3. Senat - Hinterbliebenenversorgung für einen eingetragenen Lebenspartner eines Dienstordnungsangestellten
Karar Dilini Çevir:
3. Senat - Hinterbliebenenversorgung für einen eingetragenen Lebenspartner eines Dienstordnungsangestellten
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 3 AZR 684/10 3 Sa 540/10 B Landesarbeitsgericht Niedersachsen Im Namen des Volkes! Verkündet am 11. Dezember 2012 URTEIL Radtke, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, pp. Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-handlung vom 11. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin am Bundes-arbeitsgericht Gräfl, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Schlewing, den - 2 - 3 AZR 684/10 - 3 - Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Spinner sowie die ehrenamtliche Richterin Frehse und den ehrenamtlichen Richter Dr. Hopfner für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. September 2010 - 3 Sa 540/10 B - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang zu zahlen, wie dies die Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes für einen Ehepartner vorsehen. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen. Der 1945 geborene B war bei der Beklagten als Dienstordnungsange-stellter beschäftigt. Am 13. November 2003 begründete er mit dem Kläger eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. B verstarb am 12. September 2007. § 6 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten lautet: „§ 6 Geld- und geldwerte Leistungen, Versorgung (1) Für Geld- und geldwerte Leistungen und die Versor-gung gelten die Vorschriften für Beamte des Bundes entsprechend.“ Mit der vorliegenden Feststellungsklage hat der Kläger von der Beklag-ten die Zahlung einer Hinterbliebenenversorgung verlangt und die Auffassung vertreten, dass er als eingetragener Lebenspartner ebenso zu behandeln sei wie ein hinterbliebener Ehegatte. 1 2 3 4 - 3 - 3 AZR 684/10 - 4 - Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn seit Oktober 2007 eine Hinterbliebenenversorgung in demsel-ben Umfang zu zahlen, wie dies die Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes für einen Ehepartner vorsehen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertre-ten, für einen Anspruch des Klägers gebe es keine gesetzliche Grundlage. Eine analoge Anwendung der für hinterbliebene Ehegatten bestehenden Bestim-mungen des Beamtenversorgungsgesetzes scheide aus. Aufgrund des verfas-sungsrechtlichen Schutzes der Ehe sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsge-richt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Im Laufe des Revisions-verfahrens hat die Beklagte zunächst ab dem 1. November 2010 eine Hinter-bliebenenversorgung an den Kläger geleistet und nach Inkrafttreten des Geset-zes zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften vom 14. November 2011 (BGBl. I S. 2219) auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2010. Daraufhin hat der Kläger seinen Klageantrag auf die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 eingeschränkt und den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Übrigen für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung des Klägers angeschlossen und verfolgt mit ihrer Revision im Übrigen ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision. Entscheidungsgründe Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage, soweit sie noch rechtshängig ist, zu Recht stattgegeben. Die Beklag-te ist verpflichtet, an den Kläger für die Zeit ab dem 1. Oktober 2007 bis zum 5 6 7 8 - 4 - 3 AZR 684/10 - 5 - 31. Dezember 2008 eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang zu zahlen, wie dies nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes für hinterbliebene Ehegatten vorgesehen ist. I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Versorgungs-verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach. Er hat auch ein Interesse an alsbaldiger Feststellung dieses Rechtsverhältnisses, da die Beklagte die gel-tend gemachte Pflicht zur Versorgung des Klägers leugnet. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfa-chere Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirt-schaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG 15. November 2011 - 3 AZR 113/10 - Rn. 18, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 27; 18. November 2003 - 3 AZR 655/02 - zu A der Gründe). II. Die Klage ist im noch streitigen Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 begründet. Der Kläger kann von der Beklagten verlangen, dass sie an ihn auch für diese Zeit eine Hinterbliebenenversorgung in demsel-ben Umfang leistet, wie dies die Bestimmungen des Beamtenversorgungsge-setzes für einen hinterbliebenen Ehepartner vorsehen. Der Kläger kann seinen Anspruch auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen seines Lebenspartners und der Beklagten iVm. § 6 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten, den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rah-mens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden RL 2000/78/EG) stützen. 9 10 11 - 5 - 3 AZR 684/10 - 6 - 1. Nach den zwischen dem verstorbenen B und der Beklagten getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen einschließlich der in § 6 Abs. 1 der Dienst-ordnung erfolgten Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften über die Versorgung der Beamten kann der Kläger als eingetragener Lebenspartner des verstorbenen Dienstordnungsangestellten B für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 zwar keine Hinterbliebenenversorgung von der Beklagten beanspruchen. § 6 Abs. 1 der auf das Arbeitsverhältnis des verstorbenen Dienstord-nungsangestellten B und der Beklagten anwendbaren Dienstordnung sicherte dem verstorbenen B eine Versorgung entsprechend den „Vorschriften für Beamte des Bundes“ zu. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auch noch zum Zeitpunkt des Todes von B im September 2007 galt § 85 BBG (aufgeho-ben mit Wirkung zum 12. Februar 2009 durch Art. 17 Abs. 11 des Dienstrechts-neuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl. I S. 160), der auf das Beamtenversorgungsgesetz verwies. Dieses Gesetz ist deshalb für die Versor-gung des Klägers als hinterbliebenem eingetragenen Lebenspartner von B im hier streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblich. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BeamtVG sah in seiner bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung eine Hinterbliebenenversorgung nur für Ehepartner, nicht aber für eingetragene Lebenspartner vor. 2. Diese im Arbeitsvertrag iVm. der Dienstordnung der Beklagten und dem Beamtenversorgungsgesetz angelegte Unterscheidung zwischen Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern hält jedoch einer Prüfung anhand der RL 2000/78/EG nicht stand mit der Folge, dass der Kläger so zu behandeln ist, als wäre er mit dem verstorbenen Dienstordnungsangestellten B verheiratet gewesen. a) Der Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG ist eröffnet. Der streit-gegenständliche Anspruch fällt in den Geltungsbereich dieser Richtlinie, weil die Hinterbliebenenversorgung ein Bestandteil des Arbeitsentgelts nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der RL 2000/78/EG ist. Unter Arbeitsentgelt im Sinne dieser Regelung sind nach Art. 157 Abs. 2 AEUV ua. Gehälter und alle sonstigen 12 13 14 15 - 6 - 3 AZR 684/10 - 7 - Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnis-ses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Dazu können auch Leistungen zählen, die erst nach dem Ende der aktiven Dienstzeit gewährt werden (EuGH 23. Oktober 2003 - C-4/02 - und - C-5/02 - [Schönheit und Becker] Rn. 56 ff., Slg. 2003, I-12575; BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 12, ZTR 2011, 192). Die Geltung der RL 2000/78/EG für den vorliegenden Fall wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gewährung der Hinterbliebenenver-sorgung ua. davon abhängt, in welchem Familienstand der Dienstordnungsan-gestellte lebt. Zwar lässt die RL 2000/78/EG nach ihrem Erwägungsgrund 22 einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhän-gige Leistungen unberührt. Gleichwohl fällt die Hinterbliebenenversorgung aufgrund ihres Entgeltcharakters in den Geltungsbereich der RL 2000/78/EG (EuGH 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 58 f., Slg. 2008, I-1757; BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 13, ZTR 2011, 192). b) Der Ausschluss der Lebenspartner im Sinne des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft von der Gewährung der Hinterbliebenenver-sorgung gegenüber der Gewährung dieser Versorgungsleistung an hinterblie-bene Ehepartner eines Dienstordnungsangestellten stellt jedenfalls ab dem 1. Januar 2005 eine unmittelbare Diskriminierung iSd. RL 2000/78/EG dar (vgl. zur Beamtenversorgung ab dem 1. Juli 2009: BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 14, ZTR 2011, 192). aa) Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu entschei-den, ob eine vergleichbare Situation gegeben ist (EuGH 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 72 f., Slg. 2008, I-1757; BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 15, ZTR 2011, 192). 16 17 18 - 7 - 3 AZR 684/10 - 8 - bb) Vorliegend wird der Kläger als vormals in einer eingetragenen Lebens-partnerschaft mit einem Dienstordnungsangestellten Lebender im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Hinterbliebenenversorgung nach den Bestimmun-gen des Beamtenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung gegenüber einem Hinterbliebenen eines verheirateten Dienstordnungsangestellten benachteiligt, weil ihm als hinterbliebenem Le-benspartner eine Hinterbliebenenversorgung nicht gewährt wird, während hinterbliebene Ehepartner verheirateter Dienstordnungsangestellter eine solche beanspruchen können. (1) Die Benachteiligung erfolgt wegen der sexuellen Ausrichtung. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist Personen gleichen Geschlechts vorbehal-ten, während die Ehe nur von Personen unterschiedlichen Geschlechts ge-schlossen werden kann; regelmäßig entspricht die Wahl des Familienstands der sexuellen Orientierung der Partner. Durch diese unterschiedliche Behandlung werden Dienstordnungsangestellte, die in einer eingetragenen Lebenspartner-schaft leben, gegenüber verheirateten Dienstordnungsangestellten unzulässi-gerweise diskriminiert, weil beide Gruppen sich im Hinblick auf die Hinterbliebe-nenversorgung seit dem 1. Januar 2005 in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. für die Beamtenversorgung ab dem 1. Juli 2009: BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 16, ZTR 2011, 192). (2) Nach deutschem Recht befinden sich hinterbliebene Lebenspartner jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung in einer Eheleuten vergleichbaren Situation. Art. 6 Abs. 1 GG steht nicht ent-gegen. Danach ist es dem Gesetzgeber zwar verwehrt, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu begünstigen. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, im Sinne eines „Abstandsgebots“ andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen (BVerfG 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01 - zu B II 1 c cc der Gründe, BVerfGE 105, 313; 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - Rn. 105, BVerfGE 124, 199). Damit ist es Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, ob und inwieweit er zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft 19 20 21 - 8 - 3 AZR 684/10 - 9 - eine vergleichbare Situation schafft (BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 23, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5). Eine solche vergleichbare Situation hat der Gesetzgeber nicht bereits durch das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) in der ursprünglichen, am 1. August 2001 in Kraft getretenen Fassung (Art. 1, 5 des Gesetzes zur Been-digung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebens-partnerschaften vom 16. Februar 2001, BGBl. I S. 266) geschaffen. Dieses Gesetz sah zwar in § 5 bereits eine Unterhaltspflicht für Lebenspartner vor, hatte jedoch Fragen der Altersversorgung nicht zum Gegenstand. Das änderte sich erst durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396), das nach seinem Art. 7 Abs. 1 am 1. Januar 2005 in Kraft trat. Durch dieses Gesetz wurde ein Versorgungsaus-gleich wie bei der Ehescheidung auch bei der Aufhebung der Lebenspartner-schaft eingeführt (§ 20 LPartG einerseits und früher §§ 1587 ff. BGB sowie jetzt Versorgungsausgleichsgesetz andererseits). Weiter wurde § 46 SGB VI ergänzt und damit die eingetragene Lebenspartnerschaft in der gesetzlichen Renten-versicherung der Ehe gleichgestellt. Dadurch wurde „das Recht der Lebenspartnerschaft weitgehend an das Recht der Ehe angeglichen“ (BT-Drucks. 15/3445 S. 14). Diese vergleichbare Rechtslage ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt auch für die Hinterbliebenenversorgung im Betriebsrentenrecht. Abzustellen ist dabei auf das Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers, der die der Versor-gungszusage zugrunde liegende Betriebszugehörigkeit zurückgelegt und entsprechende Arbeitsleistungen erbracht hat. Das knüpft an das Näheverhält-nis zwischen dem Arbeitnehmer und der durch die Hinterbliebenenversorgung begünstigten Personen an. Dabei können sich zwar zu einer Differenzierung berechtigende Unterscheidungen auch aus einer unterschiedlichen gesetzli-chen Ausgestaltung dieses Näheverhältnisses ergeben. Ist die gesetzliche Ausgestaltung jedoch gerade nicht unterschiedlich sondern vergleichbar, rechtfertigt sie keine unterschiedliche Behandlung im Arbeits- und im daran anknüpfenden Versorgungsverhältnis (BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 25, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5). 22 23 - 9 - 3 AZR 684/10 - 10 - (3) Es bestehen seit dem 1. Januar 2005 keine maßgeblichen Unterschie-de zwischen Lebens- und Ehepartnern hinsichtlich der gegenseitigen Unter-halts- und Beistandspflichten. In beiden Fällen soll der Dienstordnungsange-stellte in die Lage versetzt werden, sich selbst und seine Familie angemessen zu unterhalten. Zu den Unterhaltspflichten zählt auch die Vorsorge für den Todesfall (vgl. für Beamte: BVerwG 28.Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 16, ZTR 2011, 192). Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, dass Ehe-partner häufig vorübergehend mit der Erziehung von Kindern befasst sind und sie deshalb zum Teil zeitweise keiner eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einer Ehe keine Kinder erzogen werden oder dies nicht zu erheblichen Versorgungsnachteilen für einen Ehepartner führt. Andererseits ist Kindererziehung auch in eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht ausgeschlossen, wovon bereits § 9 LPartG ausgeht (BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 26, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5). c) Die Richtlinie 2000/78/EG ist unmittelbar anwendbar. Der Kläger kann sich auch auf diese berufen. aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäi-schen Union kann sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den natio-nalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Eine Unionsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Ver-pflichtung normiert, die an keine Bedingungen geknüpft ist und zu ihrer Durch-führung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahme der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Sie ist hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt (EuGH 1. Juli 2010 - C-194/08 - [Gassmayr] Rn. 44 f. mwN, Slg. 2010, I-6281). Eine Richtlinie ist auch dann unmittelbar anwendbar, wenn der Mitgliedstaat zwar Umset-zungsmaßnahmen ergriffen hat, diese aber keine vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten (EuGH 11. Juli 2002 - C-62/00 - [Marks & Spencer] 24 25 26 - 10 - 3 AZR 684/10 - 11 - Rn. 23 ff., Slg. 2002, I-6325; BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 18, ZTR 2011, 192). bb) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die RL 2000/78/EG wurde, was die Hinterbliebenenversorgung bis zum 31. Dezember 2008 angeht, nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt. Die maßgeblichen Richtlinien-vorschriften sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Die Umsetzungs-frist ist im Jahr 2003 abgelaufen. (1) Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die Richtlinie für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den inner-staatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel zur Erreichung dieses Ziels. Dabei hat der Mitgliedstaat sicherzustellen, dass die vollständige und effektive Anwendung der Richtlinie gewährleistet ist. Rechtsvorschriften, die der Richtlinie entgegenstehen, müssen daher aufgehoben oder geändert werden oder es muss auf andere geeignete Weise und für die von der Richtlinie Be-günstigten erkennbar erreicht werden, dass die sich aus der Richtlinie ergeben-de Rechtslage Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung wird (vgl. zur Beamtenversorgung: BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 20, ZTR 2011, 192). (2) Diesen Anforderungen wird die Umsetzung der RL 2000/78/EG in den §§ 18 ff. und § 28 BeamtVG in ihrer bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung, die nach § 6 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten im Streitfall entsprechend anwendbar sind, nicht gerecht. Die Vorschriften schließen den hinterbliebenen Lebenspartner des Dienstordnungsangestellten von der Ge-währung der Hinterbliebenenversorgung nach den für Ehepartner geltenden Vorschriften aus. Insofern ist die Umsetzung der Richtlinie unvollständig geblie-ben; es wäre erforderlich gewesen, die einer Einbeziehung der Lebenspartner-schaften entgegenstehenden Vorschriften zu ändern und einen entsprechenden Anspruch im deutschen Recht zu verankern (vgl. zur Beamtenversorgung: BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 21, ZTR 2011, 192). 27 28 29 - 11 - 3 AZR 684/10 - 12 - (3) Die maßgeblichen Vorschriften der RL 2000/78/EG - insbesondere Art. 1 bis 3 und Art. 16 - sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Aus Art. 16 ergibt sich zweifelsfrei die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufenden Rechtsvorschriften aufzuheben und dafür Sorge zu tragen, dass mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarende Bestimmungen ua. in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen und Betriebsordnungen für nichtig erklärt oder geändert werden. Die Umsetzungs-frist ist nach Art. 18 Satz 1 der RL 2000/78/EG seit dem 3. Dezember 2003 abgelaufen (vgl. zum Beamtenversorgungsrecht: BVerwG 28. Oktober 2010 - 2 C 47.09 - Rn. 22, ZTR 2011, 192). d) Dies hat zur Folge, dass die §§ 18 ff. und § 28 BeamtVG iVm. dem Dienstvertrag des verstorbenen eingetragenen Lebenspartners des Klägers insoweit unanwendbar sind, als diese Regelungen mit Unionsrecht nicht in Einklang stehen. Die Vorschriften über die Hinterbliebenenversorgung müssen daher so angewandt werden, dass sie nicht zu einer Diskriminierung von Dienstordnungsangestellten führen, die in einer eingetragenen Lebenspartner-schaft leben bzw. gelebt haben und sich im Übrigen in einer mit Eheleuten vergleichbaren Situation befinden. Dies kann nur dadurch geschehen, dass in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Dienstordnungsangestellte so behandelt werden wie verheiratete Dienstordnungsangestellte. Dass dies über die bloße Nichtanwendung eines Teils des Normtextes hinausgeht und dadurch ein vom Normgeber geregelter Anspruch einer von ihm bewusst nicht erfassten Gruppe von Begünstigten gewährt wird, ist nicht zu beanstanden, denn anders lässt sich die volle Wirksamkeit der RL 2000/78/EG nicht herstel-len (vgl. zur Beamtenversorgung: BVerwG 25. März 2010 - 2 C 72.08 - BVerwGE 136, 165). III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsa-che für erledigt erklärt haben, trifft die Beklagte nach § 91a Abs. 1 ZPO die Kostenlast. Da die Klage auch für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 bis zur Zahlung der Hinterbliebenenversorgung seit diesem Zeitpunkt durch die Beklag-30 31 32 - 12 - 3 AZR 684/10 te zulässig und begründet war, entspricht es unter Berücksichtigung des bishe-rigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten auch insoweit aufzuerlegen. Gräfl Schlewing Spinner S. Hopfner H. Frehse

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