2. Senat - Auflösungsantrag des Arbeitgebers - Sonderkündigungsschutz eines Wahlbewerbers - Recht auf freie Meinungsäußerung
Karar Dilini Çevir:
2. Senat - Auflösungsantrag des Arbeitgebers - Sonderkündigungsschutz eines Wahlbewerbers - Recht auf freie Meinungsäußerung
Bundesarbeitsgericht 2 . Senat Urteil vom 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - I. Arbeitsgericht München Teilurteil vom 13. Juli 2010 14 Ca 17608/09 - II. Landesarbeitsgericht München Teilanerkenntnis- und Schluss - urteil vom 5. Juli 2011 - 9 Sa 1174/10 - F ür die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichwort e : Auflösungsantrag des Arbeitgebers - Sonderkündigungsschutz eines Wahlbewerbers - Recht auf freie Meinungsäußerung Gesetz: KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 3 Satz 1 Leitsätze: keine - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 2 AZR 419/12 9 Sa 1174/10 Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes! Verkündet am 29. August 2013 URTEIL Schmidt, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungsbeklagter, Berufungskläger und Revisionskläger, pp. Beklagte, Berufungsklägerin, Berufungsbeklagte und Revi sionsbeklagte, hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 29. August 2013 durch die Richterin am Bundesarbeitsgericht Berger als Vorsitzende, die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht Rachor und Dr. Rinck sowie die ehrenamtlichen Richter Wolf und Falke für Recht erkannt: - 2 - 2 AZR 419/12 - 3 - Auf die Revision des Klägers wird das Teilanerkenntnis - und Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. Juli 2011 - 9 Sa 1174/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es d ie Berufung des Kl ä- gers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 13. Juli 2010 - 14 Ca 17608/09 - als unbegründet z u- rückgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Ve r- handlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revis ion - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über einen Auflösungsantrag der Beklagten. Die Beklagte ist ein Unternehmen im Bereich IT - Beratung und Sy s- temintegration. Der Kläger ist bei ihr s eit 2006 als Diplominformat i- ker/Softwareentwickler tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb besteht ein Betriebsrat. Am 13. Mai 2009 mahnte die Beklagte den Kläger ab, nachdem dieser die Teilnahme an einer Ve ranstaltung, die der Überprüfung seines Kenntni s- stands in der Programmiersprache Java dienen sollte, verweigert hatte. Dag e- gen hat sich der Kläger - erfolglos - mit einer in einem Vorprozess erhobenen Klage gewandt. Am 2. November 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer b e- absichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers wegen Arbeitsverweigerung und Schlechterfüllung seiner Arbeitspflicht an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung. Mit Schreiben vom 12. November 2009 kündigte die Beklagte das A rbeitsverhältnis ordentlich verhalten sbedingt zum 31. Dezember 2009. 1 2 3 4 - 3 - 2 AZR 419/12 - 4 - Am 2. Dezember 2009 mahnte die Beklagte den Kläger ab, weil ein am 20. November 2009 übergebenes Programmierergebnis trotz Nachbearbeitung zahlreiche Fehler aufgewiesen habe. Am 11. Dez ember 2009 erteilte sie ihm eine weitere Abmahnung wegen Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen. Am 7. Dezember 2009 hörte sie den Kläger zum dringenden Verdacht des Arbeitszeitbetrugs an, nachdem dieser für den 4. Dezember 2009 unte r- schiedliche Angaben z u seinen Arbeitszeiten gemacht hatte. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 kündigte sie das Arbeitsverhäl t- nis nach Anhörung des Betriebsrats wegen Schlechtleistung außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010. Gleichzeitig stellte si e den Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit zwei Schreiben vom 28. Dezember 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - ebenfalls nach vorher i- ger Anhörung des Betriebsrats - wegen Schlechtleistung und Arbeitszeitbetrugs außerordentlich f ristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010. Am 1. Februar 2010 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte ein. Dem Gesuch, mit dem er die vorläufige Zahlung von Arbeitsen tgelt begehrte, fügte der Kläger eine eidesstattliche Versicherung bei. Dort heißt es: e- berkündigungen bombardiert, denen der Betriebsrat j e- Im Termin übergab der Kläger eine weitere eidesstattliche Versich e- rung. Darin berichtigte er seine früheren Angaben dahingehend, dass der B e- triebsrat den Kündigungen vom 28. Dezember 2009 nicht widersprochen habe. Mit Schreiben vom 15. Februar 2010 und vom 26. Februar 2010 kündi g- te die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise ordentlich. Unter dem 22. März 2010 kündigte sie ein weiteres Mal fristlos. Der Kläger bewarb sich als Kandidat für die Betriebsratswahl am 23. April 2010. Zusa mmen mit den übrigen Bewerbern seiner Liste verfasste und veröffentlichte er einen Wahlaufruf folgenden Inhalts: 5 6 7 8 9 10 11 - 4 - 2 AZR 419/12 - 5 - zunächst allen, die es uns mit ihrer Unterschrift möglich gemacht haben, zu dieser Wahl anzutreten. Lange war nicht klar , ob wir die nötige Zahl an Stützunterschriften zusammenbekommen würden, weil die Geschäftsführung versucht hat, uns mit Hausverboten am Sammeln der U n- terschriften zu hindern und viele angesprochene Kollegi n- nen und Kollegen aus Angst vor persönlichen Nacht eilen nicht unterschreiben wollten. Wir fordern, dass die Einschüchterungen unverzüglich aufhören. Die Mobbing - Praxis, mit Hilfe von erfundenen Sachverha l- ten, willkürlichen Abmahnungen, und mit deren Hilfe ebensolche Kündigungen vorzubereiten und auszuspr e- chen, muss endlich ein Ende finden! Bei der Neuorganis a- tion des Bereichs T wurde mehrfach so vorgegangen, das ist völlig inakzeptabel! Wer sich weigert, einen Aufl ö- sungsvertrag zu unterschreiben, wird nach dem Prinzip er nicht hört, muss fühlen bestraft. Wir fordern deshalb, Schluss mit der Demütigung von Mitarbeiter/innen durch vertragsfremde Beschäftig ung und untergeordnete Hilfst ä- Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde am 29. April 2010 bekannt gegeben. Der Kläger wurde nicht in den Betriebsrat gewählt. Gegen die im Jahr 2009 erklärten Kündigungen hat sich der Kläger mit seiner vorliegenden Klage gewandt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage a b- zuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts g e- stellt werde, jedoch 7.667,00 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 31. Dezember 2009 aufzulösen. 12 13 - 5 - 2 AZR 419/12 - 6 - Die Beklagte hat zur Begründung ihres - sich auf die ordentliche Künd i- gung vom 12. November 2009 beziehenden - Auflösungsantrags vorgebracht, aufgrund zahlreicher Pflichtverletzungen des Klägers sei eine den Betriebszw e- cken dienliche Zusammenarbeit zwisch en den Parteien in Zukunft nicht mehr zu erwarten. Dessen falscher Vortrag im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die unzutreffende eidesstattliche Versicherung stellten einen Versuch des Prozessbetrugs dar. Der Kläger habe die Unrichtig keit seiner A n- gaben zumindest billigend in Kauf genommen und dadurch das in seine Integr i- tät gesetzte Vertrauen erheblich erschüttert. Ein weiterer Auflösungsgrund liege in den betriebsöffentlichen Beleidigungen und unwahren Tatsachenbehauptu n- gen, die in d em Aufruf zur Betriebsratswahl 2010 enthalten seien. Der Kläger habe sich von den Aussagen trotz entsprechender Aufforderung nicht dista n- ziert. Er verfüge auch nicht über die für eine gedeihliche Zusammenarbeit no t- wendige kritische Rollendistanz. Er werfe selbst in einem von ihr in zweiter Instanz - erfolgreich - angebrachten Antrag auf Fristverlängerung und Verlegung eines Kammertermins einen Angriff auf seine wirtschaftliche Existenz und akzeptiere nicht einmal Weisungen, deren Berec h- tigung - wie im Fall der Weisung, die der Abmahnung vom 13. Mai 2009 z u- grunde gelegen habe - rechtskräftig festgestellt sei. Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Der Au f- lösung des Arbeitsverhältnisses stehe bereits sein S onderkündigungsschutz als Wahlbewerber entgegen. Auch seien keine Auflösungsgründe gegeben. Er sei weiterhin bereit, sich voll und ganz für das Unternehmen und die Belegschaft einzusetzen. Dies komme insbesondere durch seine Kandidatur bei der B e- triebsrats wahl 2010 zum Ausdruck. Der in diesem Zusammenhang verfasste Wahlaufruf stelle die Personalpolitik der Beklagten lediglich pointiert und wah r- heitsgetreu dar. Im einstweiligen Verfügungsverfahren habe er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Unrichtigkeiten in seiner u r- sprünglichen eidesstattlichen Erklärung seien auf Missverständnisse zurückz u- führen, die mit Sprachschwierigkeiten zusammenhingen. 14 15 - 6 - 2 AZR 419/12 - 7 - Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil festgestellt, dass das Arbeitsve r- hältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung vom 12. November 2009, noch durch die fristlosen Kündigungen vom 18. und 28. Dezember 2009 aufgelöst worden ist. Zugleich hat es das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Dezember 2009 aufgelöst und die Beklagte zur Z ahlung einer Abfindung in Höhe von 20.051,46 Euro brutto verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kl ä- ger sein Begehren weiter, den Auflösungsantrag abzuweisen. Im Übrigen ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig. Entscheidungsgründe Die Revision des Klägers ist begründet. Auf der Grundlage seiner bi s- herigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag der Beklagten nicht stattgeben. Das angefochtene Urteil war in diesem Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) . Der Senat kann nicht abschli e- ßend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festg e- stellt (§ 563 Abs. 3 ZPO) . I. Das Kündigungsschutzgesetz lässt die Auflösung des Arbeitsverhäl t- nisses bei Sozialwidrigkeit der Kündigun g nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz - und kein Abfindungsgesetz (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 41 , BAGE 140, 47 ; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20) . An die Auflösungsgründe sind deshalb strenge Anfo r- deru ngen zu stellen. 1. Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche U m- stände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sei n Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Grü n- de, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen 16 17 18 19 - 7 - 2 AZR 419/12 - 8 - den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insb e- sondere nicht im schuldhaften Verhalten des A rbeitnehmers liegen. Entsche i- dend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere g e- deihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42 , BAGE 140, 47 ; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 21 , jeweils mwN) . 2. Die Begründetheit eines Auflösungsantrags ist grundsätzlich nach den Umständen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorlagen. Auf deren Grundlage ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betr iebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwa r- ten ist (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 41 , BAGE 140, 47 ; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20) . Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zei t- punkt, jedoch vor Erlass des (Berufungs - )Urteils bereits geendet hat. In einem solchen Fall ist das Gericht zwar nicht an der Auflösung des Arbeitsverhältni s- ses gehindert. Für die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG anzustellende Zukunft s- progn ose ist aber nur der Zeitraum bis zum Eintritt der anderweitigen Beend i- gung zu berücksichtigen (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 22 ff.) . 3. Die Würdigung, ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Aufl ö- sungsantrag zutreffend erkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösung s- gründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsf rei berüc k- sichtigt und gewürdigt hat (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 43 , BAGE 140, 47 ; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 33) . II. Einer solchen Prüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand. 1. Das Landesarbeitsgeric ht nimmt mit Recht an, die gerichtliche Aufl ö- sung des Arbeitsverhältnisses sei nicht von vornherein deshalb ausgeschlo s- sen, weil der Kläger zwischenzeitlich besonderen Kündigungsschutz gemäß 20 21 22 23 - 8 - 2 AZR 419/12 - 9 - § 15 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG erlangt habe. Der Sonderkündigun gsschutz führt, anders als die Revision meint, auch nicht dazu, dass Auflösungsgründe, die im geschützten Zeitraum entstanden sind, das Gewicht eines Kündigung s- grundes iSv. § 626 BGB erreichen müssten. a) Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG kann das Arbeitsver hältnis eines Wahlbewerbers in der Zeit von der Aufstellung des Wahlvorschlags bis zur B e- kanntgabe des Wahlergebnisses nur aus wichtigem Grund und zudem nur unter Einhaltung des besonderen Verfahrens nach § 103 BetrVG gekündigt werden. Gemäß § 15 Abs. 3 Sa tz 2 KSchG kann das Arbeitsverhältnis des nicht gewäh l- ten Bewerbers bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses weiterhin nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. b) Die Regelungen schließen zugleich eine Auflösung des Arbeitsv erhäl t- nisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers im Zusa m- menhang mit einer Kündigung aus, die in dem geschützten Zeitraum erklärt wird. Stellt das Gericht fest, dass eine in diesem Zeitraum erklärte außerorden t- liche Kündigung unwirksam ist, steht die Möglichkeit, eine Auflösung des A r- beitsverhältnisses zu beantragen, nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG ohnehin ausschließlich dem Arbeitnehmer zu. Der Arbeitgeber kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses lediglich im Zusammenhang mit einer un wirksamen o r- dentlichen Kündigung und auch insoweit nur beantragen, wenn die Kündigung nicht aus anderen Gründen als der Sozialwidrigkeit unwirksam ist (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 13; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 12 7 , 329) . Das wiederum ist während des Bestehens des Sonderkündigungsschutzes wegen § 15 Abs. 1, Abs. 3 KSchG stets der Fall. c) Hat der Arbeitgeber vor Eintritt des Sonderkündigungsschutzes e i- ne - sozial nicht gerechtfertigte - ordentliche Kündigung erklärt und hierauf b e- zogen einen Auflösungsantrag gestellt und hat der Sonderkündigungsschutz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder geendet, kommt eine - entsprechende - Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG, § 103 BetrVG nicht in Betracht. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Sonderkündigungsschutz zu dem nach § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden 24 25 26 - 9 - 2 AZR 419/12 - 10 - Auflösungszeitpunkt, also bei Ablauf der Kündigungsfrist - hier dem 31. De - zember 2009 - , schon bestand, bedarf keiner Entschei dung. Dafür gibt es im Streitfall keinen Anhaltspunkt. Zwar ist der genaue Zeitpunkt, zu dem der Wah l- vorschlag für den Kläger aufgestellt war (zu den Voraussetzungen : vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 299/11 - Rn. 12 mwN) , nicht festgestellt. Das Landesa r- bei tsgericht ist aber erkennbar davon ausgegangen, dass der Kläger erst im Jahre 2010 Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber erlangt hat. Etwas a n- deres hat auch keine der Parteien geltend gemacht. aa) Soweit der Senat für einen Arbeitnehmer, der in den Per sonalrat g e- wählt worden war, entschieden hat, einem Auflösungsantrag, der auf einen nach der Wahl entstandenen Sachverhalt gestützt werde, könne nur stattgeg e- ben werden, wenn dieser Sachverhalt geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben (BAG 7. Dezember 1972 - 2 AZR 235/72 - zu IX der Gründe, BAGE 24, 468; ebenso APS/Biebl 4. Aufl. § 9 KSchG Rn. 58; vHH/L /L inck 15. Aufl. § 9 Rn. 61; aA HaKo - KSchG/Fiebig 4. Aufl. § 9 Rn. 85; Hertzfeld NZA - RR 2012, 1) , betraf dies - anders als hier - den Fall, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Auflösungsantrag noch Mandatsträger war. Auf eine solche Konstell a- tion bezieht sich auch die im Schrifttum für den Geltungsbereich des Betrieb s- verfassung sgesetzes vertretene Auffassung, dass außerdem der Betriebsrat der Auflösung zugestimmt haben müsse, da andernfalls § 103 BetrVG umga n- gen werde (ErfK/Kiel 13. Aufl. § 9 KSchG Rn. 18; KR / Spilger 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 62; SES/Schwarze KSchG § 9 Rn. 64) . bb) Im Streitfall konnte eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Umgehung von § 15 Abs. 3 KSchG und § 103 BetrVG führen. Es bedurfte d a- her weder eines Sachverhalts, der zugleich geeignet gewesen wäre, einen wichtigen Grund für eine außerordentlic he Kündigung abzugeben, noch einer Zustimmung des Betriebsrats. Dies gilt auch, soweit der Auflösungsantrag auf während der Zeit des Sonderkündigungsschutzes entstandene Sachverhalte gestützt wird. 27 28 - 10 - 2 AZR 419/12 - 11 - (1) Der besondere Kündigungsschutz des § 15 KSchG soll di e Unabhä n- gigkeit von Funktionsträgern gewährleisten. Er soll sicherstellen, dass sie ihre betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ohne Furcht vor Repressalien seitens des Arbeitgebers ausführen können. Darüber hinaus dient er der Kontinuität der Arbeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 13; KR / Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 9, 10; vHH/L/ v. Hoyningen - Huene 15. Aufl. § 15 Rn. 1) . In diesem Zusammenhang soll § 15 Abs. 3 KSchG die Durchführung der Wahl erleichtern. Insbesondere sollen Arbeitgeber daran gehindert werden, nicht genehme Arbeitnehmer von der Wahl auszuschließen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 299/11 - Rn. 13; 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 22) . Die - zei tlich befristete - Ausdehnung des Sonderkündigung s- schutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG über den Zeitpunkt der Bekanntgabe aufgetretener Kontroversen ermöglichen (BT - Drucks. VI/178 6 S. 60) . (2) Hier hatte der Sonderkündigungsschutz des Klägers bei Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder geendet. Er hatte zudem zum Zei t- punkt des möglichen Auflösungstermins noch nicht bestanden. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ko nnte daher weder die Tätigkeit des Klägers als Wahlbewerber noch die Kontinuität des betriebsverfassungsrechtlichen Organs beeinträchtigen. (3) Der von § 15 Abs. 3 KSchG bezweckte Schutz der Unabhängigkeit des Wahlbewerbers verlangt in Fällen wie dem vo rliegenden auch nicht danach, während der Zeit des Sonderkündigungsschutzes entstandene Sachverhalte entweder gar nicht oder nur dann als Auflösungsgrund zu berücksichtigen, wenn sie geeignet wären, einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB abz u- geben. ( a) Der Amts - bzw. Funktionsträger iSd. § 15 KSchG ist außerhalb des Schutzzeitraums in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht jedem anderen A r- beitnehmer ohne betriebsverfassungsrechtliches Mandat gleichgestellt. Nach Ablauf des Nachwirkungszeitraums kann ein e ordentliche Kündigung deshalb auch auf solche Pflichtverletzungen gestützt werden, die der Arbeitnehmer wä h- 29 30 31 32 - 11 - 2 AZR 419/12 - 12 - rend der Schutzfrist begangen hat. Das gilt uneingeschränkt jedenfalls für Han d lungen, die in keinem Zusammenhang zur Wahlbewerbung stehen (vgl. BA G 13. Juni 1996 - 2 AZR 431/95 - zu II 1 e der Gründe) . Für die Heranzi e- hung entsprechender Sachverhalte als Auflösungsgrund kann nichts anderes gelten. (b) Stehen die behaupteten Tatsachen, die die Auflösung begründen so l- len, mit der Kandidatur in Verbindung, ist der Arbeitnehmer hinreichend g e- schützt, wenn dieser Aspekt bei der materiellen Bewertung des geltend g e- machten Auflösungsgrundes angemessen Berücksichtigung findet. Wirkt sich der fragliche Umstand etwa - wie bei der Verletzung betriebsverf assungsrechtl i- cher Pflichten des Wahlbewerbers - ausschließlich im kollektiven Bereich aus, liegt von vornherein kein tragfähiger Auflösungsgrund iSd. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Im anderen Fall muss berücksichtigt werden, dass Arbeitnehmer durch die Wahr nehmung betriebsverfassungsrechtlicher Funktionen leichter mit ihren arbeitsvertraglichen Pflichten in Konflikt geraten können. Es bedarf de s- halb im Rahmen von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG einer genauen Prüfung, welche Bedeutung das im geschützten Zeitraum eing etretene Ereignis nach dem Au s- laufen des Sonderkündigungsschutzes für die zukünftige gedeihliche Zusa m- menarbeit der Arbeitsvertragsparteien tatsächlich hat. 2. Auch ausgehend von diesem rechtlichen Rahmen durfte das Landesa r- beitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen nicht anne h- men, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwa r- ten. Das gilt unabhängig von der Frage, ob das Gericht in Anbetracht der zum 31. März 2010 erklärten ordentlichen Kündigungen vom 28. Dezem ber 2009 und weiterer, dem Kläger nach dem in Rede stehenden Auflösungstermin z u- gegangener Kündigungen vom richtigen Prognosezeitraum ausgegangen ist. a) Als Auflösungsgrund grundsätzlich geeignet sind Beleidigungen oder persönliche Angriffe des Arbeitne hmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen. Auch bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptu n- gen können - etwa wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen - die Rechte eines Arbeitgebers in gravierender Weise verletzen und ein e gedeihl i- 33 34 35 - 12 - 2 AZR 419/12 - 13 - che künftige Zusammenarbeit in Frage stellen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22) . Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Falsche Tats a- chenbehauptungen sind nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19) . Äußerungen, die ein Wer t- urteil enthalten, fallen hingegen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen ve r- mengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 18; 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21) . In diesem Fall ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit gegen die betroffenen Grundrechte des Arbeitgebers abzuw ä- gen und mit diesen in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen. Im Rahmen der Abwägung fällt die Richtigkeit des Tatsachengehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19; 13. Februar 1996 - 1 BvR 262/91 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 94, 1) . Me i- nungsäußerungen, die auf einer gesicherten Tatsachenbasis beruhen, hat der Arbeitgeber eher hinzunehmen, als solche, bei denen sich der Arbeitnehmer auf unzutreffende Tatsachen stützt. b) Arbeitnehmer dürfen unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggf. auch überspitzt oder pol e- misch äußern (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 7. Juli 2 011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14 , BAGE 138, 312 ) . Die Meinungsfreiheit muss j e- doch regelmäßig dann zurücktreten, wenn sich das in der Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik erweist (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 23; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 93, 266) . Das gilt auch bei der Teilnahme an einer B e- triebsratswahl. Der Arbeitgeber muss nicht deshalb Beleidigungen oder Schmähungen hinnehmen, weil ein Arbeitnehmer damit Stimmen für sei ne Kandidatur gewinnen will (ähnlich BAG 17. Februar 2000 - 2 AZR 927/98 - zu II 3 b der Gründe) . Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutr e- ten muss vielmehr, dass be i der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung 36 - 13 - 2 AZR 419/12 - 14 - in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroff e- nen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua . - aaO ; BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17 , aaO ; BGH 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - zu II 4 a der Gründe) . c) Soweit in einem laufenden Gerichtsverfahren - etwa im Kündigung s- schutzprozess - Erklärungen abgegeben werden, ist zu berücksichtigen, dass diese durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22; 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12) . Parteien dürfen zur Verteidigun g von Rechten schon im Hi n- blick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts - , einwendungs - oder einredebegründender U m- stand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C I I 3 der Gründe) . Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Au s- drücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu u n- terstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Dies gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Parteien dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne W eiteres auf der Hand liegt (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - aaO mwN) . d) Gemessen daran trägt die bisherige Begründung des Berufungsurteils die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht. aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe mit dem Wahlaufruf unzutreffende Behauptungen im Betrieb verbreitet n- gegenüber der Beklagten bestehenden Pflichten zur Rücksichtnahme in einem Umfang verletzt, der eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr e r- warten lasse. Bei dieser Würdigung hat das Landesarbeitsgericht die Bede u- tung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt. 37 38 39 - 14 - 2 AZR 419/12 - 15 - (1) Für die Frage, ob und in welcher Weise in Fällen wie diesem die b e- troffenen Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind, ist maßgebend, ob die fragliche Äußerung als Werturteil oder als Tatsachenb e- hauptung anzusehen ist. Während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist, werden Tats a- chenbehauptungen durch die objektiv e Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert. Anders als Werturteile sind Tatsachenbehau p- tungen daher grundsätzlich dem Beweis zugänglich (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21; 13. April 1994 - 1 BvR 23/94 - zu B II 1 b der Gründe , BVerfGE 90, 241) . Ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinung s- äußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, beurteilt sich en t- scheidend nach dem Gesamtkontext, in dem sie steht (zum Ganzen : BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - Rn. 18) . (2) Danach handelt es sich bei der im Wahlaufruf - sinngemäß - enthalt e- erfundener Sachverhalte willkürliche Abmahnungen und Kündigungen ausspr e- che, nicht um eine b- bing s n- den Betrachtung. Der Hinweis, die Beklagte spreche Abmahnungen und Künd i- keine - isolierte - Tatsachenbehauptung dar. Die Äußerung bildet lediglich die tatsäc h- liche Grundlage für das Werturteil und ist daher mit der Meinungsäußerung u n- trennbar verbunden. Die im Wahlaufruf enthaltenen Äußerungen fallen damit sämtlich in den Sch utzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und hätten mit den ggf. b e- troffenen Grundrechten der Beklagten - insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG 8. September 2010 - 1 BvR 1890/08 - Rn. 25 mwN) - in ein angeme s- senes Verhältnis gebracht werden müssen. Dies hat das Landesarbeitsg e- richt - aus seiner Sicht folgerichtig - unterlassen. (3) Die Meinungsfreiheit des Klägers muss nicht deshalb zurücktreten, weil die Inhalte des Wahlaufrufs als bloße Diffamierung anzusehen wären. Bei den Äußerungen stand nicht eine Schm ähung oder Beleidigung der Beklagten oder 40 41 42 - 15 - 2 AZR 419/12 - 16 - ihrer Repräsentanten, sondern die - wenngleich überspitzte und polem i- sche - Darstellung der betrieblichen Verhältnisse zum Zwecke des laufenden Betriebsratswahlkampfs im Vordergrund. Etwas anderes gilt auch nicht d eshalb, weil der Kläger nach dem Ende des Wahlkampfs an seinen Äußerungen fes t- gehalten hat. Damit hat er - anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht seine Meinungsäußerung in der Betriebsöffentlichkeit aufrechterha l- ten, sondern im Rahmen d es Rechtsstreits seinen Standpunkt - bezogen auf ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten - verteidigt und damit berechtigte eigene Interessen wahrgenommen. bb) Auch die Berücksichtigung der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung im Verf ahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als Aufl ö- sungsgrund ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat den vorgetragenen Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt. Es hat die - unstreitige - Tatsache, dass der Kläger seine Versiche rung bereits wenige Tage später ko r- rigierte, nicht in seine Erwägungen einbezogen. Hätte es diesen Umstand b e- rücksichtigt, hätte es nicht ohne W eiteres annehmen können, der Kläger werde cc) Sow eit das Landesarbeitsgericht einen Auflösungsgrund in der ma n- gelnden Bereitschaft des Klägers erblickt hat zu akzeptieren, dass die Beklagte ihm am 13. Mai 2009 eine - wie durch rechtskräftiges Urteil bestätigt - rechtm ä- ßige Weisung erteilt habe, ist nicht erkennbar, von welchen Tatsachen es dabei ausgegangen ist. Dass der Kläger die entsprechende Weisung auch nach A b- schluss des wegen der Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte geführten Rechtsstreits nicht befolgt hätte, hat es nicht festgestellt. Aus einem möglichen Fehlen der inneren Akzeptanz auf Seiten des Klägers ergeben sich - soweit ersichtlich - keine negativen Auswirkungen für die weitere Zu s a m- menarbeit. 43 44 - 16 - 2 AZR 419/12 - 17 - dd) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine gedeihliche Zusamme n- arbeit der Par teien sei deshalb nicht zu erwarten, weil sich der Kläger selbst durch Terminverlegungsanträge des Prozessbevollmächtigten der Beklagten angegriffen fühle und dieser unterstelle, sie dienten nur dazu, ihn auf unzuläss i- ge Weise unter Druck zu setzen und ihn existenziell zu ruinieren, hält der rev i- sionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das gilt gleichermaßen für die A n- nahme, der Kläger sei, wie der wiederholte Vorwurf des Mobbing zeige, nicht halbwegs obje k- die Äußerungen im Rahmen eines kontrovers geführten Rechtsstreits gefallen e- hauptung möglicherw eise ehrverletzender Tatsachen erlaubt, soweit es aus seiner Sicht darauf ankommen konnte (vgl. BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe; BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 29) . Das war hier der Fall. Der Kläger wollte auf diese Weis e ersichtlich nur seine subjektive Wahrnehmung schildern, um seiner Rechtsauffassung besonderen Nachdruck zu verleihen. III. Ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG gerechtfe r- tigt ist, steht noch nicht fest. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen. Die Sache war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. 1. Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Äußerungen im Wahlau f- ruf keine Abwägung zwischen dem Grundrecht des Klägers auf freie Meinung s- äußerung und betroffenen G rundrechten der Beklagten oder ihrer Repräsenta n- ten vorgenommen. Dies hat es nachzuholen. Dabei wird es genau prüfen mü s- sen, in welchen eigenen Rechtspositionen sich die Beklagte als verletzt sieht und ob diese grundrechtlichen Schutz genießen (vgl. dazu B VerfG 8. Sep - tember 2010 - 1 BvR 1890/08 - Rn. 25) . Bei dieser Abwägung wird auch der Wahrheitsgehalt der Tatsachen zu ermitteln sein, die der Meinungsäußerung nach dem Vorbringen des Klägers zugrunde liegen. Dabei sind - anders als das Landesarbeitsgerich t bislang angenommen hat - s- - ggf. nach einer Beweisau f- 45 46 47 - 17 - 2 AZR 419/12 - 18 - nahme - nur einzelne Tatsachen als unzutreffend herausstellen sollten, auf die die Beklagte Abmahnungen und/oder Kündigungen ges tützt hat, wäre dies im Rahmen der Gesamtabwägung zugunsten des Klägers zu gewichten. 2. Für die Würdigung, ob die Äußerungen im Wahlaufruf geeignet sind, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, wird das Landesarbeitsg e- richt zudem zu prüf en haben, ob die Gefahr einer Wiederholung besteht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist eine solche nicht erkennbar. Die Betriebsratswahl ist abgeschlossen, der Kläger hat die Funktion des Wah l- bewerbers nicht mehr inne. Dass künftig dennoch mit gleichen oder ähnlichen Meinungsäußerungen zu rechnen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht fes t- gestellt. 3. Sollte das Landesarbeitsgericht in der Abgabe einer falschen eidesstat t- lichen Versicherung auch unter Berücksichtigung ihrer nachträglichen Korrektur weiterhin einen möglichen Auflösungsgrund sehen, wird es noch festzustellen haben, ob dem Kläger insoweit Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Diese Unterscheidung ist entscheidungserheblich. Fahrlässigkeit wird die Beklagte in die sem Zusammenhang eher hinzunehmen haben als Vorsatz. 4. Gelangt das Landesarbeitsgericht - ggf. unter Einbeziehung weiteren Sachvortrags der Beklagten - e- eignete Auflösungsgründe vor, wird es zu prüfen haben, vo n welchem Progn o- sezeitraum auszugehen ist. Zwar steht - soweit ersichtlich - nicht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer der weiteren Kündigungen der Beklagten nach dem 31. Dezember 2009 geendet hat. Darauf kommt es aber nicht an. I st der Eintritt einer anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältni s- ses zwar möglich, steht er aber nicht mit Gewissheit fest, muss das zur En t- scheidung über den Auflösungsantrag berufene Gericht ggf. eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit eines solchen Eintritts treffen und daran die Pr ü- fung nach § 9 KSchG ausrichten (vgl. BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 241/12 - Rn. 18; 27. April 2006 - 2 AZR 360/05 - Rn. 29, BAGE 118, 95) . Stellt sich he r- aus, dass das Arbeitsverhältnis aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Termin der mündlichen Verhandlung geendet hätte, sind bei der nach § 9 Abs. 1 Satz 2 48 49 50 - 18 - 2 AZR 419/12 KSchG vorzunehmenden Gesamtabwägung auch nur die Auflösungstatsachen zu berücksichtigen, die im maßgebenden Beurteilungszeitraum eingetreten sind. Berger Rachor Rinck Wolf Torsten Falke

Full & Egal Universal Law Academy