30 W (pat) 11/15  - 30. Senat (Marken/Design)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



30 W (pat) 11/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
12. Januar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Markenanmeldung 30 2012 008 563.6

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach sowie des
Richters Dr. Meiser

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beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Wortmarke
XL-protein

ist am 26. Oktober 2012 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt geführte Register u. a. für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 1: Chemische und biochemische Erzeugnisse für For-
schungs- und Laborzwecke (ausgenommen medizinische oder
veterinärmedizinische Zwecke) sowie für gewerbliche und wissen-
schaftliche Zwecke; chemische und biologische Erzeugnisse für
die medizinische Forschung sowie für wissenschaftliche Zwecke;

Klasse 5: Pharmazeutische, humanmedizinische und
veterinärmedizinische Erzeugnisse; pharmazeutische und Diagno-
semittel für medizinische, zahnärztliche, rechtsmedizinische, la-
bormedizinische und forensische Zwecke; Testreagenzien in Kit-
form für medizinische, zahnärztliche, rechtsmedizinische, labor-
medizinische und forensische Zwecke; chemische, biochemische
und biotechnologische Erzeugnisse für medizinische und diagnos-
tische Zwecke, nämlich Reagenzien und Lösungsmittel zur Pro-
benvorbereitung, Modifikation und Manipulation von Zellen sowie
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zur Durchführung von Markierungs-, Trennungs-, Isolierungs-,
Reinigungs-, Vervielfältigungs- und/oder Analysenmethoden für
Biopolymere, insbesondere Nukleinsäuren, Proteine, Makromole-
küle und biologisch wirksame Substanzen für diagnostische Zwe-
cke soweit in dieser Klasse enthalten; Medikamente für präventive,
kurative und palliative Zwecke; medizinische Wirkstoff-Zielverbin-
dungen für präventive, kurative und palliative Zwecke; medizini-
sche Biomarker, insbesondere für präventive, diagnostische, prog-
nostische oder prädiktive Zwecke; medizinische Erzeugnisse für
medizinische Zwecke, nämlich Kits für die Labormedizin, insbe-
sondere für präventive, diagnostische, prognostische oder prädik-
tive Zwecke; Biomoleküle (Targets) für medizinische Zwecke,
nämlich zur Bindung von Wirkstoffen; medizinische Erzeugnisse
für die medizinische Analytik; chemische und biologische Erzeug-
nisse für medizinische Zwecke;

Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistun-
gen und Forschungsarbeiten, insbesondere auf dem Gebiet Che-
mie, Genetik, Biologie, Biotechnologie und Biochemie; technische,
nämlich diagnostische Dienstleistungen auf dem Gebiet DNA,
RNA sowie Protein-Expression, Nachweis und Analyse und dies-
bezügliche Designerdienstleistungen, insbesondere auf dem Ge-
biet Chemie, Genetik, Biologie, Biotechnologie und Biochemie; in-
dustrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und
Entwicklung von Computersoftware; Dienstleistungen eines che-
mischen und biochemischen Labors; Durchführung wissenschaftli-
cher Untersuchungen; Erstellung wissenschaftlicher Gutachten;
Qualitätsprüfung; Erstellen und Weiterentwicklung von Program-
men für die Datenverarbeitung; Beratung für wissenschaftliche, la-
bortechnische und Forschungszwecke; Dienstleistungen eines
technischen Mess- und Prüflabors; technologische Dienstleistun-
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gen, nämlich Gewinnung, technische Bearbeitung und technische
Analysen von Biomaterialien und medizinisch relevanten Daten
insbesondere zum Zweck der wissenschaftlichen und industriellen
Forschung“

angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 5 hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom
11. Februar 2014 und 12. Januar 2015, von denen letzterer im Erinnerungsverfah-
ren ergangen ist, teilweise, nämlich für die obengenannten Waren und Dienstleis-
tungen, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung insoweit an der
erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Das angemeldete Zeichen setze sich aus den durch einen Bindestrich verbunde-
nen Bestandteilen „XL“ und „protein“ zusammen. Der Bestandteil „protein“ als
englische Entsprechung des bedeutungsgleichen deutschen Begriffs „Protein“ be-
zeichne ein biologisches Makromolekül, das aus Aminosäuren aufgebaut sei und
welches umgangssprachlich mit „Eiweiß“ benannt werde. Die Buchstabenkombi-
nation „XL“ sei eine aus der englischen Sprache übernommene Abkürzung für
„extra large“ mit der Bedeutung „sehr groß“, welche sich auch im Inland als eine
allgemein bekannte Größenangabe durchgesetzt habe.

Die angemeldete Kombinationsmarke weise daher in Bezug auf die beanspruch-
ten Waren und Dienstleistungen die Bedeutung „sehr großes Protein“ auf. Zwar
handele es sich bei der Bezeichnung „XL-protein“ nicht um einen Fachbegriff aus
dem Bereich der medizinischen Wissenschaft und Forschung. Dort würden Pro-
teingrößen üblicherweise auf Basis molekularer Größen wie atomare Massenein-
heit „u“ oder kilo-Dalton „kDa“ bezeichnet. Allerdings werde auch in Fachkreisen
der Zusatz „XL“ für die Bezeichnung besonders großer Moleküle verwendet. So
seien beispielsweise aus der Literatur die Proteine „Bcl-XL“ und „XLG2“ bekannt.
- 5 -
Dementsprechend werde jedenfalls der im Vordergrund stehende Fachverkehr die
Kombination XL-protein als Bezeichnung für ein „sehr großes Protein“ verstehen.

Das angesprochene Fachpublikum werde dem angemeldeten Zeichen dann aber
in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren nur die Sachinformation entnehmen,
dass es sich um sehr große Proteine handele, die Produkte sehr große Proteine
enthielten oder unter Einsatz dieser Produkte sehr große Proteine entwickelt bzw.
hergestellt würden. In Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen komme
lediglich zum Ausdruck, dass sich diese inhaltlich mit der Entwicklung und/oder
Erforschung sowie dem Einsatz großer Proteine beschäftigten. In diesem Sinne
sei die angemeldete Bezeichnung auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung
verwendet worden. So sei in der Fachzeitschrift Faszination Forschung, Aus-
gabe 5/09, ein Artikel mit „Proteine in XL“ überschrieben, in dem es um Methoden
zur Vergrößerung des Volumens eines Moleküls (Proteins) gehe.

In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen stelle sich das
angemeldete Zeichen XL-protein damit aber lediglich als sachbezogener Hinweis
dar, der die Beschaffenheit der Waren bzw. den Gegenstand der Dienstleistungen
beschreibe. Die Bezeichnung XL-protein sei sprachüblich gebildet und weise
keine Struktur auf, die von dem sachbezogenen Hinweis „sehr großes Protein“
ablenke. Der sachgezogene Aussagegehalt der angemeldeten Bezeichnung sei
weder unbestimmt noch stelle sich die Verwendung der Abkürzung „XL" für „extra
large“ als ungewöhnlich, phantasievoll oder interpretationsbedürftig dar.

Im Hinblick auf die Waren „pharmazeutische, humanmedizinische und veterinär-
medizinische Erzeugnisse; chemische und biologische Erzeugnisse für medizini-
sche Zwecke“, die sich auch an Endverbraucher richten könnten, werde die an-
gemeldete Angabe zudem als werbende Anpreisung für Produkte wahrgenom-
men, die besonders viel Protein (Eiweiß) enthalten könnten.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, dass
das vorliegend allein maßgebliche Fachpublikum die Bezeichnung „XL“ in Zu-
sammenhang mit Proteinen nicht - wie z. B. bei Waren des täglichen Gebrauchs -
als werbemäßige Abkürzung für „extra large“ bzw. „sehr groß“ verstehe, da sich
der Begriff „XL“ nicht zur Charakterisierung des Aufbaus oder der Eigenschaften
von Proteinen, welche als komplexe Makromoleküle typischerweise durch die Art
und Anzahl ihrer Bausteine (Aminosäuren) und/oder ihrer Masse (Einheit: Kilo-
Dalton, kDa) beschrieben würden, eigne und dementsprechend auch nicht als
Größenbezeichnung von Proteinen verwendet werde.

Die seitens der Markenstelle recherchierten Bezeichnungen „Bcl-XL“ und „XLG2“
seien kein Beleg für die Verwendung des Begriffs „XL“ in Fachkreisen, da „Bcl-XL“
in der korrekten Schreibweise „Bcl-xL“ die große Spliceform des bcl-x-Genprodukts
bezeichne, so dass „XL“ in dieser Bezeichnung gar nicht verwendet werde bzw.
die Abkürzung „XL“ in den von der Markenstelle benannten Bezeichnungen
„XLG1, XLG2, XLG3“ der G-Proteinfamilie nicht eigenständig hervortrete.

Soweit die Begriffskombination XL-Protein von der Anmelderin im Vorfeld der
Anmeldung zur schlagwortartigen Beschreibung ihrer Produkte benutzt worden
sei, habe sich dieser Begriff im wissenschaftlichen Umfeld nicht zu einem wie
auch immer beschreibenden Begriff entwickelt.

Der Fachverkehr könne dem Begriff XL-Protein i. S. v. „sehr großes Protein" kei-
nerlei unmittelbar beschreibenden oder gar werbenden Aussagegehalt entneh-
men. XL-Protein sei für das Fachpublikum letztlich ein vager Begriff, der mit sei-
nem lapidaren Hinweis „sehr großes Protein“ keine genaue, wissenschaftlich kor-
rekte Identifizierung der entsprechenden Erzeugnisse erlaube.

Im Ergebnis könne der Begriff XL-protein daher beim Verkehr zwar Assoziationen
im Sinne eines „sprechenden Zeichens“ erwecken, sofern man sich mit der Tech-
nologie und dem Angebot der Anmelderin zuvor im Detail auseinandergesetzt
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habe; jedoch könne aus diesem Umstand allein keine mangelnde Unterschei-
dungskraft abgeleitet werden. Vielmehr sei XL-protein ein unscharfer Begriff ohne
einen sich aufdrängenden Sinngehalt. Durch die für den angesprochenen Verkehr
keinen Sinn ergebende Kombination von „XL“ und „Protein“ entstehe vielmehr ein
interpretationsbedürftiger und zum Nachdenken anregender Mehrgehalt. Damit
besitze die angemeldete Marke das erforderliche Mindestmaß an Unterschei-
dungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 vom
11. Februar 2014 und 12. Januar 2015 aufzuheben, soweit darin
die Anmeldung für die obengenannten Waren zurückgewiesen
worden ist,

hilfsweise beantragt sie,

die angemeldete Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen
Waren und Dienstleistungen auf Grundlage des wie folgt
eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses
einzutragen (unter Herausnahme der Waren und Dienstleistungen,
für die die Markenstelle keine Schutzhindernisse angenommen
hat):

„Klasse 1:
Chemische und biochemische Erzeugnisse für Forschungs- und
Laborzwecke (ausgenommen medizinische oder veterinärmedizi-
nische Zwecke) sowie für gewerbliche und wissenschaftliche Zwe-
cke, nämlich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder chemisch
modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine; Kunstharze
im Rohzustand; Kunststoffe im Rohzustand; chemische und biolo-
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gische Erzeugnisse für die medizinische Forschung sowie für wis-
senschaftliche Zwecke

Klasse 5:
Pharmazeutische, humanmedizinische und veterinärmedizinische
Erzeugnisse, nämlich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder
chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine;
Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Mittel zur Vertilgung
von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; pharmazeutische
und Diagnosemittel für medizinische, zahnärztliche, rechtsmedizi-
nische, labormedizinische und forensische Zwecke, nämlich Mittel
enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gen-
technisch hergestellte Proteine; Testreagenzien in Kitform für me-
dizinische, zahnärztliche, rechtsmedizinische, labormedizinische
und forensische Zwecke; chemische, biochemische und biotech-
nologische Erzeugnisse für medizinische und diagnostische Zwe-
cke, nämlich Reagenzien und Lösungsmittel zur Probenvorberei-
tung, Modifikation und Manipulation von Zellen sowie zur Durch-
führung von Markierungs-, Trennungs-, Isolierungs-, Reinigungs-,
Vervielfältigungs- und/oder Analysenmethoden für Biopolymere,
insbesondere Nukleinsäuren, Proteine, Makromoleküle und biolo-
gisch wirksame Substanzen für diagnostische Zwecke soweit in
dieser Klasse enthalten; Medikamente für präventive, kurative und
palliative Zwecke, nämlich Medikamente enthaltend gentechnisch
oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Prote-
ine; medizinische WirkstoffZielverbindungen für präventive, kura-
tive und palliative Zwecke, nämlich Wirkstoff-Zielverbindungen
enthaltend gentechnisch oder chemisch modifizierte oder gen-
technisch hergestellte Proteine; medizinische Biomarker, insbe-
sondere für präventive, diagnostische, prognostische oder prädik-
tive Zwecke, nämlich medizinische Biomarker enthaltend gentech-
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nisch oder chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte
Proteine; medizinische Erzeugnisse für medizinische Zwecke,
nämlich Kits für die Labormedizin, insbesondere für präventive, di-
agnostische, prognostische oder prädiktive Zwecke; Biomoleküle
(Targets) für medizinische Zwecke, nämlich zur Bindung von
Wirkstoffen, nämlich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder
chemisch modifizierte oder gentechnisch hergestellte Proteine;
medizinische Erzeugnisse für die medizinische Analytik; chemi-
sche und biologische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, näm-
lich Erzeugnisse enthaltend gentechnisch oder chemisch modifi-
zierte oder gentechnisch hergestellte Proteine

Klasse 42:
Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und For-
schungsarbeiten, insbesondere auf dem Gebiet Chemie, Genetik,
Biologie, Biotechnologie und Biochemie; technische, nämlich di-
agnostische Dienstleistungen auf dem Gebiet DNA, RNA sowie
Protein-Expression, Nachweis und Analyse und diesbezügliche
Designerdienstleistungen, insbesondere auf dem Gebiet Chemie,
Genetik, Biologie, Biotechnologie und Biochemie; industrielle
Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwick-
lung von Computerhardware und -Software; Dienstleistungen ei-
nes chemischen und biochemischen Labors; Durchführung wis-
senschaftlicher Untersuchungen; Erstellung wissenschaftlicher
Gutachten; Qualitätsprüfung; Erstellen und Weiterentwicklung von
Programmen für die Datenverarbeitung; Beratung für wissen-
schaftliche, labortechnische und Forschungszwecke; Dienstleis-
tungen eines technischen Mess- und Prüflabors; technologische
Dienstleistungen, nämlich Gewinnung, technische Bearbeitung
und technische Analysen von Biomaterialien und medizinisch rele-
- 10 -
vanten Daten insbesondere zum Zweck der wissenschaftlichen
und industriellen Forschung“.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache nicht begründet. Die
angemeldete Marke ist in Bezug auf die die von der Zurückweisung betroffenen
Waren und Dienstleistungen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung
ausgeschlossen. Die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb insoweit zu Recht
zurückgewiesen.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem
Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder
Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeich-
net und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z.B.
EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611
(Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you;
GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido;
GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion ei-
ner Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009
(Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233,
235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you;
GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterschei-
dungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch
noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu über-
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winden (vgl. BGH GRUR2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567
(Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8)
- Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der be-
teiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels
und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen
ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla). Im vor-
liegenden Fall handelt es sich dabei - worauf die Anmelderin zutreffend hinweist -
in erster Linie um Fachpublikum, insbesondere um Fachleute aus den Bereichen
Medizin und (Bio)Chemie.

Hiervon ausgehend besitzen Marken dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens
(vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen
im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH
GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271,
Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard;
GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417,
418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001,
1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen
der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa
wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Me-
dien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden
(vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006;
GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zei-
ten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch
solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Wa-
ren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein en-
- 12 -
ger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010,
1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

2. Nach diesen Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen XL-Protein jegli-
che Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Die angemeldete Marke setzt sich aus den Bestandteilen „XL“ und „protein“ zu-
sammen, welche durch einen Bindestrich miteinander verknüpft sind. Der Begriff
„protein“ bezeichnet - worauf die Markenstelle bereits zutreffend hingewiesen hat -
ein Makromolekül, das aus Aminosäuren aufgebaut ist und umgangssprachlich mit
„Eiweiß“ benannt wird. Bei der Buchstabenkombination „XL“ handelt es sich um
die aus der englischen Sprache übernommene Abkürzung für „extra large“ („sehr
groß“), welche auch im inländischen Sprachgebrauch als ein werbeüblicher Hin-
weis auf „extra groß, eine besonders große Ausführung“ allgemein gebräuchlich
ist. Als Größenangabe ist „XL“ dabei nicht auf die Textilbranche beschränkt, son-
dern auf vielen anderen Gebieten anzutreffen, bei denen auf eine Übergröße oder
ein besonderes räumliches Ausmaß der Objekte hingewiesen wird (vgl. BPatG
33 W (pat) 72/02 v. 25. Mai 2004 - workXL).

Auch in Zusammenhang mit dem Begriff „Protein“ in seiner o.g. Bedeutung liegt
für den hier vorrangig, wenn nicht sogar - wie die Anmelderin geltend macht - aus-
schließlich zu berücksichtigenden Fachverkehr ein Verständnis von „XL“ in diesem
Sinne und ein sich daraus ergebendes Verständnis der angemeldeten Bezeich-
nung XL-protein i. S. von „sehr großes Protein nahe.

Der Anmelderin ist zwar zuzugeben, dass die Bezeichnung „XL“ im Zusammen-
hang mit Proteinen keine fachbegrifflich korrekte Bezeichnung darstellt, weil Pro-
teine im Bereich Pharmazie, Biochemie und Biologie in aller Regel auf Basis mo-
lekularer Größen wie atomare Masseneinheit und kilo-Dalton bezeichnet werden.
Dementsprechend handelt es sich bei XL-protein um keinen lexikalisch nach-
weisbaren wissenschaftlichen Fachbegriff.
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Jedoch belegen der als Anlage G zur Beschwerdebegründung vorgelegte Beitrag
aus der Fachzeitschrift „Faszination Forschung, Ausgabe 5/09“ mit der Überschrift
„Proteine in XL“, sowie der auf die Anmelderin zurückzuführende, dem Erstprüfer-
beschluss vom 11. Februar 2014 als Anlage A1 beigefügte Artikel in der Zeitschrift
„BIOSpektrum“, Heft 6/09 mit der Überschrift „XL-Proteine: Große Proteine-große
Potenziale“, welche sich inhaltlich mit der Verlängerung der Wirkdauer therapeuti-
scher Proteine im Körper durch Verbindung der kleinen Proteine mit einer Art mo-
lekularem, einen Vergrößerungseffekt bewirkenden Ballon befassen, dass die
Kombination der Buchstabenfolge „XL“ als Abkürzung für „sehr groß“ mit dem Be-
griff „Protein“ auch bereits zum Zeitpunkt dazu diente, derartige Proteine schlag-
wortartig als „besonders groß“ zu kennzeichnen.

Dies stellt letztlich auch die Anmelderin nicht in Abrede, meint aber, dass mangels
genauer, fachspezifischer Angaben zu Eigenschaften und Struktur solcher Prote-
ine bzw. einer fehlenden fachbegrifflichen Definition, was genau unter „sehr gro-
ßen Proteinen“ zu verstehen ist, der vorliegend relevante Fachverkehr diesem Be-
griff keinen informativen, beschreibenden und /oder sachbezogenen Aussage-
gehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entnehmen
könne.

Diese Auffassung der Anmelderin geht fehl. Denn auch wenn es sich bei XL-pro-
tein nicht um einen Fachbegriff aus dem Bereich der medizinischen Wissenschaft
und Forschung handelt und diese Bezeichnung ihrem Bedeutungs- und Sinngehalt
auch keinen wissenschaftlichen Aussage- und Informationsgehalt aufweist, so
wird er dennoch aufgrund der dargelegten Verwendung der Größenangabe „XL“ in
Zusammenhang mit dem Begriff „Protein“ sofort erkennen, was mit der Begriffs-
bildung XL-protein gemeint ist, nämlich eine schlagwortartige sachbezogene Um-
schreibung der in den vorgenannten Fachartikeln thematisierten Methode zur Ver-
größerung der Masse bzw. Vergrößerung des Volumens eines Moleküls (Pro-
teins).

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Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die angemeldete Bezeichnung XL-Pro-
tein in Bezug auf die beanspruchten Waren auf den für den Fachverkehr sofort
und ohne weiteres erkennbaren schlagwortartigen Hinweis, dass diese „sehr
große Proteine“ im vorgenannten Sinne zum Gegenstand haben bzw. - was die
Dienstleistungen der Klasse 42 betrifft - sich ihrem Gegenstand und Inhalt nach
damit beschäftigen. So können - wie die Markenstelle im Erstbeschluss vom
11. Februar 2014 zutreffend festgestellt hat - die zurückgewiesenen Waren ent-
weder selbst solche „vergrößerten“ Proteine“ sein oder solche „sehr großen Pro-
teine“ enthalten bzw. können mittels Einsatz dieser Waren solche in ihrem Volu-
men vergrößertem „XL-Proteine“ entwickelt bzw. hergestellt werden. In Bezug auf
die zurückgewiesenen Dienstleistungen beschränkt sich die angemeldete Be-
zeichnung auf den Hinweis, dass sich diese inhaltlich/thematisch mit der (medizi-
nischen, biologischen, chemischen) Entwicklung und/oder Erforschung sowie dem
Einsatz derartig bearbeiteter Proteine beschäftigten. Auch in Bezug auf IT-Leis-
tungen wie z. B. den zu Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen „Entwurf und
Entwicklung von Computersoftware; …. Erstellen und Weiterentwicklung von Pro-
grammen für die Datenverarbeitung“ beschränkt sich XL-protein auf einen thema-
tischen Hinweis, dass diese in Zusammenhang mit der Erforschung und Entwick-
lung eines so bezeichneten Proteins stehen.

Soweit mit dieser Begriffskombination dem Fachverkehr keine spezifische Infor-
mationen zu Inhalt, Aufbau, Struktur o.ä. der entsprechenden Proteine vermittelt
werden, steht eine solche vorhandene begriffliche Unschärfe der als Marke ange-
meldeten Bezeichnung einem Verständnis als Sachangabe und damit der Fest-
stellung eines Eintragungshindernisses nicht entgegen (vgl. GRUR 2004, 192 -
DOUBLEMINT; GRUR 2004, 222 - BIOMILD; GRUR 2004, 674 - Postkantoor).
Der sachbezogene Sinn- und Bedeutungsgehalt der angemeldeten Bezeichnung
bleibt für den Verkehr angesichts der verbreiteten Übung, Sachaussagen in ver-
kürzenden und schlagwortartigen Wortfolgen zu vermitteln, eindeutig verständlich.
Der Verkehr wird darin aber im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren
und Dienstleistungen keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.
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Was die seitens der Anmelderin im Beschwerdeverfahren „hilfsweise“ vorgenom-
mene Einschränkung des Warenverzeichnisses (Bl. 67, 68 d. A) betrifft, bestehen
bereits Bedenken gegen deren Zulässigkeit. Diese ergeben sich daraus, dass mit
einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses regelmäßig
ein (Teil)Verzicht nach § 48 Abs. 1 MarkenG verbunden ist, welcher ohne weiteres
zum teilweisen Erlöschen der Marke führt und daher grundsätzlich nicht bedingt
erklärt werden kann, (BGH GRUR 2011, 654 Nr. 14 - Yoghurt-Gums). Ungeachtet
dessen vermag die Einschränkung an dem dargelegten Verständnis der angemel-
deten Bezeichnung nichts zu ändern; Denn die beanspruchten Waren werden le-
diglich dahingehend eingeschränkt, dass sie bestimmte „Proteine“ enthalten.
Diese werden jedoch mit der angemeldeten Marke in einer aus den vorgenannten
Gründen ohne weiteres verständlichen Weise als „besonders groß“ beschrieben.

3. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ge-
geben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

4. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.


IV.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht der Anmelderin das Rechtsmittel der Rechtsbe-
schwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie
nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
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3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Hacker Meiser Merzbach

Pr


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