30 W (pat) 501/15  - 30. Senat (Marken/Design)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




30 W (pat) 501/15
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Markenanmeldung 30 2014 020 273.5

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts in der Sitzung vom 16. März 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach sowie des Richters Dr. Meiser

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beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom vom 26. November2014 aufgehoben.


G r ü n d e

I.

Die Wortmarke
RaDiagnostikum

ist am 7. Januar 2014 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Marken-
amt geführte Register u. a. für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 35
Werbung; Marketing; Handelsdienstleistungen und Verbraucher-
informationsdienste, nämlich Einzel- und Großhandelsdienstleis-
tungen in Bezug auf pharmazeutische Artikel, Hygienepräparate
sowie medizinische Artikel, Einzelhandelsdienstleistungen in Be-
zug auf Geräte zur physikalischen Therapie, Einzelhandelsdienst-
leistungen in Bezug auf aufgezeichnete Inhalte, Einzelhandels-
dienstleistungen in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel, Einzel-
handelsdienstleistungen in Bezug auf medizinische Instrumente,
Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf medizinische Appa-
rate, Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Unterrichtsmittel,
Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Geräte für Schön-
heitszwecke für Menschen; Einzelhandelsdienstleistungen in Be-
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zug auf Geräte für Hygienezwecke für Menschen; Großhandels-
dienstleistungen in Bezug auf Hygienegeräte für Menschen,
Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Ausrüstung zum Küh-
len, Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Hygienegeräte für
Tiere, Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Schönheitsge-
räte für Menschen; Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf
Unterrichtsmittel, Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf in-
formationstechnische Geräte, Großhandelsdienstleistungen in Be-
zug auf medizinische Apparate, Großhandelsdienstleistungen in
Bezug auf medizinische Instrumente, Beratung und Information in
Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse
enthalten; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten; Geschäftsführung
und administrative Dienstleistungen; betriebswirtschaftliche Ana-
lyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Verleih, Ver-
mietung und Verpachtung in Bezug auf die vorgenannten Dienst-
leistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Infor-
mation in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in die-
ser Klasse enthalten;

Klasse 41
Verlags- und Berichtswesen; Bildung; Unterhaltung; Sport; Bera-
tung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen,
soweit in dieser Klasse enthalten;

Klasse 42
Forschung und Entwicklung; wissenschaftliche und technologische
Dienstleistungen; Beratung und Information in Bezug auf vorge-
nannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;



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Klasse 44:
Gesundheitspflege für den Menschen; Hygiene- und Schönheits-
pflege für den Menschen; Verleih, Vermietung und Verpachtung in
Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser
Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorge-
nannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten“

angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 44 hat die Anmeldung mit Beschluss vom
26. November 2014, teilweise, nämlich für die obengenannten Dienstleistungen,
zurückgewiesen, weil RaDiagnostikum insoweit die Unterscheidungskraft fehle
(§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Bei der angemeldeten Bezeichnung handele es sich um eine Kombination des
Kürzels „Ra“ mit dem Substantiv „Diagnostikum“. Das Kürzel „Ra“ stehe dabei so-
wohl für „rheumatische/rheumatoide Arthritis“, wie auch für das chemische Ele-
ment „Radium“, werde jedoch in Verbindung mit dem Substantiv „Diagnostikum“ ,
welches sowohl Hilfsmittel zur Erstellung einer Diagnose als auch eine entspre-
chende Einrichtung zur Erstellung von Diagnosen bezeichne, nächstliegend im
erstgenannten Sinne verstanden.

In Ihrer Gesamtheit weise die Anmeldemarke dann aber in Bezug auf die zurück-
gewiesenen Dienstleistungen den leicht fassbaren Sachaussagegehalt auf, dass
diese von einer oder für eine diagnostische Einrichtung auf dem Gebiet der
„rheumatischen Arthritis“ erbracht würden bzw. sich inhaltlich-thematisch z. B. im
Rahmen der Erforschung bzw. Feststellung einer „rheumatoiden Arthritis“ damit
beschäftigen könnten. Der Verkehr werde daher in der angemeldeten Bezeich-
nung in Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen keinen betrieblichen
Herkunftshinweis erkennen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie im Wesentli-
chen geltend macht, dass der Anfangsbestandteil „Ra“ der lexikalisch nicht nach-
weisbaren Begriffsbildung RaDiagnostikum keine Abkürzung für „rheumatoide
Arthritis“ sei und demnach auch nicht so verstanden werde; die Abkürzung für
diese Erkrankung laute vielmehr „RA“. Hingegen könne „Ra“ u. a. für Radiologie
oder das Element Radium stehen. Die angemeldete Bezeichnung sei daher
interpretationsbedürftig, so dass ihr eine Unterscheidungskraft nicht abgesprochen
werden könne.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 vom
26. November 2014 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angegriffene Be-
schluss war aufzuheben, da der Eintragung des Anmeldezeichens auch in Bezug
auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen kein Schutzhindernis gemäß §§ 37
Abs. 1, 8 Abs. 2 MarkenG entgegensteht. Insbesondere fehlt dem Wortzeichen für
die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder jegliche Unterscheidungs-
kraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch stellt es eine freihaltebedürftige be-
schreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem
Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder
Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeich-
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net und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z.B.
EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) – Freixenet; GRUR 2008, 608, 611
(Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you;
GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) – Kaleido;
GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion ei-
ner Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009
(Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) – EUROHYPO; GRUR 2006, 233,
235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you;
GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterschei-
dungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch
noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu über-
winden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567
(Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat; GRUR 2012, 270
(Nr. 8) – Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der be-
teiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels
und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen
ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla). Im
vorliegenden Fall handelt es sich dabei – worauf die Anmelderin zutreffend hin-
weist – in erster Linie um Fachpublikum, insbesondere um Fachleute aus den Be-
reichen Medizin und (Bio)Chemie.

Hiervon ausgehend besitzen Marken dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens
(vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen
im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH
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GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11
– Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 – DeutschlandCard; GRUR 2006,
850, 854, Nr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard;
GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – antiKALK) oder wenn
diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder
einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden
Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht
als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850,
854, Nr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice;
GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besit-
zen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände be-
ziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht un-
mittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen her-
gestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 – TOOOR!; GRUR 2006, 850,
855, Nr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006).

2. Nach diesen Grundsätzen kann dem Wortzeichen RaDiagnostikum nicht die
notwendige Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die
beanspruchten Dienstleistungen abgesprochen werden.

Die angemeldete Wortkombination besteht aus den Wortbestandteilen "Ra" und
„Diagnostikum“, was der Verkehr trotz der Ausgestaltung als einheitliches Mar-
kenwort schon aufgrund der Binnengroßschreibung ohne weiteres erkennen wird.

Die Gesamtbezeichnung RaDiagnostikum ist weder lexikalisch nachweisbar,
noch lässt sie sich aktuell als beschreibende Fachbezeichnung feststellen. Entge-
gen der Auffassung der Markenstelle wird der Verkehr die angemeldete Bezeich-
nung auch nicht sofort und ohne weiteres als verkürzende Beschreibung einer Ein-
richtung zur Untersuchung und Diagnose der „rheumatischen/rheumatoiden Arth-
ritis“ verstehen.

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Der Markenstelle ist zwar insoweit zu folgen, als mit dem Begriff „Diagnostikum“
sowohl ein Mittel zur Diagnostik – insoweit bezeichnet der Begriff entweder ein di-
rektes Erkennungsmerkmal oder aber ein Hilfsmittel (z. B. chemische Substanz
oder bildgebendes Untersuchungsverfahren), das mit dem Ziel eingesetzt wird, ein
solches hervorzubringen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Diagnostikum) – wie
auch eine auf Diagnostik ausgerichtete oder spezialisierte medizinische Einrich-
tung z. B im Bereich der Radiologie oder auch der Labormedizin bezeichnet wer-
den kann. Insoweit reiht sich „Diagnostikum“ in vergleichbare Begriffsbildungen
zur Bezeichnung medizinischer Einrichtungen wie „Cardiologicum“, „Radiologi-
cum“ etc. ein.

Nicht naheliegend erscheint dem Senat hingegen, dass der allgemeine wie auch
der vorliegend in erster Linie angesprochene Fachverkehr den vorangestellten
Bestandteil „Ra“ als Abkürzung für „rheumatoide Arthritis“ verstehen wird. Zwar ist
die Buchstabenfolge „RA“ im medizinisch-pharmazeutischen Bereich als Abkür-
zung für „rheumatische/rheumatoide Arthritis“ nachweisbar (vgl. Pschyrembel, Kli-
nisches Wörterbuch, 266. Aufl., und Roche Lexikon der Medizin, 5. Aufl., jeweils
zu „RA“). Allerdings ist insoweit – worauf die Anmelderin zutreffend hinweist – eine
Schreibweise in Großbuchstaben („RA“) üblich und gebräuchlich. Insoweit wirkt
daher bereits die konkrete und den Eindruck einer einheitlichen, zusammengehö-
rigen Lautfolge erweckende Schreibweise „Ra“ einem Verständnis als Abkürzung
für „rheumatische Arthritis“ entgegen. Eine abweichende Schreibweise z. B. in
Großbuchstaben kann insoweit entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht
berücksichtigt werden, da es für die Prüfung der Schutzhindernisse allein auf die
Marke in ihrer tatsächlich angemeldeten Form ankommt (vgl. Ströbele/Hacker,
Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rdnr. 31).

Aber selbst bei einem Verständnis von „Ra“ als Abkürzung für „rheumatoide Arth-
ritis“ wird der Fachverkehr die angemeldete Bezeichnung nicht ohne weiteres als
verkürzende Beschreibung einer Einrichtung zur Untersuchung und Diagnose der
„rheumatischen/rheumatoiden Arthritis“ bzw. eines zur Untersuchung dieser
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Krankheit bestimmtes Diagnosemittel (Diagnostikum) verstehen. Weder lassen
sich speziell zur Feststellung einer „rheumatoiden Arthritis“ entwickelte (In-vitro)
Diagnostika als Hilfsmittel nachweisen noch sind die mit „Diagnostikum“ bezeich-
neten Einrichtungen auf die Diagnose einzelner spezieller Krankheiten wie z. B.
der „rheumatoiden Arthritis“ ausgerichtet; üblich ist insoweit allenfalls eine Spezifi-
zierung nach Fachgebieten wie z. B. der Radiologie. Um die Kombination von „Ra“
und „Diagnostikum“ in dem von der Markenstelle genannten Sinn zu verstehen,
bedarf es daher auch für den Fachverkehr eines jedenfalls nicht unerheblichen
Interpretationsaufwands.

Auch bei einem im medizinisch-pharmazeutischen Bereich möglichen Verständnis
von „Ra“ als Symbol für das chemische Element „Radium“ vermittelt die Kombina-
tion mit dem Begriff „Diagnostikum“ keinen sinnvollen gesamtbegrifflichen Aussa-
gegehalt. Dies gilt auch bei einem Verständnis von „Diagnostikum“ als Hilfsmittel
zur Erstellung einer Diagnose, da dem Element „Radium“ zwar eine erhebliche
Bedeutung bei der medizinischen Behandlung und Therapie einer Erkrankung
(z. B. im Rahmen der Strahlentherapie) zukommt, nicht jedoch bei der Diagnostik.
So lässt sich insbesondere nicht belegen, dass das chemische Element Radium
bei den in der nuklearmedizinischen Diagnostik zum Einsatz kommenden Radio-
diagnostika verwendet wird. Dementsprechend lassen sich auch Begriffsbildungen
wie z. B. „radiumhaltige Diagnostika“ bzw. „Radiumdiagnosemittel“ nicht nachwei-
sen.

Allerdings liegt es nach Auffassung des Senats nahe, in der angemeldeten Be-
zeichnung RaDiagnostikum einen Hinweis auf vor allem im Rahmen der nukle-
armedizinischen Diagnostik verwendete Radiodiagnostika – welche zu Diagnose-
zwecken (Szintigraphie) benutzte Radionuklide bezeichnen (vgl.
http://www.spektrum.de/lexikon /biologie/radiodiagnostika/55474) – zu erkennen,
jedenfalls soweit die beanspruchten Dienstleistungen sich inhaltlich/thematisch
damit beschäftigen bzw. Radiodiagnostika zum Gegenstand und Inhalt haben
können.
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Bei RaDiagnostikum handelt es sich zwar nicht um einen gebräuchlichen
und/oder lexikalisch nachweisbaren Fachbegriff für diese Gruppe von Arzneimit-
teln. Auch lässt sich jedenfalls für den Anmeldezeitpunkt eine Verwendung von
„Ra“ als Abkürzung bzw. Kurzwort für „Radiologie/radiologisch“ nicht belegen (vgl.
Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch. 266. Aufl., und Roche Lexikon der Medizin,
5. Aufl., jeweils zu „Ra“ als Symbol für „Radium“). Vielmehr wurde und wird „Radi-
ologie“ bzw. „radiologisch“ im Fachsprachgebrauch allgemein mit „Rad.“ bzw.
„rad.“ abgekürzt (vgl. http://www.med-serv.de/ma-let-R-0.html). Diese Lautfolge ist
zwar formell in der angemeldeten Bezeichnung „RaDiagnostikum“ enthalten, tritt
darin aber nicht eigenständig hervor. Auch ein – von der Anmelderin möglicher-
weise beabsichtigtes – Wortspiel i. S. einer Kombination von „Rad“ mit „Diagnosti-
kum“ zu RaDiagnostikum erschließt sich insoweit aufgrund der konkreten
Schreibweise und des nur einmal vorhandenen Konsonanten „d/D“ jedenfalls nicht
ohne analysierende Betrachtungsweise.

Soweit sich zum Zeitpunkt der Anmeldung eine Verwendung dieser Lautfolge im
medizinisch-pharmazeutischen Bereich im Rahmen der – vergleichbar gebilde-
ten – Bezeichnung „RaDiagnostiX“, welche ein Qualitätsprogramm bei der Prosta-
ta-Diagnose bezeichnet (vgl. http://www.radiagnostix.de/), sowie als Bestandteil
des Zeitschriftentitels „Radialog“ (http://www.radiologie.de/radiologienetz/
patientenmagazin-medizin-mit-durchblick) nachweisen lässt, handelt es sich um
eine kennzeichnende Verwendung dieser Buchstabenfolge innerhalb eines
einheitlichen Phantasiezeichens („RaDiagnostiX“) bzw. ist diese Lautfolge
integraler Bestandteil des einheitlichen Phantasietitels „Radialog“ (wohl als
Kombination von „Rad“ für Radiologie mit „Dialog“ gedacht), so dass diese
Verwendungen nicht zum Beleg eines beschreibenden Verständnisses von „Ra“
als Abkürzung für „Radiologie/radiologisch“ zum Zeitpunkt der Anmeldung
geeignet sind.

Soweit „Ra“ in Einzelfällen vor allem in Internetdomains als Hinweis auf „Radiolo-
gie/radiologisch“ verwendet wird (vgl. z. B. https://www.do-ra.de/start/), handelt es
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sich um Verwendungen aus der Zeit nach Anmeldung der Marke, so dass diese
Verwendungen – ungeachtet der Frage einer kennzeichnenden Verwendung von
„Ra“ in den jeweiligen Bezeichnungen bzw. Domainnamen – ebenfalls keine Ver-
wendung und ein sich daraus ergebendes Verständnis von „Ra“ als Abkürzung für
„Radiologie/radiologisch“ belegen können.

Trotz dieser Umstände wird aber nach Auffassung des Senats zumindest der
Fachverkehr aufgrund des Umstands, dass „Ra“ die Anfangssilbe von „Radiolo-
gie/radiologisch“ darstellt, in Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen, welche
sich mit Radiodiagnostika beschäftigen können, die Bezeichnung RaDiagnosti-
kum als Hinweis auf diese speziellen Arzneimittel verstehen und insoweit einen
beschreibenden Bezug zu diesen Dienstleistungen herstellen.

Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Bezeichnung die Schutzfä-
higkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich näm-
lich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterschei-
dungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der
Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Her-
kunftskennzeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 99 – Postkan-
toor; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 40) – BIOMILD; Ströbele/Hacker, MarkenG,
11. Aufl., § 8 Rdn. 196). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinnge-
halt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbil-
dung soweit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforder-
liche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. BGH
GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH; BPatG GRUR 1997, 639, 640 – FERRO-
BRAUSE; BPatG 24 W (pat) 124/06 – derma fit, veröffentlicht auf der Internetseite
des Gerichts). Dies ist vorliegend zu bejahen.

Denn aufgrund der sprachregelwidrigen Verkürzung des Begriffs „radio(logisch)“
auf die – jedenfalls zum Anmeldezeitpunkt nicht als fachbegriffliche Abkürzung
verwendete – Anfangssilbe „Ra“ handelt es sich bei der angemeldeten Bezeich-
- 12 -
nung RaDiagnostikum nicht um eine bloße Aneinanderreihung beschreibender
Angaben, bei denen kein merklicher Unterschied zwischen der Kombination und
der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl. EuGH GRUR 2004, 680
[Tz. 39 – 41] - BIOMILD), sondern um eine Abwandlung des Fachbegriffs „Radio-
diagnostikum“ nach Art eines sprechenden Zeichens. Diese weist einen über eine
reine Sachbeschreibung hinausgehenden eigenständigen Charakter auf und wirkt
daher in ihrer Gesamtheit trotz der beschreibenden Anklänge aus sich heraus
noch hinreichend originell und individualisierend (vgl. dazu BGH GRUR 2013, 731
Nr. 20 – Kaleido; GRUR 2008, 905 Nr. 18 – PANTO). Insoweit ist mit der Anmel-
derin davon auszugehen, dass die enthaltenen Bedeutungsanklänge im Sinne ei-
ner sprechenden Marke hinreichend phantasievoll kombiniert und verfremdet sind.

3. Aus den vorgenannten Gründen unterliegt die angemeldete Marke auch kei-
nem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat daher Erfolg.


Dr. Hacker Merzbach Dr. Meiser

Pr


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