35 W (pat) 404/14  - 35. Senat (GebrM)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



35 W (pat) 404/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
24. Januar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


- 2 -
betreffend das Gebrauchsmuster …

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2017 durch den
Vorsitzenden Richter Metternich sowie die Richter Dipl.-Ing. J. Müller und
Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi

beschlossen:

1. Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung II des DPMA
vom 24. September 2013 wird dahingehend abgeändert,
dass festgestellt wird, dass das Streitgebrauchsmuster
… von Anfang an insoweit unwirksam war, als
es über die vom Antragsgegner in der mündlichen Verhand-
lung vom 24. Januar 2017 eingereichten und als Hilfsan-
trag 4 bezeichneten Fassung hinausgegangen ist.

2. Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragstellerin und
des Antragsgegners zurückgewiesen.

3. Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufge-
hoben.

4. Der Gegenstandswert wird für beide Rechtszüge auf
300.000,-- Euro festgesetzt.

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G r ü n d e

I.

Der Antragsgegner, Beschwerdeführer zu I und Beschwerdegegner zu II (im Fol-
genden: Antragsgegner) war Inhaber des Gebrauchsmusters …
(Streitgebrauchsmuster), das am 17. November 2010 als Abzweigung aus der
deutschen Patentanmeldung … mit Anmeldetag 27. Oktober 2005
angemeldet und am 20. Januar 2011 mit 14 Schutzansprüchen unter der Bezeich-
nung

„…“

in das Register eingetragen worden ist. Es ist durch Zeitablauf zum 27. Okto-
ber 2015 erloschen.

Am 19. Juli 2011 hat die Antragstellerin, Beschwerdeführerin zu II und Beschwer-
degegnerin zu I (im Folgenden: Antragstellerin) Löschungsantrag gestellt, mit der
Begründung, der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters sei gemäß § 15 Abs. 1
Nr. 1 GebrMG in Verbindung mit §§ 1 bis 3 GebrMG nicht schutzfähig, insbeson-
dere beruhe er nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Außerdem ergebe sich ein Löschungsanspruch daraus, dass der Gegenstand des
Gebrauchsmusters über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgehe, in
der sie ursprünglich eingereicht worden sei (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG).

Der Löschungsantrag ist dem Vertreter des Schutzrechtsinhabers mit Schreiben
vom 29. September 2011 am 4. Oktober 2011 zugestellt worden. Dieser hat mit
Schreiben vom 6. Oktober 2011, eingegangen per Fax am selben Tag, widerspro-
chen.

- 4 -
Im patentamtlichen Löschungsverfahren ist folgender Stand der Technik berück-
sichtigt worden:

E1: DE 22 49 951 A1
D1: DE 39 07 254 A1
D2: DE 196 07 254 A1
D3: DE 29 18 378 A1
D4: DE 295 20 152 U1
D5: JP H03-69770 A
D6: WO 96 / 37 672 A1
D7: DE 195 10 819 A1
D8: Kaiser GmbH & Co. KG: 100 Jahre 1904 – 2004 Die Basis
der guten Installation Seiten 44, 45, 56, 68, 69

In der mündlichen Verhandlung am 24. September 2013 hat die Gebrauchsmus-
terabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts die Teillöschung des Streit-
patentmusters beschlossen, soweit es über die Fassung nach dem in der Ver-
handlung vorgelegten Hilfsantrag 8 des Antragsgegners hinausgeht und im Übri-
gen den Löschungsantrag zurückgewiesen.

Gegen diesen, den Beteiligten jeweils am 9. Dezember 2013 mit Gründen zuge-
stellten Beschluss haben sowohl der Antragsgegner (am 27. Dezember 2013) als
auch die Antragstellerin (am 2. Januar 2014) Beschwerde eingelegt. Der Antrags-
gegner hat dabei zunächst das Streitgebrauchsmuster in der eingetragenen Fas-
sung verteidigt.

Der Antragsgegner stellt nunmehr den Antrag,

unter Abänderung des Beschlusses der Gebrauchsmusterabtei-
lung II des DPMA vom 24. September 2013 das Streitgebrauchs-
muster für die Vergangenheit insoweit für unwirksam zu erklären,
- 5 -
als es über die am 24. Januar 2017 eingereichte und als Hilfsan-
trag 4 bezeichnete Fassung hinausgeht und im Übrigen die Be-
schwerde der Löschungsantragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners und
unter Aufhebung des Beschlusses der Gebrauchsmusterabtei-
lung II des DPMA vom 24. September 2013 festzustellen, dass
das Streitgebrauchsmuster von Anfang an unwirksam gewesen
ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zu den zwischenzeitlich gestellten
Anträgen und Hilfsanträgen des Antragsgegners sowie das diesbezügliche Vor-
bringen der Antragstellerin wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.


II.

Die Beschwerde des Antragsgegners hat insofern Erfolg, dass sie antragsgemäß
zur Abänderung des Beschlusses der Gebrauchsmusterabteilung II des DPMA
vom 24. September 2013 führt, derart, dass das Streitgebrauchsmuster für die
Vergangenheit nur insoweit für unwirksam zu erklären ist, als es über die am
24. Januar 2017 eingereichte und als Hilfsantrag 4 bezeichnete Fassung hinaus-
geht. Denn der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in dieser Fassung ist
gemäß §§ 1, 3 GebrMG gebrauchsmusterfähig und schutzfähig, ihm stehen auch
keine Schutzhindernisse nach § 2 GebrMG entgegen. Die Beschwerde der An-
tragstellerin ist jedoch nicht begründet, sie führt daher nicht zur der beantragten
Feststellung, dass das Streitgebrauchsmuster von Anfang an unwirksam gewesen
sei.

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1. Die form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden sind zulässig, insbe-
sondere waren beide Beschwerdeführerinnen im Verfahren vor der Gebrauchs-
musterabteilung beteiligt (§ 18 Abs. 2 GebrMG, § 74 Abs. 1 PatG).

Da der Antragsgegner Ansprüche aus dem Streitgebrauchsmuster gegen die
Antragstellerin gerichtlich geltend gemacht und auch zumindest teilweise obsiegt
hat, besteht mit Blick auf mögliche Restitutionsklagen seitens der Antragstellerin
ein Feststellungsinteresse.

2. Der Anspruch 1 der zuletzt vom Antragsgegner verteidigten Fassung des
Streitgebrauchsmusters (Hilfsantrag 4 vom 24. Januar 2017) lautet unter Einfü-
gung einer Gliederung:

1. Aufnahmedose für elektrische Einsätze, insbesondere für Schalter,
Steckdosen, Verteilerdosen oder dergleichen,
2. aus Kunststoff,
6. zum Einbau in ein Betonelement mit einer Stahlarmierung
3. mit einem Dosenkörper (1)
8. mit einem Innendurchmesser von 60 mm oder einem Außendurch-
messer von ca. 65 mm
4. und einem mit dem Dosenkörper (1) verbindbaren Vorderteil (3),
5. mit zwei Befestigungsflügeln (2),
5.1 die integral mit dem Dosenkörper (1) ausgeführt sind,
5.2 einander bezüglich einer Längsachse (4) des Dosenkörpers (1) in
einer Orthogonalebene gegenüberliegen
5.3 und jeweils als umlaufender Steg (6) ausgebildet sind,
7. wobei eine Breite zwischen den Enden der Befestigungsflügel (2)
zumindest größer als 120 mm ist
2.1 und der Dosenkörper (1), die Befestigungsflügel (2) sowie das Vor-
derteil (3) Kunststoff-Spritzgußteile sind.

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Der Anspruch 9 der zuletzt von dem Antragsgegner verteidigten Fassung des
Streitgebrauchsmusters (Hilfsantrag 4 vom 24. Januar 2017) lautet unter Einfü-
gung einer Gliederung:

1.‘ Zweiteilige Aufnahmedose für elektrische Einsätze, insbesondere
für Schalter, Steckdosen, Verteilerdosen oder dergleichen,
2. aus Kunststoff,
6. zum Einbau in ein Betonelement mit einer Stahlarmierung (15)
3. mit einem Dosenkörper (1)
8. mit einem Innendurchmesser von 60 mm oder einem Außendurch-
messer von ca. 65 mm,
5. mit zwei gegenüberliegenden,
5.1 integral mit dem Dosenkörper (1) ausgeführten
5. Befestigungsflügeln (2)
4. und einem Vorderteil (3),
4.1 das einen vorderen Endabschnitt des Dosenkörpers (1) begrenzt,
5.3‘ wobei die Befestigungsflügel (2) jeweils als umlaufende, im We-
sentlichen U- oder V-förmig profilierte Stege ausgebildet sind,
5.4 und im Bereich des Dosenkörpers (1) durch Verstärkungsabschnitte
verstärkt sind,
7. wobei eine Breite zwischen den Enden der Befestigungsflügel zu-
mindest größer als 120 mm ist
2.1‘ und der Dosenkörper (1) mit den integralen Befestigungsflügeln (2)
sowie das mit dem Dosenkörper verbundene Vorderteil (3) Kunst-
stoff-Spritzgußteile sind.

An den Anspruch 1 schließen sich die auf diesen rückbezogenen Ansprüche 2 bis
4 sowie 7 bis 9 eingetragener Fassung unter Änderung der Nummerierung als
Ansprüche 2 bis 7 an.
An den Anspruch 9 schließt sich der auf diesen rückbezogenen Anspruch 14 ein-
getragener Fassung als Anspruch 10 an.

3. Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Aufnahmedose für elektrische Ein-
sätze (Installationsdose), die im Nassbau (Betongießen) eingesetzt wird. Das
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Streitpatent geht von einer Aufnahmedose gemäß der Druckschrift
DE 22 49 951 A (E1) aus. Gemäß DE 22 49 951 A werde ein Dosenkörper zur
Aufnahme elektrischer Einsätze mittels Stützstangen gegen die Verschalung ver-
spannt und mittels einer metallischen Kuppelschiene an der Bewehrung befestigt
(Absatz 0007 der Streitgebrauchsmusterschrift).

Davon ausgehend sei es Aufgabe der Erfindung, eine Aufnahmedose anzugeben,
die es ermöglicht, Elektroinstallationen mit geringerem Zeit- und Kostenaufwand,
insbesondere bei Sichtbetonelementen, vorzubereiten und durchzuführen (Streit-
gebrauchsmusterschrift, Absatz 0010).

Erfindungsgemäß werde die Aufgabe mit den in den Ansprüchen 1 oder 9 gemäß
geltendem Hilfsantrag 4 genannten Merkmalen gelöst. Die Aufnahmedose wird
zunächst an der Stahlarmierung befestigt und im Verbund mit dieser vor dem Gie-
ßen des Betons in die Betonschalung eingebracht. Zum Zwecke der Befestigung
an der Stahlarmierung weist die Aufnahmedose eine Befestigungseinrichtung auf,
mit denen sich die Aufnahmedose an der Tragstruktur (Stahlarmierung) befestigen
lässt um ein Verrutschen während des Gießens zu verhindern. Auf eine aufwen-
dige und nicht immer zuverlässige Fixierung an einer Verschalung oder durch ein
separates Stahldrahtgeflecht kann verzichtet werden (Streitgebrauchsmuster-
schrift, Absatz 0012).

4. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Fachhochschulingenieur
oder Techniker des Maschinenbaus, der Feinwerk- oder Verfahrenstechnik mit
Kenntnissen in der Entwicklung und in der Konstruktion von Aufnahmedosen für
elektrische Einsätze mit langjähriger einschlägiger Berufserfahrung. Insbesondere
befasst sich dieser mit der Problematik der Elektroinstallation in Ortbetonwänden
und zieht gegebenenfalls zur Klärung der baulichen Randbedingungen einen Bau-
ingenieur hinzu.

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5. Dieser Fachmann versteht einige auslegungsbedürftige Begriffe der unab-
hängigen Ansprüche gemäß Hilfsantrag 4 vom 24. Januar 2014 wie folgt:

5.1 Die Angabe „für elektrische Einsätze, insbesondere für Schalter, Steckdo-
sen, Verteilerdosen oder dergleichen“ (Merkmal 1) erkennt der Fachmann als
reine Verwendungs- bzw. Eignungsangabe, ohne dass sich daraus eine Be-
schränkung für die Dose selbst ergibt. Insbesondere leitet der Fachmann aus der
Eignungsangabe keine Einschränkung auf bestimmte, beispielsweise genormte,
Maße ab.

5.2 Aus der Bezeichnung der Einzelheiten mit der Bezugsziffer 2 als „Befesti-
gungsflügel“ (Merkmal 5) entnimmt der Fachmann nicht mehr als die besondere
Eignung dieser Flügel zur Befestigung der Aufnahmedose an einem oder mehre-
ren anderen Bauteilen. Dass konkret die Befestigung an der Stahlarmierung eines
Betonelements gemeint ist, vermutet der Fachmann aufgrund des Merkmals 6 und
findet für diese Vermutung eine Bestätigung in den übrigen Unterlagen.
Einen qualitativen oder gar quantitativen Unterschied des Begriffes „befestigen“
gegenüber dazu regelmäßig synonym verwendeten Begriffen, wie „halten“ oder
„festlegen“ erkennt der Fachmann nicht.

Mit der Angabe, dass es sich bei den Befestigungsflügeln jeweils um einen „um-
laufenden Steg“ (Merkmal 5.3) handelt, verbindet der Fachmann zwar kein kon-
kretes Verhältnis zwischen Länge und Breite dieses Bauteils. Unter Berücksichti-
gung der Zeichnung und in Zusammenschau mit der Nennung eines Außendurch-
messers von ca. 60 mm oder eines Innendurchmessers von 60 mm in Merkmal 8,
zusammen mit der Angabe 120 mm in Merkmal 7 zieht er jedoch den Schluss,
dass der Steg im Verhältnis zu seiner Länge tendenziell eher schmal ist und nicht
zwei unterschiedliche andere Bauteile miteinander verbindet, sondern so geformt
ist, dass er zumindest annähernd zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt.

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5.3 Die in Merkmal 6 erwähnte Stahlarmierung ist nicht Teil des unter Schutz
stehenden Gegenstandes und lässt keinen Rückschluss auf dessen konstruktive
Gestaltung zu. Daher misst der Senat dieser Angabe nicht mehr Bedeutung bei,
als, dass die Eignung zur Befestigung an der Stahlarmierung gegeben sein muss.

5.4 Mit der in Merkmal 5.3‘ genannten U- oder V-Form ist eindeutig das Quer-
schnittsprofil der Stege gemeint, wobei der Fachmann dem Wortlaut dieses Merk-
mals nicht entnimmt, dass die Stege über ihre ganze Erstreckung einen gleichblei-
benden Querschnitt haben.

6. Die in der mündlichen Verhandlung verteidigte Fassung des Streitge-
brauchsmusters geht in zulässiger Weise auf die deutsche Patentanmeldung
…, aus der das Streitgebrauchsmuster abgezweigt worden ist,
zurück und bleibt im Rahmen der eingetragenen und veröffentlichten Fassung des
Streitgebrauchsmusters. Insbesondere ist das Merkmal 5.4 wonach die Stege im
Bereich des Dosenkörpers durch Verstärkungsabschnitte verstärkt sind, sowohl
dem Wortlaut, als auch dem Zusammenhang nach, den Unterlagen zur genannten
Patentanmeldung entnommen (Seite 11, erster Absatz; Absatz 0060 der Offenle-
gungsschrift; Absatz 0052 sowie Anspruch 13 der Streitgebrauchsmusterschrift),
da außerdem auch das Verhältnis zwischen der Abmessung des Dosenkörpers
einerseits und der Breite zwischen den beiden Enden der Befestigungsflügel
andererseits in den Wortlaut des geltenden Anspruchs 9 aufgenommen ist.

Auch das Außen- sowie das Innenmaß des Dosenkörpers von ca. 65 mm bzw.
60 mm gemäß Merkmal 8 konnte der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen
als zur Erfindung gehörend entnehmen (Seite 7, 2. Absatz bzw. Seite 11, 1. Ab-
satz der ursprünglichen Unterlagen; Absätze 0043 bzw. 0060 der Offenlegungs-
schrift), auch in Kombination mit der Breite zwischen den beiden Enden der Befes-
tigungsflügel von mindestens 120 mm gemäß Merkmal 7. Der Vorhalt des Vertre-
ters der Antragstellerin, auf den Innendurchmesser des Dosenkörpers käme es
überhaupt nicht an, kann dahingestellt bleiben, da das Maß als solches zweifels-
- 11 -
frei ursprünglich offenbart ist, ebenso wie das Mindestmaß der Breite zwischen
den beiden Enden der Befestigungsflügel von 120 mm. Unbeachtliche oder über-
flüssige Merkmale stellen keinen zulässigen Löschungsgrund dar. Im Übrigen ist
das Innenmaß der Aufnahmedose nicht völlig ohne Aussagekraft, da der Fach-
mann damit die Eignung für die Aufnahme der in Merkmal 1 genannten elektri-
schen Einsätze verbindet.

7. Die jeweiligen Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 gemäß Hilfsantrag 4
vom 24. Januar 2017 sind neu und beruhen auf einem erfinderischen Schritt:

Insbesondere ergeben sich solche Ausgestaltungen weder aus der Entgegenhal-
tung DE 196 07 254 A1 (D2) noch aus der Entgegenhaltung DE 22 49 951 A1 (E1)
und auch nicht aus einer Zusammenschau dieser beiden Druckschriften.

7.1 Die aus der Entgegenhaltung D2 bekannte Aufnahmedose geht in Worten
des Anspruchs 1 gemäß geltendem Hilfsantrag 4 ausgedrückt, nicht über Folgen-
des hinaus: Eine

1. Aufnahmedose für elektrische Einsätze (Spalte 1, Zeilen 3 – 6), ins-
besondere für Schalter, Steckdosen, Verteilerdosen oder derglei-
chen
2. aus Kunststoff (Spalte 3, Zeilen 39 – 41: „in der Elektroindustrie ge-
bräuchlichen Werkstoffe“ – bei Installationsdosen ist es gebräuch-
lich Kunststoff einzusetzen, daher liest der Fachmann dies mit),
6. zum Einbau in ein Betonelement (Spalte 1, Zeilen 10 – 16) mit einer
(im Betonbau üblichen) Stahlarmierung,
3. mit einem Dosenkörper 11
4. und einem mit dem Dosenkörper 11 verbindbaren Vorderteil 12,
5. mit zwei Befestigungsflügeln 28 (Spalte 4, Zeilen 57 bis 66),
5.1 die integral mit dem Dosenkörper 11 ausgeführt sind,
5.2 einander bezüglich einer Längsachse des Dosenkörpers 11 in einer
Orthogonalebene gegenüberliegen (Figuren 1 und 2)
- 12 -
5.3 und jeweils als (um den Durchbruch 29) umlaufender Steg ausge-
bildet sind,
7. wobei eine Breite zwischen den Enden der beiden Befestigungsflü-
gel 28 unter Berücksichtigung der Angabe, dass der Dosenkör-
per 11 einen Durchmesser von mindestens 100 mm hat (Spalte 2,
Zeilen 12 – 16; Spalte 4, Zeilen 29 – 31) ohne Weiteres größer ist
als 120 mm.

Davon unterscheiden sich die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 gemäß gelten-
dem Hilfsantrag 4 zumindest durch die Merkmale, dass der Dosenkörper

8. mit einem Innendurchmesser von 60 mm oder einem Außendurch-
messer von ca. 65 mm
versehen ist
2.1 und der Dosenkörper (1), die Befestigungsflügel (2) sowie das Vor-
derteil (3) Kunststoff-Spritzgußteile sind.

7.2 Auch der Entgegenhaltung E1 (Figuren 5 bis 8) ist nicht mehr als Folgendes
zu entnehmen: Eine

1. Aufnahmedose für elektrische Einsätze, insbesondere für Schalter,
Steckdosen, Verteilerdosen oder dergleichen (Seite 1, 2. Absatz)
2. (hinsichtlich des Dosenkörpers wahrscheinlich) aus Kunststoff,
6. zum Einbau in ein Betonelement mit einer Stahlarmierung (Seite 2,
2. Absatz; Seite 5, 2. Absatz),
3. mit einem Dosenkörper 10
8. mit einem Innendurchmesser
4. und einem mit dem Dosenkörper 10 verbindbaren (in den Figuren 2
sowie 6 dargestellten) Vorderteil (entsprechend Druckkörper 16 –
vgl. Seite 5, 2. Absatz, letzter Satz),
5. mit zwei Befestigungsflügeln 32, 33, 34, 38, die
5.2 einander bezüglich einer Längsachse (4) des Dosenkörpers (1) in
einer Orthogonalebene gegenüberliegen.

- 13 -
Aus der Entgegenhaltung E1 ist zwar auch eine Ausführungsform (Figuren 1 bis 4)
bekannt,

5. mit einer Kuppelschiene 17 (, die der Fachmann als zwei Befesti-
gungsflügel auffassen kann), die
5.3 jeweils als (um einen Schlitz 21) umlaufender Steg ausgebildet
sind.

Für keine der beiden Varianten sind jedoch in der Entgegenhaltung E1 Maße ge-
nannt, so dass der Entgegenhaltung E1 weder das Merkmal 7 noch das Merk-
mal 8 zu entnehmen ist.

Außerdem sind gemäß dieser Druckschrift die den Befestigungsschienen entspre-
chenden Befestigungsmittel aus Blech, also aus Metall gefertigt und nicht erfin-
dungsgemäß aus Kunststoff und in Folge dessen auch nicht integral mit dem
Dosenkörper ausgeführt. Somit sind aus der Entgegenhaltung E1 auch die Merk-
male 5.1 und 2.1 nicht bekannt und auch das Merkmal 2 nicht zur Gänze.

7.3 Nach Überzeugung des Senats wird zwar an den Fachmann selbstver-
ständlich die Forderung herangetragen, die Aufnahmedose gemäß Entgegenhal-
tung D2 mit den gängigen Maßen, d. h. mit einem Innendurchmesser von 60 mm
oder einem Außendurchmesser von ca. 65 mm herzustellen, jedoch ergibt sich
daraus keineswegs zwingend, dass der Fachmann unter dieser Randbedingung
die Breite zwischen den Enden der Befestigungsflügel von 120 mm beibehält, die
durch das in der Entgegenhaltung D2 genannte Innenmaß von 100 mm bedingt ist
(Spalte 2, Zeilen 9 bis 15). Vielmehr besteht auch die Möglichkeit, die Ausgestal-
tung der Befestigungsflügel unverändert zu übernehmen. Weiter ist in der Entge-
genhaltung D2 selbst kein eindeutiger Hinweis auf die Eignung der Aufnahmedose
zur Befestigung an einer Stahlarmierung gegeben, so dass schon der Schritt, die
Breite zwischen den Enden der Befestigungsflügel von zumindest 120 mm unab-
hängig von den Maßen des Dosenkörpers zu belassen, nicht zwingend ist. Weiter
ist auch kein Anlass zu erkennen, warum der Fachmann, selbst unterstellt, er
- 14 -
hätte die Anpassung der Gesamtbreite an das gängige Rastermaß von Baustahl-
matten von 120 mm x 120 mm als vorteilhaft erkannt, die Befestigungsflügel 28
weiterhin als umlaufenden, im Verhältnis zu seiner Länge schmalen Steg hätte
ausgestalten sollen, statt das kreisrunde Loch 29 einfach unverändert zu belas-
sen.
Daher ist es nicht entscheidungserheblich, dass es nach Kenntnis des Senats
selbstverständlich ist, Kunststoffteile 10, 12, wie sie in der Entgegenhaltung D2
dargestellt sind entsprechend Merkmal 2.1 in einem Spritzgußverfahren herzustel-
len.

7.4 In der Entgegenhaltung E1 mag der Fachmann aufgrund der dort darge-
stellten und beschriebenen Baustahlmatte, die bekannterweise ein Rastermaß von
120 mm x 120 mm hat, die Dimensionen entsprechend den Merkmalen 7 und 8
mitgelesen haben.
Allerdings musste der Fachmann, um zur Erfindung zu gelangen, die Befesti-
gungsmittel aus Blech durch solche aus Kunststoff ersetzen und diese zudem inte-
gral mit dem Dosenkörper ausführen.
Dazu kommt noch, dass die Befestigungsflügel in der Variante, in der sie entspre-
chend Merkmal 5.2 bezüglich der Längsachse des Dosenkörpers in einer Ortho-
gonalebene einander gegenüberliegen, nicht mit einem Durchbruch versehen
sind, so dass nicht von deren Ausbildung als Steg entsprechend Merkmal 5.3 die
Rede sein kann. In der Variante mit den Schlitzen 21 in der Kupplungsschiene 17,
so man im weitesten Sinn von Stegen reden könnte, liegen die so gebildeten bei-
den Befestigungsflügel jedoch nicht gemäß der Forderung gemäß Merkmal 5.2
bezüglich der Längsachse des Dosenkörpers in einer Orthogonalebene einander
gegenüber.

Daher gelangt der Fachmann ausgehend von der Entgegenhaltung E1, selbst
unter der Annahme einer allgemeinen technologischen Entwicklung hin zu einer
vollständigen Ausgestaltung der Aufnahmedose, einschließlich der Kupplungsmit-
- 15 -
tel, aus Kunststoff noch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß gelten-
dem Hilfsantrag 4.

7.5 Im Anspruch 9 gemäß geltendem Hilfsantrag 4 ist zwar die Forderung, dass
die beiden Befestigungsflügel bezüglich einer Längsachse des Dosenkörpers in
einer Orthogonalebene einander gegenüberliegend angeordnet sein müssen
(Merkmal 5.2), nicht genannt, statt dessen ist in diesem Anspruch die Konkretisie-
rung des umlaufenden Steges als U- oder V-förmig profiliert (Merkmal 5.3‘) ge-
nannt, die durch die Entgegenhaltung 1 weder vorweggenommen noch durch
diese nahegelegt ist.

7.6 Auch die Zusammenschau der Entgegenhaltungen D2 und E1 führt zu kei-
ner anderen Beurteilung. Ausgehend von der Entgegenhaltung D2 mag der Fach-
mann der Entgegenhaltung E1 noch den Hinweis entnommen haben, bei einem
Dosenkörper mit einem Innendurchmesser von 60 mm oder einem Außendurch-
messer von ca. 65 mm, Befestigungsflügel vorzusehen, derart, dass die Breite
zwischen den Enden der Befestigungsflügel zumindest größer als 120 mm ist.
Jedoch konnte der Fachmann der Entgegenhaltung E1 keinen Hinweis entneh-
men, die Befestigungsflügel bei dieser Relation der Maße von Dosenkörper einer-
seits und Befestigungsflügeln andererseits entsprechend Merkmal 5.3 als umlau-
fende Stege auszubilden.

Ausgehend von der Entgegenhaltung E1 ist schon nicht erkennbar, welchen An-
lass der Fachmann gehabt haben sollte, einzelne Ausgestaltungen aus der Entge-
genhaltung D2 zu übernehmen, da die Befestigung der Aufnahmedose an einer
Stahlarmierung in der Entgegenhaltung D2 anders als in der Entgegenhaltung E1
überhaupt nicht thematisiert ist.
Auch den weiteren Dokumenten, auf die die Antragstellerin zwischenzeitlich Be-
zug genommen hat, ist keine Anregung zu entnehmen, die den Fachmann ausge-
hend von den Entgegenhaltungen D2 und/oder E1 in naheliegender Weise zu
einer Aufnahmedose gemäß Anspruch 1 oder 9 gemäß geltendem Hilfsantrag 4
- 16 -
geführt hätte. Der Vertreter der Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung
auch nichts mehr geltend gemacht.

Das gleiche gilt auch für den nach dem Sachvortrag der Antragstellerin vorbe-
nutzten Gegenstand, zu dem die Antragstellerin Beweis durch Vernehmung eines
Zeugen angeboten hatte.

7.7 Die verschiedenen Unterschiede zwischen den Gegenständen der Ansprü-
che 1 und 9 nach geltendem Hilfsantrag 4 und den aus der Entgegenhaltung D2
und der Entgegenhaltung E1 bekannten Aufnahmedosen mögen voneinander ge-
sondert betrachtet geringfügig sein, jedoch konnte zu keinem dieser Details weder
die Antragstellerin schlüssig darlegen, weshalb der Fachmann gerade zu diesen
Ergebnissen hätte kommen sollen, noch ist dies für den Senat aus dem im Ver-
fahren befindlichen Stand der Technik ersichtlich.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 84
Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat einerseits berücksichtigt,
dass der Patentgegenstand nach der sich als schutzfähig erweisenden Fassung
gemäß Hilfsantrag 4 gegenüber der eingetragenen Fassung in nicht unbedeuten-
dem Umfang eingeschränkt ist, anderseits dürfte der überwiegende Teil des Um-
satzes auch bei den sogenannten Flügeldosen bei solchen anfallen, deren Dosen-
körper einen Innendurchmesser von 60 mm oder einen Außendurchmesser von
ca. 65 mm aufweist. Daher ist es gerechtfertigt, dass trotz der erheblichen Ein-
schränkung des Streitgebrauchsmusters die beiden Beteiligten ihre Kosten jeweils
zu tragen haben.

9. Der Gegenstandswert war gemäß §§ 23, 33 RVG auf 300.000 € festzuset-
zen. Dies entspricht den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der
mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2017. Gründe für eine anderweitige Be-
stimmung des Gegenstandswerts sind nicht gegeben.

- 17 -
III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.


Metternich J. Müller Arnoldi


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