30 W (pat) 46/16  - 30. Senat (Marken/Design)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:120418B30Wpat46.16.0


BUNDESPATENTGERICHT



30 W (pat) 46/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
12. April 2018





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache







betreffend die Markenanmeldung 30 2014 051 873.2

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2018 unter Mitwirkung des
Richters Merzbach als Vorsitzendem und der Richter Dr. Meiser und Dr. von Hartz
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beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 23. September 2015 und vom 18. Februar 2016 aufge-
hoben.


G r ü n d e


I.

Das Wortzeichen
rheuma-online.de

ist am 4. Juli 2014 für eine Vielzahl von Dienstleistungen der Klassen 38, 41, 42
und 44 zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt
geführte Register angemeldet worden.

Mit Beschlüssen vom 23. September 2015 und vom 18. Februar 2016, wobei letz-
terer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 44 die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG)
zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen stelle
eine auf den ersten Blick erkennbar im Stile einer Internetadresse und als solche
sprachüblich gebildete Kombination der Begriffe „rheuma“, „online“ und „de“ dar. In
seiner Gesamtheit werde das Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen
unmittelbar als beschreibende Sachangabe dahingehend aufgefasst, dass die be-
anspruchten Dienstleistungen umfassende Informationen, Hilfestellungen, Rat-
schläge, Chatrooms usw. zum Thema „Rheuma“ im Internet vermittelten.
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Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat das Waren- und
Dienstleistungsverzeichnis in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wie
folgt eingeschränkt:

„Online-Unterhaltungsdienstleistungen; online angebotene Spiel-
dienstleistungen über ein Computernetzwerk; Beratung zu Erzie-
hungsfragen; pädagogische Beratung“.

Die Anmelderin hat die Beschwerde nicht begründet. Im Amtsverfahren hat sie
geltend gemacht, die Verbindung der Wörter rheuma-online sei ungewöhnlich,
was die Unterscheidungskraft des Gesamtzeichens begründe. Eine Krankheit wie
„Rheuma“ könne nicht „online“ sein, so dass die Zusammensetzung beider Wörter
widersprüchlich erscheine. Die gegenteilige Feststellung der Markenstelle, wonach
medizinische Beratung und Behandlung heutzutage auch „online“ möglich seien,
könne so nicht nachvollzogen werden, zumal den in Deutschland tätigen Ärztinnen
und Ärzten jegliche Online-Beratung schon nach ihrer Berufsordnung nicht ge-
stattet sei. Für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen trete
hinzu, dass diese schon keinen Bezug zum Gesundheitssektor aufwiesen. Der
Verkehr werde das Gesamtzeichen daher als Herkunftshinweis auf die Marken-
anmelderin werten.

Die Anmelderin beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 23. September 2015 und vom
18. Februar 2016 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen
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II.

Die zulässige Beschwerde ist nach der seitens der Anmelderin vorgenommen Ein-
schränkung des Dienstleistungsverzeichnisses begründet, da Eintragungshinder-
nisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG in Bezug auf die nunmehr noch
beanspruchten Dienstleistungen nicht festgestellt werden können.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem
Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder
Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeich-
net und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B.
EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet;
GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Spar-
kassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173
(Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731
(Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die
Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeich-
neten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH
GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) - KORNSPITZ;
GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66)
- EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2016,
1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) - OUI; GRUR 2015, 581
(Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you;
GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterschei-
dungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch
noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu über-
winden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2016,
1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) - Langenscheidt-Gelb;
GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smart-
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book; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link eco-
nomy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits
die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung
der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des
Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und ver-
ständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte
abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Con-
cord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungs-
kraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung
des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten)
lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen
(vgl. EuGH GRUR 2013, 519 (Nr. 46) - Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86)
- Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 30, 32) - Stadtwerke Bremen;
GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270 (Nr. 11) - Link
economy; GRUR 2009, 952 (Nr. 10) - DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt
nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft
zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger be-
schreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 186
(Nr. 32) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress;
GRUR 2012, 1143 (Nr. 9) - Starsat; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) - TOOOR!;
GRUR 2006, 850 (Nr. 28 f.) - FUSSBALL WM 2006).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrunds steht der
angemeldeten Wortkombination rheuma-online.de nach erfolgter Einschränkung
des Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren das Schutzhindernis
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht mehr entgegen.
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a) Allerdings ist der Markenstelle darin zu folgen, dass sich das Anmeldezei-
chen aus den mit einem Bindestrich verbundenen Wortelementen „rheuma“ und
„online“ sowie der Zeichen-/Buchstabenfolge „.de“ zusammensetzt.

Das Wort „rheuma“ ist die Kurzform für Rheumatismus. Rheumatismus ist eine
schmerzhafte Erkrankung der Gelenke, Muskeln, Nerven, Sehnen (Duden, Deut-
sches Universalwörterbuch, 4. Auflage, Mannheim 2001). Man unterscheidet zwi-
schen entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, degenerativen rheumatischen
Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungssystems durch Stoffwechselstörungen
und rheumatischen Schmerzkrankheiten (Deutsche Gesellschaft für Rheumatolo-
gie e. V., Was ist Rheuma?). Rheuma ist bis heute nicht heilbar, kann aber durch
Behandlung zum Stillstand oder verlangsamten Verlauf gebracht werden. Die Er-
krankungen gehen mit großen Beschwerden und Einschränkungen der Lebens-
qualität einher und bedürfen intensiver Behandlung, Betreuung und Pflege (vgl.
schon BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 518/13 - rheuma-liga-nds).

Das zweite Wortelement „online“ ist seit langem in den deutschen Sprachge-
brauch eingegangen und bezeichnet eine aktive Verbindung mit einer Datenverar-
beitungsanlage bzw. dem Internet. Es werden damit ferner auch unterschiedliche
Aspekte eines „Online-Betriebes“ bezeichnet (vgl. so schon BPatG PAVIS
PROMA 33 W (pat) 381/02 - my-business-online.de; 32 W (pat) 258/03 - Schule
Online; 32 W (pat) 156/03 - People Online; 26 W (pat) 534/11 - FairGasOnline;
26 W (pat) 535/11 - FairStromOnline; 27 W (pat) 216/00, 1stBavarian Online-
shop.com; vgl. auch EUIPO PAVIS PROMA, R 2220/2011-1 - CULTURES
ONLINE).

Die Zeichenfolge „.de“ ist den inländischen Internetnutzern - und damit breitesten
Verkehrskreisen - als länderspezifische Top-Level-Domain (ccTLD) der Bundes-
republik Deutschland bekannt, wie auch das Gesamtzeichen „rheuma-online.de“
ohne weiteres als Entlehnung der üblichen Bildung von Internet-Adressen erkenn-
bar ist (vgl. BGH GRUR 2016, 939, Nr. 37 - wetter.de; BPatG PAVIS PROMA,
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33 W (pat) 381/02 - my-business-online.de; 27 W (pat) 216/00 - 1st BavarianOn-
lineshop.com; BPatG BlPMZ 2000, 294 - „http://www.cyberlaw.de“). Der Verkehr
misst dabei den Top-Level-Domains (hier: „de“) ausschließlich eine technisch
funktionale Bedeutung und keine individualisierende Wirkung bei, so dass der
kennzeichende Gesamteindruck nur durch die jeweilige Second-Level-Domain
bestimmt wird (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 (Nr. 43) - pjur/pure; GRUR 2016, 939,
Nr. 37 - wetter.de; vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018,
§ 8 Rn. 193 m. w. N.). Beschränkt sich diese - wie hier („rheuma-online“) - auf
unmittelbar beschreibende Begriffe, ist die als Domainname ausgestaltete Ge-
samtmarke grundsätzlich als nicht unterscheidungskräftig zu bewerten, da der
Verkehr hierin keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen
erkennt. sondern nur weitere sachbezogene Informationen zu der beschreibenden
Aussage erwartet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 193 mit
ausf. Nachw. a. d. Rspr.).

Ausgehend hiervon werden die angesprochenen Verkehrskreise die Wort- und
Zeichenfolge rheuma-online.de als Ganzes ohne weiteres als Sachhinweis auf
ein Internetangebot zum Thema „rheumatische Erkrankungen“ und hierauf bezo-
gene Dienstleistungen verstehen. Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen
belegen die Rechercheergebnisse der Markenstelle sowie die Ergebnisse einer
ergänzenden Internetrecherche des Senats, die der Anmelderin zur Verfügung
gestellt worden sind, dabei auch, dass es bereits vor dem Anmeldezeitpunkt eine
Vielzahl von (medizinischen) Online-Beratungsangeboten zum Thema Rheuma
gab. Ferner spielen in der modernen Medizin nachweislich gerade die (ursprüng-
lich auch von der Anmelderin beanspruchten) „Telemedizin-Dienste“ zunehmend
eine Rolle bei der Rheumaversorgung, insbesondere zur Frühdiagnostik und Be-
handlung von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, wobei bspw. auch „On-
line-Videosprechstunden“ unterstützend eingesetzt werden (vgl. etwa die Anlage
www.landeszeitung-rlp.de/2017/05/08...“, „Telemedizin in der Rheumaversorgung
pfälzische Innovation“).
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b) Wenngleich somit das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung
rheuma-online.de dem angesprochenen Publikum keinerlei Schwierigkeiten be-
reitet, ist gleichwohl die Beurteilung eines Zeichens stets in Zusammenhang mit
den Waren und Dienstleistungen vorzunehmen, für die eine Eintragung begehrt
wird (EuGH, GRUR 2004, 674 (Nr. 33) - Postkantoor).

Im Hinblick auf die vorliegend nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeich-
nisses alleine noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen („Online-Unter-
haltungsdienstleistungen; online angebotene Spieldienstleistungen über ein Com-
puternetzwerk; Beratung zu Erziehungsfragen; pädagogische Beratung“) lässt sich
jedoch nicht feststellen, dass das Anmeldezeichen deren Merkmale beschreibt
oder zumindest einen engen beschreibenden Bezug hierzu aufweist. Für Unter-
haltungs- und Spieldienstleistungen liegt ein Sachbezug zu rheuma-online.de
fern. Wenngleich im Rahmen der pädiatrischen Rheumatologie (zur Therapie von
Kinder- und Jugendrheuma) auch über den engeren medizinischen Bereich hin-
ausgehende Hilfestellungen für betroffene Patienten und Eltern angeboten werden
(wobei bspw. im Rahmen stationärer Therapien Pflegekräfte auch pädagogische
Aufgaben übernehmen können), hat die Senatsrecherche jedenfalls keine hinrei-
chenden Belege dafür ergeben, dass „Erziehungsfragen“ bzw. „pädagogische Be-
ratung“ Bestandteil eines Online-Angebots zum Thema Rheuma sein können, so
dass es an Nachweisen für einen Sachbezug bzw. jedenfalls einen die Unter-
scheidungskraft ausschließenden engen beschreibenden Bezug fehlte.

3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintra-
gung des angemeldeten Markenwortes für die nach Einschränkung des Verzeich-
nisses noch verbliebenen Dienstleistungen nicht entgegen, denn rheuma-on-
line.de beschreibt diese weder unmittelbar, noch ist die Anmeldung für diese
Dienstleistungen im Interesse der Mitbewerber freihaltebedürftig.

4. Da der Anmeldemarke somit nach der erfolgten Einschränkung des
Dienstleistungsverzeichnisses die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach
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§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht mehr versagt werden kann, war der Be-
schluss auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.

5. Soweit das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 5. April 2016 den
„23. Februar 2016“ als Datum des Erinnerungsbeschlusses der Markenstelle für
Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts ausweist, ist dies unzutreffend,
da der Erinnerungsbeschluss am „18. Februar 2016“ erlassen wurde, dieses Da-
tum dementsprechend auch in den Tenor des vorliegenden Beschlusses aufge-
nommen wurde. Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. April 2018
verkündete Beschlusstenor ist insoweit offensichtlich unrichtig und nach § 80
Abs. 1 MarkenG zu berichtigen.


Merzbach Dr. von Hartz Dr. Meiser

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