30 W (pat) 20/15  - 30. Senat (Marken/Design)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:220318B30Wpat20.15.0


BUNDESPATENTGERICHT



30 W (pat) 20/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
22. März 2018





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


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betreffend die Marke 30 2009 020 073

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2018 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und
Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zu-
rückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Gegen die für die Waren

„Klasse 5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeug-
nisse, nämlich Hormonsubstitute und Kontrazeptiva in Form von
Tabletten, jedoch nicht in Form von Pflastern“

eingetragene Wortmarke 30 2009 020 073

MICRONETTE

ist aus der am 10. April 1981 für die Waren

„Arzneimittel, insbesondere Blasenspasmolytikum für den Human-
bedarf“
- 3 -
eingetragene Wortmarke DD 643 430

Mictonetten

Widerspruch erhoben worden.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 8. Februar 2012 die
Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat daraufhin
mit Schriftsatz vom 23. November 2012 zur Glaubhaftmachung der Benutzung der
Widerspruchsmarke eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der
Widersprechenden, Herrn N… vom 20. November 2012 sowie
weitere Unterlagen insbesondere in Form von Rechnungen und Produktverpa-
ckungen vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
zwei Beschlüssen vom 7. November 2011 und 3. März 2015, von denen letzterer
im Erinnerungsverfahren ergangen ist, eine Verwechslungsgefahr zwischen bei-
den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Zur Begründung ist im Erinnerungsbeschluss ausgeführt, dass die Inhaberin der
angegriffenen Marke die von ihr erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Wider-
spruchsmarke nach Vorlage von Benutzungsunterlagen durch die Widerspre-
chende hinsichtlich der Ware „Blasenspasmolytikum für den Humanbedarf“ nicht
mehr aufrecht erhalten habe. Somit stünden sich die Waren „Blasenspasmolyti-
kum für den Humanbedarf“ und „Pharmazeutische und veterinärmedizinische Er-
zeugnisse, nämlich Hormonsubstitute und Kontrazeptiva in Form von Tabletten,
jedoch nicht in Form von Pflastern“ gegenüber. Trotz unterschiedlicher Indikati-
onsgebiete sei insoweit von einer Ähnlichkeit dieser Waren auszugehen, da es
sich in beiden Fällen um Arzneimittel handele, welche von denselben Unterneh-
men produziert, an denselben Vertriebsstellen angeboten und von denselben Per-
sonenkreisen, u. U. auch gleichzeitig, angewendet werden könnten.
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Ferner sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchs-
marke auszugehen Für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sei nichts ersicht-
lich.

Der danach zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderliche Abstand
zwischen den Vergleichszeichen werde nicht eingehalten, auch wenn man be-
achte, dass die sich gegenüberstehenden Waren nur ähnlich seien und der Ver-
kehr bei Waren, die die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden beeinflus-
sen können, eine gewisse Sorgfalt walten ließe.

Die miteinander zu vergleichenden Markenwörter MICRONETTE und Mictonetten
unterschieden sich bei gleicher Vokalfolge und Silbenzahl sowie überein-
stimmendem Sprech- und Betonungsrhythmus lediglich durch die unbetonten
Konsonanten „R“ gegenüber „t“ im Wortinneren sowie dem Konsonanten „n“ am
Ende der Widerspruchsmarke. Die Betonung liege bei beiden Marken auf der
zweiten Worthälfte. Für eine französische Aussprache der angegriffenen Marke
bestehe keine Veranlassung, da keine Anlehnung an ein französisches Wort er-
kennbar sei. Diese minimalen Unterschiede könnten jedoch sehr leicht überhört
werden. Es könne auch nicht stets von optimalen Übermittlungsbedingungen so-
wie einer hinreichend deutlichen Sprechweise ausgegangen werden. Ferner sei zu
bedenken, dass Marken meist nicht nebeneinander wahrgenommen würden. Die
Marken verfügten auch nicht über einen sich kollisionsmindernd auswirkenden
Bedeutungsgehalt.

Hiergegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt. Zur
Begründung trägt sie vor, dass die Widersprechende allenfalls eine Benutzung der
Widerspruchsmarke für ein einziges Arzneimittel zur Behandlung von Blasen-
schwäche und Harninkontinenz von Kindern dargelegt und eine weitergehende
Benutzung auch nicht behauptet habe. Von diesen Waren sei dann aber auch
auszugehen, da für die Frage einer rechtserhaltenden Benutzung nur auf die kon-
kret benutzten Waren abzustellen sei. Daher könne eine Benutzung für „Blasen-
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spasmolytika für den Humanbedarf“ oder gar für „Urologika“ nicht anerkannt wer-
den.

Die danach miteinander zu vergleichenden Waren „Hormonsubstitute und Kontra-
zeptiva in Form von Tabletten, jedoch nicht in Form von Pflastern“ auf Seiten der
angegriffenen Marke sowie „Blasenspasmolytika für Kinder“ seien aber nicht ähn-
lich. Sie wiesen keine Berührungspunkte in Bezug auf medizinische Indikation
oder eine mögliche ergänzende Behandlung auf. Es bestehe kein funktionaler Zu-
sammenhang im Sinne einer aus medizinischer Sicht notwendigen Verwendung.
Hormonpräparate würden in Zusammenhang mit der Behandlung von Blasen-
schwäche bzw. im urologischen Bereich nicht angewendet.

Es fehle auch an einer Ähnlichkeit der Vergleichszeichen. So unterschieden sich
bereits die Wortanfänge „MICTO“ bzw. „Micro“ klanglich wie auch schriftbildlich
deutlich voneinander. „MICTO“ werde kurz und hart ausgesprochen, „Micro“ hin-
gegen lang und gedehnt und enthalte zudem eine für den Verkehr erkennbare
Anlehnung an „klein, minimal“. Auch schriftbildlich wiesen die Wortanfänge eine
deutlich unterschiedliche Umrisscharakteristik auf.

In klanglicher Hinsicht sei ferner zu beachten, dass die angegriffene Marke am
Wortende „französisch“ ohne den Endvokal „e“ ausgesprochen werde, während
das Wortende der Widerspruchsmarke „en“ besonders betont werde.

Beachte man ferner, dass der Verkehr Arzneimitteln mit besonderer Aufmerksam-
keit begegne, scheide eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen
aus.
- 6 -
Die Markeninhaberin beantragt,

die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 05 des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. November 2011 und
3. März 2015 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke
DD 643 430 zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke könnten die vor-
liegend maßgeblichen Arzneimittel als sich ergänzende oder auch miteinander
konkurrierende Produkte Verwendung finden, so dass bereits aus diesem Grunde
eine Ähnlichkeit nicht verneint werden könne. Angesichts der weitreichenden
klanglichen wie schriftbildlichen Übereinstimmungen bei den Vergleichszeichen
könne dann aber unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr nicht in Abrede gestellt
werden.

Auf Hinweis des Senats hat die Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz
vom 5. Februar 2018 erklärt, dass die vor der Markenstelle erhobene Benutzungs-
einrede sich auf beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2
MarkenG beziehe und eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke
für ein „Blasenspasmolytikum für den Humanbedarf“ weiterhin bestritten werde.

Die Widersprechende hat daraufhin mit Schriftsatz vom 28. Februar 2018 eine
weitere eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden,
Herrn B…, vom 23. Februar 2018 sowie weitere Unterlagen insbeson-
dere in Form von Rechnungen, Produktverpackungen und Kopien der Roten Liste
eingereicht.
- 7 -
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da auch nach Auffas-
sung des Senats zwischen den Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr im
Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Daher hat die Markenstelle zu Recht
die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet (§ 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

A. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des
Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung
aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH
GRUR 2010, 1098, Nr. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32
- BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Nr. 45 - UNI; BGH GRUR 2012, 1040,
Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64,
Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU). Von maßgeb-
licher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich
stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren (oder Dienstleistungen).
Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon ab-
hängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung
mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine ge-
wisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH
GRUR 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25
- pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9
- Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; EuGH
GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).

Nach diesen Grundsätzen ist eine markenrechtlich relevante unmittelbare Gefahr
von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken zu besorgen.
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1. Die Markeninhaberin hat mit Schriftsatz vom 8. Februar 2012 die Benutzung
der Widerspruchsmarke bestritten, wobei sie im Beschwerdeverfahren mit Schrift-
satz vom 5. Februar 2018 klargestellt hat, dass die Einrede sich auf beide Benut-
zungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG bezieht und auch eine
rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für ein „Blasenspasmolyti-
kum für den Humanbedarf“ weiterhin bestritten werde.

a. Die Benutzungseinrede ist hinsichtlich beider nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und
Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeiträume statthaft. Die Widerspruchsmarke war
zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke (9. Oktober 2009)
bereits mehr als 5 Jahre eingetragen. Maßgebend ist insoweit nach §§ 4, 5 ErstrG
der Zeitpunkt der Eintragung in das Markenregister der DDR am 10. April 1981 mit
der Maßgabe, dass die Benutzungsschonfrist erst am 3. Oktober 1995 abgelaufen
ist (Einigungsvertrag Anlage I Kapitel III Sachgebiet E Abschnitt II Nr. 1 § 10).

Deshalb oblag es der Widersprechenden, die rechtserhaltende Benutzung ihrer
Marke in den beiden Zeiträumen Oktober 2004 bis Oktober 2009 und März 2013
bis März 2018 hinsichtlich aller maßgeblichen Umstände, insbesondere nach Art,
Zeit, Ort und Umfang darzulegen und glaubhaft zu machen.

b. Offen bleiben kann, ob die Inhaberin der Markeninhaberin im Verfahren vor
der Markenstelle die Einrede in Bezug auf ein „Blasenspasmolytikum für den Hu-
manbedarf“ nicht aufrechterhalten hat, wovon die Markenstelle ausgegangen ist.
Denn im Beschwerdeverfahren hat sie mit Schriftsatz vom 8. Februar 2018 die
Einrede einer Nichtbenutzung auch in Bezug auf diese Waren jedenfalls in zuläs-
siger Weise wieder aufgegriffen. Eine erneute Erhebung der Einrede ist nur dann
ausgeschlossen, wenn der Inhaber angegriffenen Marke auf die Einrede insge-
samt oder in Bezug auf einzelne Waren und/oder Dienstleistungen ausdrücklich
verzichtet oder die Benutzung der Widerspruchsmarke insoweit anerkennt (vgl.
Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 43 Rdnr. 42). Dafür bieten
sich vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte.
- 9 -
Allerdings spricht ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 7. Juli 2016, wonach die Wi-
dersprechende „die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nur für
Blasenspasmolytika für Kinder dargelegt“ habe, dafür, dass eine Benutzung für ein
„Blasenspasmolytikum für Kinder“ nicht (mehr) bestritten werden soll, ihr Bestrei-
ten sich letztlich allein gegen die Anerkennung einer Benutzung für ein „Blasen-
spasmolytikum für den Humanbedarf“ richtet. Insoweit handelt es sich aber nicht
um eine einem Bestreiten zugängliche Tatsache, sondern um eine Rechtsfrage,
ob und in welchem Umfang eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchs-
marke auf Basis einer Benutzung für ein „Blasenspasmolytikum für Kinder“ anzu-
erkennen wäre. Letztlich kann dies aber ebenfalls dahinstehen.

c. Denn die Widersprechende hat mit den im Widerspruchsverfahren mit Schrift-
satz vom 23. November 2012 sowie im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom
28. Februar 2018 vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Geschäftsfüh-
rer der Widersprechenden vom 20. November 2012 und 23. Februar 2018 sowie
den weiteren Unterlagen insbesondere in Form von Rechnungen, Produktverpa-
ckungen und Kopien der Roten Liste eine nach Art, Zeit, Ort und Umfang ernst-
hafte und funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke i. S. von § 26
Abs. 1 MarkenG als Produktmarke für ein rezeptpflichtiges „Blasenspasmolytikum
für Kinder“ ausreichend belegt, und zwar für beide Benutzungszeiträume nach
§ 43 Abs. 1 MarkenG. Einwände gegen die zur Glaubhaftmachung einer rechtser-
haltenden Benutzung vorgelegten Unterlagen, insbesondere gegen die darin für
beide Benutzungszeiträume genannten erheblichen Umsätze sowie die sich aus
den Verpackungsmustern bzw. Gebrauchsinformationen ergebende funktionsge-
mäße Benutzung in einer den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen
Marke nicht verändernden Form i. S. von § 26 Abs. 3 MarkenG, werden seitens
der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht erhoben. Da eine weitergehende Be-
nutzung seitens der Widersprechenden auch nicht geltend gemacht wird, ist auf
Seiten der Widerspruchsmarke grundsätzlich von diesen Waren nach § 43 Abs. 1
Satz 3 MarkenG auszugehen.
- 10 -
d. Im Rahmen der Integrationsfrage ist die Widersprechende aber entgegen der
Auffassung der Markeninhaberin nicht auf das ganz spezielle mit der Wider-
spruchsmarke gekennzeichnete Produkt festzulegen; andererseits ist aber auch
nicht der gesamte mit dem eingetragenen Oberbegriff „Arzneimittel“ umfasste
weite Warenbereich einzubeziehen. Anwendung findet vielmehr die sogenannte
„erweiterte Minimallösung“. Danach wird einerseits die Beanspruchung des breiten
Oberbegriffs ausgeschlossen, andererseits der Markeninhaber aber auch nicht auf
das konkrete Einzelprodukt in seiner speziellen Zusammensetzung, Rezeptpflicht
usw. beschränkt. Eine rechtserhaltende Benutzung ist vorliegend deshalb für den
Bereich anzuerkennen, welcher der jeweiligen Arzneimittelhauptgruppe in der „Ro-
ten Liste“ entspricht, und zwar ohne Beschränkung auf bestimmte Wirkstoffe,
Darreichungsformen oder auf eine Rezeptpflicht (vgl. BGH GRUR 2012, 64, 65
Rn. 10 - Maalox/Melox-GRY; BPatG 25 W (pat) 79/12 v. 22. Mai 2014 -
Tebo/TOBI; 30 W (pat) 37/13 v. 21. Mai 2015 - CIRKALM/BIKLAM;
Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 26 Rdnr. 291 m. w. N.). Dies ist hier die
Hauptgruppe 81 „Urologika und Mittel zur Behandlung der Hyperkaliämie und
Hyperphosphosphatämie“ der „Roten Liste“.

2. Aber selbst wenn man zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke
lediglich eine Benutzung der Widerspruchsmarke für ein „Blasenspasmolytikum für
Kinder“ anerkennt, können sich beide Marken in Bezug auf die von der angegriffe-
nen Marke (konkret) beanspruchten Waren „pharmazeutische und veterinärmedi-
zinische Erzeugnisse, nämlich Hormonsubstitute und Kontrazeptiva in Form von
Tabletten, jedoch nicht in Form Pflastern" zwar nicht auf identischen, so jedoch vor
dem Hintergrund, dass es sich bei beiden Waren um Arzneimittel handelt, auf
durchschnittlich ähnlichen Waren begegnen.

Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke dagegen einwendet, dass diese
Arzneimittel keinerlei Ähnlichkeit in Bezug auf die medizinische Indikation oder
eine mögliche ergänzende Behandlung aufwiesen und ferner auch kein echter
funktionaler Zusammenhang im Sinne einer aus medizinischer Sicht notwendigen
- 11 -
Verwendung bestehe, dieser sich insbesondere auch nicht aus einer evtl. mögli-
chen Verwendung von Hormonsubstituten im urologischen Bereich ergebe, ver-
kennt sie, dass bei Arzneimitteln selbst bei einem deutlichen Indikationsabstand
im Hinblick auf die generell gegebenen Überschneidungen bei den Herstellerbe-
trieben, den Vertriebswegen, den Verkaufsstätten und den gemeinsamen Zweck,
nämlich der Behandlung von Krankheiten und gesundheitlichen Beschwerden im
weitesten Sinne zu dienen, kein ausgeprägter Warenabstand oder gar eine Wa-
renferne angenommen werden kann. Den Widerspruchswaren stehen auf Seiten
der angegriffenen Marke Waren gegenüber, die gleichfalls zum Kernbereich der
Arzneimittel gehören und deshalb unabhängig von ihrer Indikation und Anwen-
dung ohne weiteres ähnlich sind (vgl. BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 20/10 v.
26. August 2010 - Ropirol/ ROHYPNOL; 25 W (pat) 65/11 v. 20. August 2012
- Protego/PROTELOS; 25 W (pat) 64/12 v. 11. April 2013 - Rivamed/RIAMET; alle
veröffentlicht auf PAVIS PROMA; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9
Rdnr. 113). Auch der Bundesgerichtshof ist in einer jüngeren Entscheidung ohne
weiteres von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit zwischen Arzneimitteln unter-
schiedlicher Indikationsgebiete, nämlich Magen-/Darmmitteln einerseits und
Arthrosemitteln andererseits, ausgegangen (vgl. BGH GRUR 2012, 64, 65 Tz. 10
- Maalox/Melox-GRY). Vor diesem Hintergrund bietet dann aber auch die von der
Markeninhaberin genannte (ältere) BGH-Entscheidung „Ichthyol II“ (GRUR 2006,
937), in welcher der Bundesgerichtshof im Rahmen der sich bei § 15 Abs. 2
MarkenG stellenden Frage einer Branchennähe die Feststellung des Berufungsge-
richts zu einer wenngleich nicht - wie die Markeninhaberin meint - gänzlichen feh-
lenden, so jedoch geringen Branchennähe zwischen pharmazeutischen Unter-
nehmen, die Arzneimittel unterschiedlicher Indikationsgebiete herstellen, nicht be-
anstandet hat (vgl. GRUR 2006, 937, 941 Tz. 41 – Ichthyol II), keinen Anlass für
eine abweichende Beurteilung.

Ob darüber hinaus im Hinblick auf verschiedene von der Widersprechenden vor-
gelegte Unterlagen zur Anwendung von Hormonsubstituten im Bereich der Urolo-
gie (zum Beispiel Prostatakrebs, weibliche Harninkontinenz) sogar von einer enge-
- 12 -
ren Ähnlichkeit ausgegangen werden kann, bedarf letztlich keiner Erörterung, da
bereits unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Ähnlichkeit eine Ver-
wechslungsgefahr zwischen den Marken nicht verneint werden kann.

3. So ist auf Seiten der Widerspruchsmarke von einer durchschnittlichen Kenn-
zeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchs-
marke auszugehen.

4. Die Ähnlichkeit der Zeichen ist zumindest durchschnittlich.

a. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen
Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl.
z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040,
Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64,
Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 23 - MIXI). Dabei ist von dem
allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so auf-
nimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungs-
weise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zei-
chen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurtei-
len, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher,
bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19
- ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843,
Nr. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2015, 1009 Nr. 24 - BMW-Emblem;
GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Nr. 32 - METROBUS;
GRUR 2006, 60, Nr. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder).
Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die
hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH
GRUR 2015, 1009, Nr. 24 - BMW-Emblem; GRUR 2015, 1114, Nr. 23
- Springender Pudel; GRUR 2010, 235, Nr. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; vgl.
Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rdn. 268 m. w. N.).
- 13 -
Dabei ist entgegen der Auffassung der Inhaberin der jüngeren Marke nicht allein
auf den medizinischen Fachverkehr bestehend aus Ärzten und Apothekern abzu-
stellen, der den Vergleichswaren mit besonderer Fachkenntnis und Aufmerksam-
keit begegnet, sondern auch die Wahrnehmung von Personal mit geringeren
Fachkenntnissen sowie die Wahrnehmung des Endverbrauchers mit einzubezie-
hen, welcher jedoch allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gestei-
gerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indo-
rektal/Indohexal).

b. Ausgehend davon kommen sich beide Marken bereits im Klangbild so nahe,
dass jedenfalls eine mittlere (durchschnittliche) Zeichenähnlichkeit nicht verneint
werden kann.

So wird der Verkehr entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen
Marke das angegriffene Zeichen deutschen Ausspracheregeln entsprechend vier-
silbig wie „MI-CRO-NET-TE“ aussprechen. Er wird darin kein französisches, son-
dern ein Phantasiewort erkennen, so dass er keinen Anlass hat, die angegriffene
Marke französischen Ausspracheregeln entsprechend ohne den Endvokal „e“ wie-
derzugeben.

Die danach wie „MI-CRO-NET-TE“ und „Mic-to-net-ten“ artikulierten Markenwörter
stimmen dann aber nicht nur formal in 9 von 11 Buchstaben (MIC-ONETTE-)
überein, sondern verfügen über die gleiche Silbenzahl sowie eine identische, das
Gesamtklangbild maßgeblich beeinflussende Vokalfolge „I-O-E-E“.

Angesichts dieser weitreichenden Übereinstimmungen, auf die bei der Prüfung der
Zeichenähnlichkeit der zu vergleichenden Marken grundsätzlich mehr abzuheben
ist als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften
pflegen (vgl. BGH GRUR 1998, 924 Tz. 24 - salvent/Salventerol), stellen die Ab-
weichungen in den Konsonanten „R“ bzw. „t“ im Wortinneren sowie in dem „n“-
Laut am ohnehin weniger beachteten Ende der Widerspruchsmarke kein ausrei-
- 14 -
chendes Gegengewicht dar, um ein sicheres Auseinanderhalten der Markenwörter
in klanglicher Hinsicht zu ermöglichen. So wird insbesondere die konsonantische
Abweichung „R/t“ im Wortinnern durch den identischen Wortanfang „MI“ sowie die
sie umgebende klangtragende Vokalfolge „i-o“ überlagert. Soweit diese eine
abweichende Zuordnung des in beiden Markenwörtern übereinstimmend als
klangstarker „K-Laut“ hervortretenden Konsonanten „C/c“ als Anlaut der zweiten
Silbe der angegriffenen Marke „MI-CRO-NET-TE“ bzw. Endlaut der ersten Silbe
der Widerspruchsmarke „Mic-to-net-ten“ nach sich zieht, tritt der dadurch bewirkte
Unterschied im Sprech- und Betonungsrhythmus gegenüber dem durch den iden-
tischen Wortanfang, den weitgehenden konsonantischen Übereinstimmungen so-
wie der identischen Vokalfolge geprägten Gesamtklangbild beider Markenwörter
nicht so deutlich hervor, um für eine hinreichende klangliche Differenzierung zu
sorgen. Durch diese gegenüber den weitreichenden Übereinstimmungen eher ge-
ringfügigen Unterschiede wird der Klangeindruck beider Marken daher insgesamt
nicht so prägnant beeinflusst, dass ein Verhören mit hinreichender Sicherheit aus-
geschlossen werden kann. Dies gilt umso mehr, als die Vergleichszeichen im Ver-
kehr nicht gleichzeitig nebeneinander aufzutreten pflegen, sondern ein Vergleich
aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl. u. a. EuGH GRUR
Int. 1999, 734 Tz. 26 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/ TISSERAND;
GRUR 2003, 1047 - Kellogg`s/Kelly`s).

Allein ein begrifflicher Anklang des Markenbestandteils „MICRO“ innerhalb des
angegriffenen Zeichens MICRONETTE wirkt sich nicht kollisionsmindernd aus, da
das angegriffene Zeichen zum einen als einheitliches Phantasiewort wahrgenom-
men wird und zum anderen ein solcher Anklang angesichts der weitgehenden
Überschneidungen und Gemeinsamkeiten beider Zeichen bei mündlicher Wieder-
gabe bzw. Übermittlung gerade nicht erfasst bzw. bemerkt wird (vgl.
Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 312 m. w. N.).

5. Angesichts einer durchschnittlichen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden
Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und
- 15 -
der zumindest mittleren (durchschnittlichen) Ähnlichkeit der Kollisionszeichen kann
dann aber in der Gesamtabwägung eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden
Marken nicht verneint werden.

B. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der ge-
setzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die
Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch
sonst ersichtlich sind.


III.
Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 16 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Dr. Hacker Dr. Meiser Merzbach

Pr


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