3. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 26.03.2013, 3 AZR 68/11.
Karar Dilini Çevir:
3. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 26.03.2013, 3 AZR 68/11.
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 3 AZR 77/11 9 Sa 334/10 Landesarbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes! Verkündet am 26. März 2013 URTEIL Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, pp. Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-handlung vom 26. März 2013 durch die Vorsitzende Richterin am Bundes-arbeitsgericht Gräfl, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Schlewing, den - 2 - 3 AZR 77/11 - 3 - Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Spinner sowie die ehrenamtlichen Richter Lohre und Prof. Dr. Reiter für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 - 9 Sa 334/10 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Klä-ger von Gas- und Stromkosten iHv. 25 vH freizustellen. Der im Juli 1948 geborene Kläger war seit dem 1. April 1963 bei der Wuppertaler Stadtwerke AG (im Folgenden: WSW AG) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fanden ua. der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen Tarifverträge Anwendung. Am 26. September 1975 hatte der damalige Vorstand der WSW AG eine allgemeine Regelung zu einem Werkstarif für Energieleistungen erlassen. Diese Vorstandsverfügung bestimmte auszugsweise: „Neufassung der Verfügung Nr. 5 vom 2.6.1966 vom 26.9.1975 BETRIFFT: Werkstarif 0 Bezugsberechtigte 00 Für den gemessenen Haushaltsbezug von elektrischer Energie und Gas wird auf Antrag eine Ermäßigung eingeräumt: 000001 002 vollbeschäftigten Betriebsangehörigen, ehemaligen Betriebsangehörigen, Witwen ehemaliger Betriebsangehöriger für die Dauer des Witwenstandes, 1 2 3 - 3 - 3 AZR 77/11 - 4 - … 1 Voraussetzungen für die Gewährung des Werkstarifs sind: 10 der eigene Haushalt, 11 die ununterbrochene Beschäftigungszeit bei den WSW / BEV bzw. - vor dem 1.4.1948 - den Städt. Werken Wuppertal der 110 111 Betriebsangehörigen von mindestens 6 Monaten, ehemaligen Betriebsangehörigen von mindestens 5 Jahren bis zu ihrer Inruhe-setzung, 12 der Bestand der Ehe während der aktiven Betriebszugehörigkeit des verstorbenen Ehe-mannes. … 3 Wohnen außerhalb des Versorgungsbereichs der WSW Bezugsberechtigte, die nicht im Versorgungsbereich der WSW wohnen, erhalten - sofern ihr Verbrauch an elektrischer Energie und Gas von ihrem Versor-gungsunternehmen im Währungsgebiet der Deut-schen Mark zu einem höheren Preis abgerechnet wird, als er nach dem Werkstarif zur Verrechnung kommen würde - den Unterschiedsbetrag zwischen dem von ihnen bezahlten Rechnungsbetrag und dem nach dem Werkstarif zu verrechnenden Betrag erstattet. … 5 Tarife Ab 1.1.1976 erhalten die Bezugsberechtigten 25 % Rabatt auf die allgemeinen Tarife für die Versorgung mit elektrischer Energie und Gas sowie auf Sonder-vertragspreise für Raumheizung und sonstigen Haushaltsbedarf. 6 Besitzstand Hinsichtlich der auf dieser Verfügung beruhenden Ansprüche wird kein Besitzstand begründet. 7 Kündigung Der Anspruch auf Werkstarif kann - auch mit Wirkung gegenüber ehemaligen Betriebsangehörigen - unter Aufheben oder Ändern dieser Verfügung mit einer - 4 - 3 AZR 77/11 - 5 - Frist von 3 Monaten zum jeweiligen Jahresende gekündigt werden. 8 Die Verfügung Nr. 5 vom 2.6.1966 (alte Fassung) wird am 31.12.1975 ungültig.“ Ab dem 1. Januar 2005 fand auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung. Dieser bestimmt in § 2 Abs. 1: „Der Arbeitsvertrag wird schriftlich unter Angabe der Entgeltgruppe abgeschlossen. Nebenabreden sind schrift-lich zu vereinbaren.“ Im Jahr 2007 wurden die mit der Erstellung zentraler Dienstleistungen befassten Organisationseinheiten der WSW AG abgespalten und im Wege der Aufnahme nach §§ 123 ff. UmwG auf die Beklagte übertragen. Diese ist weder Erzeuger noch Lieferant von Strom und Gas. Im Zuge der zum 1. Januar 2007 erfolgten Umwandlung wies die WSW AG den Kläger darauf hin, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergehen und diese in seinen Arbeitsvertrag eintreten werde. Im Zuge der Umstrukturierung der WSW AG schlossen die WSW AG und die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklag-te zählt, einerseits und die Gewerkschaft ver.di andererseits den Tarifvertrag zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der WSW Unternehmensgruppe vom 10. November 2006 (im Folgenden: TV-SR). Dieser bestimmt ua: „Präambel Die Wuppertaler Stadtwerke AG, ein einheitliches und sich mehrheitlich im Eigentum der Stadt Wuppertal befindliches Versorgungs- und Verkehrsunternehmen, wird durch eine grundlegende Umstrukturierung in mehrere Unternehmen geteilt. Dieser Tarifvertrag wird zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inner-halb der WSW-Unternehmensgruppe abgeschlossen. 4 5 6 - 5 - 3 AZR 77/11 - 6 - § 1 Geltungsbereich (1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten der diesen Tarifvertrag abschließenden oder beitretenden Unternehmen, sofern der Geltungsbereich für einzelne Regelungen dieses Tarifvertrages nachstehend nicht abweichend festgelegt wird. (2) Der § 4 I dieses Tarifvertrages gilt nur für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 2 III. (3) Der Tarifvertrag bindet und verpflichtet die ihn ab-schließenden und die ihm beitretenden Unternehmen und Parteien. § 2 Definitionen (1) Der Begriff ‚WSW-Unternehmensgruppe’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint folgende bestehende, sich in Gründung befindliche bzw. zu gründende Unternehmen: WSW Holding GmbH (Arbeitstitel), WSW Verkehr GmbH (Arbeitstitel), Wuppertaler Stadtwerke AG und die WSW Netz GmbH. (2) ‚Stichtag’ im Sinne dieses Tarifvertrages ist: für die WSW Holding GmbH und die WSW Verkehr GmbH der Tag, an dem die ersten Arbeitsverhältnis-se von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Wuppertaler Stadtwerke AG durch Betriebsübergang auf eines der beiden Unternehmen übergehen. für die Wuppertaler Stadtwerke AG der Tag, auf den der spätere der beiden oben genannten Stichtage fällt. (3) Der Begriff ‚heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint alle Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsver-fassungsgesetzes, die am jeweiligen Stichtag in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe - 6 - 3 AZR 77/11 - 7 - stehen werden und am Vortag des oben genannten Stichtages in einem Arbeitsverhältnis mit der Wuppertaler Stadtwerke AG standen. Die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind ausge-schlossen. § 3 Tarifbindung (1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe führen die bei der Wuppertaler Stadtwerke AG am Vortag des Stichtages geltenden Tarifverträge - ausdrücklich einschließlich des Tarifvertrages ‚Tarifvertrag vom 17. Januar 2005 zur Einführung des TV-V bei der Wupper-taler Stadtwerke AG (WSW AG)’ - in ihrer jeweils gültigen Fassung weiter und erklären ihren Willen, den Abschluss identischer Tarifverträge beim Kommunalen Arbeitgeber-verband Nordrhein-Westfalen zu beantragen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) erklärt sich schon jetzt zum Abschluss dieser Tarifverträge bereit. (2) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe werden die Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeber-verband Nordrhein-Westfalen beantragen, sofern dadurch die Regelungen in Absatz 1 keine Einschränkungen erfahren. § 4 Kündigungsschutz (1) Der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündi-gungen ist gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis zum 31.12.2020 unzulässig. Ausnahmsweise ist der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jedoch auch innerhalb des Zeitraums bis zum 31.12.2020 zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (durch z. B. drohenden Verlust von Leistungen, Genehmi-gungen oder Aufträgen) so ändert, dass das jeweilige Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe zu Maß-nahmen greifen muss, die es zur Anzeige gemäß § 17 I KSchG verpflichtet. … - 7 - 3 AZR 77/11 - 8 - § 5 Materielle Sicherung (1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe treten zum Stichtag in die am Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG bestehenden und im Zuge des Betriebsübergangs jeweils auf die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe übergegangenen Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse ein. Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung der Eingrup-pierung und Einstufung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Streichung von Entgeltbestandtei-len und auch keine andere Veränderung des derzeitigen Entgelts vorgenommen. (2) Die zum Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG gewährten betrieblichen Sozialleistungen werden für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe fortgeführt. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag ihr Arbeitsverhältnis bei einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe beginnen, werden die bis zum Vortag des Stichtages bei der Wup-pertaler Stadtwerke AG gewährten betrieblichen Sozial-leistungen bis zu einer Neuregelung in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe fortgeführt. § 6 Immaterielle Sicherung Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung des Tätigkeitsbereichs, des Arbeitsinhaltes und des Arbeitsortes der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgenommen. Eventuelle spätere Veränderungen in den vorgenannten Bereichen erfolgen auf der Grundlage der dann in dem jeweiligen Unterneh-men der WSW-Unternehmensgruppe geltenden Regel-werke. § 7 Betriebsvereinbarungen (1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe treten in die am Vortag des Stichtages bei der Wupperta-ler Stadtwerke AG geltenden Betriebsvereinbarungen ein. … - 8 - 3 AZR 77/11 - 9 - § 8 Zusatzversorgung Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe werden die Ansprüche aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 18 TV-V, auf Versicherung unter eigener Beteili-gung zum Zwecke einer zusätzlichen Altersvorsorge nach Maßgabe des Tarifvertrages über die zusätzliche Alters-vorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) oder des Tarif-vertrages über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) in ihrer jeweils geltenden Fas-sung, erfüllen.“ Am 24. September 2007 beschlossen der Vorstand der WSW AG und die Geschäftsführungen der Beklagten und der WSW mobil GmbH, dass künftig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der WSW-Unternehmensgruppe angestellt werden, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ab dem 1. Oktober 2007 ihr Arbeitsverhältnis beenden und anschließend in den Ruhe-stand wechseln, Energierabatte iHv. 15 vH erhalten, wenn die Energie von der WSW AG bezogen wird. Der Kläger schied mit Ablauf des 31. Juli 2008 aus dem Arbeitsverhält-nis mit der Beklagten aus und befindet sich seit dem 1. August 2008 im Ruhe-stand. Bis zum 31. Juli 2008 gewährte ihm die Beklagte einen Energiekostenra-batt iHv. 25 vH; seit dem 1. August 2008 erhält er nur noch einen Rabatt iHv. 15 vH. Gegen diese Absenkung des Energiekostenrabatts hat sich der Kläger gewandt und von der Beklagten weiterhin die Freistellung von den abgerechne-ten Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH begehrt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund betriebli-cher Übung ein Energiekostenrabatt für Strom und Gas iHv. 25 vH zu. Der Entstehung einer betrieblichen Übung stehe das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BMT-G II und des § 2 Abs. 1 Satz 2 TV-V nicht entgegen. Bei der Ver-einbarung des Personalrabatts handele es sich nicht um eine Nebenabrede. Die Zusage übertariflicher Sonderleistungen gehöre zu den vertraglichen 7 8 9 10 - 9 - 3 AZR 77/11 - 10 - Hauptpflichten. Im Übrigen stelle sich die Berufung der Beklagten auf die fehlende Schriftform als unzulässige Rechtsausübung dar. Die Vorstandsverfü-gung vom 26. September 1975 stehe der Begründung von Ansprüchen aus betrieblicher Übung nicht entgegen. Diese Verfügung sei ihm nicht bekannt. Im Übrigen sei ihm gegenüber ein Widerruf nicht erklärt worden. Schließlich stehe ihm der Anspruch auch aufgrund § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR zu. Der Kläger hat beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Forderungen der Wuppertaler Stadtwerke AG freizustellen, soweit diese vom 1. August 2008 bis zum 31. Oktober 2009 mehr als 75 % der gemessenen Energiekosten (Gas und Strom) gegenüber ihm abgerechnet hat; 2. die Beklagte zu verurteilen, ihn auf Lebenszeit, nach seinem Tod seine Witwe auf Lebenszeit, in Höhe von 25 % von den Kosten der Energielieferung (Gas und Strom) durch die WSW AG oder einen Nachfolge-Versorgungsbetrieb freizustellen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Energiepreisvergüns-tigung von 25 % entsprechend den bisherigen Bedingun-gen bei der Energielieferung durch die WSW AG zu gewähren. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den Hauptanträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision. Während des Revisionsverfah-rens ist der Kläger im Oktober 2012 verstorben. Entscheidungsgründe Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht mit den Hauptanträgen entsprochen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR Anspruch darauf, dass die Be- 11 12 13 14 - 10 - 3 AZR 77/11 - 11 - klagte ihn auf Lebenszeit und nach seinem Tod im Oktober 2012 seine Witwe für die Dauer ihres Witwenstands von den Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH der anfallenden Kosten freistellt. I. Die Klage ist zulässig. 1. Die Hauptanträge bedürfen der Auslegung. a) Klageanträge sind der Auslegung durch das Revisionsgericht zugäng-lich. Dabei sind die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) heranzuziehen (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26). Für das Verständnis eines Klageantrags ist deshalb nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Das Gericht hat vielmehr den erklärten Willen zu erforschen, wie er sich aus der Klagebegrün-dung, dem Prozessziel und der Interessenlage ergibt. Im Zweifel ist das gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. etwa BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 568/09 - Rn. 25, EzTöD 650 TV-Ärzte/VKA § 16 Entgeltgruppe III Nr. 13; BGH 12. Februar 2003 - XII ZR 324/98 - zu II 1 a der Gründe mwN, WM 2003, 1919). b) Mit den Hauptanträgen begehrt der Kläger trotz der Formulierung als (unbezifferte) Leistungsanträge die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von den Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 31. Oktober 2009 (Hauptantrag zu 1) und für die Zeit ab dem 1. November 2009 bis zu seinem Tod sowie ggf. für die Dauer des Witwen-stands seiner Ehefrau (Hauptantrag zu 2) freizustellen. Dieses Verständnis seiner Anträge hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. 2. In dieser Auslegung sind die Hauptanträge zulässig. a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Klage muss sich dabei nicht auf das Rechtsver- 15 16 17 18 19 20 - 11 - 3 AZR 77/11 - 12 - hältnis im Ganzen beziehen. Es reicht, wenn sie sich auf einzelne sich daraus ergebende Rechte oder Folgen beschränkt, sofern dafür ein Feststellungsinte-resse besteht (BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 852/09 - Rn. 14). b) Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn von den Forderungen der WSW AG oder eines Nachfolge-Versorgungsunternehmens aus dem Bezug von Strom und Gas iHv. 25 vH der tatsächlich angefallenen Kosten in der Zeit ab dem 1. August 2008 freizustellen. Hierbei handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Da die Beklag-te die vom Kläger begehrte Freistellungsverpflichtung leugnet, steht dem Kläger auch ein Feststellungsinteresse zur Seite. Der Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit der Feststellungsanträge nicht entgegen. Ein Feststellungsinte-resse ist gegeben, wenn auf diesem Weg eine sachgemäße, einfache Erledi-gung der auftretenden Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 286/09 - Rn. 17; 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 31, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Betrieb-liche Übung Nr. 11). Dies ist hier der Fall. II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 TV-SR An-spruch auf die begehrte Freistellung von den Kosten für Strom und Gas. Bis zum 1. Januar 2007 gewährte die WSW AG als Rechtsvorgängerin der Beklag-ten allen Arbeitnehmern, die in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt des Versorgungsfalls in einem Arbeitsverhältnis zu ihr standen, auch für die Dauer des Ruhestands und darüber hinaus nach ihrem Tod deren Witwen einen Energiekostenrabatt iHv. 25 vH der gemessenen Verbrauchskosten für Strom und Gas. Hierbei handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung iSv. § 5 Abs. 2 TV-SR. Nach dieser Tarifbestimmung ist es unerheblich, ob auf deren Gewährung in der Vergangenheit ein Rechtsanspruch bestanden hat. Entschei-dend ist allein die tatsächliche Gewährung. Es kann deshalb dahinstehen, ob bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine betriebliche Übung auf die Gewährung eines Energiekostenrabatts entstanden ist. 21 22 - 12 - 3 AZR 77/11 - 13 - 1. Der TV-SR ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers kraft arbeitsver-traglicher Bezugnahme anzuwenden. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finden die für den Bereich des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge Anwen-dung. Hierzu zählt auch der TV-SR. Dieser gilt nach § 2 Abs. 1 TV-SR für die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte gehört. 2. § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR erfasst auch den von der WSW AG an ihre Mitarbeiter und Betriebsrentner gewährten Energiekostenrabatt als betriebliche Sozialleistung. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags. a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Somit ist zunächst vom Tarifwort-laut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauch-baren Regelung führt (st. Rspr., etwa BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 236/11 - Rn. 12; 16. Juni 2010 - 4 AZR 944/08 - Rn. 18; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162; 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - zu I 2 a bb (2) (c) (bb) der Gründe mwN, BAGE 113, 291). b) Danach erfasst § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR auch den von der Rechtsvor-gängerin der Beklagten spätestens seit 1975 tatsächlich gewährten Energiekos-23 24 25 26 - 13 - 3 AZR 77/11 - 14 - tenrabatt, ohne dass es darauf ankäme, ob hierauf ein Rechtsanspruch, etwa in Gestalt einer betrieblichen Übung, bestanden hat. aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR. Danach werden die von der WSW AG zum Vortag des Stichtags gewährten betrieblichen Sozialleistungen für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe, somit auch im Unter-nehmen der Beklagten, fortgeführt. Bei dem Energiekostenrabatt handelt es sich um eine betriebliche So-zialleistung. Diese soll nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR „heutigen“ Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmern von der Beklagten weitergewährt werden. Nach der Definition in § 2 Abs. 3 TV-SR sind heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Stichtag (§ 2 Abs. 2 TV-SR), dem 1. Januar 2007, in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe stehen und am Vortrag des Stichtags, dem 31. Dezember 2006, in einem Arbeitsverhältnis mit der WSW AG gestanden haben. Diese Arbeitnehmer sollen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR den Energie-kostenrabatt auch weiterhin erhalten. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag in ein Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe eintreten. Diesen Arbeitnehmern werden die bis zum Stichtag gewährten Sozialleistungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-SR nur bis zu einer Neuregelung in der WSW-Unternehmensgruppe weiter gewährt. Die „heutigen“ Arbeitnehmer sollten nach der Tarifbestimmung nicht von einer Neuregelung erfasst werden. Da der Energiekostenrabatt von der WSW AG nicht nur während des aktiven Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Ruhestand gewährt wurde, ist der Rabatt den „heutigen“ Arbeitnehmern auch dann weiterzugewähren, wenn sie in den Ruhestand treten. Nach dem Tarifwortlaut kommt es für die Weitergewährung der betrieb-lichen Sozialleistung nicht darauf an, ob hierauf ein Rechtsanspruch bestand. Mit der Formulierung „gewährte betriebliche Sozialleistungen“ haben die Tarif-vertragsparteien allein darauf abgestellt, dass die Sozialleistung von der WSW AG tatsächlich erbracht wurde. 27 28 29 - 14 - 3 AZR 77/11 - 15 - bb) Für diese Auslegung sprechen auch der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen und ihr Sinn und Zweck. Der TV-SR dient nach seiner Präambel der Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmer im Zuge der grundlegenden Umstrukturierung der WSW AG und der damit verbundenen Schaffung der WSW-Unternehmens-gruppe. Diese Sicherung soll nach § 4 TV-SR den kündigungsrechtlichen Bestandsschutz gewährleisten und nach § 5 Abs. 1 TV-SR die Sicherung des Arbeitsentgelts einschließlich der Eingruppierung und Einstufung umfassen. Durch § 5 Abs. 2 TV-SR sollen die gewährten betrieblichen Sozialleistungen gesichert werden und mit § 6 TV-SR werden die bisherigen Tätigkeitsbereiche, Arbeitsinhalte und Arbeitsorte weitgehend gegen Veränderungen geschützt. Schließlich enthält § 8 TV-SR Regelungen zur zusätzlichen Altersversorgung. Die tarifliche Regelung bezweckt damit, wie sich etwa aus § 6 TV-SR ergibt, eine über den Schutz aus § 613a BGB hinausgehende Absicherung der von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer. Diesen sollten ihre bisherigen (Rechts-)Positionen und die ihnen tatsächlich gewährten Leistungen erhalten bleiben und durch den Tarifvertrag rechtlich abgesichert werden. Zu diesen tatsächlich gewährten Leistungen gehört auch der Energiekostenrabatt, der auch im Ruhestand weitergewährt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarif-vertragsparteien bei den gewährten betrieblichen Sozialleistungen zwischen Leistungen an aktive Arbeitnehmer und an Versorgungsempfänger unterschie-den haben, sind nicht ersichtlich. Ob auf den Energiekostenrabatt bereits gegenüber der WSW AG ein Rechtsanspruch - ggf. aus betrieblicher Übung - bestand, ist daher ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die Beklagte selbst weder Gas noch Strom produziert oder liefert. c) Der Kläger kann daher von der Beklagten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR auch während seines Ruhestands, nach seinem Tod im Oktober 2012 seine Witwe für die Dauer des Witwenstands, Freistellung von den anfallenden Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH verlangen. Er stand am 1. Januar 2007 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe. Am Vortrag dieses Stichtags war er Arbeitnehmer der 30 31 32 - 15 - 3 AZR 77/11 WSW AG. Somit erfüllt er die tariflichen Voraussetzungen für die Weitergewäh-rung des Energiekostenrabatts in der bisherigen Höhe. III. Der Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, denn er ist erkennbar nur für den Fall der Abweisung der Hauptanträge gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten. IV. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Gräfl Schlewing Spinner Lohre C. Reiter 33 34

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