30 W (pat) 803/16  - 30. Senat (Marken/Design)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




30 W (pat) 803/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Designnichtigkeitssache



- 2 -
betreffend das eingetragene Design 40 2015 000 414 - 0001
(hier: Nichtigkeitsverfahren N 10/15)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts in der Sitzung vom 12. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegne-
rin auferlegt.


G r ü n d e

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des eingetragenen Designs
40 2015 000 414-0001.

Gegen das Design hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16. April 2015 An-
trag auf Feststellung der Nichtigkeit gestellt. Der Nichtigkeitsantrag wurde der An-
tragsgegnerin am 15. Mai 2015 mittels Postzustellungsurkunde durch Einlegen in
den Briefkasten der Geschäftsräume zugestellt.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2015 teilte das Deutsche Patent- und Markenamt der
Antragsgegnerin mit, dass die Nichtigkeit des Designs gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2
DesignG festzustellen sei, da die Antragsgegnerin innerhalb der gesetzlichen Frist
von einem Monat keinen Widerspruch eingelegt habe.

- 3 -
Ausweislich einer in der Amtsakte befindlichen Gesprächsnotiz (Bl. 17 VA) rief am
29. Juni 2015 eine „Frau K…“ in der Geschäftsstelle der Designabteilung des
Deutschen Patent- und Markenamts an und erklärte, dass trotz Ablaufs der Wider-
spruchsfrist Widerspruch eingelegt werden solle.

Die Antragsgegnerin hat dem Nichtigkeitsantrag zunächst per E-Mail vom
9. Juli 2015 sowie mit einem per Fax am 15. Juli 2015 eingegangenen Schriftsatz
ihres Verfahrensbevollmächtigten widersprochen und gleichzeitig Wiedereinset-
zung gegen die Versäumung der Frist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 DesignG bean-
tragt.

Zum Wiedereinsetzungsantrag trägt die Antragsgegnerin unter Vorlage einer als
Anlage 1 in Kopie eingereichten eidesstattlichen Versicherung einer Frau
H… (Bl. 22 VA) vor, die Geschäftsführerin Frau P… sei von
Mitte Mai bis Anfang Juli 2015 aus persönlichen Gründen verhindert gewesen, den
Firmenbriefkasten in Esslingen zu leeren. Hierzu habe Frau P… die an-
sonsten zuverlässige Frau H…, wohnhaft in M…, be-
auftragt. Frau H… habe jedoch die Mitteilung über den Nichtigkeitsantrag
zusammen mit weiteren Briefen im Handschuhfach ihres Fahrzeuges vergessen
und erst Anfang Juli 2015 an Frau P… übergeben.

Die Designabteilung 3.5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in der Sit-
zung vom 27. August 2015 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zurückgewiesen und die Nichtigkeit des eingetragenen Designs 402015000414-
0001 festgestellt. Beratung und Ergebnis der Sitzung wurden in einer Niederschrift
protokolliert (Bl. 32 VA), welche von der Leitenden Regierungsdirektorin S…
als Vorsitzende der Designabteilung sowie der Regierungsdirektorin Dr. W…
und dem Regierungsdirektor K1… unterzeichnet wurde. Der dazu ausweislich
des Rubrums „nach Beratung und Abstimmung vom 27. August 2015“ schriftlich
abgefasste Beschluss ist in seiner Urschrift von der Regierungsdirektorin Dr.
W… sowie dem Regierungsdirektor K1… unterzeichnet worden. Die Unter-
- 4 -
schrift der Vorsitzenden wurde unter dem Namen und der Unterschrift der
Regierungsdirektorin Dr. W… mit dem Zusatz „(zugleich für die nach Beratung
und Abstimmung zum Bundespatentgericht abgeordnete Vorsitzende)“ ersetzt.

In der Begründung hat die Designabteilung im Wesentlichen ausgeführt, dass die
Antragsgegnerin dem ihr am 15. Mai 2015 zugestellten Antrag auf Feststellung der
Nichtigkeit des streitgegenständlichen Designs nicht rechtzeitig innerhalb der ein-
monatigen, am 15. Juni 2015 ablaufenden Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 DesignG
widersprochen habe, sondern erst nach Ablauf der Frist am 9. Juli 2015.

Dem seitens der Antragsgegnerin dazu gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in
die versäumte Frist könne nicht stattgegeben werden. Die von ihr rechtzeitig in-
nerhalb der Zweimonatsfrist des § 23 Abs. 3 Satz 3 DesignG i. V. m. § 123 Abs. 2
PatG vorgetragenen Gründe, warum sie an der Einhaltung der Widerspruchsfrist
verhindert gewesen sei, rechtfertigten keine Wiedereinsetzung in die versäumte
Frist. Es sei nicht schlüssig dargelegt, dass die Frist unverschuldet versäumt wor-
den ist. Selbst für ein sehr kleines Unternehmen wie eine Ein-Mann-GmbH erfor-
dere es das Mindestmaß der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, dass Ge-
schäftspost regelmäßig und geordnet entgegengenommen werde, insbesondere
auch bei Verhinderung des Geschäftsführers durch Urlaub oder ein unvorherge-
sehenes Ereignis. Eine solche regelmäßige und geordnete Postannahme sei hier
nicht schlüssig dargelegt. Der Vortrag, die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin
habe Frau H… damit beauftragt, zwischen Mitte Mai und Anfang Juli 2015
den Firmenbriefkasten zu leeren und die Geschäftspost direkt der Geschäftsführe-
rin zu bringen, lasse offen, wie es dazu kam, dass in diesem Zeitraum, nämlich am
29. Juni 2015, neben Frau H… eine weitere Person, nämlich eine Frau K…,
Zugang zur Geschäftspost hatte, und warum diese weitere Person telefonisch mit
dem Deutschen Patent- und Markenamt in der anliegenden Nichtigkeitssache
Kontakt aufgenommen habe. Auch der Umstand, dass das Schreiben des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 22. April 2015, mit dem der Nichtigkeitsantrag
erstmals übersandt worden sei, nicht innerhalb der Lagerfrist bei der Post abgeholt
- 5 -
worden sei, spreche für mangelnde Sorgfalt der Antragsgegnerin bei der Organi-
sation ihrer Geschäftspost.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

Sie macht unter Bezug auf eine ebenfalls nur in Kopie eingereichte eidesstattliche
Versicherung der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin, Frau P…,
vom 16. Dezember 2015 geltend, dass die Versäumung der Widerspruchsfrist ge-
gen den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit unverschuldet gewesen sei. Bei
der Abholung der Post handele es sich nicht um eine besonders qualifizierte Tä-
tigkeit. Daher habe das Abholen der Post und die Leerung des Briefkastens an
eine zuverlässige Mitarbeiterin delegiert werden dürfen. Eine gesteigerte Kontroll-
pflicht seitens der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin habe aufgrund der ein-
fachen Tätigkeit nicht bestanden.

Ein Auswahlverschulden seitens der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin und
Antragsgegnerin liege ebenfalls nicht vor, da die ansonsten zuverlässige Frau
H… beauftragt gewesen sei, den Briefkasten der P…
GmbH zu leeren. Die im angefochtenen Beschluss der Designabteilung genannte
Frau K… sei der Antragsgegnerin bzw. ihrer Geschäftsführerin nicht bekannt. Mit
der Postentgegennahme für die Antragsgegnerin habe eine Frau K… nichts zu
tun. Ebenso wenig lasse sich ein Verschulden aus der unterbliebenen Abholung
des Schreibens des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. April 2015
herleiten, da eine Benachrichtigung bzw. Abholkarte zu diesem Schreiben nicht in
den Briefkasten am Sitz der Antragsgegnerin eingelegt worden sei. Die
Antragsgegnerin habe vielmehr erst durch den angefochtenen Beschluss von
diesem Schreiben erfahren.

- 6 -
Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss der Designabteilung 3.5 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 27. August 2015 aufzuheben und ihr Wie-
dereinsetzung in die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen
den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des eingetragenen De-
signs zu gewähren.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren
nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

A. Der angefochtene Beschluss der Designabteilung 3.5 ist mit der
ordnungsgemäßen Absendung der Beschlussausfertigung um Zwecke der Zu-
stellung an die Beteiligten gemäß § 34a Abs. 4 Satz 3 DesignG wirksam gewor-
den. Die fehlende Unterschrift der Vorsitzenden steht dem nicht entgegen.

Die Designabteilung hat in der Sitzung vom 27. August 2015 beschlossen, den
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen und die Nich-
tigkeit des eingetragenen Designs 402015000414-0001 festzustellen. Beratung
und Ergebnis der Sitzung wurde in einer Niederschrift protokolliert (Bl. 32 VA),
welche von sämtlichen an der Entscheidung beteiligten Mitgliedern der Designab-
teilung unterschrieben worden ist. Die Niederschrift steht im Einklang mit dem
später abgesetzten schriftlichen Beschluss. Damit steht aber fest, dass der Be-
schluss so getroffen und von den drei zuständigen Mitgliedern der Designabtei-
- 7 -
lung als verfahrensbeendende Entscheidung gewollt worden ist. Die Ersetzung der
Unterschrift der Vorsitzenden der Abteilung durch einen Beisitzer mit dem
Vermerk, die Vorsitzende sei wegen Abordnung zum Bundespatentgericht an der
Unterschrift verhindert, ist dann aber in entsprechender Anwendung des § 315
Abs. 1 Satz 2 ZPO zulässig (vgl. BGH GRUR 1994, 724 Nr. 11 – Spinnmaschine).

B. Zutreffend hat die Designabteilung auch die Nichtigkeit des verfahrensgegen-
ständlichen Designs ohne weitere Sachprüfung gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 De-
signG festgestellt.

1. Der unter Angabe von Tatsachen und Beweismitteln auf einen Nichtigkeits-
grund nach § 33 DesignG gestützte und damit zulässige Antrag auf Feststellung
der Nichtigkeit des Designs ist der Antragsgegnerin am 15. Mai 2015 unter Hin-
weis auf die einmonatige Widerspruchsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 DesignG
wirksam nach § 3 Abs. 2 VwZG i. V. m. § 180 ZPO zugestellt worden. Die An-
tragsgegnerin hat dem Antrag nicht bis zum Ablauf dieser Frist am 15. Juni 2015,
sondern erst per E-Mail vom 9. Juli 2015 sowie durch einen per Fax am
15. Juli 2015 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz unter gleichzeitiger Stellung
eines Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist wider-
sprochen. Zu beiden Zeitpunkten war die Widerspruchsfrist nach § 34a Abs. 2
Satz 1 DesignG bereits abgelaufen, so dass auch die Frage einer Wirksamkeit ei-
nes per E-Mail eingelegten Widerspruchs offen bleiben kann. Gemäß § 34a Abs. 2
Satz 2 DesignG war daher die Nichtigkeit des verfahrensgegenständlichen
Designs festzustellen.

2. Im Ergebnis zu Recht hat die Designabteilung auch den Antrag auf Wiederein-
setzung in die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Antrag auf Fest-
stellung der Nichtigkeit des verfahrensgegenständlichen Designs zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchs-
frist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 DesignG i. V. m. § 123 Abs. 1 PatG liegen nicht
- 8 -
vor. Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist erhält nach § 123 Abs. 1 Satz 1
PatG auf Antrag, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt gegen-
über eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen
Rechtsnachteil zur Folge hat.

a. Der Antrag in die versäumte Widerspruchsfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 De-
signG ist danach zwar statthaft, da es sich bei dieser Frist um eine gesetzliche
Frist handelt, deren Versäumung mit dem Rechtsnachteil der Feststellung der
Nichtigkeit des Designs nach verbunden sein kann (§ 34a Abs. 2 Satz 2 DesignG).

Der Antrag wurde auch innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Zweimo-
natsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG gestellt. Diese Frist beginnt dem Wegfall
des Hindernisses, d. h. des Umstands, der einer Fristeinhaltung entgegenstand.
Diese Frist ist mit dem am 15. Juli 2015 per Fax beim DPMA eingegangenen An-
trag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist unter gleichzeitiger
Nachholung der versäumten Handlung (Einlegung des Widerspruchs gegen den
Nichtigkeitsantrag) jedenfalls eingehalten worden.

b. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist jedoch unbegründet, da nicht festgestellt
werden kann, dass die Antragsgegnerin die Frist zur Einlegung des Widerspruchs
ohne Verschulden versäumt hat.

Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen
enthalten, die gleichzeitig oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen
sind (§ 123 Abs. 2 Satz 2 PatG). Das betrifft alle wesentlichen Umstände, die für
die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden
es zur Fristversäumung gekommen ist; dazu gehören vor allem auch die Um-
stände, aus denen sich ergibt, dass der Säumige oder sein Vertreter (vgl. § 51
Abs. 2 ZPO) frei von Verschulden ist. Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt,
wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall
zumutbar war. Dies kann vorliegend jedoch nicht festgestellt werden.
- 9 -
Zwar musste die Antragsgegnerin ausweislich der Aktenlage nicht mit der Zustel-
lung eines Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit des verfahrensgegenständli-
chen Designs rechnen. Denn nach ihrem Vortrag in der Beschwerdebegründung
hat sie keine Benachrichtigung zur Abholung des zunächst mit Schreiben vom
22. April 2015 (Bl. 9 d. A.) per Einschreiben übersandten Antrags auf der Post-
stelle erhalten bzw. im Geschäftsbriefkasten vorgefunden. Da die Antragsgegnerin
danach auch erstmalig mit dem angefochtenen Beschluss von dem Schreiben
vom 22. April 2015 erfahren hat, ist ihr Vortrag dazu auch nach Ablauf der Wie-
dereinsetzungsfrist zulässig.

Auch trifft jedenfalls eine „natürliche“ Partei, welche nicht mit der Zustellung einer
Klage bzw. eines Antrags rechnen muss, kein Verschulden, wenn sie aufgrund
von (längerer) Abwesenheit keine Kenntnis von zugestellten Schriftstücken erhält,
da sie grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass sie
auch während der Dauer der Abwesenheit in die Lage versetzt wird, von zuge-
stellten Schriftstücken Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH NJW 1986, 2958).

Darauf kann die Antragsgegnerin sich jedoch nicht berufen. Insoweit zu beachten,
dass nach § 13 Abs. 3 GmbHG jede GmbH wie die Antragsgegnerin als
Handelsgesellschaft i. S. des § 6 Abs. 1 HGB gilt, und zwar unabhängig vom
Unternehmensgegenstand. Ein kaufmännisches Unternehmen muss jedoch dafür
Sorge tragen, dass Posteingänge auch während der Erkrankung und/oder Abwe-
senheit des Geschäftsführers bearbeitet werden (BGH VersR 1987, 561;
MüKO/ZPO-Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rdnr. 37). Zutreffend weist daher die Design-
abteilung darauf hin, dass die Antragsgegnerin als Formkaufmann nach § 6 HGB
gehalten war, im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs dafür Sorge
zu tragen, dass Geschäftspost regelmäßig und geordnet entgegengenommen und
der gesetzlichen Vertreterin (Geschäftsführerin) übergeben wird. Dies gilt jeden-
falls bei Verhinderung des Geschäftsführers über einen Zeitraum von ca.
1,5 Monaten, wie es vorliegend der Fall war. Auch wenn die Antragsgegnerin nicht
speziell mit der Zustellung eines Antrags auf Löschung des verfahrensgegen-
- 10 -
ständlichen Designs rechnen musste, entspricht es im Hinblick darauf, dass bei
einem kaufmännischen Geschäftsbetrieb regelmäßig mit Posteingang zu rechnen
ist, der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, jedenfalls bei einer längeren Ver-
hinderung bzw. Abwesenheit des gesetzlichen Vertreters im Geschäftsbetrieb
Vorkehrungen zu treffen, die eine Kenntnisnahme der Geschäftspost durch die
gesetzlichen Vertreter ermöglichen.

Solche Vorkehrungen können - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist -
auch darin bestehen, während der Dauer der Abwesenheit des gesetzlichen Ver-
treters eine hinreichend zuverlässige Person damit zu beauftragen, den Briefkas-
ten zu leeren und die Post bei dem Auftraggeber vorbeizubringen. In diesem Fall
muss der Auftraggeber wie vorliegend die Antragsgegnerin grundsätzlich auch
nicht für schuldhaftes Verhalten der beauftragten Person einstehen. Dies ver-
stieße gegen § 85 Abs. 2 ZPO, wonach allein das Handeln von Bevollmächtigten
zugerechnet werden kann. Eine Bevollmächtigung stellt die Bitte um Leerung des
Briefkastens nicht dar (vgl. BGH NJW-RR 2000, 444 Nr. 18 sowie NJW-RR 2008,
218, 220). Fehler von Angestellten einer Partei bzw. eines Verfahrensbeteiligten
begründen daher eine Wiedereinsetzung, solange keine Eigenverantwortlichkeit
hinzutritt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 233 ZPO Rdnr. 16).

Dass es an einer solchen ein Verschulden ausschließenden Eigenverantwortlich-
keit der Antragsgegnerin an der Fristversäumung fehlt, diese daher die Frist zur
Einlegung des Widerspruchs ohne Verschulden versäumt hat, lässt sich jedoch
auf Grundlage des Vorbringens der Antragsgegnerin nicht feststellen.

Die Antragsgegnerin hat zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs unter
Vorlage einer als Anlage 1 eingereichten eidesstattlichen Versicherung einer Frau
H… lediglich vorgetragen, die Geschäftsführerin Frau P… sei
von Mitte Mai bis Anfang Juli 2015 aus persönlichen Gründen verhindert gewesen,
den Firmenbriefkasten in Esslingen zu leeren. Hierzu habe Frau P… die
ansonsten zuverlässige Frau H…, wohnhaft in M…,
- 11 -
beauftragt. Frau H… habe jedoch die Mitteilung über den Nichtigkeitsantrag
zusammen mit weiteren Briefen im Handschuhfach ihres Fahrzeuges vergessen
und erst Anfang Juli 2015 an Frau P… übergeben.

Angaben zum Grund der Verhinderung fehlen danach ebenso wie solche zur Per-
son der Frau H…, insbesondere was deren Aufgabe und/oder Stellung im
Betrieb der Antragsgegnerin betrifft und Rückschlüsse auf deren „Zuverlässigkeit“
erlauben würde. Dies wäre aber erforderlich gewesen. Denn auch wenn insoweit
keine besonderen Anforderungen an Ausbildung, Qualifikation etc. eines mit der
Leerung des Briefkastens und Sortierung bzw. Übergabe der Geschäftspost Be-
auftragten zu stellen sind, ist bei einem kaufmännischen Betrieb wie der Antrags-
gegnerin zur Sicherung einer zuverlässigen Kenntnisnahme der Geschäftspost
gleichwohl erforderlich, dass zumindest ein Betriebsangehöriger bzw. eine mit
dem Geschäftsbetrieb hinreichend vertraute Person damit beauftragt wird, nicht
hingegen eine Person, welche nur gelegentlich oder aus anderen, nicht dem Ge-
schäftsbetrieb zugehörigen Gründen, die Geschäftsräume aufsucht, wie es z. B.
bei einer Reinigungskraft der Fall wäre. Zu Stellung und Aufgabenkreis von Frau
H… im Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin, welche Rückschlüsse auf de-
ren „Zuverlässigkeit“ erlauben würden, hat die Antragsgegnerin jedoch nichts vor-
getragen.

Vor allem jedoch erlaubt der pauschale Vortrag der Antragsgegnerin keine Fest-
stellungen dazu, ob Frau H… den ihr erteilten Auftrag in der Zeit nach dem
15. Mai 2015 auch in einer Weise ausgeführt hat, dass die Antragsgegnerin bzw.
ihre gesetzliche Vertreterin darauf vertrauen durfte, dass eingehende Geschäfts-
post abgeholt und ihr übergeben wird, so dass seitens der Antragsgegnerin auch
kein Anlass bestand, sich selbst oder anderweitig um den Eingang der Post im
Geschäftsbriefkasten zu kümmern.

Es fehlen jegliche Angaben, ob, wann und wie Frau H… die ihr übertragene
Aufgabe ausgeführt hat. Es ist bereits nicht ersichtlich, ob Frau H… nach Ab-
- 12 -
holung des gleich zu Beginn ihres Auftrags zugestellten Antrags am 15. Mai 2015
in der Zeit danach überhaupt noch Post abgeholt und übergeben hat. In der (nicht
formgerechten) eidesstattlichen Versicherung der Frau H… vom 5. Juli 2015
(Bl. 22 VA) versichert diese zwar, dass sie den ihr erteilten Auftrag „erledigte“;
wann und wie oft dies geschah, kann der eidesstattlichen Versicherung aber nicht
entnommen werden. Ebenso lässt ihre – mit dem Vortrag der Antragsgegnerin in
der E-Mail vom 9. Juli 2015 (Bl. 18 VA) übereinstimmende – Einlassung, dass sie
„einige Briefe“ im Handschuhfach vergessen habe, nicht erkennen, ob es sich um
„einige“ Briefe aus einer oder verschiedenen Briefkastenleerungen handelte. Auch
soweit die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin in ihrer im Beschwerdeverfah-
ren ebenfalls nur in Kopie eingereichten eidesstattlichen Versicherung vom
16. Dezember 2015 (Bl. 12 d. A.) ausführt, dass Frau H… während der Dauer
ihrer Abwesenheit mindestens 1x wöchentlich den Briefkasten leeren und die Post
zu ihr bringen sollte, bleibt offen, ob und ggf. wann und wie Frau H… diesem
Auftrag nachgekommen ist.

Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin bleibt daher völlig unklar, wie sich im
Einzelnen die Auftragsdurchführung durch Frau H… gestaltete, ja sogar, ob
es überhaupt im Zeitraum zwischen dem 15. Mai 2015 und dem 1. Juli 2015 zu
einer Übergabe von Geschäftspost an die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin
gekommen ist.

Unklar bleibt nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin weiterhin – worauf die
Designabteilung in dem angefochtenen Beschluss zu Recht hinweist –, was es mit
dem Anruf auf der Geschäftsstelle der Designabteilung am 29. Juni 2015 auf sich
hatte. Zwar entspricht der Vortrag der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren,
dass eine Frau K… in ihrem Unternehmen nicht tätig ist bzw. zum fraglichen
Zeitpunkt nicht tätig war und daher auch nicht am 29. Juni 2015 auf der Ge-
schäftsstelle angerufen habe, offenbar den Tatsachen, da der Akte keinerlei Hin-
weise entnommen werden können, dass eine Frau K… in irgendeiner Beziehung
zur Antragsgegnerin steht. Dieser Name ist vielmehr lediglich auf der Zustellungs-
- 13 -
urkunde vom 15. Mai 2015 als Name der Zustellerin (K…) vermerkt, so
dass es sich bei Aufnahme dieses Namens in die Gesprächsnotiz vom
29. Juni 2015 offenbar um ein Missverständnis bzw. einen Irrtum handelt.

Aber auch wenn der Name des Anrufers/der Anruferin nicht korrekt in der Ge-
sprächsnotiz vermerkt wurde, bleibt aufgrund der in dem Vermerk notierten Ruf-
nummer der Antragsgegnerin … festzustellen, dass an diesem
Tage vom Telefonanschluss der Antragsgegnerin angerufen wurde und ausweis-
lich der Gesprächsnotiz ein Rückruf an die Antragsgegnerin erfolgte. Dies hat die
Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung auch nicht bestritten, sich jedoch
nicht weiter dazu erklärt, wer diesen Anruf getätigt hat. Erfolgte aber bereits am
29. Juni 2015 ein Anruf aus dem Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin bei der
Geschäftsstelle, ist jedenfalls nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wieso die An-
tragsgegnerin bzw. deren Geschäftsführerin erst am 1. Juli 2015 vom Antrag
Kenntnis bekommen haben sollen, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen.

Weder lässt sich aus einem derart unsubstantiierten Vortrag der äußere Gesche-
hensablauf, der zur Versäumung der Frist geführt haben soll, hinreichend nach-
vollziehen, wenn jede Information zu Gestaltung und Durchführung des erteilten
Auftrags durch Frau H… fehlt, noch enthält der Begriff der „Zuverlässigkeit“
irgendwelche Angaben und Informationen zur Prüfung der Verschuldens- und Zu-
rechnungsfrage (vgl. dazu BGH NJW 2012, 428 Nr. 22). Ist aber die Möglichkeit
einer verschuldeten Fristversäumung gegeben, kann Wiedereinsetzung in den vo-
rigen Stand nicht gewährt werden (BGH NJW 1996, 319, Zöller-Greger, ZPO,
31. Aufl., § 233 Rdnr. 22d).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23 Abs. 4 Satz 4 DesignG i. V. m. § 84
Abs. 2 Satz 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.

- 14 -
III.
Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Hacker Merzbach Meiser

Pr


Full & Egal Universal Law Academy