35 W (pat) 11/14  - 35. Senat (GebrM)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




35 W (pat) 11/14
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In Sachen




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wegen Löschung des Gebrauchsmusters …
(hier: Kostenfestsetzungsverfahren)

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts am 13. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie
die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschluss-
beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Ge-
brauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 5. August 2014 aufgehoben und

die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu erstatten-
den Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens werden
auf
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8.786,00 €

(in Worten: achttausendsiebenhundertsechsundachtzig Euro)

festgesetzt.

Dieser Betrag ist ab dem 17. Oktober 2013 mit fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

2. Im Übrigen werden die Beschwerde der Antragsgegnerin und
die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antrags-
gegnerin zu 1/3 und die Antragstellerin zu 2/3 zu tragen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


G r ü n d e

I.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin war Inhaberin des am
13. Januar 005 eingetragenen Gebrauchsmusters … (Streitge-
brauchsmuster) mit der Bezeichnung „…“, das zwischenzeitlich nach
Erreichen der maximalen Schutzdauer erloschen ist.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin hatte am 13. November 2009 beim
Deutschen Patent- und Markenamt den Antrag gestellt, das Streitgebrauchsmus-
ter in vollem Umfang zu löschen. Anlass für den Löschungsantrag war eine einst-
weilige Verfügung, die die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin vor dem
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LG Düsseldorf (Az. 4b O 192/09) wegen Verletzung des Streitgebrauchsmusters
erwirkt hatte. Die Beteiligten hatten sodann eine schriftliche Vereinbarung getrof-
fen, dass das vor dem LG Düsseldorf anhängige Verletzungsverfahren solange
von keiner der Beteiligten weiterbetreiben würde, bis das patentamtliche Lö-
schungsverfahrens rechtskräftig abgeschlossen sei (im Folgenden: Stillhaltever-
einbarung). Mit einem am 26. September 2013 in der Beschwerdeinstanz vor dem
Bundespatentgericht (Az. 35 W (pat) 405/12) geschlossenen Vergleich haben die
Beteiligten schließlich sowohl das vorliegende Löschungsverfahren als auch das
parallele Verletzungsverfahren einvernehmlich für erledigt erklärt. In dem Ver-
gleich hat sich die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zur Erstattung
der Kosten des erstinstanzlichen Löschungsverfahrens aus dem Gegenstandswert
von 250.000 € verpflichtet.

Mit Eingabe vom 16. Oktober 2013, eingegangen am 17. Oktober 2013, hat die
Antragsgegnerin beantragt, in Bezug auf das erstinstanzliche Verfahren vor der
Gebrauchsmusterabteilung die folgenden, zu erstattende Kosten zu ihren Gunsten
festzusetzen:

1,3-fache Verfahrensgebühr für den Patentanwalt
gemäß Nr. 3100 VV RVG

2.667,60 €
1,3-fache Verfahrensgebühr für den Rechtsanwalt
gemäß Nr. 3100 VV RVG

2.667,60 €
1,2-fache Terminsgebühr für den Patentanwalt
gemäß Nr. 3104 VV RVG

2.462,40 €
1,2-fache Terminsgebühr für den Rechtsanwalt
gemäß Nr. 3104 VV RVG

2.462,40 €
Fahrtkosten der Partei zur Besprechung mit dem Patentanwalt
(08.07.2011)

219,00 €

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Fahrtkosten der Partei zur mündlichen Verhandlung
(12.07.2011)

219,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld der Partei
(08. und 12.07.2011)

120,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale
gemäß Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Summe 10.838,00 €
=========

Ferner hat die Antragsgegnerin beantragt, gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO die
Verzinsung des festgesetzten Betrages ab Antragstellung mit fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz auszusprechen.

Die Kostenbeamtin der Gebrauchsmusterabteilung des DPMA hat mit Kostenfest-
setzungsbeschluss vom 5. August 2014 die von der Antragstellerin der Antrags-
gegnerin zu erstattenden Kosten nur in Höhe von 5.708,00 € - also um 5.130,00 €
niedriger als beantragt - festgesetzt und die antragsgemäße Verzinsung dieses
Betrages ausgesprochen. Der festgesetzte Betrag umfasst alle zur Erstattung gel-
tend gemachten Kosten mit Ausnahme der 1,3-fachen Verfahrensgebühr und der
1,2-fachen Terminsgebühr, die von der Antragsgegnerin für den beigezogenen
Rechtsanwalt geltend gemacht wurden. Die Gebrauchsmusterabteilung hat die
Nichtberücksichtigung dieser Rechtsanwaltskosten damit begründet, dass es sich
bei dem Verfahren vor dem LG Düsseldorf um kein paralleles Verletzungsverfah-
ren, sondern lediglich um ein Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung
gehandelt habe. Bei einem solchen Verfahren sei es nicht zweckmäßig, im paral-
lelen patentamtlichen Löschungsverfahren sich sowohl von einem Patentanwalt
als auch von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen.

Gegen diesen Beschluss, der der Antragsgegnerin am 8. August 2014 zugestellt
worden war, richtet sich ihre am 13. August 2014 eingegangene Beschwerde, mit
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der sie die Erstattung der Kosten für ihren beigezogenen Rechtsanwalt weiterver-
folgt. Die Antragsgegnerin beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung des BGH zur
„Doppelvertretung in Nichtigkeitsverfahren“ (vgl. Beschluss vom 18. Dezem-
ber 2012 - X ZB 11/12, GRUR 2013, 427 ff.). Sie trägt vor, die Gebrauchsmuster-
abteilung habe nicht beachtet, dass es sich bei einem Parallelverfahren im Sinne
der genannten BGH-Rechtsprechung, auch um ein Verfahren handeln könne, das
auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet sei. Mit dem in der genann-
ten BGH-Entscheidung gewählten Begriff eines Verletzungsrechtsstreits seien
nicht nur Verletzungsklagen, sondern auch Maßnahmen des vorläufigen Rechts-
schutzes gemeint. Damit sei die Grundlage für eine typisierende Betrachtungs-
weise gegeben. Im vorliegenden Fall habe auch tatsächlich ein besonderer
Abstimmungsbedarf bestanden, der eine Hinzuziehung des Rechtsanwalts zum
patentamtlichen Löschungsverfahren notwendig gemacht habe. Die Beteiligten
selbst hätten von Anfang an das landgerichtliche Verfügungsverfahren und das
patentamtliche Löschungsverfahren in unmittelbare Abhängigkeit voneinander ge-
stellt, was sich anhand der schriftlich getroffenen Stillhaltevereinbarung und des
später geschlossenen, gerichtlichen Vergleichs zeige.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 5. August 2014 aufzuheben und die von der An-
tragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten - wie stets
beantragt - in Höhe von 10.838,00 € festzusetzen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.
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Mit Schriftsatz vom 16. November 2016 hat die Antragstellerin bezogen auf den
Patentanwalt die Zugrundelegung der (in Summe) 2,5-fachen Gebühr beanstan-
det. Diesem Schriftsatz ist damit der weitere Antrag zu entnehmen,

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 5. August 2014 insoweit aufzuheben, als dort hin-
sichtlich der Gebühr(en) eines Patentanwalts in der Summe eine höhe-
re als eine 2,0-fache Gebühr als erstattungsfähig festgesetzt wurde,
und die Kosten entsprechend neu festzusetzen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Doppelvertretung durch einen Patent-
anwalt und einen hinzugezogenen Rechtsanwalt nicht geboten gewesen sei. Es
könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei einem Verfahren, das auf den Erlass
einer einstweiligen Verfügung gerichtet sei, um ein Verletzungsverfahren handIe.
Jedenfalls sei die Gebrauchsmusterabteilung zu Recht davon ausgegangen, dass
bei einem parallel zum Löschungsverfahren anhängigen Verletzungsstreit, der
lediglich ein einstweiliges Verfügungsverfahren sei, typischerweise noch kein so
hinreichender Abstimmungsbedarf entstehe, wie er von der genannten
BGH-Rechtsprechung zur Rechtfertigung einer Doppelvergütung vorausgesetzt
werde. Für den Rechtsanwalt, der einen Verfügungsantragsteller vor dem Verfü-
gungsgericht vertritt, sei es nämlich - anders als beim Hauptsacheverfah-
ren - ausschließlich von Interesse, wie das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren
ausgegangen ist. Zudem sei ein nennenswerter Abstimmungsbedarf hier auch
deshalb nicht entstanden, weil das Verfahren vor dem LG Düsseldorf wegen der
zwischen den Beteiligten getroffenen Stillhaltevereinbarung gerade nicht betrieben
worden sei.

Hinsichtlich der in Höhe eines 2,5-fachen Satzes zugrunde gelegten Gebühr sei zu
beachten, dass mit dem vorliegenden Gebrauchsmusterlöschungsverfahren kein
besonderer Aufwand und keine besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen
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seien, weshalb es bei der Vergütung für den Patentanwalt mit einer 2,0-fachen
Gebühr sein Bewenden haben müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige, insbesondere auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des
§§ 62 Abs. 2 Satz 4 PatG, 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG eingelegte Beschwerde der
Antragsgegnerin hat in der Sache überwiegend Erfolg, auch die mit Schriftsatz
vom 16. November 2016 später erhobene Anschlussbeschwerde der Antragstelle-
rin hat teilweise Erfolg. Hiernach waren unter Aufhebung des angefochtenen Be-
schlusses die der Antragsgegnerin von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten
auf 8.786,00 € festzusetzen.

1. Im Rahmen der Kostenfestsetzung nach §§ 17 Abs. 4 GebrMG, 62 Abs. 2
Satz 3, 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 104 ZPO sind die den Beteiligten entstan-
denen Kosten erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der
Ansprüche und Rechte notwendig waren.

a) Im vorliegenden Beschwerdeverfahren bildet den wesentlichen Streitpunkt
zwischen den Beteiligten, ob die auf Seiten der Antragsgegnerin für die Tätigkeit
eines zum patentamtlichen Löschungsverfahren hinzugezogenen Rechtsanwalts
entstandenen Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen sind.
Unstreitig war zwischen den Beteiligten parallel zum Löschungsverfahren ein
Rechtsstreit anhängig, in welchem die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin
wegen Verletzung des Streitgebrauchsmusters eine einstweilige Verfügung erwirkt
hatte.
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Die Antragsgegnerin ist unabhängig davon der Auffassung, dass im vorliegenden
Fall der Patentanwalt nur eine 2,0-fache Gebühr verdient habe. Ihr Antrag auf Re-
duzierung des festgesetzten Betrages ist als unselbständige Anschlussbeschwer-
de zu werten, wobei ihr Begehren mit Blick auf den Antrag, die Beschwerde der
Antragsgegnerin hinsichtlich der Kosten eines Rechtsanwalts (vollständig) zurück-
zuweisen, so auszulegen ist, dass - hilfsweise - auch beim Rechtsanwalt nur von
einer 2,0-fachen Gebühr ausgegangen werden soll.

Die Höhe des für die anwaltlichen Kosten maßgeblichen Gegenstandswertes und
die weiteren Posten der patentamtlichen Kostenfestsetzung, einschließlich des
Verzinsungsausspruchs, sind hingegen außer Streit.

b) Auch für das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren erachtet der erkennende
Senat die Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung
des BGH, die dieser bei der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten im
patentrechtlichen Nichtigkeitsverfahren anwendet und die die Antragsgegnerin zu
Recht zitiert hat (vgl. GRUR 2013, 427 ff.), für geboten. Danach kommt es ent-
scheidend darauf an, dass zwischen den jeweils mandatierten Patent- bzw.
Rechtsanwälten ein Abstimmungsbedarf vorliegt, wenn parallel zu einem Patent-
nichtigkeitsverfahren ein Verletzungsrechtsstreit geführt wird. Im Rahmen einer
typisierenden Betrachtungsweise gehören wegen dieses Abstimmungsbedarfs
sowohl die Kosten eines Patentanwalts als auch die Kosten eines Rechtsanwalts
zu den notwendigen Kosten des Verfahrens, wenn im Falle eines parallelen Ver-
letzungsrechtsstreits im Nichtigkeitsverfahren sowohl ein Patentanwalt als auch
ein Rechtsanwalt tätig geworden ist.

b1) Eine vergleichbare Sach- und Interessenlage ist auch in Fällen gegeben, in
denen neben dem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren parallel ein Verletzungs-
rechtsstreit zwischen den Beteiligten geführt wird und das gleiche Gebrauchsmus-
ter betroffen ist. Auch wenn die jeweilige Gebührenstruktur beim Patentnichtig-
keitsverfahren und beim Gebrauchsmusterlöschungsverfahren unterschiedlich ist
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und das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren zunächst nicht vor Gericht, sondern
zuerst beim DPMA ausgetragen wird, so ist der Abstimmungsbedarf in Bezug auf
parallel anhängige Löschungsverfahren und Verletzungsprozesse dennoch als
gleichartig mit dem Abstimmungsbedarf zu erachten, wie er typischerweise bei der
Führung parallel anhängiger Patentnichtigkeitsverfahren und Patentverletzungs-
streit gegeben ist. Insbesondere ist selbst bei „einfachen“ Verhandlungsstrategien
eine konsistente, die wechselseitigen Auswirkungen von Löschungsverfahren und
Verletzungsrechtsstreit hinsichtlich Sachvortrag, Auseinandersetzung mit Entge-
genhaltungen und Antragsfassungen bezüglich des Gegenstandes des betreffen-
den Streitgebrauchsmusters berücksichtigende Verfahrensführung erforderlich.
Auch im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren sind typischerweise komplexe Fra-
gen zur Schutzfähigkeit oder auch zur Zulässigkeit von Anspruchsfassungen, die
regelmäßig auch in Form mehrerer Hilfsanträge in das Verfahren eingeführt wer-
den, zu klären, wobei sich gerade bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit die Prü-
fungsmaßstäbe hinsichtlich Erfindungshöhe einerseits und erfinderischem Schritt
andererseits im Wesentlichen angeglichen haben (vgl. BGH GRUR 2006, 842
– Demonstrationsschrank).

b2) Soweit der BGH in seinem Beschluss vom 1. April 1965 (Ia ZB
20/64 - Patentanwaltskosten, GRUR 1965, 621) Doppelvertretungskosten im Ge-
brauchsmusterlöschungsverfahren als regelmäßig nicht berücksichtigungsfähig er-
achtet hat, geht der Senat davon aus, dass diese Entscheidung überholt ist.
Neben der bereits genannten Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Dop-
pelvertretungskosten im patentrechtlichen Nichtigkeitsverfahren ist zu berücksich-
tigen, dass zum damaligen Zeitpunkt nicht nur bei der Kostenentscheidung, son-
dern auch bei der Kostenfestsetzung eine Billigkeitsprüfung stattfand (zweite Bil-
ligkeitsprüfung), die nach der jetzt geltenden Gesetzeslage nicht mehr möglich ist
(vgl. Busse/Engels, PatG, 8. Aufl., § 62, Rn. 2). Es kommt nach der jetzigen
Rechtslage nur noch auf die Notwendigkeit der Kosten an. Wenn der Abstim-
mungsbedarf das entscheidende Kriterium ist, dann besteht aus den bereits ge-
nannten Gründen in dieser Hinsicht kein Unterschied mehr zwischen Patentnich-
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tigkeitsverfahren und Gebrauchsmusterlöschungsverfahren im Falle eines paralle-
len Verletzungsstreits. Ebenfalls macht es keinen Unterschied mehr, dass das Ge-
brauchsmusterlöschungsverfahren vor dem DPMA beginnt, da nach der Geset-
zeslage auch hier die notwendigen Kosten zu ersetzen sind (vgl. § 17 Abs. 4
Satz 2 GebrMG i. V. m. § 62 Abs. 2 PatG).

b3) Der Senat hält somit an seiner im Beschluss vom 13. Oktober 2016
(35 W (pat) 16/12) geäußerten Auffassung nicht mehr fest, wonach aufgrund der
Unterschiede in den Funktionen von Gebrauchsmusterlöschungsverfahren und
patentrechtlichem Nichtigkeitsverfahren – nämlich einerseits erste Prüfung eines
bisher ungeprüften Rechts und anderseits Klageverfahren – eine regelmäßige Er-
stattung von Doppelvertretungskosten in Gebrauchsmusterlöschungsverfahren mit
parallelem Verletzungsprozess abzulehnen sei. Zwar sind insbesondere aufgrund
der unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung in verfahrensrechtlicher Hinsicht
deutliche Unterschiede gegeben. Jedoch sind weder der materielle Gehalt der je-
weils angegriffenen Schutzrechte, der in beiden Verfahrenssystemen zu beurteilen
ist, gerade mit Blick auf die bereits genannten, wesentlich angeglichenen Beurtei-
lungsmaßstäbe noch die Verfahrenssituationen bei parallel anhängigen Verlet-
zungsprozessen zwischen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren und patentrecht-
lichem Nichtigkeitsverfahren derart unterschiedlich, als dass sich hieraus ein zwin-
gender Grund für eine sachliche Differenzierung hinsichtlich der Erstattungsfähig-
keit von Doppelvertretungskosten ergeben könnte. Im Gegenteil: Aus Sicht des
Senats wäre aus den genannten Gründen eine unterschiedliche Beurteilung der
Erstattungsfähigkeit sogenannter Doppelvertretungskosten im Nichtigkeits- und im
Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nicht sachgerecht.

c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin macht es keinen Unterschied, ob
es sich bei dem vorliegenden Verletzungsstreit um ein einstweiliges Verfügungs-
verfahren oder ein Hauptsacheverfahren gehandelt hat. Hierdurch wird die Not-
wendigkeit einer Doppelvertretung, wie dies das Bundespatentgericht für das Pa-
tentnichtigkeitsverfahren bereits entschieden hat, grundsätzlich nicht in Frage ge-
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stellt (vgl. BPatGE 53, 173, 176 - „Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfah-
ren VIII“). Auch die Rechtslage nach Erlass einer einstweiligen Verfügung bietet
den Parteien eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, die eine gegenseitige Ab-
stimmung anhand von den in den parallelen Verfahren jeweils erhaltenen Informa-
tionen und gewonnenen Erkenntnissen typischerweise geboten erscheinen las-
sen. Damit war es für die Antragsgegnerin aus „ex ante“ Sicht, also ab Erhalt des
Löschungsantrags, objektiv sinnvoll, ihren Rechtsanwalt, der für sie das einstweili-
ge Verfügungsverfahren betrieb, auch zum Löschungsverfahren hinzuzuziehen.
Vorliegend bestand die zeitliche Parallelität vom einstweiligen Verfügungsverfah-
ren einerseits und von Löschungsverfahren andererseits über den gesamten Zeit-
raum der ersten Instanz hinweg und diese Parallelität wurde schließlich erst durch
den später im Beschwerdeverfahren erreichten Vergleich beendet. Gerade an-
hand der zuvor geschlossenen Stillhaltevereinbarung, zeigte sich der enge Zu-
sammenhang zwischen den beiden Verfahren, wobei die Parteien mit dieser Ver-
einbarung – worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen – die beiden Ver-
fahren zusätzlich miteinander verknüpft hatten. Art und Zustandekommen dieser
Vereinbarung zeigen an, dass die Hinzuziehung des Rechtsanwalts zur Rechts-
verteidigung der Antragsgegnerin im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren zweck-
mäßig war.

2. Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg. Die Antrag-
stellerin hat zu Recht beanstandet, dass die Festsetzung der Kosten unter Rück-
griff auf die Gebührentatbestände Nr. 3100 VV RVG und Nr. 3104 VV RVG, also
faktisch in Höhe einer 2,5-fachen Gebühr, erfolgt ist. Üblicherweise wird in ver-
gleichbaren Fällen als der Billigkeit entsprechend nur eine Erstattung von anwalt-
lichen Gebühren in Höhe eines jeweils 2,0-fachen Satzes nach Gebührentatbe-
stand Nr. 2300 VV RVG angesehen.

Die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA hat im angefochtenen Kostenfestset-
zungsbeschluss verkannt, dass es sich bei einem Gebrauchsmusterlöschungsver-
fahren um kein gerichtliches Verfahren handelt. Die Löschungsverfahren vor den
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Abteilungen des DPMA tragen zwar Züge eines justizförmigen Verfahrens (vgl.
BGH GRUR 2010, 231, 233 – „Legostein“ und BGH BlfPMZ 2015, 112, 113
– „VIVA FRISEURE /VIVA“), gebührenrechtlich handelt es sich hierbei aber um
Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG,
10. Aufl., § 26 Rn. 4; BVerfG GRUR 2003, 723 - „Rechtsprechungstätigkeit“). Da-
mit richtet sich die für die Vertretung in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfah-
ren von einem Rechts- oder Patentanwalt verdiente Geschäftsgebühr ausschließ-
lich nach dem Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1
RVG erfolgt die Festsetzung bei Rahmengebühren einzelfallbezogen nach billigem
Ermessen und zwar unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Um-
fangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Ange-
legenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers
(vgl. hierzu auch: Gerold/Schmidt/Mayer, Kommentar zum RVG, 21. Aufl., § 14
Rn. 33).

Gemäß Nr. 2300 VV RVG besteht für die Vertretung in einem Verwaltungsverfah-
ren bei der Geschäftsgebühr ein Rahmen von 0,5 bis 2,5. Eine Gebühr von mehr
als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig
war. Gebrauchsmusterlöschungsverfahren, bei denen die Schutzfähigkeit in An-
sehung eines Stands der Technik zu beurteilen ist, sind in der Regel aufwendige
Verfahren (vgl. BGH GRUR 2014, 206 – Einkaufskühltasche, Tz. 25 im Umkehr-
schluss). Dies trifft insoweit auch auf das vorliegende Verfahren zu.

Das vorliegende Streitgebrauchsmuster betraf eine …, für die Schutz mit
einem Hauptanspruch und neun Unteransprüchen begehrt wurde. Im Löschungs-
antrag, der auf den Löschungsgrund des § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG („mangelnde
Schutzfähigkeit“) gestützt worden war, wurden zwar von der Antragstellerin als
Stand der Technik insgesamt 17 Druckschriften genannt. Jedoch hat die Antrags-
gegnerin das Streitgebrauchsmuster in der mündlichen Verhandlung nur mit einem
zusätzlichen Hilfsantrag verteidigt. Im Lichte des Gebührentatbestandes Nr. 2300
VV RVG betrachtet, geht damit das hier in Rede stehende, konkret durchgeführte
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Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nicht über ein durchschnittlich schwieriges
und umfangreiches Verfahren mit mündlicher Verhandlung hinaus. Für ein derarti-
ges Verfahren steht der Mittelwert eines 1,9- bis 2,0-fachen Satzes zur Verfügung
(vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, Kommentar zum RVG, 21. Aufl., Nr. 2300 VV, Rn. 29;
BPatG GRURPrax 2015, 70 ff.; BPatG BlPMZ 2017, 96 ff.). Nichts anderes ergibt
sich aus dem Umstand, dass für die anwaltliche Tätigkeit in einem Gebrauchs-
musterlöschungs-Beschwerdeverfahren (mit mündlicher Verhandlung) nach den
Tatbeständen Nr. 3510 und 3516 VV RVG in der Summe regelmäßig ein 2,5-fa-
cher Gebührensatz verdient wird, da es dem Gesetzgeber frei steht, ein gericht-
liches Verfahren gebührenmäßig höher als ein vorgeschaltetes behördliches Ver-
fahren zu bewerten.

3. Die weiteren Posten, die die Gebrauchsmusterabteilung bei der Berechnung
des zu erstattenden Kostenbetrags zugrunde gelegt hat, sind - wie bereits oben
erwähnt - unstreitig, daher berechnet sich der festzusetzende Betrag gemäß der
hier einschlägigen, bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung der Anlage 2 zu § 13
Abs. 1 RVG auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 250.000 €
wie folgt:

2,0-fache Geschäftsgebühr für den Patentanwalt
gemäß Nr. 2300 VV RVG

4.104,00 €
2,0-fache Geschäftsgebühr für den Rechtsanwalt
gemäß Nr. 3200 VV RVG

4.104,00 €
Fahrtkosten der Partei zur Besprechung mit dem Patentanwalt
(08.07.2011)

219,00 €
Fahrtkosten der Partei zur mündlichen Verhandlung
(12.07.2011)

219,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld der Partei
(08. und 12.07.2011)

120,00 €

- 15 -
Post- und Telekommunikationspauschale
gemäß Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Summe 8.786,00 €
=========


4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2
GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Antragstellerin
zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3. Die Billigkeit erfordert keine andere Ent-
scheidung. Die genannten Bruchteile entsprechen wertmäßig den Anteilen, mit
denen die Beteiligten jeweils mit ihrem Rechtsmittel durchgedrungen sind. Die An-
tragsgegnerin hat den im angegriffenen Beschluss in Höhe von 5.708,00 € festge-
setzten Betrag angegriffen und eine Erstattung in Höhe von 10.838,00 € verlangt,
jedoch nur 8.786,00 € zugesprochen erhalten; somit ist sie mit einem Betrag in
Höhe von 2.052,00 € unterlegen. Die Antragstellerin hat demgegenüber mit ihrer
Anschlussbeschwerde den im angegriffenen Beschluss in Höhe von 5.708,00 €
festgesetzten Betrag angegriffen und (sinngemäß) eine Herabsetzung dieses
Betrages auf 4.682,00 € verlangt, stattdessen waren ihr aber Kosten in Höhe von
8.786,00 aufzuerlegen. Hiernach ist die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin
nur halb so erfolgreich gewesen wie die der Antragsgegnerin, was die genannte
Kostengrundentscheidung rechtfertigt.

5. Der Senat hat gemäß dem auch im Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren
anwendbaren § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden.

6. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 18 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 100 Abs. 2
Nr. 2 PatG wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts be-
züglich der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten im Gebrauchsmus-
terlöschungsverfahren zugelassen.

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III. Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde zu.

Unabhängig von der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Senat ist sie nur
statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Metternich Bayer Eisenrauch

Ko



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