35 W (pat) 16/14  - 35. Senat (GebrM)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:070317B35Wpat16.14.0


BUNDESPATENTGERICHT




35 W (pat) 16/14
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache
















betreffend das Gebrauchsmuster 20 2011 107 665.6
(hier: Beschwerde gegen Kostenentscheidung)
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hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts am 7. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie die
Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Löschungsantragsgegnerin wird zurück-
gewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Löschungsan-
tragsgegnerin zu tragen.


G r ü n d e

I.

Die Löschungsantragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antrags-
gegnerin) war Inhaberin des am 9. November 2011 beim Deutschen Patent- und
Markenamt (DPMA) angemeldeten und am 13. Januar 2012 mit 19 Schutzansprü-
chen in das Register eingetragenen Gebrauchsmusters 20 2011 107 665.6 (Streit-
gebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „Screening Hörtestgerät“. Ab Juni 2012
hatte ein Schriftverkehr zwischen der Antragsgegnerin und der Löschungsantrag-
stellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragstellerin) stattgefunden,
aus dem sich ergibt, dass die Antragsgegnerin einem Geschäftsführer der Antrag-
stellerin den Gegenstand des Streitgebrauchsmusters zur gemeinsamen Vermark-
tung angeboten hatte. Die Korrespondenz endete mit einem E-Mail des Ge-
schäftsführers vom 9. Januar 2013, mit dem dieser der Antragsgegnerin mitgeteilt
hatte, dass sich der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters gemäß durchgeführ-
ter Recherchen als durch deutlich ältere Anmeldungen vorveröffentlicht erwiesen
habe.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Januar 2013, das der Antragsgegnerin am
2. Februar 2013 zugegangen war, hat die Antragstellerin dieser die Einleitung
eines Löschungsverfahrens für den Fall angedroht, dass diese nicht bis zum
18. Februar 2013 auf das Streitgebrauchsmuster verzichten sollte. Das anwaltliche
Schreiben, enthielt Ausführungen zur Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusterge-
genstandes, wobei der Antragsgegnerin anhand von 6 Druckschriften erläutert
wurde, weshalb die Antragstellerin das Streitgebrauchsmuster für löschungsreif
hielt. Nach dieser Verzichtsaufforderung hat sich die Antragsgegnerin am 5. Feb-
ruar 2013 nochmals per E-Mail an den anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin
gewandt und mitgeteilt, dass sie zur Einschränkung ihres Gebrauchsmusters
bereit sei und nach wie vor einer eventuellen, gemeinsamen Produktvermarktung
bzw. Zusammenarbeit mit Freude entgegensehe.

Am 20. April 2013 hatte die Antragstellerin beim DPMA die Löschung des Streit-
gebrauchsmusters beantragt. Dem Löschungsantrag, der der Antragsgegnerin am
3. Mai 2013 zugestellt worden war, hat diese nicht widersprochen.

Mit Beschluss vom 1. September 2014 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des
DPMA die Kosten des Löschungsverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt. Die
Entscheidung wurde damit begründet, dass ein Fall des § 91 ZPO vorliege. Die
Antragsgegnerin habe keinen Widerspruch gegen den Löschungsantrag erhoben
und sei damit so zu behandeln, wie wenn sie in einem streitigen Verfahren unter-
legen wäre. Der Sondertatbestand des § 93 ZPO sei nicht gegeben, da die
Antragsgegnerin Anlass zum Löschungsantrag gegeben habe. Die insoweit darle-
gungspflichtige Antragsgegnerin habe nicht belegt, dass ihre Kontaktaufnahme mit
der Antragstellerin auf eine „bilaterale Einigung“ mit Blick auf das Streitgebrauchs-
muster gerichtet gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der
sie ihr Begehren, von einer Kostentragung freigestellt zu werden, weiterverfolgt.
Sie ist der Auffassung, die Antragstellerin habe die Löschung des Streitge-
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brauchsmusters nur deshalb betrieben, um die geschützte Erfindung ohne Zah-
lung von Lizenzgebühren frei nutzen zu können. Dem Löschungsantrag habe sie
(die Antragsgegnerin) sich nur gebeugt, weil sie die drohenden Anwaltskosten als
sehr bedrückend empfunden habe.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 1. September 2014 aufzuheben und
sie von den Kosten des Löschungsverfahrens freizustellen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sie die Antragsgegnerin ordnungsgemäß zum Ver-
zicht auf das Streitgebrauchsmuster aufgefordert habe. Der Löschungsantrag sei
eingereicht worden, da die Antragsgegnerin innerhalb der gesetzten Frist den
geforderten Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster nicht erklärt habe. Der ange-
griffene Kostenbeschluss sei daher nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Zu Recht hat die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA mit dem angefoch-
tenen Beschluss vom 1. September 2014 die Kosten des patentamtlichen Ge-
brauchsmusterlöschungsverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.
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Der Kostenausspruch zu Lasten der Antragsgegnerin, wie er in dem angefochte-
nen Beschluss getroffen wurde, folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Dessen Anwendbarkeit
ergibt sich aus einer Verweisung von § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG auf § 84 Abs. 2
Satz 2 PatG. Hiernach gilt grundsätzlich das Unterliegensprinzip, wie es in § 91
Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommt. Die Regelung ist vorliegend einschlägig, weil
der Antragsgegnerin dem Löschungsantrag nicht widersprochen hat und sich auf
diese Weise in die Rolle der unterlegenen Partei begeben hat. Damit entspricht es
auch der Billigkeit, ihr die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens auf-
zuerlegen (vgl. BPatGE 14, 55, 57; 30, 177, 178).

Zwar geht die Antragsgegnerin zu Recht davon aus, dass sie von der Tragung der
Kosten dann freizustellen wäre, wenn der vorliegende Sachverhalt ausnahms-
weise die Anwendung des § 93 ZPO als billig erscheinen ließe. § 93 ZPO be-
stimmt hierzu sinngemäß, dass die Kosten von einem Antragsteller – und nicht
vom Gebrauchsmusterinhaber – zu tragen sind, wenn der Inhaber den Löschungs-
anspruch durch Nichtwiderspruch sofort anerkannt hat und zuvor keinen Anlass
zum Löschungsantrag gegeben hatte. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist vor-
liegend aber nicht erkennbar.

Im vorliegenden Falle musste der Antragsgegnerin klar gewesen sein, nachdem
sie am 2. Februar 2013 das anwaltliche Schreiben vom 31. Januar 2013 mit der
Verzichtsaufforderung erhalten hatte, dass die Antragstellerin ernsthaft entschlos-
sen war, mit einem Löschungsantrag gegen das Streitgebrauchsmuster vorzuge-
hen. Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters war vor dessen Eintragung
weder auf Neuheit noch auf das Vorliegen eines erfinderischen Schritts geprüft
worden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 GebrMG). Hierzu ergab sich aus dem anwaltlichen
Schreiben, dass die Antragstellerin deshalb Lizenzzahlungen und/oder eine Zu-
sammenarbeit mit der Antragsgegnerin verweigert hatte, weil sie nunmehr – nach
dem Ergebnis der von ihr selbst veranlassten Recherchen – den Gegenstand des
Streitgebrauchsmusters für offenkundig schutzunfähig hielt. Unter diesen Umstän-
den ist der Angriff gegen ein Gebrauchsmuster mit einem Löschungsantrag eine
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übliche Vorgehensweise, da nicht einzusehen ist, weshalb man Zahlungen für die
Vermarktung eines Gegenstandes leisten sollte, wenn man das entsprechende
Gebrauchsmuster für ein Scheinrecht hält (vgl. § 13 Abs. 1 GebrMG).

Mit Rücksicht auf die erhaltene Verzichtsaufforderung oblag es sodann der
Antragsgegnerin, sich selbst Klarheit über die Rechtsbeständigkeit ihres Ge-
brauchsmusters zu verschaffen und auf der Grundlage einer solchen Prüfung eine
Entscheidung darüber zu treffen, ob sie das Schutzrecht verteidigen mochte (vgl.
Benkard/Goebel/Engel, GebrMG, 11. Aufl., § 17 Rn. 22; Bühring/Schmid,
GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 92). Durch die Reaktion der Antragsgegnerin, die defi-
nitiv nicht in der Abgabe einer Verzichtserklärung bestand, hat diese dagegen Ver-
anlassung für den Löschungsantrag gegeben. Der angefochtene Beschluss weist
allerdings insoweit eine Begründungsschwäche auf, als nicht klar ist, was mit der
Aussage, die Kontaktaufnahme der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin sei
nach Zustellung der Verzichtsaufforderung vom 31. Januar 2013 nicht auf eine
„bilaterale Einigung“ gerichtet gewesen, gemeint ist. Dies kann jedoch dahinge-
stellt bleiben, da sich die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis als
zutreffend erweist. Die fortgesetzte Bekundung, die dem anwaltlichen Vertreter der
Antragstellerin per E-Mail am 5. Februar 2013 zuging, nämlich dass sich die
Antragsgegnerin weiterhin auf eine gemeinsame Produktvermarktung freue, durfte
die Antragstellerin durchaus so verstehen, dass die Antragsgegnerin ihr Ge-
brauchsmuster im Kern weiterhin für bestandskräftig erachtete und auf dieser
Grundlage nach wie vor Rechte aus dem Streitgebrauchsmuster geltend machen
wolle.

2. Als die im vorliegenden Beschwerdeverfahren unterlegene Partei trägt die
Antragsgegnerin zusätzlich die Kosten des Beschwerdeverfahrens, was aus § 18
Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, 97, 91 Abs. 1 ZPO folgt.

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III.

Der Senat hat sich im vorliegenden Verfahren zur Höhe der Kosten, deren Erstat-
tung die Antragstellerin von der Antragsgegnerin verlangen kann, einer Äußerung
enthalten. Eine solche Feststellung ist dem Kostenfestsetzungsverfahren vorbe-
halten. In dessen Rahmen wird auch der Gegenstandswert des patentamtlichen
Löschungsverfahrens – sofern sich die Parteien auf einen solchen nicht einver-
nehmlich verständigen können – als Bemessungsfaktor zu bestimmen sein (vgl.
BPatGE 51, 55, 59 f.).


IV.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unter-
zeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzu-
reichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf
beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Metternich Bayer Eisenrauch


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