit einer
Polyurethanbeschichtung versehen ist.

- 38 -
Die K14, die K26 (Fig.16C, 17 - 20) und die K30 (Fig.22, 23 - alle McBride) zeigen
ebenfalls
Herzkatheter-
pumpen mit
einem gitterför-
migen Pumpen-
gehäuse aus
einem Formge-
dächtnismaterial


Dabei sind die Öffnungen des gitterförmigen Pumpengehäuses in dem Bereich
zwischen dem Einlassende und dem Auslassende, in dem der Rotor in dem
Pumpengehäuse angeordnet ist, mit einer elastomeren Beschichtung (633)
verschlossen, um einen Leitungskanal für die zu pumpende Flüssigkeit (Blut)
auszubilden (siehe K14 Abs. [0141] und [0145]).

- 39 -
Auch die K29 (u. a. Fig.3B)

und die K30 zeigen Pumpengehäuse nach den Merkmalen A21, A21.1, A21.2 und
A22. In der K30 wird dabei wie in der K1.1 eine Miniatur-Pumpe verwendet, die
aus einem selbstexpandierbaren Impeller an der Spitze des Katheters, der von
einem externen elektrischen Motor
über eine im Katheterschaft verlau-
fende flexible Welle angetrieben
wird, besteht (vgl. K30 S. 114,
Abbildung 1).

Durch die in diesen Dokumenten
genannten hohen Drehzahlen (u. a.
K30 S. 115: Drehzahl 30000U/min,
Volumenstrom 3l/min; K14: 40.000RPM) konnte der Fachmann durchaus mit einer
höheren Pumpleistung rechnen und damit die gestellte Aufgabe lösen.

Alle oben genannten Pumpenköpfe erfüllen die Merkmale A21 bis A22, wonach
ein gitterförmiges Pumpengehäuse aus einem Formgedächtnismaterial vorge-
sehen ist, das den Rotor mit einem rohrförmigen Pumpenabschnitt umgibt und
dessen Öffnungen zumindest im Bereich des Pumpenabschnittes mittels einer
elastischen Bespannung geschlossen sind. Diese Schriften erläutern auch die
Vorteile und Verbesserungen der Strömungsrate, also der Pumpleistung, die noch
über der im Streitpatent genannten Rate liegt.

Ausgehend von der in K1.1 offenbarten Lösung lag es aufgrund des dem
Fachmann auch im prioritätszeitpunkt bekannten Vorteils einer Magnetkupplung
hinsichtlich der räumlichen Trennung der Antriebseinheit von der Pumpeinheit für
den Fachmann nahe, die dort offenbarte Ausgestaltung der Magnetkupplung
- 40 -
unverändert zu lassen und lediglich den Pumpenkopf zu ändern, indem das ihm
geläufige und vorteilhafte o. g. Pumpenkopfdesign auf die Pumpe nach der K1.1
übertragen wird. Der Fachmann gelangt damit in nahe liegender Weise zum
Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag.

Die von der Beklagten genannten technischen Probleme, die bei einer Erhöhung
der Drehzahl und des Drehmoments auftreten würden, sind in der Streit-
patentschrift weder genannt noch ist eine implizite Problemlösung offenbart.
Soweit diese Probleme tatsächlich bestehen sollten, ist davon auszugehen, dass
der Fachmann hierfür eine Lösung mittels orientierender Versuche und
fachmännischem Handeln erreicht.


2. Das Streitpatent hat auch in der jeweiligen Fassung nach den Hilfsanträgen
1 bis 5 keinen Bestand.

2.1 In Anspruch 1 gemäß der Fassung nach Hilfsantrag 1 sind gegenüber dem
Hauptantrag die auf der Beschreibung beruhenden Merkmale HA1.1 und HA1.2
aufgenommen, die die Abschnitte des Pumpengehäuses definieren [HA1.1] und
einen Lagerbereich in dem distalen und
proximalen Gehäuseabschnitt beanspru-
chen [HA1.2].

Die Aufteilung des Pumpengehäuses in
Gehäuseabschnitte nach Merkmal HA1.1
ist auch bei den Pumpengehäusen nach
dem genannten Stand der Technik gege-
ben, da das Merkmal lediglich eine
Definition vorgibt. Ein technischer Unter-
schied ist darin nicht erkennbar.

- 41 -
Für den Fachmann stellte es weiter eine selbstverständliche handwerkliche
Leistung dar, den Rotor innerhalb des Pumpengehäuses zu zentrieren und zu
lagern, damit ein Kontakt und damit eine Fehlfunktion des Rotors bzw. eine
Beschädigung des Pumpengehäuses vermieden wird. Eine derartige Lagerung
wird der Fachmann an den Endpunkten des Rotors und des Gehäuses
vornehmen, also am distalen und proximalen Gehäuseabschnitt
[= Merkmal HA1.2].

Derartige Lagerungsbereiche (Lager) zeigt schematisch auch die K2.1 Fig. 3.1.
Eine zentrierte Lagerung des Rotors ist auch bei der in der K1.1 beschriebenen
Reitan-Herzkatheter-Pumpe zwingend erforderlich und selbstverständlich auch
gegeben (vgl. Fig. 2).


2.2 Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag 2 verteidigten
Fassung ist ebenfalls nicht patentfähig.

Gemäß Hilfsantrag 2 ist in Anspruch 1 gegenüber Hilfsantrag 1 das Merkmal HA2
aufgenommen, das die Größe der Öffnungen des Gitters festlegt.

Bei der Ausbildung des Pumpenabschnitts hat der Fachmann zu berücksichtigen,
dass im Bereich des Pumpenabschnitts eine hohe Stabilität, insbesondere eine
radiale Stabilität der Gitterstruktur gewünscht ist, da ansonsten die Funktion des
Rotors beeinträchtigt würde, während in den proximalen und distalen Bereichen
ein hoher Blutdurchfluss notwendig ist.

- 42 -
Eine Anregung zur Lösung hierfür erhielt der Fachmann beispielsweise aus der
K14, die eine dichte Gitterstruktur zur Erhöhung der Stabilität vorschlägt (vgl. K14
Abs. [0147]: „The radial stiffness of the
expandable portion 626 is controllable via the
mesh thickness and the geometric density of
the cell structure, which can vary along the
cannula length.“; Abs. [0148]: “A dense mesh
exhibits greater radial stability than a less dense mesh.”). Falls der Fachmann
damit nicht bereits mittels seines Fachkönnens auf die in Merkmal HA2 genannten
relativen Größen der Öffnungen gelangte, zog er für die Ausbildung der
Gitterstruktur auch die Gitterstrukturen für Stents heran, da sich in diesem
benachbarten und dem Fachmann bekannten Fachgebiet ebenfalls die Anfor-
derungen für Stabilität und Blutfluss ergeben, er darin also eine Lösung für sein
Problem erwarten konnte. So zeigen insbesondere die K31 und die K32 eine
dichte Gitterstruktur im mittleren Bereich und große Gitteröffnungen in den
äußeren Bereichen (vgl. insb. K31 Fig. 5 , K32 Fig. 6-12).

2.3 Hilfsantrag 3 spezifiziert Hilfsantrag 2 weiter, wobei HA3.1 das Merkmal
HA1.1, HA3.2 das Merkmal HA1.2 und HA3.3 das Merkmal HA2 präzisiert.

Die obigen Ausführungen zu den Hilfsanträgen 1 und 2 treffen in entsprechender
Weise auch auf Hilfsantrag 3 zu, in dem lediglich das Pumpgehäuse exakter
definiert ist und der Lagerbereich spezifiziert ist. Die Merkmale HA3.1 und HA3.3
liefern gegenüber den Merkmalen HA1.1 und HA2 keine erweiterte technische
Lehre, da sie lediglich eine dem Fachmann bekannte Definition der Abschnitte des
Pumpengehäuses vorgeben, und können daher ebenfalls die Patentfähigkeit nicht
begründen.

Bei der konstruktiven Umsetzung der gewünschten Lagerung wird der Fachmann
diese Lager an beiden Seiten des Rotors, also jeweils im distalen bzw. proximalen
Gehäuseabschnitt vorsehen, und mit diesem in Berührung einen Lagerbe-
reich/Wellenschutz ausbilden, in dem die Antriebswelle drehbar aufgenommen ist,
- 43 -
um eine stabile und sichere Lagerung im Pumpengehäuse zum Schutz des
Gehäuses und des Rotors zu erreichen [= Merkmal HA3.2]. Derartige Maß-
nahmen gehen nicht über handwerkliches Können hinaus.


2.4. Hilfsantrag 4 weist gegenüber Hilfsantrag 3 das zusätzliche Merkmal HA4
zur Position der Lagerung des Rotors auf.

Bezüglich der Lagerung des Rotors nach Merkmal HA4 gilt die bereits zu Merkmal
HA1.2 genannte Argumentation, wonach eine Lagerung des Rotors in axialer
Richtung an einem dem Rotor zugewandten Ende des distalen Lagers und/oder
an einem dem Rotor zugewandten Ende des proximalen Lagers sich für den
Fachmann im Rahmen fachmännischen Handelns ergibt und im Übrigen auch in
der K2.1 offenbart ist.


2.5 Hilfsantrag 5 spezifiziert Hilfsantrag 4 weiter, wobei HA5.1 und HA5.6 den
Merkmalen HA3.1 und HA3.3 entsprechen und das Merkmal HA5.4 das Merkmal
HA3.2 präzisiert. Weiter werden die Merkmale HA5.2, HA5.3 (konusförmige
Aufweitung/Verengung) und HA5.5 (Wellenschutz) hinzugefügt.

Wie bereits erwähnt und auch im Stand der Technik offenbart, muss der
Fachmann selbstverständlich eine Zentrierung der Antriebswelle und damit des
Rotors sicherstellen. Ausgehend von dieser Aufgabe erschöpfen sich die
konstruktiven Merkmale zur Lagerung und zum Wellenschutz für den Fachmann
gemäß den Merkmalen HA5.4 und HA5.5 (Wellenschutz und Lagerscheibe) in
handwerklichen Maßnahmen, zumal diese Merkmale lediglich das Vorsehen der
Lagerungen und deren distale und proximale Positionierung sowie einen
Wellenschutz benennen, aber keinerlei individualisierenden oder abgrenzenden
Ausgestaltungsmerkmale dieser Lagerung bzw. des Wellenschutzes aufführen.

- 44 -
Bezüglich der konusförmigen Aufweitung des Ansaugabschnitts bzw. Verengung
des Auslassabschnitts wird auf die bereits zum Hauptantrag genannten
Pumpengehäuse aus dem Stand der Technik verwiesen. Diese besitzen im
expandierten Zustand ebenfalls eine konusförmige Aufweitung bzw. Verengung
des Endabschnitts des Pumpengehäuses [= Merkmale HA5.2 und HA5.3].


IV.

Soweit das Streitpatent in der Fassung gemäß (neuem) Hilfsantrag 6 verteidigt
wird, erweist sich dessen Gegenstand als patentfähig. Die Klägerin vermochte den
Senat nicht davon zu überzeugen, dass sich die danach zulässig beanspruchte
Katheter-Vorrichtung für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt in naheliegender
Weise (Art. 56 EPÜ) aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergab.

Hilfsantrag 6 entspricht dem Hauptantrag mit dem zusätzlichen Merkmal HA6,
wonach die Kupplung derart ausgebildet ist, dass die distale Magneteinheit (23.1)
von der proximalen Magneteinheit (23.2) in Richtung distal gedrückt werden kann,
um die magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten (23.1,
23.2) durch eine Verschiebung eines die distale Magneteinheit (23.1) tragenden
Kupplungselements (22) in Richtung distal zu trennen.

1. Das zusätzliche Merkmal HA6 des Hilfsantrags 6 ist sowohl ursprünglich
offenbart als auch Gegenstand des Streitpatents und damit zulässig.

Das Merkmal HA6 bildet die Magnetkupplung weiter. Die Einzelheiten der
Magnetkupplung sind insbesondere in Fig. 15 dargestellt und ab Abs. [0086] des
Streitpatents (Abs. [0085] der Offenlegungsschrift) beschrieben.

Abs. [0144] der Streitpatentschrift (Abs. [0143] der Offenlegungsschrift) erläutert
die Entkopplung der Magneteinheiten: „Sobald der Rotor 3.2 blockiert, verdreht
bzw. verkürzt sich die Antriebswelle 4, der Widerstand an der distalen
- 45 -
Magneteinheit 23.1 steigt. Die Magnetfelder zwischen der proximalen und der
distalen Magneteinheit 23.2, 23.1 überlagern sich im Betrieb nicht vollständig, da
die distale Magneteinheit 23.1 der proximalen Magneteinheit 23.2 immer ein wenig
nachläuft. Erhöht sich nun das benötigte Drehmoment an der distalen
Magneteinheit 23.1 überlagern sich die Nord- und Südpole der Magneteinheiten
23.1, 23.2 nicht mehr sondern stoßen einander ab. Hierdurch wird die distale
Magneteinheit 23.1 von der proximalen Magneteinheit 23.2 in Richtung distal
gedrückt. Die magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten
23.1, 23.2 ist getrennt. Die Antriebswelle 4 steht sofort still“.

Aus dieser Erläuterung entnimmt der Fachmann die in Merkmal HA6 angegebene
allgemeine technische Lehre, dass die distale Magneteinheit (23.1) von der
proximalen Magneteinheit (23.2) in Richtung distal gedrückt werden kann, um die
magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten (23.1, 23.2) durch
eine Verschiebung eines die distale Magneteinheit (23.1) tragenden Kupplungs-
elements (22) in Richtung distal zu trennen.
Die Sicherung der Entkopplung durch das Magnetringlager (20.3) mit den
Ringmagneten (20.1) und (20.2) ist für die Entkopplung nicht erforderlich und wird
vom Fachmann als zusätzliche Sicherungsmaßnahme verstanden. Der Fachmann
entnahm deshalb unmittelbar und eindeutig dem beschriebenen Ausführungs-
beispiel, dass auch die unter Schutz gestellte und nicht sämtliche Merkmale
übernehmende Ausgestaltung der Erfindung in der beanspruchten Allgemeinheit
in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörende Lehre offenbart ist
(BGH GRUR 2014, 970 - Stent; GRUR 2014, 542 - Kommunikationskanal).

Damit kann das Merkmal der Entkopplung gemäß HA6 auch nur einzeln in den
Anspruch aufgenommen werden, denn es stellt eines von mehreren Merkmalen
eines Ausführungsbeispiels dar, die zusammengenommen, aber auch für sich
betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind.

- 46 -
Der geänderte Anspruch ist danach auch hinsichtlich der Offenbarung des
Merkmals HA6 und auch ohne Angabe der Profilstange (21) oder der
Magnetringlager (20.3) zulässig.

2. Eine Entkopplung gemäß Merkmal HA6 war durch die im Verfahren
befindlichen Entgegenhaltungen nicht nahe gelegt.

Die konstruktive Ausgestaltung der Magnetkupplung ergibt sich aus der Aufgabe,
die Sicherheit des Kathetersystems zu verbessern. Das bei Medizinprodukten
notwendige Risikomanagement erfordert dabei vom Hersteller, Maßnahmen zu
treffen, um Fehlfunktionen zu vermeiden und die Gefährdung des Patienten zu
verhindern.

Der Fachmann wusste aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, dass eine
hierzu geeignete Maßnahme darin besteht, den Grenzwert für das Drehmoment
vorzugeben und die Stirnmagnetkupplung der Reitan-Katheterpumpe entspre-
chend ausgestalten.

Eine Trennung der Magneteinheiten gemäß Merkmal HA6 stellt eine zusätzliche
Sicherheitsmaßnahme dar, die weder durch den im Verfahren befindlichen Stand
der Technik offenbart ist, noch erhält der Fachmann aus diesem Stand der
Technik oder aus seinem Fachkönnen eine Anregung zu einem derartigen Prinzip.

In der Reitan-Katheterpumpe (Anlagenkonvolut K1) sind die Magneteinheiten im
Kupplungsgehäuse gelagert und können lediglich mittels manuellen Eingriffs
voneinander entfernt werden. Die Möglichkeit einer Entkopplung durch Drücken
der distalen Magneteinheit von der proximalen Magneteinheit in Richtung distal
oder zumindest ein Hinweis hierauf ist den Druckschriften des Anlagenkonvoluts
K1 nicht zu entnehmen.

Die weiteren Entgegenhaltungen liefern hierzu ebenfalls keinen Hinweis und auch
aus dem Fachwissen oder Fachkönnen ergibt sich diese Lösung nicht
- 47 -
naheliegend, da der Fachmann eine unkontrollierte Abstoßung der Magnet-
einheiten vermeiden würde, da diese der Zuverlässigkeit des Antriebs entge-
gensteht, und ein flüssigkeitsdicht gekapseltes Gehäuse üblicherweise auch
keinen Raum für eine Verschiebung besitzt. Damit fehlt es jedoch an einer
Anregung, die Reitan-Katheterpumpe nach dem Anlagenkonvolut K1 oder das
Pumpenkonzept nach dem Anlagenkonvolut K2 derart weiterzuentwickeln, dass
die distale Magneteinheit (23.1) von der proximalen Magneteinheit (23.2) in
Richtung distal gedrückt werden kann, um die magnetische Verbindung zwischen
den beiden Magneteinheiten (23.1, 23.2) durch eine Verschiebung eines die
distale Magneteinheit (23.1) tragenden Kupplungselements (22) in Richtung distal
zu trennen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6 ist daher neu gegenüber
dem Stand der Technik und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die auf ihn zurückbezogenen
Unteransprüche 2 bis 22 Bestand.


V.
Der Tenor war nach Anhörung der Parteien dahingehend gemäß § 95 PatG zu
berichtigen, dass nach Ziff. I als (neue) Ziff. II eingefügt wird: „Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen“. In dem verkündeten Tenor ist die Teilabweisung versehentlich
nicht enthalten, sie ergibt sich jedoch offensichtlich aus einem Vergleich mit dem
Protokoll vom 08.06.2017 und den Gründen des Urteils.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1
ZPO. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte das Streitpatent in der erteilten
Fassung nicht mehr verteidigt hat und mit den Fassungen nach dem geltenden
Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5 nicht durchdringen konnte, sondern
- 48 -
sich erst die durch die technische Ausbildung der Kupplungseinheit deutlich
eingeschränkte Fassung nach Hilfsantrag 6 als bestandsfähig erwies, bewertet der
Senat das Unterliegen der Beklagten auf ¾ und das der Klägerin auf ¼ des
Gebührenstreitwerts.


Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1
PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundes-
republik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unter-
zeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung
des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von
fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert
werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Engels Dr. Müller ist
auf Grund Urlaubs an der
Unterschrift gehindert

Engels
Veit Dorn Zimmerer
Me


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