4 Ni 24/15 (EP) - 4. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

4 Ni 24/15 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
17. Januar 2017





In der Patentnichtigkeitssache


- 2 -




betreffend das europäische Patent 0 764 811
(DE 696 24 653)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter
Engels, die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Müller und Dipl.-Ing. Veit sowie die
Richterinnen Dorn und Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer

für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

1. Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 764 811, deutsches Akten-
zeichen DE 696 24 653 (Streitpatent), das am 19. September 1996 unter
Beanspruchung der französischen Priorität FR 9510957 vom 19. September 1995
angemeldet worden ist. Das Streitpatent bezieht sich auf Belüftungssysteme für
Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtungen für Kraftfahrzeuge (vgl. Satz 1
der deutschen Übersetzung der Europäischen Patentschrift, Anlage NK2) und
umfasst 7 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
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Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Französisch:

1. Appareil d'éclairage ou de signalisation pour véhicule
automobile, comportant un dispositif de ventilation défini
conjointement par des premiers aménagements formés sur un
boîtier (100) de l'appareil et par des seconds aménagements
formes sur un bouchon (200) monté sur le boîtier, le dispositif
définissant un trajet sinueux de ventilation de l'espace intérieur de
l'appareil, ce trajet sinueux comprenant une double entrée d'air en
partie inférieure, comportant deux ouvertures d'entrée (216a, 216b)
en vis-à-vis et un passage d'entrée (T1) s'étendant sensiblement
transversalement a la direction générale allant d'une entrée d'air à
l'autre, caractérise en ce que le trajet sinueux est défini
conjointement par des parties du boîtier et par des parties du
bouchon, en ce que ledit trajet sinueux constitue une chicane à
deux changements de direction (T1, T2, T3) s'étendant
sensiblement vers le haut à partir de ladite double entrée d'air, et en
ce qu' un passage (T3, 1201) de communication entre la chicane et
l'espace intérieur de l'appareil est défini au moins partiellement
entre des pattes (210a, 210b) de montage élastique du bouchon
sur le boîtier.

In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 1:

1. Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge,
mit einem Belüftungssystem, das gemeinsam durch erste, an einem
Gehäuse (100) der Vorrichtung ausgebildete Einrichtungen und durch
zweite, an einer am Gehäuse angebrachten Kappe (200) ausgebildete
Einrichtungen gebildet ist, wobei das System einen gewundenen Weg
zur Belüftung des Innenraums der Vorrichtung bildet und dieser
gewundene Weg im unteren Teil zwei Lufteintritte mit zwei sich
gegenüberliegenden Eintrittsöffnungen (216a, 216b) und einem Ein-
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trittskanal (T1) aufweist, der sich im Wesentlichen quer zu der
allgemeinen Richtung erstreckt, die von einem Lufteintritt zum anderen
verläuft, dadurch gekennzeichnet, dass der gewundene Weg durch
Gehäuse- und Kappenteile gemeinsam gebildet wird, dass der
gewundene Weg ein Labyrinth mit zweifacher Richtungsänderung (T1,
T2, T3) bildet, das von den beiden Lufteintritten ausgehend im
Wesentlichen nach oben verläuft, und dass ein Verbindungskanal (T3,
1201) zwischen dem Labyrinth und dem Innenraum der Vorrichtung
wenigstens teilweise zwischen Klammern (210a, 210b) zur elastischen
Montage der Kappe am Gehäuse ausgebildet ist.

Wegen der auf den Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen
Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 764 811 B1 Bezug
genommen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin den Nichtigkeitsgrund der fehlenden
Patentfähigkeit, nämlich der fehlenden Neuheit und der mangelnden erfinde-
rischen Tätigkeit der angegriffenen Patentansprüche geltend (Art. II § 6 Abs. 1
Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a und Art. 52, Art. 54, Art. 56 EPÜ).

Die Klägerin hält dem Streitpatent in der mündlichen Verhandlung zuletzt
folgenden Stand der Technik entgegen:

NK5 FR-A-2 626 060 A1
NK6 US 5 010 453
NK8 WO 95/02783 A1
NK8a DE 694 06 452 T2 (deutsche Übersetzung der EP 0 708 899
B1), im Wesentlichen inhaltsgleich mit NK8

Zuvor hat sie zum Stand der Technik noch folgende Unterlagen vorgelegt:
NK9 JP 7-230708
NK9a+b englische und deutsche Übersetzung der NK9
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NK10 US 5 014 964
NK10a deutsche Übersetzung der NK10
NK11 FR 2 654 048 A1
NK11a Offenlegungsschrift DE 40 34 258 A1
NK12 FR 2 660 413 A1
NK12a GB 2 242 513 A (Prioanmeldung zu NK12).

Die Klägerin trägt vor, die angebliche Erfindung des Streitpatents reduziere sich
auf zwei technisch voneinander unabhängige Maßnahmen, die dem Fachmann
bereits aus dem Stand der Technik bekannt seien:

1. Die Vermeidung von Flüssigkeitseintritt in ein Belüftungssystem durch Er-
höhung der Anzahl der Windungen im Labyrinth.
2. Die verbesserte Fixierung der Kappe bei der Montage auf dem Gehäuse
mittels Klammern.

Die Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents werde durch NK8 neuheitsschädlich
vorweggenommen. Das Verständnis der zwei Lufteintritte mit zwei sich gegen-
überliegenden Eintrittsöffnungen nach Merkmal M4 umfasse auch eine Lösung,
wie sie NK8 zeige; denn es sei unschädlich, wenn auch weitere Seitenbereiche
geöffnet seien, solange jedenfalls ein Teilbereich der jeweiligen Öffnung tat-
sächlich gegenüberliege, also keine Richtungsänderung zwischen Einlass und
Auslass erforderlich sei, wie dies bei NK8 der Fall sei. Durch die in der NK8
genannte Schiebepassung seien ferner die erfindungsgemäßen Klammern im
Sinne der Merkmale M9 und M10, die nicht aus zwei separaten Teilen bestehen
und lediglich eine einfache Translationsbewegung ausführen müssten, offenbart.

Zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit trägt die Klägerin vor, dass der Gegenstand
des Anspruchs 1 - ausgehend von der o. g. zweifachen Aufgabe einer
Verbesserung der Sperrwirkung und der Montage - durch die Schriften NK5,
NK6und NK8 (sofern man diese nicht bereits als neuheitsschädlich sehe) jeweils
nahegelegt sei.
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Das in NK5 gezeigte Gehäuse trage einen unmittelbaren Beitrag zur Ausbildung
des gewundenen Weges bei, auch die zweifache Richtungsänderung sei erfüllt.
Es fehlen lediglich die erfindungsgemäßen Klammern, die aber eine fachübliche
Maßnahme darstelle.

Bei NK6 habe für den Fachmann bereits die Veranlassung bestanden, einzelne
umfassende Wände, hier einzelne Außen- oder Innenwände, wegzulassen, weil er
immer bestrebt sei, die Konstruktion zu vereinfachen und er so auch die
Klammerwirkung verbessern könne, beispielsweise durch die Schaffung von
Schlitzen. Dies gelte auch für den Rohrstutzen der NK5.

Die Lehre des Streitpatents sei ferner durch NK8 nahegelegt. Es sei für den
Fachmann eine rein handwerkliche Maßnahme gewesen, den offenen Bereich zu
verkleinern und hier auf zwei gegenüberliegende Öffnungen zu beschränken.
Hinsichtlich der Klammer(n) gelte das zu NK5 und NK6 Gesagte, wobei man
bereits dadurch zwei Klammern erhalte, indem man einen Teil des Deckels
herausschneide, um die Flexibilität zu erhöhen.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent EP 0 764 811 mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang
für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit
Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 1. August 2016 (Bl.
286 ff. d. Akte) verteidigt wird,

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hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit
Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. September 2016
(Bl. 347 ff. d. Akte) verteidigt wird.

Wegen des Wortlauts der jeweiligen Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1
und 2 wird auf die Anlagen zu den im Antrag der Beklagten aufgeführten
Schriftsätze verwiesen.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und
erachtet das Streitpatent für patentfähig.

Die Lehre der NK8 stünde nicht neuheitsschädlich entgegen. Denn der offene
Bereich in NK8 könne nicht mit einer Öffnung im Sinne des Merkmals M4
gleichgesetzt werden. Zudem sei die erfindungsgemäß geforderte elastische
Klammerverbindung (Merkmal M10) nicht durch die in NK8 genannte
Schiebepassung erfüllt.

Zudem beruhe die technische Lehre des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit.
Bei der von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführten NK5 fehle es
bereits an dem Merkmal M6, da der gewundene Weg nur durch die Kappe
gebildet werde. Ferner zeige diese Schrift keine zweifache Richtungsänderung
(Merkmal M7) und auch keine Klammer(n) (Merkmal M10). Es habe für den
Fachmann auch keine Veranlassung bestanden, diese funktionierende Lösung
nach der Lehre der NK5 abzuändern. Entsprechendes gelte für NK6. Abgesehen
davon rügt die Beklagte den erstmals in der mündlichen Verhandlung auf NK5 und
NK6 gestützten Nichtigkeitsangriff der Klägerin als verspätet.

Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 27. Mai 2016
nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

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Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt
allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
17. Januar 2017 Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, denn der Senat konnte nicht fest-
stellen, dass der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung wegen
des von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der fehlenden
Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 lit. a EPÜ,
Art. 52 bis Art. 57 EPÜ sich als nicht bestandsfähig erweist, insbesondere dass die
beanspruchte Lehre gegenüber dem genannten Stand der Technik nicht neu ist
oder nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Auf die Zulässigkeit und
Patentfähigkeit der jeweiligen Fassung gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 kam es
bei dieser Sachlage nicht an.


1. Gegenstand des Streitpatents
Nach den Angaben in der Streitpatentschrift betrifft das Patent allgemein
Belüftungssysteme für Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtungen für Kraft-
fahrzeuge.

Ein ständiges Anliegen bei der Konzeption dieser Belüftungssysteme ist eine
ausreichende Belüftung bzw. Luftzufuhr des Innenraums des Gehäuses oder des
Sockels der Vorrichtung, wobei jedoch auch möglichst wirksam das Eindringen
von Wasser, Schmutz, Staub usw. in diesen Innenraum vermieden werden soll.

Das Problem ist heutzutage umso größer, da jegliches Eindringen von Wasser
durch Wasserstrahlen bei Hochdruckwäschen, zum Beispiel vom Motorraum des
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Fahrzeugs aus, denen die vorderen Scheinwerfergehäuse ausgesetzt sind,
vermieden werden muss.

Insbesondere die Dokumente FR-A-2 654 048, FR-A-2 183 934, FR-A-2 660 413
und US-A-4 739 458 geben den Stand der Technik wieder. Ein Belüftungssystem
gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ist aus der FR-A-2 626 060 (NK5)
bekannt. Aus der US-A-5 010 453 (NK6) ist gleichfalls ein System bekannt, das
jedoch eine begrenzte Wirksamkeit aufgrund der nur gering gewundenen
Luftwege aufweist. Die Kappe ist zudem nicht gründlich befestigt und kann sich im
Laufe der Zeit zufällig vom Gehäuse lösen.

2. Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es nach den Angaben der
Streitpatentschrift, ein neues Belüftungssystem vorzuschlagen, das durch ein-
fache, kostengünstige und den Gesamtraumbedarf nur geringfügig erhöhende
Mittel einen gewundenen Luftweg bildet, der den Sperreffekt gegenüber
Flüssigkeiten verbessert, und bei dem die Befestigung der Kappe verbessert ist.
Ein weiteres Ziel der Erfindung ist es, ein leicht zu montierendes Belüftungssystem
vorzuschlagen, das erforderlichenfalls einen Schaumstofffilter in einfacher Weise
aufnehmen kann.


3. Zur Lösung dieser Aufgaben schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1
eine Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge mit
folgenden Merkmalen vor (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

M1 Appareil d'éclairage ou de signalisation pour véhicule
automobile,
M2 comportant un dispositif de ventilation défini conjointement par
des premiers aménagements formés sur un boîtier (100) de
l'appareil et par des seconds aménagements formes sur un
bouchon (200) monté sur le boîtier,

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M3 le dispositif définissant un trajet sinueux de ventilation de
l'espace intérieur de l'appareil,
M4 ce trajet sinueux comprenant une double entrée d'air en partie
inférieure, comportant deux ouvertures d'entrée (216a, 216b) en
vis-à-vis
M5 et un passage d'entrée (T1) s'étendant sensiblement
transversalement a la direction générale allant d'une entrée d'air à
l'autre, caractérise en ce que
M6 le trajet sinueux est défini conjointement par des parties du
boîtier et par des parties du bouchon, en ce que
M7 ledit trajet sinueux constitue une chicane à deux changements
de direction (T1, T2, T3)
M8 s'étendant sensiblement vers le haut à partir de ladite double
entrée d'air,
M9 et en ce qu'un passage (T3, 1201) de communication entre la
chicane et l'espace intérieur de l'appareil
M10 est défini au moins partiellement entre des pattes (210a, 210b)
de montage élastique du bouchon sur le boîtier.

In deutscher Übersetzung (Korrekturen gegenüber der Fassung des
Streitpatents in Fettdruck):

M1 Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge,
M2 enthaltend ein Belüftungssystem, das gemeinsam durch erste, an
einem Gehäuse (100) der Vorrichtung ausgebildete Einrichtungen
und durch zweite, an einer am Gehäuse angebrachten Kappe
(200) ausgebildete Einrichtungen gebildet ist,
M3 wobei das System einen gewundenen Weg zur Belüftung des
Innenraums der Vorrichtung bildet
M4 und dieser gewundene Weg im unteren Teil zwei Lufteintritte mit
zwei sich gegenüberliegenden Eintrittsöffnungen (216a, 216b)
- 11 -
M5 und einen Eintrittskanal (T1) enthält, der sich im Wesentlichen
quer zu der allgemeinen Richtung erstreckt, die von einem
Lufteintritt zum anderen verläuft, dadurch gekennzeichnet,
M6 dass der gewundene Weg durch Gehäuse- und Kappenteile
gemeinsam gebildet wird,
M7 dass der gewundene Weg ein Labyrinth mit zweifacher
Richtungsänderung (T1, T2, T3) bildet,
M8 das von den beiden Lufteintritten ausgehend im Wesentlichen
nach oben verläuft,
M9 und dass ein Verbindungskanal (T3, 1201) zwischen dem La-
byrinth und dem Innenraum der Vorrichtung
M10 wenigstens teilweise zwischen Klammern (210a, 210b) zur
elastischen Montage der Kappe am Gehäuse ausgebildet ist.

Aufgrund der maßgeblichen französischen Fassung erscheint die
deutsche Übersetzung teils ungenau: so muss es zu Merkmal M2 heißen
enthaltend (comportant), ebenso zu Merkmal M5. Andererseits entspricht
dem französischen Begriff „chicane“ zwar wörtlich nicht das deutsche Wort
„Labyrinth“, in technischer Sicht sieht der Senat dies jedoch zutreffend
übersetzt.


4. Als zur Lösung der Aufgabe angesprochen Fachmann sieht der Senat einen
Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf dem
Gebiet der Entwicklung von Beleuchtungsvorrichtungen für Kraftfahrzeuge oder
sonstige Fahrzeuge berufen.

II.

1. Lehre des Streitpatents

Die wesentlichen Merkmale des erfindungsgemäßen Scheinwerfers sollen darin
liegen, dass der gewundene Weg ein Labyrinth mit zweifacher statt der bisher
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üblichen einfachen Richtungsänderung bildet und dass zwei Klammern zur
elastischen Montage der Kappe am Gehäuse dienen. Das Labyrinth soll
gewährleisten, dass Flüssigkeit, Schmutzpartikel oder Staub zurückgehalten
werden, bevor sie in das Innengehäuse der Beleuchtungsvorrichtung gelangen
können. Die Klammern sollen eine leichtere Montage des Belüftungssystems und
eine verbesserte Befestigung der Kappe ermöglichen.

Das im Streitpatent befindliche Ausführungsbeispiel zeigt ein Belüftungssystem
bestehend aus einem Gehäuse und einer daran
angebrachten Kappe, die gemeinsam einen gewundenen
Weg (T1, T2, T3) zur Belüftung des Innenraums der
Beleuchtungsvorrichtung ausbilden. Der gewundene
Weg weist die Form eines Labyrinths mit zweifacher
Richtungsänderung auf und verläuft im Wesentlichen
nach oben. Figur 6 veranschaulicht diese Lehre an
einem Ausführungsbeispiel.

Die von der Klägerin farblich
markierte und durch Bezeich-
nungen ergänzte Ausgestaltung
dieser Figur veranschaulicht
deutlich den gewundenen Weg
des Luftstroms nach diesem
Ausführungsbeispiel.

Im unteren Teil des Belüftungssystems weist der
gewundene Weg zwei Lufteintritte (216a, 216b) auf, die
aus zwei sich gegenüberliegenden Eintrittsöffnungen
bestehen. Außerdem weist der untere Teil einen
Eintrittskanal (T1) auf, der sich im Wesentlichen quer zu
der allgemeinen Richtung erstreckt, die von einem
Lufteintritt zum anderen verläuft (vgl. die Figuren 4 bis 6).
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Im oberen Teil des Systems weist der gewundene Weg einen Verbindungskanal
(T3, 1201) zum Innenraum der Beleuchtungsvorrichtung auf, wie die Aus-
führungsform im montierten Zustand mit Figur 5 zeigt.

Der Verbindungskanal T3 wird danach wenigstens teilweise zwischen Klammern
(210a, 210b) zur elastischen Montage der Kappe am Gehäuse gebildet, wobei die
Klammern im Ausführungsbeispiel den seitlichen Teil der Wandung des Kanals
bilden, während das Gehäuse den unteren und oberen Teil bildet. Hiervon zu
unterscheiden ist allerdings die bloße Forderung des Anspruchs 1 mit dem
Merkmal 10, wonach der Verbindungskanal wenigsten teilweise zwischen den
Klammern ausgebildet sein soll, ohne dass insbesondere die Klammern an der
Ausbildung des Verbindungskanals Teil haben. Die Klammern stehen allerdings
auch nach der Lehre von Anspruch 1 in einem räumlichen und funktionellen
Zusammenhang zu dem Verbindungskanal.

2. Verständnis von Patentanspruch 1 und seiner einzelnen Merkmale

2.1 Gemäß Merkmal M1 handelt es sich bei der Erfindung um eine Beleuchtungs-
oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge. Hierbei stellt sich das spezielle
Problem einer ausreichenden Belüftung des Innenraums der Vorrichtung. Die
Bestimmungsangabe „für Kraftfahrzeuge“ bildet hierbei nur ein Geeig-
netheitskriterium, legt die Verwendung jedoch nicht auf Kraftfahrzeuge fest.
Allerdings kommt es hierauf nicht an.

2.2 Mit Merkmal M2 wird der grundlegende Aufbau eines dafür vorgesehenen
Belüftungssystems angegeben, das zwei Teile umfasst, nämlich ein Gehäuse und
eine daran angebrachte Kappe, die jeweils Einrichtungen aufweisen, mit denen
gemeinsam das Belüftungssystem gebildet wird. Über die Art der Einrichtungen
sagt der Anspruch 1 nichts aus, gemäß der Beschreibung handelt es sich dabei
um am Gehäuse und an der Kappe angebrachte Ablenk- oder Umlenkelemente,
wie z.B. Zwischenwände. Dabei wird alleine durch das Anbringen der Kappe am
Gehäuse das Belüftungssystem realisiert. Einrichtungen in diesem Sinne, welche
am Gehäuse und der Kappe ausgebildet sind, müssen nur das Belüftungssystem
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ausbilden, sie können insoweit auch durch Teile der Kappe und des Gehäuses
selbst ausgebildet sein, mithin auch aus Wandabschnitten von Gehäuse und
Kappe bestehen.

2.3 Gemäß Merkmal M3 weist das Belüftungssystem einen gewundenen Weg zur
Belüftung des Innenraums der Vorrichtung auf.

2.4 Der gewundene Weg wird gemäß Merkmal M6 durch das gemeinsame
Zusammenwirken von Gehäuse- und Kappenteilen gebildet. Dafür weisen gemäß
der Beschreibung die Kappe und das Gehäuse speziell für diesen Zweck
vorgesehene Ablenkelemente oder Umlenkelemente auf. Diese sind jedoch nicht
Teil des Gegenstands des Anspruchs 1.

2.5 Gemäß Merkmal M4 umfasst dieser gewundene Weg zwei Lufteintritte mit
zwei sich gegenüberliegenden Eintrittsöffnungen, die sich im „unteren Teil“
befinden. Mit „unterer Teil“ ist der untere Teil des gewundenen Weges (M3)
gemeint, unabhängig davon, ob sich dieser Teil im Gehäuse oder der Kappe
befindet. Die beiden Lufteintritte müssen dabei eindeutig voneinander
unterscheidbar sein, damit deren Eintrittsöffnungen einander gegenüber liegen
können. Ein einziger oder weitgehend ringsum geöffneter Lufteintritt fällt nicht
unter dieses Merkmal. Maßgeblich für das Verständnis ist die technisch
funktionelle Bedeutung des Merkmals im Hinblick auf die hierdurch bedingte
Strömungseigenschaft.

2.6 An diesen unteren Teil schließt sich gemäß Merkmal M5 ein Eintrittskanal an,
der quer zu der Richtung orientiert ist, die von einem Lufteintritt zum anderen
verläuft. „Quer“ ist hierbei nicht auf eine bestimmte Raumrichtung beschränkt. Im
Streitpatent ist nicht ausdrücklich angegeben, was unter der „allgemeinen
Richtung“, die von einem Lufteintritt zum anderen verläuft, zu verstehen ist. Aus
dem technischen Gesamtzusammenhang ist jedoch ersichtlich, dass die Richtung
der gedachten direkten Verbindung der beiden Lufteintritte gemeint ist,
- 15 -
unabhängig von dem tatsächlichen Weg, der die beiden Lufteintritte innerhalb der
Vorrichtung verbindet.

2.7 Von den beiden Lufteintritten ausgehend verläuft „der gewundene Weg“ im
Wesentlichen nach oben und bildet dabei aufgrund seiner Form mit Hilfe von
Hindernissen oder Blockaden, die den direkten geraden Weg versperren und
umgangen werden müssen, „ein Labyrinth mit zweifacher Richtungsänderung“
(Merkmale M7 und M8). Um zwei Richtungsänderungen zu erreichen, müssen
auch zwei Hindernisse oder Blockaden vorgesehen sein und umgangen werden.
Durch die beiden Richtungsänderungen wird ein Eindringen von Wasser oder
Staub in den Innenraum der Vorrichtung wirksam verhindert.

2.7.1 Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass der technisch zu
verstehende Begriff „Labyrinth“ einen bestimmten Streckenverlauf des gewun-
denen Wegs voraussetzt, wonach vom Eingang aus betrachtet der direkte Weg
zum Ausgang versperrt wird bzw. nicht sichtbar sein darf. Dies muss aber nicht
mit einer zweifachen Richtungsumkehr verbunden sein. Der Senat teilt
insbesondere nicht die Auffassung der Beklagten, der Begriff „Labyrinth“ mache
deutlich, dass es um ein zweifaches vollständiges Umgehen der Hindernisse
gehe, bei denen der Luftstrom zwei Mal um jeweils 180° gedreht werde.

2.7.2. Insofern maßgeblich kann allein die ausdrücklich geforderte „zweifache
Richtungsänderung“
(„deux changements de
directions“) sein, deren
weitere
Voraussetzungen aller-
dings im Anspruch nicht
näher definiert sind und
die weder mit einer
Richtungsumkehr (inversion de direction) gleichzusetzen ist noch mit einer
Festlegung auf einen bestimmten Winkelbetrag, so wie er beispielhaft im
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Ausführungsbeispiel in der (nebenstehend von der Beklagten ergänzten) Figur 6
erkennbar ist und ca. 180 Grad betragen dürfte. Weder die französische
Bezeichnung noch die Lehre des Streitpatents und die damit intendierte
Problemlösung lassen ein derart einschränkendes Verständnis erkennen, da die
Verbesserung des Sperreffekts gegen Flüssigkeitseintritt sowohl nach den
Ausführungen im Streitpatent als auch in objektiver Hinsicht nicht auf eine
Ausgestaltung der Vorrichtung beschränkt ist, bei welcher die Luftströmung eine
Richtungsumkehr erfahren muss. Danach sind auch bloße Richtungsab-
weichungen als Richtungsänderungen anzusehen. Auch bestimmt Anspruch 1
nicht wodurch die Richtungsänderung bewirkt wird.

Dass insoweit das Ausführungsbeispiel nach Figur 6 eine konkretere Lehre
offenbart, wonach eine Richtungsumkehr von ca. 180 Grad gezeigt wird, die durch
die eingebauten Trennwände hervorgerufen wird, bestätigt entgegen der Ansicht
der Beklagten eine derart einschränkende Auslegung jenseits des Wortlaut nicht.
Denn maßgebliche Grundlage dafür, was durch das europäische Streitpatent
unter Schutz gestellt ist, ist gem. Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der
Patentansprüche in der jeweiligen Verfahrenssprache. Die Frage, ob eine
bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört,
entscheidet sich deshalb nach der st. Rspr. danach, ob sie in dem betreffenden
Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (st. Rspr. vgl. z.B. BGH GRUR 2007,
959 - Pumpeinrichtung, unter Hinweis auf BGH GRUR 2004, 1023 - Bodenseitige
Vereinzelungseinrichtung). Auch wenn die Patentschrift in einem sinnvollen
Zusammenhang zu lesen und der Patentanspruch im Zweifel so zu verstehen ist,
dass sich keine Widersprüche zu den Ausführungen in der Beschreibung und den
bildlichen Darstellungen in den Zeichnungen ergeben, so liegt vorliegend kein
solcher unauflösbarer Widerspruch vor (hierzu BGH GRUR 2015, 972 - Kreuz-
gestänge). Denn die Lehre des Ausführungsbeispiels konkretisiert nur - dem Sinn
und Zweck eines Beispiels folgend - in nicht einschränkender Weise (wie auch
die Streitpatentschrift selbst in Absatz 10 hervorhebt) den weit gefassten
Anspruch 1 mit seinem im Wortlaut verankerten Verständnis des Begriffs der
„Richtungsänderung“. Danach muss der Winkel einer Richtungsänderung nicht so
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groß sein, dass es zu einer Richtungsumkehr der Luftströmung kommt, es reicht
vielmehr jegliche Änderung der Richtung aus, so auch z.B. eine von 90 Grad. So
finden sich - ausgenommen im Ausführungsbeispiel zur Figur 6 - auch im
Streitpatent weder konkrete Winkelangaben noch konkretisierende Mindest-
voraussetzungen.

2.7.4. Auch teilt der Senat nicht die Auffassung der Beklagten, dass sich aus dem
im Streitpatent zitierten Stand der
Technik der NK6 ein engeres
Verständnis ergebe, weil das
Streitpatent diese Lehre ja
überwinden wolle. Auch wenn für
diese Auffassung insoweit zunächst
sprechen mag, dass die von der
Beklagten illustrierte Figur 3 der
NK6 nach dem Verständnis des
Senats bereits eine zweifache Richtungsänderung, nicht aber zweifache
Richtungsumkehr zeigt, und das Streitpatent in Abs. 5 außer der unzureichenden
Befestigung der Kappe auch auf die Nachteile gering gewundener Luftwege
hinweist, so kann keine entgegenstehende Folgerung auf eine Festlegung der
Lehre nach Anspruch 1 aus Figur 6 gezogen werden. Denn die erfindungsgemäß
behauptete Erkenntnis der Vorteile stärkerer Windung bzw. Richtungsänderung
erschöpft sich nicht in der Lehre des Ausführungsbeispiels, zumal auch das
Streitpatent selbst in Absatz 10 hervorhebt, dass die Ziele und Vorteile der
Erfindung zwar in der nachfolgenden bevorzugten Ausführungsform verdeutlicht
werden, diese aber nur beispielhaft in nicht einschränkender Weise gelten.

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2.7.5. Insoweit teilt der Senat die
Auffassung der Klägerin nicht, dass
entsprechend der von ihr neben-
stehend illustrierten Figur 3 der
NK6 eingezeichneten Änderung
des Luftstroms für die erste
Richtungsänderung des gewunde-
nen Wegs bereits auf den Luftstrom
außerhalb und die Änderung am
Lufteintritt des Gehäuses abgestellt werden dürfe, da der gewundene Weg des
Labyrinths erst jenseits der Eintrittsöffnungen hinter dem Eintrittskanal gebildet
wird.

2.8 Nach den Merkmalen M9 und M10 sind Klammern zur elastischen Montage
der Kappe am Gehäuse ausgebildet, wobei der Verbindungskanal zwischen den
Klammern ausgebildet ist. Dabei begrenzen die Klammern selbst wenigstens
einen Teil des Verbindungskanals zwischen dem Labyrinth und dem Innenraum
der zu belüftenden Einrichtung. Nach dem geltenden Anspruch ist damit - anders
als nach dem Ausführungsbeispiel - allerdings keine Doppelfunktion im Sinne
einer Halte- und Kanalfunktion verbunden.

Nach dem Merkmal M10 werden mehrere Klammern beansprucht, es müssen
zumindest mehrere Teile (Klammerarme) vorhanden sein, die eine Klam-
merwirkung hervorrufen. Dabei kann können die Teile auch einstückig miteinander
verbunden sein.

Das Merkmal M10 versteht der Senat so, dass mit der elastischen Montage eine
elastische Funktionalität der Klammern zum Arretieren vorausgesetzt wird, ein
Hintergreifen wird nicht gefordert.

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Die Beklagte verweist zwar auf die durch die
Klammern verbesserte Verbindung mit
mehreren Haltepunkten bzw. eine Verbindung
von Gehäuse und Kappe ohne weitere
Hilfsmittel und deren gleichzeitige Ausbildung als Teil des Verbindungskanals
eines durch die weiteren Merkmale ausgebildeten und der Sperrwirkung
dienenden Labyrinths. Sie macht geltend, dass die Klammern wenigstens einen
Teil des Verbindungskanals begrenzen und verweist insoweit darauf, dass „keine
zusätzlichen oder zumindest weniger Wandungen zur Begrenzung des
Strömungsabschnitts zwischen dem Labyrinth und dem Innenraum der
Vorrichtung benötigt (werden), d.h. der dadurch erreichte vereinfachte Aufbau der
Vorrichtung erlaube trotz des komplexeren Luftweges eine kostengünstige
Herstellung“.

All dies und die insoweit geltend gemachte synergistische Wirkung der Merkmale
im Hinblick darauf, dass eine Verbesserung des Sperreffekts gegenüber dem
Eindringen von Wasser bei vereinfachtem Aufbau erzeugt wird, kommt in den
Merkmalen nach Anspruch 1 nicht zum Ausdruck und ist nur für das
Ausführungsbeispiel, nicht aber für den Anspruch 1 relevant.



III.

1. Die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 erweist sich als neu im
Sinne des Art. 54 EPÜ.

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2.1 Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur richtet sich die
Formulierung der Aufgabe allein nach dem tatsächlich, d. h. objektiv Erfundenen.
Die Aufgabe muss daher auf das Ergebnis der Erfindung abgestellt sein, weshalb
Ausgangspunkt das gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich Geleistete ist.
Die Formulierung der Aufgabe hat sich deshalb nur an solchen Problemen zu
orientieren, die durch die Erfindung tatsächlich gelöst werden (BGH GRUR 2010,
607 - Fettsäurezusammensetzung; GRUR 2010, 814 - Fugenglätter; GRUR 2003,
693 - Hochdruckreiniger). Die in der Patentschrift angegebene Aufgabe ist
demgegenüber lediglich ein Hilfsmittel für die Ermittlung des objektiven tech-
nischen Problems und Teil der Auslegung des Patentanspruchs. Dabei können in
der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung einen Hinweis
auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs enthalten (BGH GRUR 2012,
803 - Calcipotriol-Monohydrat; GRUR 2010, 602, Tz. 27 - Gelenkanordnung).

Hierbei ist die Aufgabe – und Problemlösung nicht nur im Hinblick auf eine sich als
Differenzaufgabe zu dem – erst rückschauend betrachtend – „nächstliegenden“
Stand der Technik zu bewerten, sondern es können verschiedene
Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein (BGH GRUR 2009, 1039 -
Fischbissanzeiger; GRUR 2009, 382 - Olanzapin).

Vorliegend besteht auch nach Ansicht des Senats die objektive Aufgabe aus zwei
unterschiedlichen Forderungen bzw. Teilaufgaben:
- Verbesserung des Sperreffekts gegen Flüssigkeitseintritt unter Beibe-
haltung eines vereinfachten bzw. kostengünstigen Aufbaus;
- verbesserte Montage und Befestigung der Kappe.

Eine von Lösungsanteilen befreite Aufgabe könnte formuliert werden als „ein
Belüftungssystem vorzuschlagen, das durch einfache, kostengünstige und den
Gesamtraumbedarf nur geringfügig erhöhende Mittel den Sperreffekt gegenüber
Flüssigkeiten verbessert, und bei dem die Befestigung der Kappe verbessert ist.“

- 21 -
Trotz der differierenden bzw. sich nur ergänzenden Teilaufgaben sieht der Senat
diese nicht losgelöst voneinander, sondern insofern im Zusammenhang, als der
Fachmann als Ausgangspunkt für seine Problemlösung für beide Teilprobleme
einen konkreten Stand der Technik als „Sprungbrett“ auswählte, der insbesondere
die Weiterbildung bzw. Verbesserung des Sperreffekts gegen Flüssigkeitseintritt
betrifft und diesen Fokus auch für die weitere Teilaufgabe beibehält. Hiervon geht
auch die Klägerin bei der von ihr getroffenen Wahl der Schriften und ihrer
Kombination aus.

1.2 Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist neu gegenüber dem
entgegengehaltenen Stand der Technik nach den Druckschriften NK5, NK6 und
NK8, da aus keiner dieser Druckschriften eine Beleuchtungs- oder
Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge bekannt ist, die alle im erteilten
Patentanspruch 1 genannten Merkmale aufweist, wie die nachfolgenden Aus-
führungen zeigen.
2. Der Gegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 beruht auch auf einer erfin-
derischen Tätigkeit im Sinne von Art. 56 EPÜ, denn er ist durch die o. g.
Druckschriften für den Fachmann nicht nahegelegt.

2.1 Druckschrift NK5:
Diese bereits in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents genannte
Druckschrift zeigt anhand
der Figuren 2 und 3 eine
Beleuchtungs- oder Sig-
nalgebungsvorrichtung für
Kraftfahrzeuge mit einem
Belüftungssystem, das
gemeinsam durch erste, an
dem Gehäuse der
Vorrichtung ausgebildete Einrichtungen und durch zweite, an einer am Gehäuse
angebrachten Kappe (20) ausgebildeten Einrichtungen gebildet ist und dabei
- 22 -
einen gewundenen Weg zur Belüftung des Innenraums der Vorrichtung bildet,
entsprechend den Merkmalen M1 bis M3 des erteilten Patentanspruchs 1.

Dabei zeigt die Figur 3 zwei Lufteintritte im unteren Teil des gewundenen Wegs
mit zwei sich
gegenüberliegenden
Eintrittsöffnungen (30,
31) und einen Ein-
trittskanal (22), der sich
im Wesentlichen quer zu
der allgemeinen Rich-
tung erstreckt, die von
dem einen Lufteintritt
zum anderen verläuft [= Merkmale M4 und M5].


Der gewundene Weg wird dabei durch Gehäuseteile (17) und Kappenteile (20)
gemeinsam gebildet. Dabei spielt es keine Rolle, dass nur ein kleiner Teil des
Gehäuses (17) am unteren Rand einen Betrag dazu leistet [= Merkmal M6].

Der gewundene Weg bildet jedoch kein Labyrinth mit zweifacher
Richtungsänderung, wie im Merkmal M7 beansprucht ist, sondern er bildet
lediglich eine einzelne Richtungsänderung aus, wie die Figur 3 zeigt. Die
Richtungsänderung am Eingang zum Eintrittskanal hin ist dabei nicht mitzuzählen,
da diese nicht zum Labyrinth zählt.

Das Labyrinth verläuft von den beiden Lufteintritten ausgehend im Wesentlichen
nach oben und es ist ein Verbindungskanal zwischen dem Labyrinth und dem
Innenraum der Vorrichtung ausgebildet, wie in den Merkmalen M8 und M9
beansprucht ist.

- 23 -
Es sind jedoch keine Klammern zur elastischen Montage der Kappe am Gehäuse
vorgesehen, zwischen denen ein Verbindungskanal ausgebildet ist, wie im
Merkmal M10 beansprucht, sondern lediglich eine einzelne elastische Rast-
nase 27.

Eine derartige spezielle Ausbildung, wie sie in den Merkmalen M7 und M10
beansprucht ist, war durch die Druckschrift NK5 auch nicht nahegelegt, da es sich
hier um eine abgeschlossene gut funktionierende Lösung handelt, für die der
Fachmann keinen Grund erkannte, diese ändern zu müssen.

2.2 Druckschrift NK6:
Aus der NK6 ist eine Beleuchtungs- oder
Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahrzeuge
(vgl. Spalte 1, erster Absatz: „... vehicle lamp
assemblies.“) [= Merkmal M1] bekannt,

enthaltend ein Belüftungssystem (vgl. die
Bezeichnung: ventilation system), das
gemeinsam durch erste, an einem Gehäuse
der Vorrichtung ausgebildete Einrichtungen
(vgl. die Figur 3: reflector housing 12) und
durch zweite, an einer am Gehäuse
angebrachten Kappe (50) ausgebildete
Einrichtungen gebildet ist [= Merkmal M2],

wobei das System, wie die Figur 3 zeigt, einen gewundenen Weg zur Belüftung
des Innenraums der Vorrichtung bildet [= Merkmal M3].

- 24 -
Wie aus der Figur 4 hervorgeht, enthält
dieser gewundene Weg im unteren Teil
zwei Lufteintritte mit zwei sich gegen-
überliegenden Eintrittsöffnungen und
einen Eintrittskanal (T-shaped channel
32, vgl. dazu auch die Figur 3), der sich
im Wesentlichen quer zu der allgemeinen
Richtung erstreckt, die von einem
Lufteintritt zum anderen verläuft [=
Merkmale M4 und M5].

Dabei wird der gewundene Weg (vgl. die Figur 3) durch Gehäuseteile (12) und
Kappenteile (50) gemeinsam gebildet [= Merkmal M6] und bildet ein Labyrinth mit
zweifacher Richtungsänderung, das von den beiden Lufteintritten ausgehend im
Wesentlichen nach oben verläuft [= Merkmale M7 und M8]. Die beiden
Richtungsänderungen verlaufen dabei in der Figur 3 ausgehend vom Eintrittskanal
32 einmal um etwa 45 Grad nach links und anschließend um etwa 45 plus
90 Grad nach rechts. Es handelt sich aber trotzdem um zwei Rich-
tungsänderungen, auch wenn einer der Ablenkwinkel nur ca. 45 Grad beträgt und
somit die Ablenkung relativ gering ist, da der Anspruch 1 keinen bestimmten
Winkelbetrag der Ablenkung fordert.

Es ist ein Verbindungskanal (vgl. die Figur 3) zwischen dem Labyrinth und dem
Innenraum der Vorrichtung ausgebildet [= Merkmal M9]. Der Verbindungskanal
wird dabei durch ein umfänglich geschlossenes Rohr des Gehäuses gebildet.

Die NK6 lehrt jedoch nicht eine Ausbildung der Beleuchtungs- oder Sig-
nalgebungsvorrichtung mit zwei oder mehreren Klammern zur elastischen
Montage der Kappe am Gehäuse, wie das Merkmal M10 fordert, da dort nur eine
Ausbildung mit einem umfänglich geschlossenen Rohr offenbart wird. Auch ist
nicht erkennbar, welche Veranlassung der Fachmann zu einer derartigen
Weiterbildung bzw Umkonstruktion bewogen haben sollte. Denn weder ist
- 25 -
ersichtlich, dass überhaupt ein Anlass bestand, den Halt der Kappe zu verbessern
noch ist davon auszugehen, dass durch eine Ausbildung mit zwei Klammern statt
eines umfänglich geschlossenen Rohrs sich eine Verbesserung des Halts der
Kappe am Gehäuse erreichen lässt. Für den Fachmann ergab sich daher
ausgehend von der NK6 keine Anregung das umfänglich geschlossene Rohr des
Gehäuses oder den darauf aufgesteckten Teil der Kappe als Klammern
auszubilden. Auch zählte eine Ausbildung mit zwei Klammern nicht zum Standard-
Repertoire des Fachmanns, dessen Anwendung für den Fachmann nahelag. Dies
gilt vorliegend auch insbesondere deshalb, weil die von der Rechtsprechung
insoweit geforderten Bedingungen einer funktionell und objektiv zweckmäßigen
Nutzung, für welche der Fachmann keine entgegenstehenden besonderen
Umstände hätte feststellen können (BGH GRUR 2014, 647 - Farbver-
sorungssystem), ebenfalls nicht vorliegen.
2.3 Soweit die Beklagte den von der Klägerin erstmals in der mündlichen
Verhandlung auf NK5 und NK6 gestützten Nichtigkeitsangriff als verspätet nach
§ 83 PatG rügt, ist dieser Einwand - ungeachtet des Umstands, dass diese
Druckschriften bereits ein in der Streitpatentschrift genannter Stand der Technik
sind - schon deswegen nicht relevant, weil die Klägerin hierzu in der mündlichen
Verhandlung abschließend Stellung genommen und zudem auch keine Vertagung
geltend gemacht hat. Damit fehlt es aber bereits an der von § 83 Abs. 4 insoweit
genannten Voraussetzung einer Vertagung.

- 26 -
2.4 Druckschrift NK8:
Aus der NK8 ist eine Beleuchtungs- oder Signalgebungsvorrichtung für Kraftfahr-
zeuge (vgl. das Abstract: Motor vehicle
headlamp) bekannt [= Merkmal M1], mit
einem Belüftungssystem (vgl. die Be-
zeichnung: ventilation passage), das
gemeinsam durch erste, an einem
Gehäuse (vgl. die Figur 3: dished housing
10) der Vorrichtung ausgebildete Ein-
richtungen und durch zweite, an einer am
Gehäuse angebrachten Kappe (vgl. die
Figur 3: end cap 20) ausgebildete
Einrichtungen gebildet ist [= Merkmal M2].

Soweit die Beklagte geltend macht, dass an der Kappe 20 keine Ablenkelemente,
Umlenkelemente oder dergleichen zur Bildung des gewundenen Luftwegs
angeformt oder angebracht seien und die Kappe 20 lediglich in die Wand-
abschnitte 22, 24 und 28 unterteilt werden könne, welche aber lediglich die
grundlegenden Abschnitte der Kappe 20 darstellten, die deren äußere Be-
grenzung festlegen, teilt der Senat ausgehend von der erläuternden Auslegung
des Merkmals M2 diese Auffassung nicht, da auch die Wandabschnitte von
Gehäuse und Kappe selbst die danach geforderten Einrichtungen bilden, welche
am Gehäuse und der Kappe ausgebildet sind.

Dabei bildet das System einen gewundenen Weg zur Belüftung des Innenraums
der Vorrichtung (vgl. Seite 1, 2. Absatz: „..a ventilation passage which provides
communication between the interior of a housing of the lamp assembly and the
exterior.“) [= Merkmal M3].

Der gewundene Weg wird durch Gehäuse- und Kappenteile gemeinsam gebildet
[= Merkmal M6]. Die Abschirmung (shield 40) kann dabei ein integrales
Bestandteil des Gehäuses sein (vgl. Seite 7: „..the shield 40 with aperture is
- 27 -
integrally moulded with the dished housing 10 of the vehicle lamp.“), muss also
nicht, wie die Beklagte geltend macht, ein separates Teil sein.

Der gewundene Weg weist, wie aus der Figur 3 hervorgeht, einen Eintrittskanal
(slot 26) auf, der sich im Wesentlichen quer zu der allgemeinen Richtung erstreckt,
die der Lufteintritt bildet [Teile des Merkmals M5]. Dabei bildet der gesamte
Bereich oberhalb des Arms 46 einen weitgehend rundherum offenen Lufteintritt.
Jedenfalls zwei Luft-
eintritte mit sich
gegenüberliegenden
Eintrittsöffnungen, wie
im Merkmal M4 bean-
sprucht, sind somit
nicht vorhanden. Das
in der nebenstehen-
den Abbildung der
Klägerin dargestellte Verständnis, es seien zwei gegenüber liegende Ein-
trittsöffnungen vorhanden, teilt der Senat deshalb nicht. Bei einer rechteckigen
Konstruktion umfasst bei unbefangener Betrachtung der Lehre ein Gegenüber
nicht eine Erstreckung der Öffnung auch auf die Seitenwände.

- 28 -
Zutreffend weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass bereits die NK8 die
Vorteile einer zweifachen Richtungsänderung
offenbart. Zwar bildet der gewundene Weg kein Labyrinth mit zwei
Richtungsänderungen, wie im Merkmal M7 beansprucht ist, wenn man
„Richtungsänderung“ im Sinne der Beklagten als Richtungsumkehr verstehen
würde. Für eine zweite Richtungsumkehr fehlte dann eine Zwischenwand am
unteren Ende des gewundenen Wegs, so wie die Klägerin sie nebenstehend in
der modifizierten Figurendarstellung eingefügt hat.

Bei dem oben erläuterten maßgeblichen Verständnis einer bloßen Richtungs-
änderung liegt jedoch eine zweifache Änderung vor, auch wenn man das
Verständnis der Beklagten zugrunde legt, wie sie es in der abgebildeten von ihr
- 29 -
kommentierten Figur 3 selbst darstellt, wobei die bearbeitete Figurendarstellung
bereits vernachlässigt, dass der Luftstrom nicht nur durch eine Öffnung 32
eindringt und der Bereich 48 nicht geschlossen ist. Deshalb kann die Luft zwar
ohne Richtungsumkehr am unteren Ende des gewundenen Wegs beim Eintritt
nach oben strömen, nicht aber ohne Richtungsänderung. Auch die Klägerin
bestätigt, wie die von ihr modifizierte Figur 8 belegt, dass eine erste
Richtungsänderung im Eintrittskanal erfolgt, an welche sich weiter oben zwischen
horizontalen und vertikalen Wänden 22, 26 eine zweite Richtungsänderung
anschließt.

Das Labyrinth verläuft dabei vom Lufteintritt ausgehend im Wesentlichen nach
oben [Teile des Merkmals M8].

Der Verbindungskanal wird zwar auch nach der Lehre der NK8 zwischen dem
Labyrinth und dem Innenraum der Vorrichtung gebildet [= Merkmal M9], hier
jedoch ausschließlich durch das Gehäuse und nicht auch unter Mitwirkung der zur
Kappe gehörenden Klammern 210a, 210b, wie nach Merkmal M10 beansprucht,
wie überhaupt weder Klammern offenbart sind noch eine elastische Montage der
Kappe mit Hilfe von Klammern. Es handelt sich bei der NK8 um eine
Schiebepassung und nicht um eine elastische Klammerverbindung.

Auch hier war eine Ausbildung mit zwei (oder mehr) Klammern zur elastischen
Montage für den Fachmann nicht aus fachmännischen Überlegungen veranlasst
und nahegelegt, da sich dadurch auch keine Verbesserung des Halts der Kappe
erreichen ließe. Außerdem zählte eine Ausbildung mit zwei (oder mehr Klammern)
auch nicht zum Standard-Repertoire des Fachmanns.

Dies gilt auch für eine Kombination der genannten Druckschriften da aus keiner
Schrift eine entsprechende Ausgestaltung bekannt war oder dem Fachmann
insoweit eine Anregung zu einer entsprechenden Ausgestaltung nach Merkmal
M10 erhielt.

- 30 -
Die übrigen Druckschriften liegen weiter ab und haben demzufolge in der
mündlichen Verhandlung auch keine Rolle mehr gespielt.

3. Die weiter angegriffenen Ansprüche des Patents, die Ausgestaltungen des
Gegenstands nach Patentanspruch 1 betreffen, werden aufgrund ihrer Rück-
beziehung vom beständigen Hauptanspruch getragen, ohne dass es hierzu
weiterer Feststellungen bedürfte.


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

V.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Die
Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen
Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik
Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und
innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefass-
ten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkün-
dung. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesge-
richtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
- 31 -
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.


Engels Dr. Müller Veit Dorn Zimmerer




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