30 W (pat) 9/15  - 30. Senat (Marken/Design)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




30 W (pat) 9/15
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache










betreffend die Markenanmeldung 30 2011 023 483.3

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts in der Sitzung vom 10. August 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser

- 2 -
beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 16. Mai 2012 und vom 19. Dezember 2014 insoweit
aufgehoben, als darin die Anmeldung für die Waren und Dienst-
leistungen

„Klasse 1:
Chemische Erzeugnisse für wissenschaftliche und photographi-
sche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Roh-
zustand; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von
Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Halt-
barmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für ge-
werbliche Zwecke;

Klasse 5:
Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hy-
gienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeug-
nisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verband-
material; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche
Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädli-
chen Tieren; Fungizide, Herbizide;

Klasse 31:
lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Futtermittel, Malz;

Klasse 42:
Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und
Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistun-
gen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen;
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Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und –soft-
ware;

Klasse 44:
Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Ge-
sundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere“

zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen


G r ü n d e

I.

Die am 21. April 2011 angemeldete Wortmarke

Grün ist Leben

soll für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 1:
Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, photographi-
sche, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzu-
stand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum
Härten und Löten von Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten
und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbli-
che Zwecke;

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Klasse 5:
Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate
für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke,
Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für
zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädli-
chen Tieren; Fungizide, Herbizide;

Klasse 31:
Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, so-
weit in Klasse 31 enthalten; lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Sä-
mereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen; Futtermittel, Malz;

Klasse 42:
Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsar-
beiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse-
und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Compu-
terhardware und –software;

Klasse 44:
Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und
Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Dienstleistungen im Bereich der
Land-, Garten- oder Forstwirtschaft“

eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 44 hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom
16. Mai 2012 und vom 19. Dezember 2014, von denen letzterer im Erinnerungs-
verfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung
an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Der vorliegend angesprochene allgemeine Verkehr werde ohne größeren Inter-
pretationsaufwand die Bedeutung des Slogans Grün ist Leben erkennen und ihn
als werblich-anpreisenden Hinweis darauf verstehen, dass es sich entweder um
grünfarbige oder umweltverträgliche, ökologisch unbedenkliche Produkte bzw. um
Dienstleistungen handele, die einen ökologischen Zweck verfolgten oder unter
Beachtung ökologischer Aspekte angeboten / erbracht würden oder in einem en-
gen Sachzusammenhang damit stünden.

Das dem Anmelder übersandte Recherchematerial belege, dass Grün als Sym-
bolfarbe des Lebens gleichzeitig die klassische Farbe der Umweltschützer und ein
Synonym für „biologisch-dynamisch, naturgemäß, naturverbunden, ökologisch,
umweltbewusst, alternativ“ sei. Die Recherche belege auch eine intensive und
breit gefächerte tatsächliche Verwendung der Bezeichnung „Grün“, insbesondere
auch in Zusammensetzung mit den weiteren Zeichenbestandteilen „ist Leben“ in
Form der Gesamtaussage Grün ist Leben. Dabei handele es um eine Aussage
von großer Allgemeinheit, die in nahezu allen Bereichen ohne weiteres verständ-
lich einsetzbar sei und auch so verwendet werde, und zwar nicht nur von dem
Anmelder.

In Zusammenhang mit den vorliegend beanspruchten Waren der Klassen 01 und
05 weise Grün ist Leben daher lediglich darauf hin, dass diese Waren umwelt-
verträglich bzw. ökologisch unbedenklich seien bzw. unter Beachtung dieser Krite-
rien hergestellt worden seien und daher Bestandteil eines umweltverträglichen
Lebens bzw. einer dementsprechend naturverbundenen Lebenshaltung seien.
Gleiches gelte für die in Klasse 31 beanspruchten Waren.

Auch mit Blick auf die in den Klassen 42 und 44 beanspruchten Dienstleistungen
werde das angesprochene Publikum in der angemeldeten Wortfolge lediglich ei-
nen Hinweis darauf erkennen, dass diese einen ökologischen Zweck verfolgen
oder unter Beachtung ökologischer Aspekte angeboten / erbracht würden oder in
einem engen Sachzusammenhang damit stünden.
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Unerheblich sei, dass der ein Slogan die jeweiligen Waren bzw. Dienstleistungen
nicht unmittelbar beschreibe, da auch Wortfolgen und Slogans, die sich in einer
bloßen Anpreisung bzw. Werbeaussage allgemeiner Art erschöpften, nicht als
Unterscheidungsmittel für die fraglichen Waren und Dienstleistungen verstanden
würden und daher nicht unterscheidungskräftig seien. Unabhängig davon könne
die hier angemeldete Wortfolge auch einen zumindest mittelbaren Bezug zu den
beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweisen.

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Bei der die angemeldeten Wortfolge
handele es sich nicht um eine eine Werbeaussage allgemeiner Art. Diese ergäbe
sich insbesondere nicht aus den Rechercheergebnissen, da diese sich
größtenteils nur auf den Begriff „grün" oder die Kombination „grün" und „leben",
nicht aber auf die Kombination Grün ist Leben bezögen. Grün ist Leben weise in
seiner Gesamtheit hingegen keine konkrete Bedeutung auf, sondern eröffne sich
vielfältigen Interpretationen. Die Wortfolge sei auch kein gebräuchlicher und
regelgerecht gebildeter Ausdruck der deutschen Sprache, sondern auf den ersten
Blick ohne konkret erkennbaren Sinn. Zudem sei die Wortfolge grammatikalisch
ungewöhnlich, weil „grün" und „Leben" in dieser Kombination dem gewöhnlichen
Sprachgebrauch widersprächen. Die angemeldete Wortfolge erfordere daher ein
Mindestmaß an Interpretationsaufwand, um ihr überhaupt einen unbestimmten,
vagen Begriffsinhalt zuzuordnen.

Die angemeldete Wortmarke Grün ist Leben sei auch keinesfalls werbeüblich.
Vielmehr wiesen die seitens der Markenstelle ermittelten Nachweise ganz über-
wiegend auf die Anmelderin selbst bzw. einzelne Landesverbände und Baum-
schulen hin.

Bei der angemeldeten Wortfolge sei auch kein im Vordergrund stehender
beschreibender Sinngehalt zu erkennen. Sofern der Marke überhaupt ein
beschreibender Aussagekern zugeschrieben werden könne, werde dieser dem

- 7 -
Publikum allenfalls nach Art eines sprechenden Zeichens in vager und unter-
schwelliger Form nahegebracht.

Der angemeldeten Wortfolge fehle es somit weder an der notwendigen Unter-
scheidungskraft noch bestehe ein Freihaltungsbedürfnis.

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 vom 16. Mai 2012
und vom 19. Dezember 2014 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 66 MarkenG statthaft und auch im
Übrigen zulässig. In der Sache ist sie auch im aus dem Beschlusstenor ersichtli-
chen Umfang begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und
Nr. 2 MarkenG insoweit nicht bestehen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegrün-
det, da die angemeldete Marke in Bezug auf die weiteren Waren und Dienstleis-
tungen, nämlich

„Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, land-, garten- und forstwirt-
schaftliche Zwecke; Düngemittel; Land-, garten- und forstwirtschaftliche
Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit in Klasse 31 enthalten; Säme-
reien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen; Dienstleistungen im
Bereich der Land-, Garten- oder Forstwirtschaft“

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nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist; die Mar-
kenstelle hat die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 Mar-
kenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem
Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder
Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeich-
net und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B.
EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611
(Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you;
GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido;
GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Da allein das Fehlen jegli-
cher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen,
so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutz-
hindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you;
GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat;
GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der be-
teiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels
und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen
ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens
(vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen
im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH
GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271,
- 9 -
Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR
2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417,
418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001,
1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen
der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa
wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Me-
dien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden
(vgl. u.a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003,
1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zei-
ten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen,
die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienst-
leistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreiben-
der Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100,
Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von schlagwortartigen Wortkombina-
tionen wie die hier vorliegende Bezeichnung Grün ist Leben sind keine strenge-
ren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012,
914, Nr. 25 - WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH; GRUR 2010, 228,
Nr. 36 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 32, 44 - DAS PRINZIP
DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 949, Nr. 12 - My World; BGH
GRUR 2009, 778, Nr. 12 - Willkommen im Leben). Es wäre daher unzulässig,
besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft er-
setzen oder von ihm abweichen (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 38 - Vorsprung
durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 35, 36 - DAS PRINZIP DER
BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasie-
voll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und da-
mit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH GRUR 2010,
228, Nr. 39 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 31, 32 - DAS
PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Ver-
nunft). So kann selbst dann, wenn die jeweilige Marke zugleich oder sogar in ers-
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ter Linie als Werbeslogan aufgefasst wird, deren Schutzfähigkeit in Betracht kom-
men, sofern sie zugleich auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen aufgefasst wird (vgl. EuGH GRUR 2010,
228, Nr. 45 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Andererseits ist jedoch zu be-
rücksichtigen, dass Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht
notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie andere Markenkatego-
rien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion
ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die angesprochenen Kreise
aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienst-
leistungen schließen. Bei nach Art eines Slogans gebildeten Wortfolgen wird der
Verkehr diese daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Ge-
genstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. EuGH
GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH
GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2002, 1070,
1071 - Bar jeder Vernunft; EuG GRUR Int. 2003, 834, 835 f. - Best buy; GRUR
Int. 2004, 944, 946 - Mehr für Ihr Geld). Nicht unterscheidungskräftig sind demzu-
folge spruchartige Wortfolgen, die lediglich in sprach- oder werbeüblicher Weise
eine beschreibende Aussage über die von der Marke erfassten Waren und
Dienstleistungen enthalten oder sich in Anpreisungen und Werbeaussagen allge-
meiner Art erschöpfen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, Nr. 35 - DAS PRINZIP DER
BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE,
GLOBAL POWER; BGH GRUR 2001, 735, 736 - Test it.).

Diese Grundsätze werden durch die Entscheidung des EuGH in GRUR 2010, 228
- VORSPRUNG DURCH TECHNIK nicht entscheidend modifiziert. Auch danach
setzt die Bejahung der Unterscheidungskraft unverändert voraus, dass das Zei-
chen geeignet sein muss, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von
einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (vgl. EuGH GRUR
2010, 228, Nr. 44 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Letzteres kann insbeson-
dere dann der Fall sein, wenn die jeweilige Marke nicht nur in einer gewöhnlichen
Werbemitteilung besteht, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz auf-
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weist, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den ange-
sprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH GRUR 2010,
228, Tz. 57 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK).
2. Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke Grün ist Leben
teilweise, nämlich in Bezug auf die vorgenannten Waren und Dienstleistungen jeg-
liche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Marken, nicht hingegen
in Bezug auf die im Tenor aufgeführten Waren und Dienstleistungen.

a. Der Senat ist mit der Anmelderin der Auffassung, dass die Wortfolge Grün
ist Leben in Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht
schon von Hause so eindeutig rein werbemäßig ist, dass erwartet werden muss,
die angemeldete Marke werde ausschließlich als Werbeslogan ohne Herkunfts-
funktion verstanden.

Die angemeldete Wortfolge ist sprachüblich aus Grundwörtern der deutschen
Sprache gebildet.

Zutreffend hat die Markenstelle festgestellt, dass der am Beginn der Wortfolge
stehende Begriff „Grün“ über seine Bedeutung als Farbangabe hinaus symbolisch
für „Natur“ und „Natürlichkeit“ steht und als Synonym für „biologisch-dynamisch,
naturverbunden, ökologisch, umweltbewusst“ verwendet wird (vgl. DUDEN, Das
Synonymwörterbuch, 3. Aufl. 2004 S. 455). Darüber hinaus kommt dem Begriff
„Grün“ auch eine substantivische Bedeutung („das Grün“) als umgangssprachliche
Bezeichnung für „Pflanzen“ bzw. „grünende Pflanzenteile“ zu (vgl. DUDEN , Deut-
sches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015 S. 763; DUDEN, Das Bedeutungswör-
terbuch 4. Aufl. 2010, S. 459).

In der angemeldeten Wortfolge wird die Farbangabe „Grün“ durch das Verb „ist“
formal in einen allgemeinen Bezug zu dem Substantiv „Leben“ gesetzt. Wenn-
gleich die Begriffe sich ihrem Wortsinn nach nicht zu einer inhaltlich klaren und
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eindeutigen Aussage ergänzen, so fehlt ihr andererseits auch nicht jeder Sinnbe-
zug.

So liegt bei den zu den Klassen 1 und 31 beanspruchten Waren „Chemische Er-
zeugnisse für gewerbliche, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Dünge-
mittel; Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner,
soweit in Klasse 31 enthalten; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blu-
men“ sowie bei den zu Klasse 44 beanspruchten „Dienstleistungen im Bereich der
Land-, Garten- oder Forstwirtschaft“, welche umgangssprachlich als „Grün“ be-
zeichnete Pflanzen zum Gegenstand haben bzw. dafür bestimmt sein können, die
Vorstellung nahe, dass dem so bezeichneten „Grün“ in irgend einer Art und Weise
eine Bedeutung für das „Leben“ allgemein oder auch für die individuelle Lebens-
gestaltung zukommt. Allerdings steht dieser beschreibende Aussagegehalt bei der
Wortfolge nicht im Vordergrund, sondern wird dem Publikum nach Art eines spre-
chenden Zeichens in eher vager und unterschwelliger Form nahegebracht. Solche
suggestiven Andeutungen nehmen einer Marke grundsätzlich nicht die erforderli-
che Unterscheidungskraft (vgl. BPatG GRUR 2004, 333 - ZEIG DER WELT DEIN
SCHÖNSTES LÄCHELN [schutzfähig u. a. für Zahnputzmittel]; EuG GRUR 2001,
332, 333 f. Nr. 23 und Rn. Nr 29 f. - VITALITE).

Soweit bei den übrigen in Klasse 31 beanspruchten Waren „lebende Tiere; fri-
sches Obst und Gemüse; Futtermittel, Malz“ sowie den weiteren im Tenor aufge-
führten Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 5, 42 und 44 ein Verständnis
von „Grün“ als Synonym für „biologisch-dynamisch, naturgemäß, naturverbunden,
ökologisch, umweltbewusst, alternativ“ in Betracht kommt, bedarf es ebenfalls ei-
niger Überlegung, um die Wortfolge Grün ist Leben insoweit als werbemäßigen
Hinweis darauf zu verstehen, dass die Waren z. B. unter Anwendung ökologi-
scher/umweltverträglicher und damit „grüner“ Produktionsmethoden hergestellt
sind und daher zu einer ökologischen Ernährungsweise beitragen bzw. die
Dienstleistungen ihrem Gegenstand und Inhalt nach ökologisch ausgerichtet
und/oder unbedenklich sind und daher Bestandteil eines umverträglichen Lebens
- 13 -
sind. Die angemeldete Marke erfordert daher einen gewissen Interpretationsauf-
wand, um zu ihrem beschreibenden Aussagegehalt vorzudringen. Mag der Inter-
pretationsaufwand insoweit auch insgesamt eher moderat sein, so spricht dies
letztlich aber dafür, dass die betriebliche Herkunftsfunktion nicht völlig in den Hin-
tergrund tritt und der angemeldeten Marke zumindest nicht jede Unterscheidungs-
kraft fehlt, mag sie auch in erster Linie als Werbemittel aufgefasst werden (EuGH
a. a. O. - Vorsprung durch Technik).

b. Jedoch belegt die seitens der Markenstelle durchgeführte und dem Anmel-
der mit dem Beanstandungsbescheid vom 6. September 2011 übermittelte Inter-
netrecherche zu Grün ist Leben (Bl. 24 bis 28 der Amtsakte), dass diese Wort-
folge bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht allein durch den Anmelder selbst
oder mit ihm verbundene Unternehmen, sondern in erheblichem Umfang auch
durch Mitbewerber jedenfalls in Zusammenhang mit Zimmer- und Zierpflanzen
verwendet wurde, um in werblich-anpreisender Form die Bedeutung dieser als
„Grün“ bezeichneten Pflanzen für das Leben allgemein wie auch für die individu-
elle Lebensgestaltung bzw. das eigene Lebensgefühl hervorzuheben (vgl.
www.gerhardt-blumen.de, Bl. 26 VA: Grün ist Leben – Raumbegrünung, Grün
macht aus Räumen Lebens(t)räume“ sowie „heidelberg.de-stadtgärtnerei“, Bl. 27
VA: „Grün ist Leben – Ausbildung als Gärtnerin, Fachrichtung Garten- und Land-
schaftsbau“; ferner die der Anmelderin zu der Wortfolge „Grün ist Leben“ übermit-
tele Google-Recherche Bl. 25 VA zu grünistleben.com: HERZLICH
WILLKOMMEN BEI GRÜN IST LEBEN – Innenraumbegrünung & Garten- und
Landschaftsbau“ sowie Bl. 24 unter www.guennemann-galabau.de: „Günnemann
– Garten und Landschaftsbau / Grün ist Leben in Planung, Saat und Pflege“).

Vor dem Hintergrund dieser belegbaren Verwendung ist die Wortfolge Grün ist
Leben dann aber jedenfalls im Zusammenhang mit denjenigen beanspruchten
Waren, die Zimmer- und Zierpflanzen zum Gegenstand haben können, und bei
den Dienstleistungen, die darauf bezogen sein können, nicht unterscheidungs-
kräftig. Denn wenn das angesprochene Publikum – hier Fachleute oder normal
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informierte und verständige Durchschnittsverbraucher - bei diesen Waren und
Dienstleistungen mit dem beanspruchten Slogan seitens einer größeren Anzahl
von Anbietern und Mitbewerbern aus dem land-, garten- und forstwirtschaftlichen
Bereich konfrontiert ist, kann sich hieran keine individuelle betriebliche
Herkunftsvorstellung mehr knüpfen. Das Zeichen hat dann insoweit seine von
Hause aus gegebene – ohnehin eher geringe - Unterscheidungskraft verloren und
erschöpft sich in einer werbeüblichen Anpreisung, ohne einen über diese Werbe-
funktion hinausreichenden Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren bzw.
Dienstleistungen zu vermitteln.

Ausgehend davon ist der angemeldeten Wortfolge dann aber die Eintragung für
die Waren „Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse; lebende Pflanzen
und natürliche Blumen“ zu versagen, da Pflanzen, speziell Zimmer- und Zierpflan-
zen, unter die vorgenannten weiten Warenoberbegriffe fallen. Dies gilt ferner für
die zu Klasse 1 beanspruchten Waren „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche,
land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke“, sowie „Düngemittel“, da diese für
solche Pflanzen bestimmt sein können. Die „Dienstleistungen im Bereich der
Land-, Garten- oder Forstwirtschaft“ der Klasse 44 können sich ihrem Gegenstand
und Inhalt nach auf solche Pflanzen beziehen. Unerheblich ist, dass die Waren-
und Dienstleistungsoberbegriffe nicht auf Zimmer- und Zierpflanzen beschränkt
sind. Denn die Eintragung für einen Oberbegriff ist bereits dann ausgeschlossen,
wenn sich auch nur für eine spezielle darunter fallende Ware ein Eintragungshin-
dernis ergibt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rdnr. 99).

Der angemeldeten Bezeichnung fehlt es auch in Bezug auf „Samenkörner, soweit
in Klasse 31 enthalten“ sowie hinsichtlich der „Sämereien“ an Unterscheidungs-
kraft. Denn diese weisen als ein „aus der Blüte einer Pflanze sich entwickelndes
Gebilde, aus dem sich eine neue Pflanze entwickeln kann“ (vgl. DUDEN-Online zu
„Samen“) einen so engen Bezug zu „Pflanzen“ und damit zum „Grün“ auf, dass es
naheliegt, ein durch die Verwendung dieser Wortfolge für Zimmer- und/oder Zier-
- 15 -
pflanzen begründetes werblich-anpreisendes Verständnis für Pflanzen auch auf
deren Samen zu erstrecken.

Dies gilt hingegen nicht in Bezug auf in Bezug auf die zu Klasse 31 beanspruchte
Ware „frisches Gemüse“. Denn ein ausschließlich werbesprachlicher Gebrauch
zum Zeitpunkt der Anmeldung lässt sich lediglich für Zimmer- und/oder Zierpflan-
zen, nicht jedoch für „Gemüse“ als Sammelbegriff für essbare Pflanzenteile wild
wachsender oder in Kultur genommener Pflanzen
(https://de.wikipedia.org/wiki/Gem%C3%BCse) nachweisen. Zudem bestehen
erhebliche Unterschiede zu Zimmerpflanzen hinsichtlich Bestimmungs- und Ver-
wendungszweck, so dass es für den Verkehr – anders als bei den vorgenannten
Waren „Samenkörner, soweit in Klasse 31 enthalten; Sämereien“ - nicht naheliegt,
das durch die Verwendung für Zimmer- und/oder Zierpflanzen begründete werbe-
mäßige Verständnis ohne weiteres auch auf „frisches Gemüse“ zu übertragen.

Dies gilt weiterhin für die Ware „frisches Obst“, da es sich hierbei nicht um
„Pflanzen“, sondern um Früchte handelt, die von Bäumen, Sträuchern und
mehrjährigen Stauden stammen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Obst), so dass
diese Waren vom Verkehr jedenfalls nicht ohne weiteres unter den Begriff „Grün“
i. S. von „Pflanzen“ bzw. „grünende Pflanzenteile“ subsumiert werden.


III.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht dem Anmelder das Rechtsmittel der Rechtsbe-
schwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie
nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
- 16 -
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Hacker Merzbach Meiser

prö


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