3 Ni 25/15 (EP) - 3. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017301117B3Ni25.15EP.0


BUNDESPATENTGERICHT


3 Ni 25/15 (EP)
_______________________
(Aktenzeichen)


B E S C H L U S S

In der Patentnichtigkeitssache




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betreffend das europäische Patent 1 497 011
(DE 603 19 212)


hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 30.11.2017
durch den Vorsitzenden Richter Schramm, den Richter Kätker, die Richterin Dipl.-
Chem. Dr. Münzberg, den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger und die Richterin Dipl.-
Chem. Dr. Wagner

beschlossen:

Der Antrag des Klägers vom 28. September 2017 auf Berichtigung des
Tatbestands wird zurückgewiesen.


G R Ü N D E :

I.

Mit Schriftsatz vom 28. September 2017 hat der Kläger sinngemäß beantragt, den
Tatbestand des Urteils vom 16. Mai 2017 gemäß § 96 PatG wie folgt zu berichtigen:

1. Auf Seite 10 des Urteils wird hinter dem 2. Absatz folgende Passage angefügt:

"Hierzu führt der Kläger aus, dass eine Verbindung der Lehren der WR12a und
der WR22 schon deshalb naheliegend sei, weil beide Entgegenhaltungen
dieselbe Anwendung, nämlich keramische Hochtemperaturfilter, beträfen.

Es gebe auch keinen Hinderungsgrund für den Fachmann, die in der WR22
erwähnte kationisch modifizierte Stärke bzw. das Flockungs- oder Bindemittel
auch in dem Herstellungsverfahren gemäß der WR12a einzusetzen, zumal es in
der WR12a in Absatz [0074] heiße, dass zumindest das anorganische
Bindemittel nicht in besonderer Weise eingeschränkt sei.

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Im Übrigen habe auch der Privatgutachter der Beklagten, Prof. W…, in
seinem Gutachten die Verwendung eines Flockungsmittels als naheliegend
bezeichnet, um die für das Spritzgießen notwendige Konsistenz des
Ausgangsmaterials herzustellen (vgl. etwa die Absätze 57 bis 59 des
Gutachtens).

Zum Argument der Beklagten, die WR22 offenbare einen Filter nur als
Randanwendung, ist der Kläger der Ansicht, dass dieses Argument bei der
Prüfung des Offenbarungsgehalts eines Dokumentes nicht valide sei. Es komme
dabei lediglich darauf an, ob ein bestimmtes Merkmal explizit oder implizit
offenbart sei. Im vorliegenden Fall gebe es einen ausdrücklichen, expliziten
Hinweis auf die Verwendung als Hochtemperaturfilter, der vom Fachmann, dem
die Kenntnis des gesamten Standes der Technik unterstellt werde, auch
aufgenommen und geprüft werde.
Weiterhin sei das Argument der Beklagten unerheblich, dass es in der WR22 das
Ziel sei, die Stärke zu carbonisieren und somit dem keramischen Werkstoff die
gewünschte Porosität zu verleihen (WR22, Seite 14 unten), so dass die Stärke in
dem fertig hergestellten Keramikbauteil gar nicht mehr vorhanden sei. Anspruch
1 gemäß Hilfsantrag I stelle nämlich nicht auf einem bestimmten
Temperaturbereich ab. Darum betreffe die Offenbarung des Streitpatents sowohl
Fälle, bei denen die Stärke carbonisiert werde, als auch Fälle, bei denen die
Stärke nicht carbonisiert werde. Das Carbonisieren bzw. Nicht- Carbonisieren
der Stärke sei somit kein Unterscheidungsmerkmal zwischen der Lehre des
Anspruchs 1 des Streitpatents und der WR22. Das Streitpatent lasse offen,
welche kationisch modifizierte Stärke Verwendung finde, und darum falle auch
die in WR22 offenbarte Stärke unter diesen Begriff.

Die WR22 zeige zudem, dass die Anwendung dieser Stärke als Bindemittel und
Flockungsmittel Vorteile habe, da sie umweltverträglich sei. Der Fachmann, der
ausgehend von der WR12a ein Bindemittel suche, um das Filterelement
herzustellen, habe deshalb Veranlassung, die dort offenbarte kationisch
modifizierte Stärke als umweltfreundliches Bindemittel einzusetzen.


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2. Auf Seite 9 des Urteils wird nach der Liste der vom Kläger vorgelegten
Dokumente folgende Passage angefügt:

"Der Kläger legt das Merkmal von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I, dass das
Filterelement ein Bindemittelsystem aufweist, welches eine kolloidale Dispersion
und mindestens eine kationisch modifizierte Stärke oder ein Flockungsmittel
umfasst, so aus, dass das Bindemittelsystem in jedem Fall die Komponente
'kolloidale Dispersion' und zusätzlich wenigstens eine der Komponenten
'kationisch modifizierte Stärke' und 'Flockungsmittel' umfasst.",

3. auf Seite 8 des Urteils wird in der Kurzbeschreibung des Dokuments WR9 die
Angabe „Band 1 A-Cl, 9. Auflage, 1989“ durch „Band 1-6, 9. Auflage, 1989-1992“
ersetzt,


Zur Begründung führt er aus, dass wesentliches Vorbringen von ihm im Urteil nicht
erwähnt werde. Dieses betreffe zu berichtigende Feststellungen, die vor dem
Hintergrund des mit dem Patentmodernisierungsgesetz 2009 eingeschränkten
Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts im Berufungs- oder
Rechtsbeschwerdeverfahren eine Rolle spielen könnten und deren Berichtigung
zudem im Hinblick auf seinen Anspruch auf rechtliches Gehör geboten sei.

Im Einzelnen trägt der Kläger vor, dass die Einfügung gemäß dem oben unter Ziff. 1
wiedergegebenen Antrag den angesichts des Verlaufs des Verfahrens entstandenen
unrichtigen Eindruck beseitige, der Kläger habe zur erfinderischen Tätigkeit des
Gegenstands von Hilfsantrag I der Beklagten über seine schriftsätzlichen
Ausführungen hinaus nicht weiter vorgetragen. Die Einfügung gemäß dem Antrag zu
2. berichtige den unrichtigen Eindruck, der Kläger habe keine von der Auslegung des
Senats abweichende Auslegung vorgetragen. Die Formulierungen der beiden o.g.
Einfügungen seien vom Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung
sinngemäß so vorgetragen worden. Sie seien dabei weitgehend unverändert aus der
schriftlichen Niederschrift übernommen worden, die er und sein anwaltlicher
Mitarbeiter am Tag nach der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage ihrer
jeweiligen schriftlichen Mitschriften gemeinsam verfasst hätten. Insbesondere
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könnten sich beide an die Argumente zur „Umweltfreundlichkeit“ und zum Hinweis
dass das organische Bindemittel nicht eingeschränkt sei, gut erinnern.

Die Berichtigung gemäß dem Antrag zu 3. sei erforderlich, da die einzelnen Seiten
der Anlage WR9 nicht nur dem Band 1 sondern verschiedenen der Bände 1 bis 6
des „Römpp Chemie-Lexikons“ entstammten.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

den Antrag auf Tatbestandsberichtigung im Umfang der o.g. Ziff. 1. und 2. des
Antrags des Klägers zurückzuweisen,

hilfsweise, zumindest folgenden Teilsatz und folgenden Absatz aus dem Antrag
des Klägers (zu 1.) nicht als Tatbestandsberichtigung in das Urteil
aufzunehmen:

„ ... zumal es in der WR12a in Absatz [0074] heiße, dass zumindest das
anorganische Bindemittel nicht in besonderer Weise eingeschränkt sei. ...

Die WR22 zeige zudem, dass die Anwendung dieser Stärke als Bindemittel
und Flockungsmittel Vorteile habe, da sie umweltverträglich sei. Der
Fachmann, der ausgehend von der WR12a ein Bindemittel suche, um das
Filterelement herzustellen, habe deshalb Veranlassung, die dort offenbarte
kationisch modifizierte Stärke als umweltfreundliches Bindemittel
einzusetzen.“

Nach ihrer Auffassung ist der Antrag des Klägers zu Ziff. 1. und 2. nicht auf Richtig-
oder Klarstellung sondern auf eine Ergänzung des Tatbestands gerichtet, die zudem
außergewöhnlich lang sei. Ihr Vertreter könne sich – auch unter Zuhilfenahme seiner
Aufzeichnungen –nicht erinnern, dass zu allen der vom Antrag des Klägers erfassten
Punkte überhaupt vorgetragen worden sei. Offenbar beabsichtige der Kläger,
verschiedene Argumente ex post in das Verfahren einzuführen.


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Der Antrag auf Tatbestandsberichtigung ist mit Ausnahme des oben unter Ziff. 3
wiedergegebenen Antrags auf Berichtigung einer Literaturangabe (s. dazu u. 2.)
zulässig. Insbesondere ist er innerhalb der Frist des § 96 Abs. 1 PatG gestellt
worden. In der Sache ist der Antrag jedoch nicht begründet.


1.Mit seinem oben unter Ziff. 1. und 2. wiedergegebenen Antrag macht der Kläger
keine Unrichtigkeit des Tatbestandes geltend, sondern vielmehr eine Auslassung und
damit Unvollständigkeit, weil sein Parteivortrag, mit dem er zur Auslegung von
Merkmalen und zur erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags I Stellung genommen
hat, aus seiner Sicht nicht bzw. nicht eingehend genug wiedergegeben wird. Auch
wenn Unvollständigkeiten des Tatbestandes eine Berichtigung - zumindest in erster
Instanz, allerdings auch dort nur in Ausnahmefällen (vgl. BGH GRUR 1997, 119 -
Schwimmrahmenbremse) - rechtfertigen können (vgl. Benkard/Schäfers, PatG, 11.
Aufl., § 96 Rn. 4), liegt ein solcher Fall hier nicht vor.

Die Aufgabe des Tatbestands besteht in der knappen Darstellung der erhobenen
Ansprüche sowie der dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter
Hervorhebung der gestellten Anträge ihrem wesentlichen Inhalt nach (§ 99 PatG i. V.
m. § 313 Abs. 2 ZPO). Im Tatbestand ist der Vortrag des Klägers festgehalten, der
Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag sei durch eine Kombination
der Druckschriften WR12a und WR22 nahegelegt. Damit ist dem Erfordernis des §
313 Abs. 2 ZPO Genüge getan, denn eine protokollierende Aufnahme des gesamten
Parteivortrags in den Tatbestand ist weder gesetzlich vorgesehen noch sinnvoll,
zumal die klägerische Argumentation nachfolgend im Rahmen der
Entscheidungsgründe ausführlich behandelt wird. Nähere Angaben braucht der
Tatbestand nicht zu enthalten (Benkard/Schäfers, a.a.O., Rn. 4 Mitte; BPatGE 19,
35, 38 zum Einspruch).

Zwar kann eine Unrichtigkeit i.S.d. § 96 Abs. 1 PatG auch dann vorliegen, wenn der
Tatbestand wegen einer Auslassung unvollständig und aus diesem Grunde unrichtig
ist (vgl. Benkard, a.a.O.; Busse, PatG, 8. Aufl., § 96, Rn. 2). Hierbei kann es
dahinstehen, ob der Tatbestand vorliegend ausführlicher hätte sein müssen und nicht
nur alle selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel der Parteien sondern ferner
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alles enthalten müsste, was als sachliche Entscheidungsgrundlage auch für die
Rechtsmittelinstanz irgendwie von Bedeutung sein kann, etwa Angaben zum Stand
der Technik oder über ein bestimmtes Wissen des Durchschnittsfachmanns oder die
Darlegung von Tatsachen, die für die Beurteilung der Erfindungshöhe von Bedeutung
sein können (vgl. Benkard, a.a.O. unter Hinweis auf BPatGE 19, 35, 37). Denn selbst
wenn derartige, mit der Regelung des § 313 Abs. 2 ZPO kaum vereinbare
Anforderungen an den Inhalt des Tatbestands zu stellen sein sollten, so würde
allenfalls nur ein schlicht mangelhafter, da nicht ausreichend ausführlicher
Tatbestand vorliegen. Er wäre damit aber noch nicht unrichtig. Hierzu hätte die vom
Kläger gerügte Auslassung zu einer Unrichtigkeit, etwa dem von ihm genannten
falschen Eindruck führen müssen, dass er zur erfinderischen Tätigkeit des
Gegenstands von Hilfsantrag I über seine schriftsätzlichen Ausführungen hinaus
nicht weiter ausgeführt und auch keine von der Auslegung des Senats abweichende
Auslegung vorgetragen habe.

Dies ist nicht der Fall, da sich der Tatbestand im erkennbaren Bemühen um
Knappheit auf die Wiedergabe der Angriffs- und Verteidigungsmittel beschränkt und
erläuterndes Parteivorbringen allenfalls ansatzweise wiedergibt, soweit dies dem
Senat zum grundsätzlichen Verständnis des jeweiligen Angriffs- und
Verteidigungsmittels geeignet erschien. Wenn hierbei die Auslegung von Merkmalen
durch die Parteien, die kein eigentliches Angriffs- oder Verteidigungsmittel sondern
eine rechtliche Würdigung des Streitpatents darstellt, ausgelassen wird, so kann dies
ebenso wenig zu dem unrichtigen Eindruck führen, es sei (gar) nichts dazu
vorgetragen worden, wie die Auslassung von erläuternden Ausführungen gegen die
Erfindungshöhe von Hilfsanträgen. Vielmehr lässt der Tatbestand dies offen, ist also
nicht unrichtig. Dies gilt umso mehr, als im Protokoll der mündlichen Verhandlung ein
– auf Bitten des Klägervertreters – gegebener Hinweis des Vorsitzenden zur
Senatsauffassung hinsichtlich der Patentfähigkeit des Hilfsantrags I und Zweifel über
die Relevanz der Druckschriften WR12 und WR22 enthalten ist, an die sich -
wiederum auf Bitte des Klägervertreters - eine Unterbrechung zur Beratung mit dem
klägerischen Privatsachverständigen und sodann eine erneute Erörterung der Sach-
und Rechtslage „im Hinblick auf den Hinweis des Vorsitzenden“ angeschlossen hat.

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Erst recht vermittelt der Tatbestand durch die o.g. Auslassungen nicht den
unrichtigen Eindruck, der Kläger habe einen entscheidungserheblichen
Rechtsstandpunkt aufgegeben (vgl. dazu Benkard, a.a.O., Rn. 4), was der Kläger
auch nicht geltend machen will.

Soweit Benkard, a.a.O., Rn. 4, ltzt. Absatz, ausführt: „§ 96 Abs. 1 gibt den
Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, dass ihr Vortrag zu einzelnen
Streitpunkten oder gar der gesamte Parteivortrag in allen Einzelheiten in den
Tatbestand aufgenommen wird. Das gilt insbesondere für die von den Parteien
vertretenen Rechtsansichten.“, geht der Senat von einem Redaktionsfehler aus, bei
dem statt des Worts „keinen“ versehentlich das Wort „einen“ verwendet wurde. Dies
dürfte auch aus dem nachfolgenden Satz folgen, der ansonsten sinnwidrig wäre („ ...
allerdings ...“). Andernfalls tritt der Senat unter Hinweis auf den insoweit klaren
Wortlaut des § 313 Abs. 2 ZPO der Literaturauffassung von Benkard, a.a.O.,
ausdrücklich entgegen.

Damit kann es dahingestellt bleiben, ob der in dieser Form gestellte
Berichtigungsantrag auch schon deshalb zurückzuweisen ist, weil er auf eine derart
detaillierte Ergänzung gerichtet ist, dass diese gestützt auf die richterliche
Erinnerung, unterstützt durch die Sitzungsniederschrift und sonstige Aufzeichnungen
(vgl. Benkard, a.a.O., Rn. 8) schlechthin nicht überprüft werden kann.


2. Der Berichtigungsantrag ist hinsichtlich des oben unter Ziff. 3 wiedergegebenen
Antrags (Berichtigung einer Literaturangabe) schon mangels Rechtsschutzbedürfnis
als unzulässig zurückzuweisen. Die eingereichte Literatur ist Teil der Akte und wird
im Falle der Einlegung der Berufung vom Berufungsgericht in dieser Form zur
Kenntnis genommen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass und
inwieweit die vom Kläger gerügte Zitierfehler in der Literaturliste des Tatbestands
irgend einen Einfluss auf das Berufungsverfahren haben könnte.




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Im Übrigen würde es sich dabei nicht um eine (fehlerhafte) Feststellung handeln, der
die Wirkung des § 314 ZPO zukommt, die also Beweis über das mündliche
Parteivorbringen erbringt. Nur solche Feststellungen sind aber von § 96 PatG erfasst
(vgl. Busse, 8. Aufl., § 96, Rn. 3).


Schramm Kätker Dr. Münzberg Dr. Jäger Dr. Wagner


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