35 W (pat) 439/13  - 35. Senat (GebrM)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



35 W (pat) 439/13
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
13. Juni 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



- 2 -







betreffend das Gebrauchsmuster 21 2008 000 006
(hier: Löschungsverfahren)

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2017 durch den
Vorsitzenden Richter Metternich sowie die Richter Dipl.-Ing. Sandkämper und
Dr.-Ing. Baumgart

beschlossen:

1. Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung l des DPMA
vom 24. September 2013 wird dahingehend abgeändert, dass
das Streitgebrauchsmuster 21 2008 000 006 in dem Umfang
gelöscht wird, in welchem es über den Gegenstand der mit
Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2017 einge-
reichten und dort als Hauptantrag bezeichneten Fassung
hinausgeht.
2. lm Übrigen werden der Löschungsantrag und die Beschwerde
der Antragstellerin zurückgewiesen.
3. Von den Kosten beider Rechtszüge tragen die Antragsgeg-
nerin 4/5 und die Antragstellerinnen 1/5.

- 3 -
G r ü n d e

A

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin 2 (im Folgenden: Antragsgegnerin)
ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 21 2008 000 006 (Streitge-
brauchsmuster), das die Bezeichnung trägt:

„Anilox-Walze zum Bedrucken eines Substrats und Druckvorrichtung
mit einer Anilox-Walze“.

Das aus einer PCT-Anmeldung hervorgegangene Streitgebrauchsmuster ist mit
dem Anmeldetag 22. Dezember 2008 und den Schutzansprüchen 1 bis 16 am
6. August 2009 unter der Nummer 21 2008 000 006 eingetragen worden. Das Ge-
brauchsmuster nimmt zwei niederländische Prioritäten vom 21. Dezember 2007 in
Anspruch.

Schutzanspruch 1 hat in der eingetragenen Fassung gemäß der Gebrauchsmus-
terschrift DE 21 2008 000 006 U1 folgenden Wortlaut:

Anilox-Walze für eine Druckvorrichtung zum Übertragen eines Fluids, wie
zum Beispiel einer Druckfarbe, umfassend einen Zylinder mit einer Ober-
fläche, wobei die Oberfläche eine Fluidverteilungsstruktur zum Aufnehmen
des Fluids, Verteilen des Fluids über den Zylinder und Übertragen des
Fluids aufweist, die Fluidverteilungsstruktur einen zum Verteilen des Fluids
über die Fluidverteilungsstruktur in der Oberfläche gebildeten Kanal auf-
weist, die Fluidverteilungsstruktur angeordnet ist, um mittels einer Kombi-
nation von Beschränkungen in der Fluidverteilungsstruktur in einem ersten
Betriebsmodus zum Drucken von hohen Farbschichten einen relativ gro-
ßen Fluidtropfen und in einem zweiten Betriebsmodus zum Drucken von
Details einen relativ kleinen Fluidtropfen zu übertragen, wobei eine Be-
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schränkung durch eine lokale Veränderung der Kanaltiefe und/oder Kanal-
breite und/oder Kanalform und/oder Kanalwand gebildet wird.

Gegen das Streitgebrauchsmuster haben Löschungsantrag gestellt:

 die Antragstellerin 1 mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2009, einge-
reicht per Fax am gleichen Tage und der Antragsgegnerin zugestellt am
8. Februar 2010 (Zustellung im Abholfach). Diesem Löschungsantrag
hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 4. März 2010, eingegangen
am gleichen Tage, widersprochen;
 und die Antragstellerin 2 mit Schriftsatz vom 11. November 2010, der
Antragsgegnerin zugestellt am 5. Dezember 2010. Sie hat diesem zwei-
ten Löschungsantrag am 5. Januar 2011 widersprochen.

Im weiteren Verfahren hat die Antragsgegnerin jeweils neue Anspruchsfassungen
vorgelegt, und zwar zunächst mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 im Verfah-
ren gegen die Antragstellerin 1 und eine entsprechende Anspruchsfassung im
Verfahren gegen die Antragstellerin 2 mit Schriftsatz vom 7. März 2011. Nach
einem Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung hat die Antragsgegnerin
mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 und Schriftsatz vom 9. September 2013
insgesamt 12 Hilfsanträge eingereicht. In der mündlichen Verhandlung vom
24. September 2013 hat sie lt. Protokoll als Hauptantrag die Fassung vom
10. Dezember 2010 gestellt, sodann hilfsweise zwei in der mündlichen Verhand-
lung eingereichte Hilfsanträge A und B und schließlich weiterhin hilfsweise die
bereits o. g. Hilfsanträge 1 bis 12. Die Antragstellerin 1 hat die vollständige Lö-
schung des Streitgebrauchsmusters beantragt, die Antragstellerin 2 war in der
mündlichen Verhandlung nicht vertreten.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2013 hat die Gebrauchsmus-
terabteilung klargestellt, dass sie die beiden streitgegenständlichen Löschungsan-
träge zu einem Verfahren verbunden hat. Mit sodann verkündetem Beschluss hat
- 5 -
sie das Streitgebrauchsmuster teilgelöscht, nämlich in dem Umfang, soweit es
über den Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsan-
trag B hinausgeht und die Löschungsanträge im Übrigen zurückgewiesen. Die
Kosten wurden zu 1/5 den Antragstellerinnen und zu 4/5 der Antragsgegnerin auf-
erlegt. Die Gebrauchsmusterabteilung hat die Teillöschung im Wesentlichen damit
begründet, dass der Gegenstand nach Hauptantrag über den Inhalt der ursprüng-
lich eingereichten Anmeldung hinausgehe, der Gegenstand nach Hilfsantrag A
gegenüber dem im Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik
nicht neu sei, während der Gegenstand nach Hilfsantrag B keinen Zulässigkeits-
bedenken begegne und in der Sache auch neu sei sowie einen erfinderischen
Schritt aufweise.

Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Antragstellerin 1 als auch die Antrags-
gegnerin Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin 1 hat ihre Beschwerde darauf gestützt, dass auch der Gegen-
stand gem. des damaligen Hilfsantrags 2 keinen erfinderischen Schritt aufweise.
Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Beschwerdebegründung vom 10. Juli 2014
erneut geänderte Anspruchsfassungen eingereicht, nämlich einen als „Hauptan-
trag“ (mit dem Zusatz „entspricht B“) bezeichneten Anspruchssatz sowie zwei wei-
tere, als Hilfsantrag 1 und 2 bezeichnete Anspruchssätze, und legt im Einzelnen
dar, warum sie diese für zulässig und schutzfähig erachtet. Die Antragstellerin 1
hat ihre gegenteilige Sichtweise – nämlich fehlende Neuheit – mit Schriftsatz vom
26. Juni 2015 dargetan. Später hat die Antragstellerin 1 auch unzulässige Erweite-
rung sowie fehlende Klarheit eingewendet (Schriftsatz vom 10. Januar 2017). Die
Antragstellerin 2 hat sich ebenfalls schriftsätzlich (12. Januar 2017) geäußert und
hinsichtlich der damals vorliegenden Anspruchsfassungen das Fehlen eines erfin-
derischen Schritts geltend gemacht. Daraufhin hat die Antragsgegnerin mit Schrift-
satz vom 30. Januar 2017 erneut geänderte Schutzansprüche in Form eines
neuen Hauptantrags und zweier neuer Hilfsanträge eingereicht. Die Antragstelle-
rinnen haben zu den erneut geänderten Anspruchsfassungen mit Schriftsätzen
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vom 13. und 14. März 2017 Stellung genommen und fehlende Ursprungsoffenba-
rung sowie fehlenden erfinderischen Schritt beanstandet.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Antragsgegnerin erklärt: Ich
nehme die Widersprüche gegen die Löschungsanträge insoweit teilweise zurück,
als die Widersprüche über den Gegenstand der mit Schriftsatz vom
30. Januar 2017 eingereichten und dort als Hauptantrag bezeichneten Fassung
hinausgehen.

Die Antragstellerin 1 stellt den Antrag,

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung l des DPMA vom
24. September 2013 aufzuheben, soweit der Löschungsantrag der
Antragstellerin zu 1 zurückgewiesen worden ist, und das Streitge-
brauchsmuster 21 2008 000 006 in vollem Umfang zu löschen.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,

die Beschwerde der Antragstellerin zu 1 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin 2 stellt den Antrag, die Beschwerde der Antragsgegnerin
zurückzuweisen.

Die Schutzansprüche 1 bis 5 gemäß Antrag vom 30. Januar 2017 haben folgen-
den Wortlaut (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. Ja-
nuar 2017 / Gerichtsakte Blatt 258):

1. Anilox-Walze für eine Flexo-Druckvorrichtung zum Übertragen eines Fluids,
wie zum Beispiel einer Druckfarbe, umfassend
einen Zylinder mit einer Oberfläche,
- 7 -
wobei die die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze eine Fluidverteilungsstruktur
zum Aufnehmen des Fluids, Verteilen des Fluids über den Zylinder und Übertra-
gen des Fluids aufweist,
die Fluidverteilungsstruktur einen einzigen zum Verteilen des Fluids über die Fluid-
verteilungsstruktur in der Oberfläche gebildeten Kanal aufweist,
die Fluidverteilungsstruktur angeordnet ist, um mittels einer Kombination von Be-
schränkungen in der Fluidverteilungsstruktur in einem ersten Betriebsmodus zum
Drucken von hohen Farbschichten einen relativ großen Fluidtropfen und in einem
zweiten Betriebsmodus zum Drucken von Details einen relativ kleinen Fluidtropfen
zu übertragen,
wobei eine Beschränkung durch eine lokale Veränderung wenigstens der Kanal-
form gebildet wird,
bei der der Kanal der Fluidverteilungsstruktur sich in Umfangsrichtung der Anilox-
Walze erstreckt, über die Oberfläche mäandriert und die Form einer Welle hat
sowie ausbildbar ist durch
Fokussieren des Laserstrahls eines kontinuierlichen Lasers in einem Punkt auf der
äußeren Oberfläche der Anilox-Walze, sowie kontinuierliches Relativbewegen von
Anilox-Walze und Laserstrahl mittels Rotation um die und Bewegung entlang der
Längsachse der Anilox-Walze,
wobei der Laserpunkt auf der zu gravierenden Oberfläche zusätzlich eine Hin- und
Herbewegung ausführt, die in einer Verschiebung des Punkts parallel zur Längs-
achse der Anilox-Walze resultiert,
und Verdampfen des Materials der äußeren Oberfläche, um aus einer kontinuierli-
chen Spur von verdampftem Oberflächenmaterial den Kanal zu bilden,
der ein gleichmäßiger Kanal in der Form einer kontinuierlichen Spur ist und sich
derart in Rotationsrichtung der Anilox-Walze erstreckt, dass in Richtung der
Längsachse nebeneinander liegende Teile des Kanals einen zueinander im Allge-
meinen parallelen Verlauf haben,
und entweder
die Fluidverteilungsstruktur miteinander verbundene Kanalteile aufweist, die eine
Breite von zwischen 10 und 150 µm haben, oder
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die Wände zwischen den in Richtung der Längsachse nebeneinander liegenden
Teilen des Kanals eine Breite von weniger als 4 μm, bevorzugt im Bereich von 1–
3 μm haben.
2. Anilox-Walze gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, bei der der Kanal
einen im Allgemeinen flachen Boden mit einer im Allgemeinen gleichen Kanaltiefe
aufweist, wobei bevorzugt der Boden in Bezug auf die Oberfläche der Anilox-
Walze eine im Wesentlichen konstante Höhenniveaudifferenz hat.
3. Anilox-Walze gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, bei der Kanalwände
von einem Ort in der Fluidverteilungsstruktur aus in einem Umkreis mit einem Ra-
dius von höchstens 100 μm, bevorzugt weniger als 80 μm positioniert sind.
4. Anilox-Walze gemäß Anspruch 1, bei der der mäandrierende Kanal eine
Amplitude aufweist, die allgemein gleich der Breite des Kanals, bevorzugt größer
als die Breite des Kanals ist.
5. Flexo-Druckvorrichtung, umfassend eine Druckeinrichtung mit einer Zuführung
für ein zu bedruckendes Substrat und einer Zuführung für Druckfarbe, wobei die
Druckeinrichtung eine in einem Lager befestigte Anilox-Walze nach einem der vor-
stehenden Ansprüche und einen Druckzylinder mit einem auf ein Produkt (13) zu
druckenden Bild aufweist.

Im Verfahren befinden sich folgende, zum Nachweis des Standes der Technik
oder Glaubhaftmachung einer Vorbenutzung bzw. zur Stützung der Begründung
im Übrigen eingeführte Dokumente mit der von der Gebrauchsmusterabteilung I
verwendeten Nummerierung:

D1 US 2004/0221755 A1
D2 WO 96/40443 A1
D3 TRUNGALE, Joseph P.: The Anilox Roll, Heart of the Flexo Process. 1997.
Seiten 69–74. ISBN 1-885067-03-8
D4 WO 95/26270 A1
D5 DE 20 2006 019 713 U1
D6 DE 693 14 791 T2
- 9 -
D7 US 4 301 583 A
D8 US 4 819 558 A
D9 DE 691 15 716 T2
D10 Interflex: Better in the long run. packagePRINTING, January 2000, Seite 43
D10a General affidavit
D10b Deckblatt der Zeitschrift „packagePRINTING“, January 2000
D11 DE 10 2004 015 334 B3
D12 Vorbenutzung Fa. Z… GmbH
D12a Eidesstattliche Versicherung
D12b Eidesstattliche Versicherung
D12c Eidesstattliche Versicherung
D12d Cobra Demo 2007
D12e SYS 1447 3.5M Hercules Engravin System Delivered September 2007
D12f Visit Report
D12g Visit Report
D12h ALE Multi-Beam-Anilox Development Features
D12i Handskizze
D12j Eidesstattliche Versicherung
D12k Cobra Demo 2007
D12l Declaration of Presentation of Cobra Feature to Apex
D12m Fax Message: Quotation
D12n Eidesstattliche Versicherung, Fotos
D12o Confirmation
D12p E-Mail
D12q E-Mail
D12r E-Mail
D12s E-Mail
D12t E-Mail
D12u E-Mail
D12v Quotation
D12w Visit Report
- 10 -
D12x E-Mail
D12y Order Confirmation
D13 Vorbenutzung Fa. G…
D13a Eidesstattliche Versicherung
D13b Geheimhaltungsvereinbarung
D13c Aanmeldingsformulier uitgaand
D13d Messergebnisse
D13e Messergebnisse, Fotos
D13f Aanmeldingsformulier inkomend goed
D13g Gesprächsnotiz
D13h Testergebnis
D14 MEYER, K.-H.: Technik des Flexodrucks, 5. Auflage. St. Gallen, CH, Rek &
Thomas Medien AG. 2006. Seite 71. ISBN-10: 3905330-17-2
D15 Vorbenutzung auf Fachtagung Proflex 2006 der DFTA
D15a Affidavit
D15b Affidavit
D15c Bildschirmfoto
D15d Foto
D15e Bildschirmfoto
D15f Ankündigung der Fachtagung DFTA
D15g Darstellung der ausgestellten Walze
D15h Fotos der ausgestellten Walze
D16 Internetausdruck Drucklexikon Farbfluss
D17 JP 2006-110916 A
D17a Computerübersetzung der D17a
D17b „menschliche“ Übersetzung der D17
D18 Dortschy GmbH & Co. KG: Leitfaden Rasterwalze im Lackwerk. Bielefeld,
DE,
D19 Z… GmbH: Rund um die Rasterwalze
D20 EP 0 930 161 A1
- 11 -
D21 Technik des Flexodrucks. 5. Auflage. Rek & Thomas Medien: Septem-
ber 2006. ISBN: 3905330172
D22 DE 21 52 447 A
D23 DE 2 363 955 B
D23a DE 2 221 188 B
D24 Druck braucht der Mensch: Druckfarben und Druckverfahren. Veröffentlicht
am 13. Oktober 2007. http://archiv.aktuelle-wochenschau.de/2007/
woche35/woche35.html
D24a Die aktuelle Wochenschau der GDCh-Fachgruppe http://archiv.aktuelle-
wochenschau.de/2007/index07.htm
D25 EP 0 056 623 A2.

Hiervon wurde in der mündlichen Verhandlung zur Frage der Schutzfähigkeit der
Inhalt der Dokumente D6, D7, D8, D9, D11, D17, D23, D24 und D25 erörtert.

Zum schriftsätzlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten im Einzelnen wird auf
die Gerichtsakte und die beim Patentamt elektronisch geführte Akte verwiesen.


B

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist insoweit begründet, als die An-
tragsgegnerin das Streitgebrauchsmuster in der Fassung nach Hauptantrag vom
30. Januar 2017 verteidigt hat. Denn der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters
in dieser in zulässiger Weise verteidigten Fassung ist neu und beruht auf einem
erfinderischen Schritt.

1. Die Antragsgegnerin hat das Streitgebrauchsmuster in der mündlichen Ver-
handlung vom 13. Juni 2017 nur noch im Umfang der mit Schriftsatz vom 30. Ja-
nuar 2017 eingereichten und dort mit „Hauptantrag“ bezeichneten Anspruchsfas-
sung verteidigt und den Widerspruch gegen den Löschungsantrag ausdrücklich in
- 12 -
dem Umfang teilweise zurückgenommen, in welchem das Streitgebrauchsmuster
über die vorgenannte Fassung hinausgeht. In diesem Umfang ist das Streitge-
brauchsmuster somit ohne weitere Sachprüfung zu löschen (vgl. § 17 Abs. 1
Satz 2 GebrMG).

2. Das Streitgebrauchsmuster in der gem. Ziff. 1 noch anhängigen Fassung
betrifft eine Anilox-Walze für eine Flexo-Druckvorrichtung zum Übertragen eines
Fluids.

Gemäß Beschreibungseinleitung Absatz [0003] des Streitgebrauchsmusters weist
eine Anilox-Walze einen allgemein harten Zylinder mit einem Kern aus Stahl oder
Aluminium auf. Auf dem Kern ist eine dünne Schicht aus Keramiken vorhanden. In
der dünnen Schicht sind gewöhnlich kleine Farbzellen, hiernach Zellen, eingra-
viert. In einer bekannten Ausführungsform sind auf der Oberfläche der Anilox-
Walze Zellen mit einem Hexagonal- oder Wabenmuster ausgebildet.

Probleme werden darin gesehen, dass Farbrückstände in den Zellen verbleiben
können und dass Luft in die Farbe eingetragen wird, wenn die Aniloxwalze Farbe
aus einem Farbnapf aufnimmt. Auch sind unterschiedliche Aniloxwalzen erforder-
lich, um einerseits das Drucken von hohen Schichten von Druckfarbe zu ermögli-
chen und andererseits beim Druck Details mittels relativ kleinen Fluidtropfen zu
übertragen, vgl. Abs. [0003] bis [0007].

Dem Streitgebrauchsmuster liegt die Aufgabe zu Grunde eine verbesserte Anilox-
Walze zur Verfügung zu stellen (Abs. [0013]).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitgebrauchsmuster im Schutz-
anspruch 1 der Schutzansprüche gem. Hauptantrag vom 30. Januar 2017 eine
Aniloxwalze vor, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können (Änderungen
gegenüber der eingetragenen Fassung sind durch Streichung bzw. Unterstrei-
chung hervorgehoben):
- 13 -
1. Anilox-Walze für eine Flexo-Druckvorrichtung zum Übertragen eines Fluids,
wie zum Beispiel einer Druckfarbe, umfassend
2. einen Zylinder mit einer Oberfläche,
3. wobei die die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze eine Fluidverteilungs-
struktur zum Aufnehmen des Fluids, Verteilen des Fluids über den Zylinder
und Übertragen des Fluids aufweist,
4. die Fluidverteilungsstruktur einen einzigen zum Verteilen des Fluids über
die Fluidverteilungsstruktur in der Oberfläche gebildeten Kanal aufweist,
5. die Fluidverteilungsstruktur angeordnet ist, um mittels einer Kombination
von Beschränkungen in der Fluidverteilungsstruktur in einem ersten Be-
triebsmodus zum Drucken von hohen Farbschichten einen relativ großen
Fluidtropfen und in einem zweiten Betriebsmodus zum Drucken von Details
einen relativ kleinen Fluidtropfen zu übertragen,
6. wobei eine Beschränkung durch eine lokale Veränderung wenigstens der
Kanaltiefe und/oder Kanalbreite und/oder Kanalform und/oder Kanalwand
gebildet wird.
2. Anilox-Walze gemäß Anspruch 1,
7. bei der der Kanal der die Fluidverteilungsstruktur für den ersten
Betriebsmodus einen Kanal umfasst, der sich in Umfangsrichtung der
Anilox-Walze erstreckt,
7.1 über die Oberfläche mäandriert und
7.2 die Form einer Welle hat sowie ausbildbar ist durch
8. Fokussieren des Laserstrahls eines kontinuierlichen Lasers in einem Punkt
auf der äußeren Oberfläche der Anilox-Walze, sowie kontinuierliches Rela-
tivbewegen von Anilox-Walze und Laserstrahl mittels Rotation um die und
Bewegung entlang der Längsachse der Anilox-Walze,
8.1 wobei der Laserpunkt auf der zu gravierenden Oberfläche zusätzlich eine
Hin- und Herbewegung ausführt, die in einer Verschiebung des Punkts
parallel zur Längsachse der Anilox-Walze resultiert,
- 14 -
8.2 und Verdampfen des Materials der äußeren Oberfläche, um aus einer konti-
nuierlichen Spur von verdampftem Oberflächenmaterial den Kanal zu bil-
den,
9. der ein gleichmäßiger Kanal in der Form einer kontinuierlichen Spur ist und
sich derart in Rotationsrichtung der Anilox-Walze erstreckt, dass in Rich-
tung der Längsachse nebeneinander liegende Teile des Kanals einen zuei-
nander im Allgemeinen parallelen Verlauf haben,
- und entweder
10.1 3. Anilox-Walze gemäß Anspruch 1 oder 2, bei der die Fluidverteilungs-
struktur
miteinander verbundene für den zweiten Betriebsmodus in dem Kanal aus-
gebildete
Kanalteile aufweist weist, die eine Breite von zwischen 10 und 150 µm
haben, oder
10.2 die Wände zwischen den in Richtung der Längsachse nebeneinander lie-
genden Teilen des Kanals eine Breite von weniger als 4 μm, bevorzugt im
Bereich von 1–3 μm habenein zum Drucken von Details geeignetes Trop-
fenvolumen haben.

4. Der zuständige Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbeson-
dere für die Auslegung der Merkmale des Streitgebrauchsmusters und für die Be-
urteilung des Standes der Technik ankommt, ist nach Auffassung des Senats ein
Dipl.-Ing. der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich
der Herstellung von Druckmaschinenwalzen.

5. Einige Merkmale des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag sind hinsichtlich
ihres Verständnisses durch den Fachmann erläuterungsbedürftig.

Die Bedeutung der in einem Schutzanspruch verwendeten Begriffe ist durch Aus-
legung des Anspruchs zu ermitteln, die nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs stets geboten ist und auch dann nicht unterbleiben darf, wenn
- 15 -
der Wortlaut des Anspruchs eindeutig zu sein scheint (s. nur BGH, Urteil vom
12. Mai 2015 – X ZR 43/13, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente, mit zahlreichen
weiteren Nachweisen). Die Beschreibung, deren Funktion es ist, die geschützte
Erfindung zu erläutern, kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein
patenteigenes Lexikon darstellen (BGH – Rotorelemente, Rn. 16; Urteil vom
2. März 1999 – X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 – Spannschraube).

Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben nehmen dabei als Bestandteile eines
Anspruchs an dessen Aufgabe teil, den geschützten Gegenstand vom Stand der
Technik abzugrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich bezie-
hen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betref-
fende Funktion erfüllen kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 2006 – X ZR 105/04, GRUR
2006, 923 Rn. 15 – Luftabscheider für Milchsammelanlage; siehe auch BGH,
Urteil vom 27. Oktober 2015 – X ZR 11/13 – Fugenband).

Eine Aniloxwalze ist Teil eines Walzenfarbwerks. Sie ist das Speichermedium, das
eine notwendige und definierte Farbmenge während des Druckvorgangs konstant
zur Verfügung stellen soll. Auf der Oberfläche der Walze, die aus Keramik oder
Chrom besteht, befinden sich winzig kleine, gleichmäßige Näpfchen oder Zellen
(Kalotten), mitunter auch Linien (Haschur), die anhand verschiedener Gravurver-
fahren eingraviert werden. Letztlich ist der Anspruch 1 allerdings nicht auf so
bezeichnete Aniloxwalzen allein beschränkt, als nach der Beschreibung (vgl. Abs.
[0002]) auch andere Walzen, die Farbe auf einen Druckplatten tragenden Platten-
zylinder übertragen, unter den Schutzbereich des Anspruchs, fallen könnten. Die
Druckplatten tragenden Plattenzylinder sind aber keine Aniloxwalzen im Sinne von
Druckfarbe aufnehmenden oder abgebenden Walzen gemäß Streitgebrauchs-
muster, was sich schon aus Abs. [0006] der Beschreibung ergibt, wonach die
Druckfarbe von der Aniloxwalze auf die Druckwalze übertragen wird, mithin auf
den die Druckplatten tragenden Plattenzylinder. Dies entspricht im Übrigen auch
dem fachüblichen Verständnis einer Aniloxwalze.

- 16 -
Ein Betriebsmodus der Anilox-Walze ist ein funktionales Verhalten während des
Übertragens des Fluids zum Bedrucken des Substrates. Beim Drucken von Details
sind relativ kleine Mengen von Druckfarbe und zum Drucken von hohen Schichten
von Druckfarbe sind relativ große Farbmengen erforderlich. Eine Anilox-Walze
gemäß Streitgebrauchsmuster verbindet die zwei Eigenschaften durch Ausbildung
von Beschränkungen auf der Oberfläche der Anilox-Walze (Abs. [0016]).

Beim Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1 weist die Oberflächenstruktur
einen einzigen Kanal auf (Merkmal 4). Durch eine lokale Veränderung der Kanal-
form wird eine Beschränkung gebildet, vgl. Merkmal 6. Diese soll dazu führen,
dass sowohl relativ kleine als auch relativ große Flüssigkeitstropfen übertragen
werden können (Merkmal 5). Der Kanal erstreckt sich in Umfangsrichtung der
Anilox-Walze, mäandriert über die Oberfläche und hat die Form einer Welle (Merk-
male 7.1 und 7.2). Der Kanal ist ein gleichmäßiger Kanal in der Form einer kon-
tinuierlichen Spur und erstreckt sich derart in Rotationsrichtung der Anilox-Walze,
dass in Richtung der Längsachse nebeneinander liegende Teile des Kanals einen
zueinander im Allgemeinen parallelen Verlauf haben (Merkmal 9). Die entste-
hende Spur ist vergleichbar mit einer Spur auf einer CD oder DVD, vgl. Abs. 0068.

Die Merkmalsgruppe 8 umschreibt die Herstellung des wellenförmigen Kanals
durch das Verfahren seiner Herstellung. Zu berücksichtigen ist, dass das Verfah-
ren lediglich der Definition des Erzeugnisses dient. Es schränkt aber nicht den
Schutzbereich auf die Erzeugnisse ein, die durch das im Anspruch angegebene
Verfahren hergestellt werden vgl. Schulte, PatG, 10. Aufl., § 34, Rn. 156. Zu
beachten ist ferner, dass in Merkmal 7.2 lediglich „ausbildbar ist“ gefordert wird.

6. Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in der zulässigen Fassung
der Schutzansprüche nach Hauptantrag vom 30. Januar 2017 ist unstrittig gewerb-
lich anwendbar, neu und beruht auf einem erfinderischen Schritt.

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6.1 Der Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der gegenüber der
eingetragenen Fassung geänderten und als Hauptantrag verteidigten Fassung
stellt eine zulässige, im Rahmen der Ursprungsoffenbarung liegende Beschrän-
kung des eingetragenen Schutzanspruchs 1 dar.

Für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Anspruchs ist es nach der
ständigen Rechtsprechung erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch
bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen unmittelbar und eindeutig
als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann. Dabei sind zur Ver-
meidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des
Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausfüh-
rungsbeispiele zugelassen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 17. Juli 2012, X ZR 117/11,
BGHZ 194, 107–120 – Polymerschaum m. w. N. unter Rz. 52). Dies vornehmlich
dann, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusam-
mengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg för-
derlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden
sind; denn es gibt keinen Rechtssatz des Inhalts, dass ein Anspruch nur in der
Weise beschränkt werden könne, dass sämtliche Merkmale eines Ausführungsbei-
spiels, die der Aufgabenlösung förderlich sind, insgesamt in den Anspruch einge-
fügt werden müssten (BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 – X ZB 9/89 –, BGHZ
110, 123–127, BPatGE 31, 277–278 – Spleißkammer; BGH, Urteil vom 15. No-
vember 2005 – X ZR 17/02 –, BPatGE 2006, 286 – Koksofentür).

Die Änderung in den Merkmalen 3 und 4 ist im Sinne obiger Rechtsprechung
zulässig. Die Bearbeitung mit einem einzigen Laser ist in Abs. 0070 offenbart. Fer-
ner ist auf Abs. 0068 zu verweisen, nach dem in Kombination mit einer drehenden
Walze und einem kontinuierlich bewegten Laser eine Spur eingebrannt wird, die
vergleichbar einer Spur auf einer CD oder DVD ist. Auch Abs. [0040] nennt einen
zweiten Kanal neben dem ersten lediglich als bevorzugt.

- 18 -
Merkmal 5 verlangt eine Kombination von Beschränkungen betr. die Anordnung
der Fluidverteilungsstruktur. Gemäß dem geltenden Merkmal 6 ist eine Beschrän-
kung durch eine lokale Veränderung „wenigstens“ der Kanalform gerichtet. Die
Alternativen Kanaltiefe/Kanalbreite und Kanalwand wurden zwar gestrichen, sind
aber letztlich weiterhin umfasst wegen der allgemeinen Formulierung des Merk-
mals 6. Weitere Alternativen, die durch die Streichung hinzukommen könnten, sind
nicht zu erkennen und wurden von den Antragsgegnerinnen auch nicht vorgetra-
gen, so dass eine Schutzbereichserweiterung durch die Streichung auszuschlie-
ßen ist. Im Ergebnis ist damit auch Merkmal 6 zulässig.

Die Merkmale 7 bis 7.2 ergeben sich aus Abs. [0040] und [0041]. Hier ist zwar ein
zweiter Kanal genannt. Der sachverständige Leser erkennt aber ohne weiteres,
dass bei lediglich einem Kanal die hier beschriebenen Strukturen ebenso gelten.

Die kontinuierliche Spur aus Merkmal 9 ist dem Abs. [0145] („Es ist möglich, eine
kontinuierliche Spur mit hoher Geschwindigkeit zu bilden“) zu entnehmen und der
parallele Verlauf der Kanalteile ergibt sich analog zu Abs. [0146] („um ein Muster
von Kanälen gemäß Fig. 3b zu bilden“) i. V. m. der Fig. 3b.

Der Einwand der Antragstellerin 1, der letztlich auf das Ausführungsbeispiel nach
Fig. 3b gestützte geltende Anspruch 1 sei nur für den ersten Betriebsmodus geeig-
net, ist unzutreffend. Wie sich aus der Beschreibung (Abs. [0116] und [0117]) zu
den Fig. 3b und 4 ergibt, eignet sich das Ausführungsbeispiel sowohl als Anilox-
walze mit großer Lineatur als auch zum Drucken von Details.

Die Merkmale 10.1 und 10.2 ergeben sich aus Abs. [0137]. Sie sind dort zwar
nicht als alternative Ausbildung beschrieben. Im Sinne der Rechtsprechung (BGH
– Spleißkammer) ist die getrennte „oder“-Beanspruchung aber zulässig. Für den
Fachmann ist zudem ohne weiteres erkennbar, dass Wanddicke und Kanalbreite
auch unabhängig voneinander verwirklichbar sind, was im Übrigen auch die Abs.
[0042] und [0045] bestätigen.
- 19 -
Auch die Merkmale 8 bis 8.2, die die Ausbildung des wellenförmigen Kanals durch
das Verfahren seiner Herstellung umschreiben, sind zulässig. Es handelt sich
insoweit um Verfahrensschritte i. S. v. sog. „product-by-process-claims“, welche
bestimmt sind, dazu beizutragen, ein Erzeugnis zu definieren, insbesondere sei-
nen Inhalt als Erzeugnis eindeutig festzulegen. Insoweit handelt es sich nicht um
einen vom Gebrauchsmusterschutz nach § 2 Nr. 3 GebrMG ausgeschlossenen
Gegenstand (vgl. z. B. Fitzner/Lutz/Bodewig, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 2
GebrMG, Rn. 9 m. w. N.). Die Merkmale 8 bis 8.2 sind im Übrigen auch ursprungs-
offenbart, da sie sich aus der Beschreibung ab Abs. [0061] und ab Abs. [0143]
ergeben.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher ursprünglich offenbart und damit zuläs-
sig.

6.2 Auch der geltende Anspruch 4 ist zulässig, das Merkmal ist allgemein in
Abs. [0044] offenbart („Die oszillierenden Kanäle können eine Amplitude haben,
die im Allgemeinen gleich der oder bevorzugt größer als die Breite des Kanals
ist“). Die von der Antragstellerin 2 bemängelte Rückbeziehung des ursprünglichen
Anspruchs 11 auf den Anspruch 10 ist daher unbeachtlich.

6.3 Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist neu und
beruht außerdem auf einem erfinderischen Schritt.

6.3.1 Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag wird durch
keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen neuheitsschädlich getrof-
fen.

Ausgangspunkt sind die aus den Entgegenhaltungen D7, D8 und D11 bekannten
Aniloxwalzen. Nur diese weisen über die gesamte Oberfläche eine Fluidverteil-
struktur auf und sind im Sinne des Streitgebrauchsmusters geeignet, Farbe auf
einen Druckzylinder zu übertragen.
- 20 -
Die D8 (US 4 819 558 A) zeigt und beschreibt eine Aniloxwalze, vgl. Spalte 1,
Z. 9. Nachfolgend sind die Fig. 3 und 4 wiedergegeben.



Als problematisch sieht die D8 die Verschmutzung der Walze bei Verwendung von
viskosen Farben an. Auf der Oberfläche gibt es eine Vielzahl von Vertiefungen
(cells 19), die durch Wände (side walls 24, end walls 25) begrenzt und schräg
zueinander angeordnet sind. In Umfangsrichtung der Walze sind benachbarte Ver-
tiefungen 19 mittels Kanälen (channels 23) miteinander verbunden. Abmessungen
der Vertiefungen und der Wandteile sind in Spalte 5 beschrieben.

Nicht offenbart die D8 damit zumindest einen einzigen, wellenförmigen Kanal
(Merkmale 4 und 7.2), der gleichmäßig in Form einer kontinuierlichen Spur ausge-
bildet ist (Merkmal 9).

In ähnlicher Ausbildung zeigt die D7 (US 4 301 583) einen gerade verlaufenden
Kanal mit Erweiterungen, vgl. nachfolgenden Ausschnitt aus Fig. 2. Auch dieser
Stand der Technik offenbart damit zumindest nicht einen einzigen, wellenförmigen
Kanal (Merkmale 4 und 7.2), der gleichmäßig in Form einer kontinuierlichen Spur
ausgebildet ist (Merkmal 9).

- 21 -


D11 (DE 10 2004 015 334 B3) betrifft Rasterwalzen und Verfahren zu deren Her-
stellung, vgl. Bezeichnung. Die Rasterwalze ist an ihrer Mantelfläche mit Stegen
und farbaufnehmenden Vertiefungen in Form von Haschuren versehen, vgl. Zu-
sammenfassung. Auch hier ist damit zumindest nicht ein einziger, wellenförmiger
Kanal (Merkmale 4 und 7.2) offenbart, der gleichmäßig in Form einer kontinuierli-
chen Spur ausgebildet ist (Merkmal 9). Die Ausführungen in der D11 zum Stand
der Technik (Abs. [0003]) offenbaren ebenfalls lediglich eine Näpfchenstruktur
(„Die Rasterwalze ist an ihrer Mantelfläche mit Rastern bzw. Näpfchen zur Auf-
nahme der Farbe versehen“) und damit keinen gleichmäßigen wellenförmigen Ka-
nal in Form einer kontinuierlichen Spur im Sinne der Merkmale 7.2 und 9.

6.3.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik beruht der Gegenstand des An-
spruchs 1 nach Hauptantrag auch auf einem erfinderischen Schritt.

Die D17 zeigt und beschreibt eine Druckplatte (plate), mit der im Tiefdruckverfah-
ren (gravure printing) elektrische Komponenten (laminated ceramic electronic
component) hergestellt werden können, vgl. Abstract gemäß D17b. Eine Vielzahl
von Druckplatten sind verteilt auf einem Zylinder (gravure roll 1) angeordnet, vgl.
nachfolgend wiedergegebene Fig. 1 und 2 der D17.

- 22 -


Das Druckbild auf den Druckplatten (printing patterns P) stimmt mit dem zu dru-
ckenden Bild (graphic pattern) überein, vgl. Abstract, 2. Abs. Verwendet wird eine
elektrisch leitende Paste (electroconductive paste), als zu fertigende elektrische
Komponente wird ein Kondensator (ceramic capacitor) genannt, vgl. Beschrei-
bung, Abs. [0001] und [0002]. Die verwendete Paste ist hochviskos, vgl. Abs.
[0007]. Der Fachmann entnimmt der D17b insoweit ein Herstellungsverfahren, bei
dem eine hochviskose Paste verdruckt wird, um elektrische Komponenten herzu-
stellen. Ein Verlaufen des Fluids, wie sie beim Farbübertrag von einer Aniloxwalze
auf eine Druckwalze auftreten kann, tritt in der D17 demgemäß nicht auf. Insofern
hatte der Fachmann schon keine Veranlassung zu untersuchen, ob die in der D17
beschriebene Ausbildung einer Druckplatte eine Verbesserung der Farbübertra-
gung einer Aniloxwalze nach sich ziehen könnte.

Auch der weitere im Verfahren befindliche und in der mündlichen Verhandlung
berücksichtigte Stand der Technik vermag den Gegenstand des geltenden Schutz-
anspruchs 1 nicht nahezulegen.

Die D23 (DE 2 363 955 B) beschreibt ein alternativ für indirekten Tiefdruck und
Flexodruck einsetzbares Druckwerk, vgl. Bezeichnung. Die Ausbildung des Farb-
auftragszylinders ist nicht näher erläutert.
- 23 -
Die Ausbildung der Rasterwalze wird in der D24 (vgl. Abb. 3 und zugehörige Be-
schreibung) mit einer Näpfchenstruktur beschrieben. Auch diese Ausbildung ver-
mag einen einzigen durchgehenden Kanal nicht nahezulegen.

Auch die D25 beschreibt lediglich eine Walze (Zylinder) mit Rasternäpfchen, vgl.
Anspruch 1. Die Druckschrift bestätigt, dass beim Flexodruck eine verhältnismäßig
niedrigviskose Farbe auf die Druckform und von dieser auf die Druckträger über-
tragen wird, vgl. Seite 1, letzter Abs. Hinweise auf einen einzigen durchgehenden
Kanal gibt die Druckschrift hingegen nicht.

Die D6 (DE 693 14 791 T2) offenbart eine Maschine zum Gravieren von Anilox-
rollen. Diese Druckschrift liegt weiter ab und war zum ursprünglichen Anspruch 16
genannt worden. D9 (DE 691 15 716 T2) offenbart ebenfalls lediglich eine Gra-
viereinheit.

Die übrigen Druckschriften und die Vorbenutzungshandlung „Proflex“ liegen weiter
ab und wurden in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr herangezogen.
Insbesondere ist keiner der Druckschriften ein einziger wellenförmiger Kanal mit
kontinuierlicher Spur zu entnehmen. Ein solcher wird durch diese auch nicht nahe-
gelegt.

Ausweislich der Dokumente D15a und D15b soll anlässlich der Fachtagung
„Proflex 2006“ vom 19.09.2006–20.09.2006 in Stuttgart eine (Anilox)-Walze mit
unterschiedlichen Demonstrationsgravuren präsentiert worden sein, vgl. D15a.
Unter anderem soll die präsentierte Rolle wellenförmige, insbesondere dreieck-
und sinusförmige Kanäle aufgewiesen haben, vgl. D15g, D15h. D15 zeigt damit
zwar unterschiedliche Strukturen auf einer Musterrolle. Dieses waren aber De-
monstrationsgravuren, die die Leistungsfähigkeit der Vorrichtung zeigen sollten
(„to demonstrate the range of functionality of the ALE system“, vgl. D15a, Seite 2).
Einen Hinweis oder eine Anregung auf einen einzigen durchgehenden Kanal ver-
mögen die Demonstrationsgravuren daher nicht zu geben.
- 24 -
Die D1 (US 2004/0221755 A1) beschreibt eine Druck- und keine Aniloxwalze. Un-
abhängig davon ist kein durchgehender Kanal offenbart, vgl. nachfolgende Fig. 3
und 4 der D1.



Die D2 (WO 96/40443 A1) offenbart Wände (cell walls 16) in den Zellen (cells 4),
vgl. nachfolgende Fig. 3 und 4 der D2. Auch dies gibt keinen Hinweis auf einen
einzigen, durchgehenden Kanal.



Die D3 (The Anilox Roll) offenbart unterschiedliche Zellkonfigurationen, eine Anre-
gung zur Ausbildung eines einzigen, durchgehenden Kanals geben die dort ge-
zeigten Ausführungsformen nicht.

- 25 -
D4 (WO 95/26270 A1) zeigt und beschreibt eine Gravurwalze, die Farbe in direk-
tem Kontakt mit dem Bedruckstoff steht, vgl. Seite 1, Zeilen 18 bis 23. Hier sind
breitere Zellen über Kanäle miteinander verbunden. Auch diese Ausbildung liegt
weiter ab.

Ähnliches gilt für die D5 (DE 20 2006 019 713 U1), deren Fig. 1 und 4 nachfolgend
wiedergegeben sind.



Auch diese Ausbildung gibt erkennbar keinen Hinweis auf einen einzigen durch-
gehenden Kanal.

D10 (Better in long run) zeigt zwar eine Wellenform, auch hier ist aber kein
Hinweis auf einen einzigen durchgehenden Kanal ersichtlich.

- 26 -


D14 (Technik des Flexodrucks) gibt einen Überblick über gängige Rasterwalzen-
spezifikationen und die D20 (EP 0 930 161 A1) zeigt eine Rasterwalze mit Näpf-
chenstruktur, vgl. Abs. 0037. Auch diese Druckschriften geben keinen Hinweis auf
einen einzigen durchgehenden Kanal. Gleiches gilt für die Druckschriften D18 und
D19, die Gravurformen als Näpfchen und Haschuren offenbaren.

Die D22 (DE 21 52 447 A) zeigt und beschreibt eine Rasterwalze aus Gummi,
deren Oberfläche gerastert ist. Hinweise auf einen einzigen durchgehenden Kanal
kann die dort beschriebene Ausbildung nicht geben. Die D23 offenbart ein Druck-
werk, die Rasterwalze ist nicht näher beschrieben.

Die weiteren Vorbenutzungen (Anlagenkonvolute D12 und D13) sind nicht der
Öffentlichkeit zugänglich gewesen oder beruhen auf Ausführungen der Antrags-
gegnerin, die innerhalb der Neuheitsschonfrist stattfanden. Hierzu wird auf die
zutreffenden Ausführungen der Gebrauchsmusterabteilung im Zwischenbescheid
vom 10. August 2012 verwiesen, die von den Beteiligten auch nicht angegriffen
wurden.

- 27 -
6.3.3 Mit dem Schutzanspruch 1 haben auch die rückbezogenen Ansprüche 2 bis
4 Bestand. Schutzanspruch 5 ist auf eine Flexo-Druckvorrichtung gerichtet, die
eine Aniloxwalze nach einem der Ansprüche 1 bis 4 aufweist. Auch dieser An-
spruch ist daher rechtsbeständig. Auf die Ausführungen zum Anspruch 1, die sinn-
gemäß gelten, wird verwiesen.

7. Nach alledem sind der Löschungsantrag und die zulässige Beschwerde der
Antragstellerin 1 nur in dem Umfang begründet, in welchem die Antragsgegnerin
ihren Widerspruch gegen den Löschungsantrag teilweise zurückgenommen hat
und das Streitgebrauchsmuster somit ohne Sachprüfung zu löschen ist (s. o.
Ziff. 1.). Die weitergehende Beschwerde und der weitergehende Löschungsantrag
waren dagegen als unbegründet zurückzuweisen, weil, wie ausgeführt, der Ge-
genstand des Streitgebrauchsmusters in der Fassung des Hauptantrags schutzfä-
hig i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG ist.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m.
§ 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG und i. V. m § 92 Abs. 1 ZPO.


C

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
- 28 -
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unter-
zeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzu-
reichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf
beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Metternich Sandkämper Dr. Baumgart


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