30 W (pat) 705/17  - 30. Senat (Marken/Design)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:100817B30Wpat705.17.0


BUNDESPATENTGERICHT




30 W (pat) 705/17
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache





betreffend das Design …
(hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts in der Sitzung vom 10. August 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


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G r ü n d e :

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für
die Anmeldung eines Designs.

Am 24. Juli 2015 meldete der Antragsteller das verfahrensgegenständliche Design
zur Eintragung in das Designregister an und beantragte die Gewährung von
Verfahrenskostenhilfe für die Anmeldegebühren.

Die Wiedergabe des angemeldeten Designs zeigt die Fotografie des Intimbereichs
einer Frau, auf welchem eine Weltkarte aufgezeichnet ist. An diesen Intimbereich
greift die Hand einer Frau und steckt einen Finger in dessen Scheide. Auf der
Darstellung sind außerdem verschiedene deutsche Wörter, Zahlen und grie-
chische Schriftzeichen sowie diverse Symbole und Sonderzeichen zu sehen. Die
Zeichen, welche die Scheide umgeben, sind in Weiß hervorgehoben. Als
Erzeugnisangabe gab der Antragsteller „…“ an.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2017 hat die Designstelle des Deutschen Patent-
und Markenamtes den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe
zurückgewiesen, da keine hinreichende Aussicht auf Eintragung des angemel-
deten Designs in das Designregister bestehe. Zur Begründung hat sie ausgeführt,
das angemeldete Design stelle einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG dar, so dass ein Eintragungshindernis nach § 18
DesignG vorliege. Durch die Darstellung des weiblichen Intimbereichs, welche den
Gesamteindruck des angemeldeten Designs maßgeblich bestimme, werde sich
ein beachtlicher Teil des Publikums in seinem Scham- und Sittlichkeitsgefühl
verletzt fühlen. Die weibliche Hand, die an den Intimbereich fasse und einen
Finger in die Scheide stecke, vermittele den Eindruck einer sexuellen Handlung
und verstärke damit die anstößige, die Frau zum bloßen Sexualobjekt
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herabwürdigende Wirkung. Die auf der Fotografie abgebildeten Schriftzeichen und
die graphischen Elemente in Form einer Weltkarte seien nicht geeignet, diesen
Eindruck zu mildern. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers verhelfe seinem
Antrag nicht zum Erfolg. Die von ihm in Bezug genommenen Grafiken der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Thematik „Selbstbefriedigung“
seien mit dem verfahrensgegenständlichen Design nicht vergleichbar. Vermeint-
lich vergleichbare Voreintragungen entfalteten nach der Rechtsprechung keine
Bindungswirkung. Zuletzt könne auch die Erzeugnisangabe „…“ dem
angemeldeten Designs nicht zur Eintragungsfähigkeit verhelfen. Das Eintra-
gungshindernis der Sittenwidrigkeit greife unmittelbar, soweit der Inhalt der
Wiedergabe der Designs wie hier aus sich heraus - also verwendungs-
unabhängig - wegen seiner besonderen Anstößigkeit die Unzulässigkeit erkennbar
mache.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 21. März 2017 „Widerspruch“
erhoben, mit dem er sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Designstelle vom 13. Februar 2017 aufzuheben.

Zur Begründung trägt er vor, bei dem verfahrensgegenständlichen Design handele
es sich um eine philosophische sowie didaktische Arbeit, die mit der
„Wiedergeburt der Rückkehr“ zu tun habe, also mit zwei göttlichen Symbolen,
nämlich Erde und Frau. Das angemeldete Design stehe damit im Kontext der Welt
und der Entstehung des menschlichen Lebens. Die Markenstelle habe in der
Darstellung des Designs einzelne Elemente übersehen, so insbesondere den
Kreis („O“), welcher symbolisch für ein Spermium (als Lebenszeichen) stehe.
Durch die Darstellung solle die „Wiedergeburt“ hervorgehoben werden, was
natürlich mit der Frau, dem Liebesakt sowie der „Reizung durch den Sex“
zusammenhänge. Dies sei nicht sexuell anstößig.

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Im Verfahren vor der Designstelle hat der Antragsteller zudem auf zwei Designs,
welche bereits im Jahr 2014 unter dem Aktenzeichen … in das
Register eingetragen wurden, sowie auf Grafiken, welche von der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung mit ihrem Internetangebot „Zanzu“ zu der Thematik
„Selbstbefriedigung“ herausgegeben worden seien, Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Das als Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe auszu-
legende Rechtsmittel des Antragstellers ist gemäß §§ 24, 23 Abs. 4 DesignG
i. V. m. § 135 Abs. 3 PatG zulässig. In der Sache hat es jedoch keinen Erfolg. Zu
Recht und mit zutreffender Begründung hat die Designstelle den Antrag auf
Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Anmeldegebühr zurückgewiesen.

Nach § 24 Satz 1 DesignG kann einem Anmelder auf Antrag unter entsprechender
Anwendung der §§ 114 bis 116 ZPO Verfahrenskostenhilfe für das
Designeintragungsverfahren nur gewährt werden, wenn hinreichende Aussicht auf
Eintragung des angemeldeten Designs in das Designregister besteht. Vorliegend
fehlt es jedoch an jeglicher Erfolgsaussicht, da das angemeldete Design
offensichtlich einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3
DesignG darstellt, so dass ein Eintragungshindernis nach § 18 DesignG vorliegt.


1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG sind vom Designschutz ausgeschlossen
Designs, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.

a) Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist, wie auch nach den Parallel-
bestimmungen der anderen gewerblichen Schutzrechte und im sonstigen Recht,
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dann anzunehmen, wenn das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden
verletzt ist (vgl. BGHZ 10, 228, 232). Dies ist dann der Fall, wenn das Design
geeignet ist, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu
verletzen, indem es etwa in sittlicher, politischer oder religiöser Hinsicht anstößig
oder herabwürdigend wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellt (BGH
GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY TO FUCK; Günther/Beyerlein, DesignG, 3. Aufl.
2015, § 3 Rn. 19). Maßgeblich ist insoweit die Sicht eines durchschnittlichen
Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, wobei nicht nur die Ver-
kehrskreise zu berücksichtigen sind, an die sich die Erzeugnisse unmittelbar
richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Design im Alltag zufällig
begegnen (BGH GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY TO FUCK; EuG GRUR Int.
2012, 247, Rn. 18 - PAKI; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19).

Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich die jeweils geltenden durchschnittlichen
sittlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise mit der Zeit auch wandeln
können; eine übertrieben laxe oder besonders feinfühlige bzw. strenge
Anschauung ist nicht zu berücksichtigen (BGH GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY
TO FUCK; BPatG GRUR 2000, 1026, 1027 - Penistrillerpfeife; BPatGE 46, 225,
228 - Vibratoren; BPatG Mitt. 1983, 156 - Schoasdreiber; siehe auch Eichmann/v.
Falckenstein/Kühne, Designgesetz, 5. Aufl. 2015, § 3 Rn. 18; Günther/Beyerlein,
a. a. O., § 3 Rn. 19). Auch darf die Prüfung des Schutzversagungsgrundes nicht in
einer Geschmackszensur bestehen. Insgesamt ist daher Zurückhaltung bei der
Annahme von Verstößen dieser Art angebracht (BPatGE 46, 225, 228 - Vibra-
toren; BPatG Mitt. 2006, 88 - Flasche in Form eines Sperma). Für die Annahme
eines Sittenverstoßes muss vielmehr das sittliche Empfinden eines beachtlichen
Teils des Verkehrs verletzt sein (Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3
Rn. 18; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19).

b) Ausgehend hiervon ist ein Verstoß gegen die guten Sitten wegen sexueller
Anstößigkeit aufgrund der fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen
über Sitte und Moral nur selten anzunehmen (Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3
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Rn. 19). Entsprechend den heute herrschenden durchschnittlichen Anschauungen
reichen alleine ein sexueller Bezug des Designs bzw. eine gewisse Peinlichkeit
oder Anstößigkeit als solche nicht aus, damit sich ein beachtlicher Teil des
Verkehrs in seinem sittlichen Empfinden verletzt fühlt (BPatG Mitt. 2006,
88 - Flasche in Form eines Sperma; Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3
Rn. 18; Günther/Beyerlein, a. a. O., § 3 Rn. 19).

Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist aber dann überschritten, wenn Designs einen
diskriminierenden, die Menschenwürde verletzenden Eindruck vermitteln, sei es in
der Art ihrer bestimmungsmäßigen Verwendung oder in der Art der Darstellung
(z. B. wenn sie Frauen als beliebige Sexualobjekte darstellen, vgl. BGH GRUR
1995, 592, 595 - Busengrapscher) oder wenn Sexuelles in reißerischer, grob
aufdringlicher Weise in den Vordergrund gerückt ist oder überwiegend auf die
Erregung sexueller Reize abgezielt wird (BPatGE 46, 225, 229 - Vibratoren;
Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 18; Günther/Beyerlein, a. a. O.,
§ 3 Rn. 19).


2. In Anwendung der dargelegten Grundsätze ist vorliegend festzustellen, dass
das angemeldete Design offensichtlich geeignet ist, das Scham- und Sittlich-
keitsgefühl eines beachtlichen Teils des Publikums zu verletzen. Wegen eines
Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG ist das Design
daher von der Eintragung ausgeschlossen, § 18 DesignG.

Wie die Designstelle zutreffend festgestellt hat, beinhaltet das angemeldete
Design die fotografische Darstellung des Gesäßes und Intimbereichs einer Frau.
Der Blick und die Aufmerksamkeit des Betrachters werden gezielt auf den
weiblichen Schambereich gelenkt. Die weibliche Hand, die an den Intimbereich
fasst und einen Finger in die Scheide steckt, vermittelt den Eindruck einer
sexuellen Handlung und verstärkt damit die anstößige, die Frau zum bloßen
Sexualobjekt herabwürdigende Wirkung. Damit werden sexuelle Inhalte in einer
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grob aufdringlichen Weise in den Vordergrund gestellt, ohne dass die grafischen
Elemente in Form einer auf dem Gesäß angebrachten Weltkarte sowie die
Beschriftungen der Abbildung in ihrer Gesamtheit geeignet erscheinen, hiervon
wegzuführen. Die Feststellung der Designstelle, dass das angemeldete Design
das Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines beachtlichen Teils des Publikums
unerträglich verletzt, ist daher zutreffend.


3. Dem hiergegen gerichteten Beschwerdevorbringen, es handele sich bei dem
Schutzgegenstand um eine „didaktische“ bzw. „philosophische“ Arbeit, steht
bereits entgegen, dass der gewerbeorientierte Designschutz nicht das genuine
Forum für die Verbreitung künstlerischer oder philosophischer Äußerungen ist
(Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 18). Der gegen einen - wie
hier - offensichtlich begründeten Pornographievorwurf erhobene Einwand, es
handele sich bei dem Schutzgegenstand um das Ergebnis philosophischen
Denkens, geht daher fehl (vgl. Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3
Rn. 18). Außerdem sind die vermeintlichen Intentionen des Antragstellers der
Darstellung nicht zu entnehmen.

Auch die weiteren Hinweise des Antragstellers auf die von der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung mit ihrem Internetangebot „Zanzu“ zu der Thematik
„Selbstbefriedigung“ herausgegebenen Grafiken sowie pauschal darauf, dass es
„menschliches Leben ohne Sex“ nicht geben könne, gehen ersichtlich fehl. Zum
einen handelt es sich bei dem Internetangebot der Bundeszentrale um für die
Aufklärung bestimmte Grafiken, während das verfahrensgegenständliche Design
die fotografische Abbildung einer Frau zum Gegenstand hat, die aufgrund der Art
und Weise der Darstellung zum bloßen Sexualobjekt herabgewürdigt wird. Zum
anderen verkennt der Vortrag des Antragstellers, dass der Beurteilung als
sittenwidrig weder die Sexualität als solche noch die dargestellte Praktik der
Selbstbefriedigung noch die Aufklärung hierüber unterliegen. Es entspricht aber
der in der Rechtsgemeinschaft herrschenden Anschauung, dass derartige
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Praktiken in einen Intimbereich gehören, der fremdem Einblick grundsätzlich nicht
zugänglich sein soll und weder öffentlich vorgeführt noch - wie hier im Wege des
Designschutzes - kommerzialisiert werden darf (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss
vom 8. September 1997, 7 M 4301/97, juris; siehe auch BVerwGE 64, 280).

Daher muss das vorliegende Design, welches Sexuelles in grob aufdringlicher
Weise in den Vordergrund rückt und hierdurch das Scham- und Sittlichkeitsgefühl
eines beachtlichen Teils des Verkehrs verletzt, gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG
von dem Designschutz ausgeschlossen sein. Auf die Erzeugnisangabe „…
“ und die konkrete Art der Verwendung kommt es dabei nicht an, da das
Design aus sich heraus - und also verwendungsunabhängig - wegen seiner
besonderen Anstößigkeit die Unzulässigkeit erkennbar macht (Eichmann/v.
Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 3 Rn. 19).


4. Auf die von dem Antragsteller in Bezug genommenen, vermeintlich vergleich-
baren Voreintragungen kommt es nicht an, da sie nicht Gegenstand des vorlie-
genden Verfahrens sind und keine Bindungswirkung haben (vgl. EuGH
GRUR 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093
Nr. 8 - Marlene-Dietrich-Bildnis; BGH GRUR 2011, 230 - SUPERgirl; BGH
MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche).


5. Da das angemeldete Design nach alledem wegen eines offensichtlichen
Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG von der
Eintragung ausgeschlossen ist (§ 18 DesignG), hat die Designstelle den Antrag
auf Verfahrenskostenhilfe nach § 24 Satz 1 DesignG mit Recht versagt.
Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.

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6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 24 Satz 4 DesignG i. V. m. § 135 Abs. 3
Satz 1, letzter Halbsatz PatG (vgl. Eichmann/v. Falckenstein/Kühne, a. a. O., § 23
Rn. 45).


Hacker Merzbach Meiser




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