4 Ni 19/15 (EP) - 4. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

4 Ni 19/15 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
9. Mai 2017





In der Patentnichtigkeitssache



















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betreffend das europäische Patent 1 904 000
(DE 50 2006 008 138)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Engels
sowie die Richterin Kopacek, den Richter Dipl.- Phys. Dr. rer. nat. Müller, den
Richter Dipl.- Ing. Veit und die Richterin Dipl.- Phys. Univ. Zimmerer

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 904 000 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu
vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


T a t b e s t a n d

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 904 000, deutsches Akten-
zeichen DE 50 2006 008 138 (Streitpatent), das am 9. Mai 2006 unter Bean-
spruchung der Priorität DE 102005031867 vom 5. Juli 2005 angemeldet worden
ist und nach Beschränkungsverfahren am 13. Februar 2013 als B3-Schrift
veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent mit der Bezeichnung „Bandage,
insbesondere als Tragelement einer Orthese“ umfasst 5 Patentansprüche, die
sämtlich mit der vorliegenden Klage angegriffen sind.

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Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:

1. Bandage aus mehreren Teilen, die zugfest miteinander ver-
bindbar sind, mit wenigstens einem Mittelstück (12) und zwei zum
Schließen der Bandage miteinander verbindbare Endstücken
(13,14) und zur Herstellung einer zugfesten Verbindung zwischen
Teilen der Bandage ein Teil ein flaches Ende (16) mit beidseitig
angebrachten Klettverschlusselementen aufweist und dadurch ge-
kennzeichnet ist, dass der zu verbindende andere Teil mit einem
das flache Ende (15) beidseitig übergreifenden maulartigen Ende
(17) mit Klettverschlussgegenelementen auf den an dem flachen
Ende (16) anliegenden Innenseiten versehen ist und dass sich die
zugfeste Verbindung über die gesamte Breite der Bandage er-
streckt.

Wegen des Wortlauts der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 wird auf die B3-Schrift
verwiesen.

Die Klägerin macht mit ihrer Nichtigkeitsklage den Nichtigkeitsgrund der fehlenden
Patentfähigkeit, nämlich der fehlenden Neuheit und der mangelnden erfinde-
rischen Tätigkeit, sämtlicher angegriffenen Patentansprüche geltend (Art. II § 6
Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 52, Art. 54, Art. 56 EPÜ).
Zudem erachtet sie den Gegenstand des Streitpatents als nicht ausführbar (Art. II
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ). Es sei nicht klar, wie
das Merkmal M1.6 „über die gesamte Breite der Bandage“ zu verstehen sei.

Soweit die Klägerin die fehlende Patentfähigkeit sämtlicher angegriffener Patent-
ansprüche geltend macht, beruft sich auch darauf, dass die Priorität vom
5. Juli 2005 nicht wirksam in Anspruch genommen sei, so dass das Streitpatent für
die angegriffenen Ansprüche nur den Zeitrang der Anmeldung vom 9. Mai 2006 in
Anspruch nehmen könne. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, dass der Gegen-
stand des Anspruchs 1 allgemein auf eine Bandage gerichtet und nicht speziell auf
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sog. „Orthesen“, d. h. allgemein körperstützende medizinische Hilfsmittel, be-
schränkt sei und damit auch andere, einen Körper oder Körperteil umschließende
Gurte oder Bänder umfasse, während die D13 ausschließlich eine speziell aus
Stützelementen ausgerichtete Rumpforthese, also eine zur Stützung der Wirbel-
säule ausgebildete Orthesenkonstruktion, als zur Erfindung gehörend offenbare.
Zudem sei das erst im Rahmen des Beschränkungsverfahrens eingeführte
Merkmal M6 ursprünglich nicht offenbart gewesen. Dies gelte auch für das Fehlen
der sog. Zwischenstücke (15, 15´). Die Prioritätsanmeldung DE 10 2005 031 867.3
vom 5. Juli 2005 zähle deshalb zum Stand der Technik.

Die Klägerin verweist zum schriftlichen Stand der Technik im Einzelnen auf
folgende Dokumente:

D1 US 5 823 984 (Okt. 1998)
D2 US 4 556 055 (Dez. 1985)
D3 FR 2 849 369 A1 (Juli 2004)
D3a DE 603 15 075 T2; deutsche Übersetzung der europäischen Patent-
schrift 1 587 466 B1, die die Priorität der französischen Anmeldung
D3 in Anspruch nimmt
D4 US 5 016 629 (Mai 1991)
D5 US 2003/0135913 A1 (Juli 2003)
D6 US 2002/0078536 A1 (Juni 2002)
D7 US 5 769 290 (Juni 1998)
D8 US 6 212 798 B1 (April 2001)
D9 EP 0761 184 A2 (März 1997)
D10 US 4 862 563 (Sept. 1989)
D11 US 3 461 511 (Aug. 1969)
D12 US 5 289 619 (März 1994).
D19 WO 02/11657 A2

Als Prioritätsdokument legt die Klägerin vor:
D13 Hinterlegung unter Az. DE 10 2005 031 867.3 vom 5. Juli 2005.
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Weiterhin macht die Klägerin geltend, dass die Beklagte vor dem registrierten
Zeitrang eine Schulterorthese (Armabduktionsorthese) mit umlaufendem Bauch-
gurt unter der Bezeichnung „Acro-Assist“ hergestellt und vertrieben habe, weshalb
eine offenkundige Vorbenutzung gegeben sei. Hierzu legt sie die Anlagen D14 bis
D18 vor.
Sämtliche Merkmale des streitpatentgemäßen Gegenstands seien in dem Priori-
tätsdokument D13 neuheitsschädlich offenbart. Fehlende Neuheit bestehe auch
gegenüber D7 und D8, die die Merkmale der Ansprüche 1 und 2 vollständig
offenbarten. Zudem beruhe der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von der
Lehre der D3/D3a nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Wahl einer
erfindungsgemäßen Klettverbindung stelle lediglich eine beliebige Auswahl aus
einem dem Fachmann bekannten Standard-Repertoire dar. Die Weiterbildung der
Lehre der D3/D3a, einfache Klettverschlüsse durch die aus vielen technischen
Gebieten vorbekannten doppelten Klettverschlüsse zu ersetzen, könne nicht als
erfinderisch gesehen werden. Im Übrigen gebe es in der D3/D3a ausreichende
Hinweise auf die Verwendung einer Fischmaulklettverbindung. Auch im Hinblick
auf die D2, eine Kompresse mit einem Einfachklettverschluss, habe eine rou-
tinemäßige Optimierung durch das Standard-Repertoire eines Fischmaulkletts für
den Fachmann nahegelegen. Die Kompresse in der D2 könne auch in eine
Stützvorrichtung umfunktioniert werden, indem in die Taschen Stützspangen ein-
geführt würden. Damit seien sämtliche Voraussetzungen einer Bandage mit
Stützwirkung erfüllt. Zur Fischmaulklettlösung an den Enden einer Bandage sei
ferner auch D19 heranzuziehen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das europäische Patent 1 904 000 in vollem Umfang mit Wirkung für
die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das
Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge I und II, überreicht in
der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2017, verteidigt wird.
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Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und
erachtet das Streitpatent für patentfähig. Die Nichtigkeitsklage sei nicht begründet.
Die von der Klägerin vorgebrachten Nichtigkeitsgründe der fehlenden Ausführ-
barkeit und der fehlenden Patentfähigkeit griffen nicht durch.

Die angegriffene Lehre des Streitpatents sei ausführbar, da die Formulierung
„gesamte Breite“ statt „maximale Breite“ klarstelle, dass die Verbindung sich nicht
über die Hälfte der Breite, sondern über die gesamte Breite an der betreffenden
Stelle erstrecke.

Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber allen in der
Nichtigkeitsklage genannten Dokumenten neu. Auch eine offenkundige Vorbe-
nutzung liege nicht vor, da es sich bei der Anlage D15 um eine sog.
„Armabduktionsorthese“ handele, die keine Bandage i. S. v. Anspruch 1 darstelle.
Auch das Prioritätsdokument D13 sei kein relevanter Stand der Technik, da die
Priorität wirksam in Anspruch genommen werden könne. Es sei unzutreffend, dass
die Bandage im Prioritätsdokument ausschließlich als elementarer Bestandteil
einer Rumpforthese offenbart werde und eine zugfeste Verbindung über die
gesamte Breite der Bandage nur in Bezug auf die Fig. 7 und 8 und damit nur für
Ausführungsformen mit Zwischenstücken offenbart sei.

Soweit die Klägerin hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit ausführe, die objektive
technische Aufgabe gegenüber D3/D3a bestehe darin, die Festigkeit und Halt-
barkeit der zugfesten Verbindung zu erhöhen, sei dies bereits Teil der Lösung. Der
Erfindung liege vielmehr die Aufgabe zugrunde, den Tragekomfort zu erhöhen und
gleichzeitig die Stütz- und Entlastungswirkung der Bandage zu erhöhen. D3/D3a
führten weder für sich gesehen noch in Kombination mit D9, D10 bis D12 oder mit
D8 oder D6 zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents. Die D3/D3a
thematisierten ausgehend vom Stand der Technik in Abs. 3 die Nachteile, die sich
aus der Dicke des Überlappungsbereiches für den Patienten im Hinblick auf den
Komfort ergäben, nicht die Länge des Überlappungsbereichs und betone in Abs. 6
nochmals, dass möglichst keine Überdeckung erfolgen solle. D3/D3a führten
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bereits deshalb von der erfindungsgemäßen Lehre weg, weil dort gerade gelehrt
werde, dass eine Dicke der Bandage zu vermeiden sei, so dass der Fachmann
auch nicht aus dem Aspekt des Standard-Repertoires auf ein Fischmaulklett
zurückgreife, weil er die hierdurch bedingte Dicke gerade vermeiden wolle. Aus
denselben Gründen führe auch die D2 nicht zum Anspruch 1 des Streitpatents.
Die Anwendung eines Fischmaulklettverschlusses als Standard-Repertoire
scheitere im Hinblick auf den Aspekt eines flächigen Aufliegens, selbst wenn der
Fachmann die Kompresse nicht wie im Hauptanwendungsfall als Kälte- und
Wärmekompresse einsetze, sondern mit Korsettstäben. Auch hier fehle ein
Hinweis auf eine zu verstärkende Zugfestigkeit oder der Vorteil, die Hauptfläche
zu verringern.

Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 17. März 2016
nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen samt
Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9.Mai 2017
Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist zulässig und begründet, da sich der Gegenstand des Streitpatents im
Umfang der nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II verteidigten Fas-
sungen als nicht patentfähig erweist, so dass das Streitpatent in vollem Umfang
für nichtig zu erklären ist, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1
lit. a, Art. 52, Art. 54, Art. 56 EPÜ.


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I.

1. Gegenstand des Streitpatents
Nach den Angaben in der Streitpatentschrift betrifft das Patent eine Bandage,
bestehend aus mehreren Teilen, die zugfest miteinander verbindbar sind (Absatz
[0001]).

Wie in der Streitpatentschrift weiter ausgeführt ist, dienen Bandagen der hier
erwähnten Art zur Umschließung eines Körperbereichs, insbesondere eines
Rumpfes eines Patienten. Derartige Bandagen können mit einer Stützeinrichtung
versehen sein, um so beispielsweise eine Rumpforthese zur Stützung und
Entlastung der Lendenwirbelsäule einzusetzen. Es ist bekannt, dass dabei ganz
unterschiedliche Funktionen der Orthese erforderlich werden können. So kann es
geboten sein, den Lordosenbereich der Wirbelsäule vollständig zu entlasten,
indem er durch die Stützwirkung überbrückt wird. Hierbei wird eine weitgehende
Immobilisierung der Wirbelsäule bewirkt (Absatz [0002]).

Ferner ist es bekannt, den Lumbalbereich bzw. lumbosakralen Bereich der Wirbel-
säule während einer eingeschränkten Beweglichkeit zu stützen. In einer weiter-
gehenden Rehabilitationsphase kann es ggf. nur noch erforderlich sein, eine
gewisse Stützwirkung mittels einer Bandage oder einer geringfügig verstärkten
Bandage auszuüben (Absatz [0003]).

Die Streitpatentschrift verweist zum Stand der Technik auf die DE 202 04 747 U1
und die danach bekannte Rumpforthese, die auf eine vielseitige Einsatzbarkeit für
die verschiedenen Anwendungsfälle und auf die Anpassung an unterschiedliche
Patienten ausgerichtet ist. Neben einem Aufbau der Bandage aus zwei
überlappenden Teilbandagen, die eine Anpassung der Bandagenhöhe an den
jeweiligen Patienten ermöglichen soll, sind für die Bandage unterschiedliche
Stützeinrichtungen vorgesehen. Außer in vorgesehene Taschen einschiebbaren
Stützstäben können an der Bandagenanordnung unterschiedliche Stützeinrich-
tungen in Form eines Rückenstützrahmens zur Überbrückung des Lordosen-
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bereichs (Entlordosierung) oder eine Rückengliederpelotte zur Stabilisierung des
bewegbaren Lordosenbereichs befestigt werden. Ggf. kann diese Wirbelsäulen-
orthese durch eine schalenförmige Bauchpelotte ergänzt werden. Die unter-
schiedlichen Stützeinrichtungen können dabei mittels Klettbandverschlüssen an
der Bandage befestigt und somit in einfacher Weise ausgewechselt werden
(Absatz [0004]).

Die bekannten Bandagen werden in unterschiedlichen Längen hergestellt, um eine
Anpassung an unterschiedliche Umfangsmaße des umschlungenen Körperbe-
reichs vornehmem zu können. Dabei reicht eine grobe Abstufung der Längen aus,
weil die Bandage an ihren Enden mehr oder weniger stark überlappen kann. Eine
einzige, universell verwendbare Länge würde jedoch zu sehr hohen Über-
lappungsmaßen für einen geringen Umfang des jeweiligen Körperbereichs führen,
wodurch der Sitz der Bandage verschlechtert und unbequem wird. Die Herstellung
von Bandagen unterschiedlicher Länge und deren Lagerhaltung erfordert somit
einen gewissen Aufwand (Absatz [0005]).

Ferner verweist das Streitpatent auf die US 5 823 984 (D1), die eine Bandage
offenbart, die aus mehreren gleichen Bandageabschnitten besteht, die über
Klettverschlüsse miteinander verbindbar sind. Hierzu ist die Oberfläche der
Bandagenabschnitte mit einem Schlaufengewebe einer Klettverbindung versehen.
An einem Ende der Bandagenabschnitte befinden sich jeweils über den Ban-
dagenabschnitten ragende Befestigungsstreifen, die auf ihrer Unterseite mit
hakenförmigem Gewebe für die Klettverbindung ausgestattet sind. Durch die
Aneinanderreihung mehrerer Bandagenabschnitte und durch eine Variation der
Überlappung dieser Bandagenabschnitte können den Körper umschließende
Bandagen gebildet werden, die zum Andrücken eines Kühlelements oder eines
Wärmeelements verwendet werden. Das Kühl- oder Wärmeelement kann dabei in
eine Tasche eingebracht werden, die eine Wandung mit hakenförmigen Klett-
verschlusselementen aufweist und so mit der Oberfläche eines Beliebigen der
Bandagenabschnitte verbunden werden kann. Die Ausbildung einer Orthese ist
mit der bekannten Bandage nicht vorgesehen (Absatz [0006]).
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Die erfindungsgemäße Bandage erfüllt diese Anforderungen und lässt sich nach
den Angaben in der Streitpatentschrift für unterschiedliche benötigte Längen
weniger aufwändig herstellen und auf Lager halten (Absatz [0009]) sowie vor-
teilhaft als Träger für eine Stützeinrichtung mit einer zugfesten Verbindung durch
Klettverschlüsse in mehreren Längen ausbilden (Absätze [0009-0011]). Eine erste,
geringste Länge entsteht dadurch, dass die Endstücke unmittelbar an das
Mittelstück angesetzt werden. Größere Längen entstehen dadurch, dass zwischen
dem Mittelstück und den beiden Endstücken jeweils gleich lange Zwischenstücke
eingesetzt werden, die kürzer oder länger ausgebildet sein können (Absatz
[0012]).

In der Streitpatentschrift sind anhand der perspektivischen Darstellung einer flach-
liegenden mehrteiligen (nicht zusammengefügten) Bandage nach Figur 1, einer in
Figur 2 dargestellten zusammengefügten Bandage und der nach Figur 3 hierauf
aufgebrachten Stützeinrichtung mit Spanngurt, Ausführungsbeispiele der Erfin-
dung dargestellt, wobei selbstverständlich die Bandage 1 bei geringen Körper-
umfängen auch ohne ein Zwischenstück 15, 15’ zusammengestellt werden kann,
indem die Endstücke 13, 14 unmittelbar an dem Mittelstück 12 befestigt werden
(Absatz [0021])

2. Nach den Angaben der Streitpatentschrift liegt der vorliegenden Erfindung die
Aufgabe zugrunde, eine Bandage der eingangs erwähnten Art so auszubilden,
dass sie für unterschiedliche benötigte Längen weniger aufwändig hergestellt und
auf Lager gehalten werden kann und für die Ausbildung einer Orthese, ins-
besondere Rumpforthese, ausgebildet werden kann (Absatz [0007]).

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3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 vor
(Merkmalsgliederung hinzugefügt) eine

M1 Bandage
M2 aus mehreren Teilen, die zugfest miteinander verbindbar
sind,
M3 mit wenigstens einem Mittelstück (12) und
M4 zwei zum Schließen der Bandage miteinander verbindbare
Endstücken (13, 14) und
M5a zur Herstellung einer zugfesten Verbindung zwischen Teilen
der Bandage ein Teil ein flaches Ende (16) mit beidseitig
angebrachten Klettverschlusselementen aufweist und
dadurch gekennzeichnet ist,
M5b dass der zu verbindende andere Teil mit einem das flache
Ende (16) beidseitig übergreifenden maulartigen Ende (17)
mit Klettverschlussgegenelementen auf den an dem flachen
Ende (16) anliegenden Innenseiten versehen ist und
M6 dass sich die zugfeste Verbindung über die gesamte Breite
der Bandage erstreckt.


4. Soweit die Beklagte das Streitpatent hilfsweise verteidigt, sind Patentan-
spruch 1 folgende Merkmale hinzugefügt:

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I
M1a Bandage geeignet für oder als eine Rumpforthese

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II
M1b Bandage geeignet für oder als eine Rumpforthese zur
Stützung und Entlastung der Lendenwirbelsäule

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5. Als zur Lösung der Aufgabe angesprochen Fachmann sieht der Senat
berufen einen mit der Herstellung und Entwicklung von stützenden, stabili-
sierenden und schützenden Vorrichtungen für Gliedmaßen und Gelenke - bspw.
Bandagen, Stützkissen und Orthesen - befassten, berufserfahrenen Orthopädie-
techniker bzw. -meister, der bezüglich medizinischer Fragestellungen mit einem
Orthopäden zusammenarbeitet (siehe auch Senat Urt. v. 27. 8. 2013, 4 Ni 49/11,
21 W (pat) 77/05)

II.

1. Lehre des Streitpatents und Auslegung der Ansprüche
Maßgebliche Grundlage dafür, was durch das europäische Streitpatent unter
Schutz gestellt ist, ist gem. Art. 69 I 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche in der
jeweiligen Verfahrenssprache. Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum
Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb
danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat
(st. Rspr. vgl z. B BGH GRUR 2007, 959 - Pumpeinrichtung unter Hinweis auf
BGH GRUR 2004, 1023, 1024 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Der
Gegenstand des Patentanspruchs ist durch Auslegung zu ermitteln.

Die Auslegung des Anspruchs hat sich hierbei am technischen Sinngehalt der
Merkmale des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit (st. Rspr.,
BGH GRUR 2011, 129 - Fentanyl-TTS; GRUR 2002, 515 Schneidmesser I,
m. w. N.) unter Heranziehung der Patentbeschreibung und auch der in der
Patentschrift angegebene Aufgabe (BGH GRUR 2005, 141 - Anbieten interaktiver
Hilfe; BGH GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung) zu orientieren, wobei der
Sinngehalt eines einzelnen Merkmals im Kontext der Patentschrift und der
Funktion zu sehen ist, die es für sich und im Zusammenwirken mit den übrigen
Merkmalen des Patentanspruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen
Erfolgs hat. Es ist deshalb maßgeblich, was der angesprochene Fachmann - auch
unter Einziehung seines Vorverständnisses (BGH GRUR 2008, 878 - Momentan-
pol II) - danach bei unbefangener Betrachtung den Patentansprüchen als Erfin-
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dungsgegenstand entnimmt. Insofern sieht der Senat sich zu folgenden Be-
merkungen veranlasst:

1.1. Die Streitpatentschrift hebt hervor, dass die genannte Aufgabe mit einer
Bandage der eingangs erwähnten Art dadurch gelöst wird, dass wenigstens ein
Mittelstück und zwei zum Schließen der Bandage miteinander verbindbare End-
stücke vorgesehen sind und dass zur Herstellung einer zugfesten Verbindung
zwischen Teilen der Bandage ein Teil ein flaches Ende mit beidseitig ange-
brachten Klettverschlusselementen und der zu verbindende andere Teil mit einem
das flache Ende beidseitig übergreifenden maulartigen Ende mit Klettverschluss-
gegenelementen auf den an dem flachen Ende anliegenden Innenseiten versehen
ist und dass sich die zugfeste Verbindung über die gesamte Breite der Bandage
erstreckt (Absatz [0008]).

1.2. Verständnis von Patentanspruch 1 und seiner einzelnen Merkmale
1.2.1. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist allgemein auf eine
Bandage gerichtet und nicht auf die Stützung bzw. den Schutz einer bestimmten
Körperregion eingeschränkt. Eine Bandage zeichnet sich nach Abs. [0002]
dadurch aus, dass sie einen Körperbereich umschließen kann. Bandagen
„können“ (siehe Abs. [0002]), müssen jedoch keine Stützwirkung entfalten. Auch
nach allgemeinem Verständnis haben Bandagen Schutz- oder Stützwirkung Un-
bestritten wird bei vielen Bandagen das Körperteil mit einer Spannung um-
schlossen (siehe Streitpatent Abs. [0009]), jedoch kennt der Fachmann auch
andere Bandagen. Bandagen bestehen regelmäßig aus einem elastischen Ge-
strick, das sich der Körperform anpasst und Bewegung zulässt Diese umschließt
ein Körperteil fest. Auch nach dem Verständnis des Streitpatents ist als „Bandage“
eine solche mit oder ohne Stützfunktion zu verstehen, d. h. auch eine Orthese mit
elastischen Bändern (siehe Streitpatent Abs. [0002], [0007]: „für die Ausbildung
einer Orthese“). Nähere Einschränkungen auf Orthesen oder gar Rumpforthesen
werden dabei beim Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht bean-
sprucht.

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Die beanspruchte Bandage muss nach den Formulierungen im Anspruch 1 gemäß
Hilfsanträgen I und II „geeignet für oder als eine Rumpforthese“ bzw. „geeignet für
oder als eine Rumpforthese zur Stützung und Entlastung der Lendenwirbelsäule“
sein, d. h. so ausgebildet sein, dass sie allgemein für oder als eine Rumpforthese
und zur Stützung und Entlastung der Lendenwirbelsäule geeignet ist.

1.2.2. Es wird eine zugfeste Verbindung mit Hilfe von allgemein bekannten
Klettverschlusselementen hergestellt. Die Verbindung soll sich dabei über die
gesamte Breite der Bandage erstrecken. Für das Verständnis des zwischen den
Parteien umstrittenen Merkmals M6 betreffend der Bedeutung „gesamte Breite“
erschließt sich dem Fachmann aus der Gesamtoffenbarung ohne weiteres, dass
mit „gesamte Breite“ die Stelle der Bandage gemeint ist, über die sich die zugfeste
Verbindung, also der Klettverschluss erstreckt, und nicht die maximale Breite,
welche die Bandage an ihrer maximalen Ausdehnung erreicht. Die „gesamte
Breite“ bei Verbindungsstücken bedeutet die Breite des schmaleren Verbin-
dungsstücks; die Verbindungsstücke müssen an der Verbindungsstelle nicht
deckungsgleich sein, d. h. die gleiche Breite aufweisen, die Breite des schmaleren
Verbindungsstücks muss nur voll ausgeschöpft sein. Die Verbindungsstücke
müssen sich im gesamten mit Klett versehenen Überlappungsbereich auch nicht
deckungsgleich überlappen .

1.2.3. Zwischenstücke zur Verlängerung der Bandage sind im Anspruch 1 nicht
beansprucht.

1.2.4. Die Fischmaul-Klettverbindung (M5b) betrifft zumindest die Verbindung
zwischen dem Mittelteil (12) und den Endstücken (13, 14). Ein Verschluss mit
Fischmaulklett ist somit auch für die Endstücke als möglich vom Anspruch mit
umfasst, der Anspruch aber nicht darauf beschränkt.

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III.

1. Die Klage ist begründet, da der Nichtigkeitsangriff erfolgreich auf den
Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit gestützt wird (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ), während der Senat den von der
Klägerin zudem auf fehlende Ausführbarkeit der erfindungsgemäßen Lehre (Art. II
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ) gestützten Angriff als
unbegründet sieht.

2. Fehlende Ausführbarkeit
Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der
Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in
der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der
Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder
Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht
wird (st. Rspr. BGH GRUR 2011, 707 Dentalgerätesatz). Sie darf nicht mit der
Erreichbarkeit derjenigen Vorteile gleichgesetzt werden, die der Erfindung in der
Beschreibung zugeschrieben werden (BGH Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR
76/13 - Stabilisierung der Wasserqualität).

Wie der Senat bereits im qualifizierten Hinweis ausgeführt hat und wogegen die
Klägerin sich im weiteren Verfahren auch nicht mehr gewandt hat, teilt der Senat
insoweit die Auffassung der Klägerin einer fehlenden Ausführbarkeit bereits im
Ansatz nicht, da die von ihr zur Begründung herangezogene unklare Bedeutung
des Merkmals „über die gesamte Breite der Bandage“ zunächst durch Auslegung
zu klären ist und die gebotene Auslegung auch eine Identifizierbarkeit der
angegriffene Lehre ermöglicht, nämlich, so wie es bereits zur Auslegung aus-
geführt wurde. Nach st. Rspr hat nämlich die Auslegung des erteilten Patent-
anspruchs und die Identifizierung der darin enthaltenen Lehre wegen der
Rechtsnormqualität des Patentanspruchs Vorrang vor jeder weiteren Sachprüfung
der Nichtigkeits- oder Widerrufsgründe und damit auch vor der Frage einer
ausführbaren Lehre. Es ist deshalb unzulässig die Rechtsfrage, was sich aus
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einem Patentanspruch als geschützter Gegenstand ergibt, nicht zu beantworten
und hieraus eine fehlende Ausführbarkeit abzuleiten (BGH GRUR 2015 868 –
Polymerschaum II; GRUR 2015, 895 - Rotorelemente, zur unzulässigen Erwei-
terung). So hat der BGH in GRUR 2009, 749 – Sicherheitssystem ausgeführt. „Die
Identifizierbarkeit kann im Patentnichtigkeitsverfahren dann von Bedeutung sein,
wenn ihr Fehlen der ausführbaren Offenbarung der Erfindung entgegensteht. Dies
ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn für den Aussagegehalt der geschützten
Lehre verschiedene Interpretationsmöglichkeiten bleiben. In einem solchen Fall
muss zunächst geklärt werden, welche Auslegung die zutreffende ist (vgl. BGHZ
156, 179, 186 - blasenfreie Gummibahn I). In dieser Auslegung ist der Pa-
tentanspruch sodann der Beurteilung auf Patentfähigkeit zugrunde zu legen. Ob
das Patent in dieser Auslegung die Erfindung ausführbar offenbart, bedarf sodann
der Prüfung im Einzelfall. Soweit die Unklarheit lediglich einen Verstoß gegen
Art. 84 Satz 2 EPÜ begründet, ohne dadurch zugleich der Ausführbarkeit ent-
gegenzustehen, füllt dies für sich keinen der gesetzlich vorgesehenen Nichtig-
keitsgründe aus.“

3. Fehlende Patentfähigkeit von Anspruch 1
Der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag erweist
sich als nicht patentfähig, da die beanspruchte Lehre zwar neu ist (Art. II § 6
Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 52, 54 EPÜ), sie war dem
Fachmann jedoch ausgehend von der Lehre der D2 im Prioritätszeitpunkt
nahegelegt und beruht deshalb nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1
Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. 56 EPÜ).

3.1. Neuheit
Der Senat bewertet die angegriffene Lehre nach Ansprüchen 1 bis 5 bereits nach
Hauptantrag als neu gegenüber dem maßgeblichen, im Verfahren befindlichen
Stand der Technik, wozu entgegen der Rechtsansicht der Klägerin die Prio-
ritätsschrift D13 nicht zählt, da das Streitpatent diese Priorität wirksam in Anspruch
nimmt.

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3.1.1.Prioritätschrift D13
Bei der Anmeldung eines europäischen Patents kann das Prioritätsrecht nach Art.
87 Abs. 1 EPÜ in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung
betreffen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung
beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als
zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist. Entscheidend ist danach,
ob die ursprüngliche Gesamtoffenbarung für den Fachmann objektiv erkennen
ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag nach Patentanspruch 1 geltender B3-
Fassung von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (st.
Rspr BGH GRUR 2016, 50 - Teilreflektierende Folie; GRUR 2010, 509 – Hub-
gliederungstor).

Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung muss dabei in
einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen,
was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung
offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung
des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung
vermeidet (BGH GRUR 2014, 542 - Kommunikationskanal; zur Offenbarung als
Rechtsfrage: Senat MittdtschPatAnw 2017, 176 - Bioreaktor). Innerhalb dieses
Rahmens können deshalb - wie vorliegend - die Patentansprüche bis zur Erteilung
weiter gefasst werden als in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen
(BGH GRUR 2010, 910 - Fälschungssicheres Dokument).

Ebenso wie zur Frage einer unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung
ist deshalb zu beachten, dass der Fachmann sich nicht nur an dem Wortlaut der
Unterlagen orientiert, sondern an dem mit der Erfindung im Hinblick auf die
Nachteile des Stands der Technik verfolgten Zweck und an dem Lösungsvor-
schlag mit seinen Elementen (BGH GRUR 2008, 56 - Injizierbarer Mikroschaum)
und dass die Anmeldungsunterlagen nach ihrem „objektiven“ Gehalt und dem
darin unmittelbar und eindeutig offenbarten allgemeinsten Erfindungsgedanken
auszulegen sind; die etwaigen subjektiven Vorstellungen des Erfinders bzw.
Anmelders, wie sie in der Beschreibung oder in den Ausführungsbeispielen zum
- 18 -

Ausdruck kommen, sind danach nicht entscheidend, selbst wenn sie abweichen
sollten (siehe bereits Senat Urt. v. 19.6.2015, 4 Ni 4/14 unter Hinweis auf BGH
GRUR 2008, 887 – Momentanpol II).

Deshalb ist es grundsätzlich zulässig, das Patent durch die Aufnahme einzelner
oder sämtlicher dieser Merkmale in den Patentanspruch zu beschränken, sofern
die beanspruchte Kombination in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellt,
die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der
Erfindung entnehmen kann, wenn die Merkmale eines Ausführungsbeispiels, die
zusammen, aber auch je für sich den durch die Erfindung erreichten Erfolg
fördern, der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung dienen
(BGH GRUR 2016, 50 - Teilreflektierende Folie; GRUR 2015, 249 - Schleif-
produkt; Senat 4 Ni 4/14 Urt. v. 19.6.2015).

Auch ein „breit“ formulierter Anspruch kann deshalb als unbedenklich zu erachten
sein, wenn sich ein in der ursprünglichen Anmeldung beschriebenes Ausfüh-
rungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch
umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der
beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt
eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamt-
zusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend zu
entnehmen ist (BGH GRUR 2014, 970 - Stent; GRUR 2014, 542 - Kom-
munikationskanal; 2012, 1124 - Polymerschaum).

Der Senat teilt deshalb die Auffassung der Klägerin nicht, soweit diese geltend
macht, dass die Offenbarung der D13 speziell auf eine erfindungsgemäße auf
Stützelemente ausgerichtete Rumpforthese, also eine zur Stützung der Wirbel-
säule ausgebildete Orthesenkonstruktion, beschränkt sei und zudem das erst im
Rahmen des Beschränkungsverfahrens eingeführte Merkmal M6 ursprünglich
nicht offenbart gewesen sei. Denn in der D13 sind zwei Aufgaben und zugehörige
Lösungen (Stützung und Anpassung an Körperumfang) gelehrt, die der Fachmann
auch Einzeln als zur Erfindung gehörend offenbart ansieht. So ist insbesondere
- 19 -

die Verallgemeinerung auf eine „Bandage“ statt auf eine „Rumpforthese“ als
ursprünglich in der D13 offenbart anzusehen, da für den Fachmann, der sich die
Frage vorlegt, welche technische Lehre zur Lösung des technischen Problems
dem Prioritätsdokument zu entnehmen ist, ohne weiteres ersichtlich ist, dass dort
die allgemeine technische Lehre offenbart wird, bei einer Bandage Einzelelemente
einer Bandage vorteilhafterweise so zusammenzustellen, dass die Bandage an
den Umfang des Körperteils des Patienten angepasst werden kann. Dass die
Patentansprüche ausschließlich auf eine Rumpforthese gerichtet sind und auch
die Beschreibung nur diese aus der Sicht des Erfinders fokussiert, steht der
Erkenntnis des Fachmanns von einer allgemeineren technischen Lehre aus dem
unmittelbaren Offenbarungsgehalt der D13 - wie erläutert - nicht entgegen.

So ist auch in den wiedergegebenen Figuren 7 und 8 - welche ersichtlich den
Figuren 1 und 2
der Streitpatent-
schrift entspre-
chen, mit Be-
schreibung -
allgemein eine Bandage gezeigt , die auf Seite 9, letzte Zeile als „gebrauchsfertig“
bezeichnet wird, und somit ohne weitere Zusätze, zusätzliche Bauteile oder
sonstige Elemente verwendet werden kann. Diese ist folglich nicht lediglich als
elementarer Bestandteil einer Orthese offenbart. Auch die Absätze 13, 18 und 37
beschreiben ausdrücklich eine erfindungsgemäße Bandage.

Die Bandage weist dabei einen Klettverschluss über ihre gesamte Breite auf, und
zwar sowohl mit wie auch ohne Zwischenstücke, wie aus der Beschreibung
Seite 10, erster Absatz, hervorgeht. Diese können also auch weggelassen werden
und bei Verwendung mittels Fischmaulklett aneinander angefügt werden.

Patentanspruch1 nimmt deshalb wirksam die Priorität aus der D13 in Anspruch, so
dass diese keine Selbstkollision als Stand der Technik auslösen kann.

- 20 -

3.1.2. Weitere Schriften
Auch keine der übrigen im Verfahren befindlichen Schriften zeigt eine Bandage,
die alle im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag angegebenen Merkmale
aufweist. Der Senat hat bereits im qualifizierten Hinweis zu den insoweit von der
Klägerin angeführten Schriften D7 und D8 ausgeführt, dass diese keine Bandagen
im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre des Streitpatents darstellen, was die
Klägerin auch nicht weiterhin angegriffen hat.

3.1.3. Offenkundige Vorbenutzung D 14 bis D17:
Entsprechendes gilt für die behauptete offenkundige Vorbenutzung nach D14 bis
D17, die ebenfalls keine Bandage, sondern eine Armabduktionsorthese zur
Lagerung der Schulter mit einem Gurt zeigt, der lediglich dazu dient, ein
Verrutschen oder Verdrehen der Orthese am Rumpf des Patienten zu verhindern.


3.2. Erfinderische Tätigkeit
Der Senat sieht die Lehre nach Anspruch 1 der verteidigten Fassungen des
Streitpatents ausgehend von der Schrift D2 als nahegelegt.

3.2.1. Objektive Aufgabe
Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur richtet sich die
Formulierung der Aufgabe allein nach dem tatsächlich, d. h. objektiv, Erfundenen.
Die Aufgabe muss daher auf das Ergebnis der Erfindung abgestellt sein, weshalb
Ausgangspunkt das gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich Geleistete ist.
Die Formulierung der Aufgabe hat sich deshalb nur an solchen Problemen zu
orientieren, die durch die Erfindung tatsächlich gelöst werden (BGH GRUR 2010,
607 - Fettsäurezusammensetzung; GRUR 2010, 814 - Fugenglätter; GRUR 2003,
693 - Hochdruckreiniger). Die in der Patentschrift angegebene Aufgabe ist
demgegenüber lediglich ein Hilfsmittel für die Ermittlung des objektiven tech-
nischen Problems und Teil der Auslegung des Patentanspruchs. Dabei können in
der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung einen Hinweis
- 21 -

auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs enthalten (BGH GRUR 2012,
803 - Calcipotriol-Monohydrat; GRUR 2010, 602, Tz. 27 - Gelenkanordnung).

Hierbei ist die Aufgabe und Problemlösung nicht nur im Hinblick auf eine sich als
Differenzaufgabe zu dem - erst rückschauend betrachtend - „nächstliegenden“
Stand der Technik zu bewerten, sondern es können verschiedene Ausgangs-
punkte in Betracht zu ziehen sein (BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger;
GRUR 2009, 382 - Olanzapin). Vorliegend ist danach zu berücksichtigen, dass die
in Absatz [0007] des Streitpatents genannte Aufgabe einer weniger aufwändigen
Herstellung und einer Anpassung an unterschiedliche Längen und Ausbildung als
Orthese, insbesondere Rumpforthese, durch den Gegenstand des Anspruchs 1
nicht tatsächlich gelöst wird, da die dafür benötigten Zwischenstücke erst im
Unteranspruch 3 beansprucht werden.

Als objektive Aufgabe ist deshalb unter Berücksichtigung des Standes der
Technik, insbesondere der D2 die Herstellung einer verbesserten zugfesten
Verbindung zwischen den zu verbindenden Teilen einer Bandage anzusehen, was
die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zusätzlich genannte
Aufgabe der Erhöhung des Tragekomforts einschließt.


3.2.2. Naheliegen und Ausgangspunkt D2
Ausgehend von dieser objektiven Aufgabe bot sich dem Fachmann aus Sicht des
Senats die D2 als Ausgangspunkt und Sprungbrett zur Lösung als sehr relevanter
StdT an Lehre an. Denn die D2 zeigt in der Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung
bereits eine Bandage im Sinne des Patents [= Merkmal M1], da nach Spalte 3
Zeilen 16 ff die gezeigte Kompresse (compress 10) als Bandage (bandage 12)
wirkt und auch in eine Stützvorrichtung umfunktioniert werden kann, indem in die
Taschen 32 (pockets 32) Stützstangen 34 (elongated stays 34) eingeführt werden
können, wodurch die gezeigte Kompresse sämtliche Voraussetzungen einer Ban-
dage erfüllt, wobei sogar eine Stützwirkung gegeben ist.

- 22 -

Die Bandage 10 besteht dabei aus mehreren Teilen (bandage 12, panel 14,
straps 16), die zugfest (mit Hilfe einer Klettverbindung: „VELCRO panels 24“)
miteinander verbindbar sind [= Merkmal M2], mit wenigstens einem Mittelstück
(bandage 12) [= Merkmal
M3] und zwei zum Schlie-
ßen der Bandage mitein-
ander verbindbare End-
stücken (panel 14, straps
16) [= Merkmal M4]. Zur
Herstellung einer zugfesten
Verbindung ist zwischen
Teilen der Bandage eine
Teil als flaches Ende mit
einseitig angebrachten
Klettverschlusselementen
(VELCRO panels 24) und
der zu verbindende andere
Teil ebenfalls einseitig mit
Klettverschlusselementen
(VELCRO panels 26) aus-
gebildet [= Teile der
Merkmale M5a und M5b).
Wie weiter aus der Figur 1 hervorgeht, erstreckt sich dabei die zugfeste
Verbindung (in Form des Klettverschlusses) über die gesamte Breite der Bandage,
wie es im Merkmal M6 beansprucht ist.

Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist die Klettverbindung
lediglich einfach und nicht doppelt am flachen Ende mit beidseitig angebrachten
Klettverschlusselementen und am anderen Ende mit einem das flache Ende
beidseitig übergreifenden maulartigen Ende mit Klettverschlussgegenelementen
auf den dem flachen Ende anliegenden Innenseiten ausgebildet, wie in den
Merkmalen M5a und M5b beansprucht ist.
- 23 -

Da der Fachmann immer bestrebt ist, Verbesserungen vorzunehmen, ins-
besondere eine Bandage so zu gestalten, dass sie eine hinreichende Zugfestigkeit
aufweist und sich die Verbindungen nicht lösen, und er erkennt, dass die in der
Figur 1 der D2 gezeigte, relativ schmale Klettverbindung leicht aufgehen kann,
insbesondere da diese überlappt und übersteht, wie die Figur 2 zeigt, war der
Fachmann veranlasst, sich im Stand der Technik nach einer Verbesserungs-
möglichkeit umzusehen oder auf sein Fachwissen über sichere Klettverbidungen
zurückzugreifen. Insoweit kommt hinzu, dass der Fachmann auch erkannte, dass
durch die einfache Überlappung der Klettverschlusselemente auch ein Dreh-
moment in Richtung des Lösens der Verbindung wirken kann.

Dabei gehörten auch im maßgeblichen Prioritätszeitpunkt zu seinem Fachwissen
die Kenntnis eines Standard-Repertoires für sichere Verbindungen beidseitig
angeordnete Doppelklettverbindungen, die den Vorteil einer stabileren Verbindung
bei gleicher Breite haben und auch eine besser gegen einseitiges Aufgehen und
gegen die Wirkung eines einseitigen Drehmoments geschützte Wirkung haben.
Für den Fachmann war nicht nur die bessere Zugfestigkeit einer derartigen
Verbindung augenscheinlich, sondern insbesondere auch, dass die zweiseitige
Klettverbindung dem Auftreten eines Drehmoments in Richtung des Lösens der
Klettverschlüsse entgegenwirkt, da die Zugkräfte auf beiden Seiten der mit-
einander verbundenen Enden der einzelnen Teile der Bandage wirksam werden.
Außerdem hält die zweiseitige Klettverbindung selbst dann noch, wenn eine der
beiden Teilverbindungen aufgehen sollte. Der Senat sieht deshalb nicht nur das
Problem als augenscheinlich für eine Bandage und die insbesondere
vorausgesetzte Zugfestigkeit der Verbindung an, sondern der Senat sieht auch die
Lösung als ein für den Fachmann auf der Hand liegendes Mittel, nämlich die
Heranziehung des ihm wohlvertrauten Standard-Repertoires (BGHZ 200, 229 =
GRUR 2014, 461 - Kollagenase; GRUR 2014, 647 - Farbversorungssystem) einer
Fischmaulklettverbindung, wie sie im Stand der Technik vielfach belegt ist (so die
in D9 und D19 gezeigten Doppelklettverschlüsse bei Bandagen) und auch von der
Beklagten nicht bestritten ist. So kann nach der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs eine Veranlassung zur Heranziehung einer technischen Lösung
- 24 -

bereits dann bestehen, wenn sie als ein generelles, für eine Vielzahl von
Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen
Fachwissen oder Standardrepertoire des angesprochenen Fachmanns gehört und
sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als
objektiv zweckmäßig darstellt sowie keine besonderen Umstände feststellbar sind,
die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten
verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGHZ 200, 229 = GRUR
2014, 461 - Kollagenase; GRUR 2014, 647 - Farbversorungssystem).

So ist es auch hier, da bei einer Ausbildung mit einem Fischmaulklett für den
Fachmann keine erkennbaren technischen Nachteile entgegenstehen oder aus
seiner Sicht die Verwendung eines Fischmaulkletts aus sonstigen Gründen
untunlich erscheint. Insbesondere ist der technische Fokus in der D2 im
Unterschied zur D3 weder auf einen großen Verstellbereich gerichtet, noch stellen
sich Probleme mit einem hierdurch verschlechterten Tragekomfort, der auf-
gegeben werden müsste. So ist auch in der D2 weder ein großer Verstellbereich
aus den Figuren ersichtlich noch in der Beschreibung angesprochen. Auch der
Tragekomfort wäre nicht gemindert durch eine Verdopplung der Dicke der
Klettverschlusselemente - wie von der Klägerin im Hinblick auf die D3 geltend
gemacht – da bei der D2 der einseitige Klettverschluss 24 ja bereits innen aufliegt,
und bei einer Ausgestaltung als Fischmaulklettverbindung nur eine weitere
Klettverschlussfläche außen hinzukäme. Hinzu kommt, dass sich durch den Dop-
pelklettverschluss der Überlappungsbereich der Klettverbindungen bei gleicher
Stabilität verringern und sich somit insoweit der Tragekomfort sogar erhöhen lässt.

Damit war der Fachmann naheliegend bei der Lehre nach Patentanspruch 1
angelangt


3.2.3. Naheliegen und Ausgangspunkt D3
In dem qualifizierten Hinweis des Senats und in der mündlichen Verhandlung
wurde außerdem die Druckschrift D3 als Ausgangspunkt und Sprungbrett zur
- 25 -

Lösung diskutiert. So sind Aufgabe und Problemlösung nicht nur im Hinblick auf
eine sich als Differenzaufgabe zu dem - erst rückschauend betrachtend - „nächst-
liegenden“ Stand der Technik zu bewerten, sondern es können insbesondere auch
für die Beurteilung des Naheliegens verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu
ziehen sein, welcher einer Rechtfertigung bedürfen und die in der Regel in dem
Bemühen des Fachmanns liegt, für einen bestimmten Zweck eine bessere oder
andere Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt (BGH
GRUR 2017, 498 - Gestricktes Schuhoberteil; GRUR 2009, 1039 - Fisch-
bissanzeiger; GRUR 2009, 382 - Olanzapin).

Die D3 zeigt bereits eine Bandage im Sinne des Patents (Figur 1 mit Be-
schreibung) [= Merkmal M1] bzw eine Orthese mit Bandage für den Lumbalbereich
mit einfachen einseitigen Klettverschlüssen, die aus mehreren Teilen (1, 2a, 2b)
besteht, die zugfest (mit Hilfe einer Klettverbindung) miteinander verbindbar sind
[= Merkmal M2], wobei wenigstens ein Mittelstück (1) und zwei zum Schließen der
Bandage miteinander verbindbare Endstücke (2a, 2b)
vorgesehen sind [= Merkmale M3 und M4].

Zur Herstellung einer zugfesten Verbindung ist
zwischen Teilen der Bandage ein Teil als flaches Ende
mit einseitig angebrachten Klettverschlusselementen
und der zu verbindende andere Teil ebenfalls einseitig mit Klettverschluss-
gegenelementen ausgebildet [= Teile der Merkmale M5a und M5b]. Im
Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist die Klettverbindung also
lediglich einfach und nicht doppelt am einen flachen Ende mit beidseitig
angebrachten Klettverschlusselementen und am anderen Ende mit einem das
flache Ende beidseitig übergreifenden maulartigen Ende mit Klettverschluss-
gegenelementen auf den dem flachen Ende anliegenden Innenseiten ausgebildet,
wie außerdem noch in diesen Merkmalen beansprucht ist. Wie aus der Figur 1
hervorgeht, erstreckt sich dabei die zugfeste Verbindung (der Klettverschluss)
über die gesamte Breite der Bandage (an ihrem Ende), wie im Merkmal M6
beansprucht ist.
- 26 -

Die D3 geht jedoch nicht über den Offenbarungsgehalt der D2 hinausgeht, wobei
der hier angesprochene Fokus auf eine große Verstellbarkeit sowohl über die
Länge wie über die Breite der Bandage und den Tragekomfort gerichtet ist (vgl.
die Figur 1 mit Beschreibung). So sollen insbesondere die Endstücke (2a, 2b)
auch in Längsrichtung eine großen Überlappungsbereich mit dem Mittelstück (1)
bilden können. Allerdings stellte sich aus Sicht des Senats für den um
Verbesseung der Festigkeit bemühten Fachmann die Überlegung, hierzu die ihm
bekannte Fischmaulklettverbindung zu verwenden, angesichts der auch mit den
Parteien in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten Vor- und Nachteile
nicht ohne weiteres so zwangsläufig, wie es für die Lehre der D2 dargelegt worden
ist. So mussten ausgehend von der D2 im Unterschied zur D3 bei der Anwendung
des Standard-Repertoirs keine Vorteile, wie insbesondere ein großer Ver-
stellbereich, aufgegeben werden. Ein großer Verstellbereich ist in der Vorrichtung
der D2 weder aus den Figuren ersichtlich noch in der Beschreibung angegeben.
Des Weiteren erkannte der Fachmann, dass sich bei Vorsehen eines
Fischmaukletts bei der D2 auch nicht der Tragekomfort durch eine Verdopplung
der Dicke der Klettverschlusselemente verringern würde - wie von der Klägerin im
Hinblick auf die D3 geltend gemacht - da bei der D2 der einseitige Klettverschluss
24 ja bereits innen aufliegt, und bei einer Ausgestaltung als Fischmaulklett nur
eine weitere Klettverschlussfläche außen hinzukäme. Für die Anwendung des
Fischmaulkletts als Standard-Repertoire benötigt der Fachmann entgegen der
Auffassung der Beklagten auch keine Veranlassung oder Hinweis in der D2.
Deshalb lag die D3 für den Fachmann als Ausgangspunkt weiter ab als die D2.


4. Fehlende Patentfähigkeit von Anspruch 1 nach Hilfsanträgen I und II:
Auch die zulässig gefassten jeweiligen Gegenstände der Patentansprüche 1
gemäß den Hilfsanträgen I und II waren dem Fachmann ausgehend von der Lehre
der D2 nahegelegt, da die insoweit einschränkend beanspruchte Eignung der
Bandage bereits durch die D2 vorweggenommen ist. So weist auch die dort
gezeigte Bandage ohnehin materialbedingt eine Stützwirkung auf und kann zudem
auch nach der Lehre der D2 ohne weiteres je nach Bedarf als Stützvorrichtung
- 27 -

eingesetzt werden oder in eine Stützvorrichtung umfunktioniert werden, weil in die
Taschen 32 Stützstangen 34 eingeführt werden können. Damit ist die Bandage
auch zugleich für oder als eine Rumpforthese zur Stützung und Entlastung der
Lendenwirbelsäule geeignet, wie in den Patentansprüchen 1 gemäß den Hilfs-
anträgen I und II zusätzlich gegenüber dem Hauptantrag beansprucht ist.


5. Unteransprüche:
Da die Beklagte nach ausdrücklicher Erklärung in der mündlichen Verhandlung
eine weitere isolierte Verteidigung einzelner Unteransprüche nicht verfolgt und
auch insoweit keinen eigenständischen erfinderischen gehalt geltend gemacht hat,
bedurfte es insoweit keiner gesonderten Sachprüfung (BGH GRUR 2017,
57 - Datengenerator).


VI.

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84
Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.

- 28 -

VII.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Die Berufungs-
schrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechts-
anwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines
Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht
werden.

Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefass-
ten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkün-
dung. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesge-
richtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.


Engels Kopacek Dr. Müller Veit Zimmerer


Me,0




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