2. Senat - Außerordentliche Kündigung - Anhörung des Betriebsrats - subjektive Determinierung
Karar Dilini Çevir:
2. Senat - Außerordentliche Kündigung - Anhörung des Betriebsrats - subjektive Determinierung
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23. Oktober 2014 Zweiter Senat 2 AZR 736/13 - I. Arbeitsgericht Wuppertal Urteil vom 8. Januar 2013 - 5 Ca 2710/12 1 - II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf Teilurteil vom 2. Juli 2013 - 16 Sa 223/13 - Für die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichworte: Außerordentliche Kündigung - Anhörung des Betriebsrats Bestimmung en : BetrVG § 102 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 2 AZR 736/13 16 Sa 223/13 Landesarbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes! Verkündet am 23. Oktober 2014 URTEIL Schmidt, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, p p . Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 23. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesa r- beitsgericht Kreft, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Rachor, den Richter - 2 - 2 AZR 736/13 - 3 - am Bundesarbeitsgericht Dr. Niemann sowie die ehrenamtlichen Richter Frey und Falke für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wi rd das Urteil des La n- desarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 2013 - 16 Sa 223/13 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entsche i- dung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Von Recht s wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die Beklagte vertreibt Telekommunikationsdienstlei s tungen. Die Kläg e- rin war seit Oktober 1989 Beamtin bei der D . Sie wurde im Bea m tenverhältnis beurlaubt und war seit Mai 2004 für die Beklagte als Leiterin ein es T - Shops tätig. Mit Schreiben vom 3. September 2012 hörte die Beklagte den Betrieb s- r at zu ihr er Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich, jeweils sowohl wegen begangener Pflichtverletzungen als auch wegen eines entsprechenden Verdachts zu kündigen. In dem Anhörung s- schreiben ist zum Stichwor etriebszugehörigkeit gesamt 0 1. 0 Klä gerin] durch verhaltensbedingte, außerordentlich fris t- lose Kündigungen zu beenden, wie e ingangs dieses Schreibens erläutert. Die Kündigungen soll wirksam we r- den mit Ablauf des Tages der Zustellung. 1 2 3 - 3 - 2 AZR 736/13 - 4 - Bei den - wie erläutert - zusätzlich durchweg hilfsweis e beabsichtigten verhaltensbedingten ordentlichen Künd i- gungen wird die tarifliche Kündigungsfrist eingehalten werden. Sie beträgt gemäß § 21 Abs. 4 MTV TSG sieben Monate zum Monatsende. Wir bitten Sie um Stellungnahme zu den beabsichtigten außerordentli chen und ordentlichen Kündigungen inne r- Mit einem weiteren Schreiben an den Betriebsrat vom 4. September 2012 nahm die Beklagte Bezug auf das vorausgegangene Schreiben und teilte Klägerin wie folgt ergänzen: Begründung des Arbeitsverhältnisses bei der TSG am 0 1. 0 5.2004 im Beamtenverhältnis beurlaubt. Dies ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Durch die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältni s- ses wird [die Klägerin] nicht in die Arbeitslosigkeit entla s- sen. Vielmehr entfällt mit dem Arbeitsverhältnis auch der Beurlaubungsgrund, so dass das Beamtenve rhältnis als Bundesbeamtin wieder auflebt. [Die Klägerin] wird mit Wirksamkeit der Kündigung von der D AG, we l che die Dienstherrneigenschaft ausübt, zu beso l den und zu b e- schäftigten sein. Dass [die Klägerin] wegen der vorgeworfenen Handl u n- gen, soweit sie strafrechtlich relevant sind, mit disziplinar i- schen Maßnahmen im Beamtenverhältnis rechnen muss, ist in der arbeitsrechtlichen Interessenabwägung hingegen nicht berücksichtigungsfähig. Die Prüfung solcher Ma ß- nahmen ist dem Dienstherrn vor behalten. Wir ha tt en im ersten Schreiben bereits ausgeführt, dass bei den hilfsweise zusätzlich beabsichtigten ordentlichen Kündigungen die tarifvertragliche Kündigungsfrist maßg e- bend ist. Bei einer beurlaubten Beamtin ist als Betriebsz u- gehörigkeit zur Ermittlung der Kündigungsfrist nur die Zeit im Arbeitsverhältnis (ab 0 1. 0 5.2004) maßgebend, nicht jedoch die Zeit als aktive Beamtin (Zeit vom 23.10.1989 bis 30. 0 4.2004), § 7 Abs. 1 MTV TSG. 4 - 4 - 2 AZR 736/13 - 5 - Die TSG - Betriebszugehörigkeit von [der Kläg erin] beträgt demnach 8 Jahre. Wir stellen richtig, dass sich die tarifl i- che Kündigungsfrist nach § 21 Abs. 4 MTV TSG auf fünf Mit Schreiben vom 7. September 2012 kündigte die Beklagte das A r- beitsverhältnis der Parteien außerordentlich, mit Schreiben vom 11. September 2012 hilfsweise ordentlich. Die außerordentliche Kündigung wurde noch am 7. September 2012 in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen. Die Klägerin hat rechtzeitig Klage gegen beid e Kündigungen erhoben. Sie hat gemeint, weder für die außerordentliche noch für die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei ein Grund gegeben. Sie sei überdies zu den Vorwü r- fen nicht ordnungsgemäß angehört worden. Im Übrigen habe die Beklagte fü r die außerordentliche Kündigung die E rklärungsfrist nicht gewahrt. Sie habe die Aufklärungsmaßnahmen nicht hinreichend zügig durchgeführt. Darüber hinaus sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Dieser habe erst durch das Schreiben vom 4. September 2012 von ihrer Stellung als Beamtin erfahren. Dabei handele es sich um einen für ihre soziale Situation entsche i- denden Umstand . Die außerordentliche Kündigung sei ihr damit bereits vor A b- lauf der F rist von drei Tagen für eine Stellungnahme des Be triebsrats zugega n- gen. Im Übrigen sei die Anhörung unvollständig, weil dem Betriebsrat die Prot o- kolle der Anhörungen der Mitarbeiterinnen G und S nicht zugele i tet worden se i- en. Die Mitarbeiterin S habe entlastende Angaben g e macht. Die Klägerin hat beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien w e- der durch die Kündigung vom 7. September 2012 noch durch die Kündigung vom 11. September 2012 beendet worden ist. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen . Sie hat der Klägerin verschiedene Pflichtverletzungen zur Last gelegt. Jedenfalls bestehe insoweit ein dringender Verdacht. Die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eing e- halten. Sie habe nach zügigen Ermittlungen erst am 24. August 2012 über au s - 5 6 7 8 - 5 - 2 AZR 736/13 - 6 - reich ende Kenntniss e verfügt, um sachgerecht dar über entscheiden zu können, ob sie kündigen solle oder nicht . Der Betriebsrat sei bereits mit dem Schreiben vom 3. September 2012 vollständig angehört worden. Sie habe als bekannt v o- raussetzen dürfen, dass die Klä gerin Beamtin sei. Dem Betriebsrat sei dies b e- reits bei der Einstellung der Klägerin mitgeteilt worden. Im Übrigen habe ein Betriebsratsmitglied von der Stellung der Klägerin als Beamtin definitiv gewusst. Auf die Erläuterungen vom 4. September 2012 komme es deshalb nicht an. Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten durch Teilurteil insoweit zurückgewiesen, wie das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der außerordentl i- che n Kündigun g festgestellt hat . Mit ihrer Revision verfolgt die Beklag te weite r- hin den Antrag, schon die Klage gegen die außerordentliche Kündigung abz u- weisen. Entscheidungsgründe Die Revision hat Erfolg . Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 7. September 2012 nicht stattgegeben (I.) . Ob die Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest (II.) . I. Auf der Grundlage der bisherigen Fe ststellungen ist die Kündigung , a n- ders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 3. September 2012 ordnungsgemäß über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung informiert (1.) . Durch das weitere Schreiben vom 4. September 2012 ist die Frist für die Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung nicht neu in Gang gesetzt worden (2.) . 1. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 3. September 2012 das Ve r- fahren zur Anhörung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen 9 10 11 12 - 6 - 2 AZR 736/13 - 7 - Kündigung ordnungsgemäß eingeleitet. Falls d a s Schreiben dem Betriebsrat noch am selben Tag zugegangen ist - wofür der Eingangsvermerk spricht, ei n- deutige Feststellung en aber fehlen - , wäre die dreitägige Frist zur Stellungna h- me am 7. September 2012 - dem Tag des Einwurfs des Kündigungsschreibens in den Briefkasten der Klägerin - bereits abgelaufen gewesen. a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor je der Künd i- gung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Will der Betriebsrat geg en eine außerordentliche Kündigung Bedenken erh e- ben, muss er dies gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG dem Arbeitgeber späte s- tens innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilen. Eine vor Fristablauf ausg e- sprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, es sei denn, es liegt bereits eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor ( vgl. BAG 12. Dezember 1996 - 2 AZR 803/95 - zu II 1 der Gründe; 13. November 1975 - 2 AZR 610/74 - zu 3 a der Gründe, BAGE 27, 331) . b) Für die Mitteilung de k- (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 24 , BAGE 146, 303 ; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41 , BAGE 142, 339 ) . Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die se inen Künd i- gungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO) . Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 21. No vember 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18) . Zu einer vollständigen und wahrheitsgemä ßen Info r- mation gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats mögliche r- weise bedeutsam sind , weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 38; 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - zu II 1 der Gründe ) . 13 14 - 7 - 2 AZR 736/13 - 8 - c) Die subjektive Determ ination des Inhalts der Anhörung führt nicht dazu, dass bei der verhaltensbedingten Kündigung auf die Mitteilung persönlicher Umstände des Arbeitnehmers ganz verzichtet werden könnte, wenn sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgeber s ohne Bedeutung waren . Bei den Sozialdaten handelt es sich zwar um Umstände, die nicht das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers selbst betreffen. Nach Sinn und Zweck der Anh ö- rung darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat aber keine persönlichen Umstände des Arbeitnehmer s vorenthalten, die sich bei objektiver Betrachtung entsche i- dend zu seinen Gunsten auswirken und deshalb schon für die Stellungnahme des Betriebsrats bedeutsam sein können (vgl. BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - zu B II 2 a der Gründe; 26. September 200 2 - 2 AZR 424/01 - zu B II 3 a der Gründe ) . Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht d as Unterlassen der Angabe von dessen genauen Sozialdaten Betriebsrat sanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt ; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausre i- chend beurteilen ( BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - aaO; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 1 b der Gründe ) . Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden A bwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27 , BAGE 146, 303 ) . d ) Danach ist bisher weder festgestell t noch objektiv ersichtlich, dass dem Betriebsrat der Kündigungssachverhalt im Schreiben vom 3. September 2012 nicht ausreichend mitgeteilt worden wäre. Das Landesarbeitsgericht ist davon u m- i- ben vom 3. September 2012 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Ihm zufolge ist dem Betriebsrat au ch das Protokoll ein er Befragung der Mitarbeiterin G zugele i- 15 16 - 8 - 2 AZR 736/13 - 9 - tet worden. Dass zudem d ie Mitarbeiterin S befragt und dies protoko l liert wo r- den wäre, wie von der Klägerin geltend gemacht, ist bislang nicht e r sichtlich. Nach den Angaben im Anhörungsschreiben vom 3. September 2012 war die se Mitarbeiterin wegen ihres Erholungsur laubs nicht gehört wo r den. e ) D as Anhörung ss chreiben vom 3. September 2012 war auch nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angeführten Gründen unzureichend. aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe gege n- über dem Betriebsrat unrichtige Angaben u- ge mach t . Da s trifft zwar zu. Da rin liegt jedoch kein Fehler in der Anhörung zur - hier allein streitgegenständlichen - außerordentl i- chen Kündigung. (1) Die Beklagte hat in ihr em S chreiben vom 3. September 2012 die e- chenbare nicht explizit mitgeteilt. Sie hat vielmehr keit TSG 01.05. 2004 u- gehörigkeit gesamt : 23. 10. 1989 fgrund welcher Umstände die u- ich und weshalb es ihres Erachtens für die Kündigung Betriebszugehörigkeit ank am, hat die Beklagte im A n- hörungsschreiben nicht näher e rläutert . Sie hat die mit sieben Monaten ang e- gebene Länge der tariflichen Kündigungsfrist jedoch ersichtlich auf der Grun d- ermittelt . ( 2 ) Soweit die Beklagte dem Betriebsrat damit eine objektiv unzutreffe nde - um zwei Monate zu lange - Kündigungsfrist mitgeteilt h at , macht dies die A n- hörung zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung nicht fehlerhaft . (a) E s bedurfte kein er ( zutreffenden ) Angabe der Kündigungsfrist oder der Parameter zu ihrer Berechnung, um dem Betriebsrat Kenntnis darüber zu ve r- schaffen, wann das Arbeitsverhältnis durch die angestrebte fristlose Kündigung beendet werden soll t e. 17 18 19 20 21 - 9 - 2 AZR 736/13 - 10 - (b) Die exakte Dauer der Kündigungsfrist benötigte der Betriebsrat auch nicht, um die Kündigungsabsicht der Bek lagten im Übrigen sachgerecht prüfen zu können. Zwar kann eine kürzere Kündigungsfrist dafür sprechen, dass dem Arbeitgeber e ine ordentli che Kündigung als milderes Mittel zumutbar ist . Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht aber nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27 , BAGE 146, 303 ; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 45 , BAGE 142, 339 ) . Die A nhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsich tigten Kündigung , sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitg e- bers ermöglichen (BAG 31. Januar 1996 - 2 AZR 181/95 - zu II 2 der Gründe; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 7 8, 39 ) . Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, s achgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken, dh. die Stichhalti g- keit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden (BAG 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136) . Im Streitfall war d ies dem Betriebsrat nach Ma ß- gabe der Angaben im Anhörungsschreiben vom 3. September 2012 möglich. Die Gewichtigkeit der Gründe für die beabsichtig te fristlose Kündigung und die Zumutbarkeit einer lediglich ordentlichen Kündigung k onnte er trotz der unz u- treffenden Angabe der Dauer der ordent lichen Kündigungsfrist sachgerecht b e- urteilen . Das Anhörungsschreiben konnte bei ihm nicht etwa eine v ollkommen unzutreffende Vorstellung von der Länge der ordentlichen Kündigungsfrist der Klägerin bewirken . Der Unterschied zwischen der angegebenen Frist von si e- ben Monaten und der wirklichen Frist von fünf Monaten jeweils zum Monatse n- de ist nicht so beträchtlich, d ass de r Betriebsrat bei der Prüfung des Einwands, der Beklagten sei die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar, von gänzlich falschen Annahmen ausgehen musste . (3 ) Auch s oweit die Dauer der Betriebszugehörigkeit für die Interessena b- wägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB von Bedeutung sein kann, wurde o- 22 23 - 10 - 2 AZR 736/13 - 11 - ber 1989 nicht an einer sachgerechten Einwirkung auf die Beklagte gehindert . Die Beklagte hat te zu verstehen gegeben, das s sie eine außerordentliche Kü n- digung selbst angesichts einer solchen Dauer der Betriebszugehörigkeit für g e- rechtfertigt hielt. Eine kürzere Dauer hätte sich allenfalls zu Lasten der Klägerin aus wirken können . Durch die unzutreffende Angabe w urde de m Betri ebsrat d a- her kein Einw and abgeschnitten. Er hatte bei längerer Betriebszugehörigkeit eher mehr Anlass zu prüfen, ob Bedenken gegen die fristlose Kündigung b e- st anden . bb ) D ie Mitteilung, dass die Klägerin beurlaubte Beamtin sei, war f ür eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nicht erforderlich. Ihr Status als beurlaubte Beamtin konnte sich als zusätzliche soziale Absicherung allen falls zu Lasten der Klägerin auswirken - unabhängig davon, ob ihr wegen der ihr vorgeworfenen Pflichtverlet zungen auch im Beamtenverhältnis Disziplinarma ß- nahmen drohten. Erneut hatte der Betriebsrat ohne eine Kenntnis von diesem Umstand eher mehr Anlass, sich für die Klägerin einzusetzen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ihm die Kenntnis dieses Umstands in der P erson eines seiner Mitglieder nicht ohnehin zuzurechnen war . 2. D as Anhörungsverfahren war bei Einwurf des Kündigungsschreiben s in den Briefkasten der Klägerin am 7. September 2012 nicht deshalb noch nicht abgeschlossen , weil die Beklagte de m Betriebsrat mit Schreiben vom 4. September 2012 ergänzende Informationen hat zukommen lassen . Die Frist zur Stellungnahme zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung wurde dadurch nicht erneut in Gang gesetzt. a) D ie Beklagte hat mit dem Schreiben vom 4. September 201 2 zum Au s- druck gebracht, es gehe ihr um eine Ergänzung der Berufsdaten der Klägerin , und hat ausgeführt, welche Bedeutung d em ihres Erachtens für die Interesse n- abwägung zukomme. b) Daraus konnte der Betriebsrat nicht schließen, die Frist zur Stellun g- nahme zu de r hier streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung habe mit Zugang dieses Schreibens neu beginnen sollen. Wird das Schreiben insg e- 24 25 26 27 - 11 - 2 AZR 736/13 - 12 - samt in den Blick genommen, ergibt sich vielmehr, dass es bezüglich der fristl o- sen Kündigung ausschließlich der e rgänzende n Information im Rahmen der schon in Gang gesetzten Anhörung dienen s ollte. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen. Ein Anhörungsschreiben ist als Er klärung nicht typ i- scher Art zwar grundsätzlich von den Tatsacheninstanzen auszulegen (vgl. BAG 15. Dezember 1994 - 2 AZR 327/94 - zu B I 2 der Gründe; 19. August 1975 - 1 AZR 565/74 - zu II 3 der Gründe , BAGE 27, 218 ) . Die Auslegung durch das Revisionsge richt ist aber dann möglich, wenn das Berufungsgericht sie u n- terlassen oder wesentli chen Auslegungsstoff nicht he rangezogen hat . So liegt der Fall hier. Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben vom 4. September 2012 nicht mit seinem Gesamtinhalt und deshalb ohne Rücksicht auf seine u n- terschiedliche Bedeutung für die Anhörung einmal zur außerordentlichen, das andere Mal zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gewürdigt. aa) Die Beklagte nimmt in ihrem S chreiben zunächst ausdrücklich auf das vorausgegangene Schreiben vom 3. September 2012 Bezug, mit welchem der Betriebsrat zu unsere r Kündigungsabsicht beteiligt u nd um Stellungnahme gebeten worden sei. Es heißt sodann, die Darstellung der Berufsdaten solle e Ausführungen lassen nicht erkennen, dass die Frist zur Stellungnahme für den Betriebsrat erneut hätte in Gang ge setz t werden s ollen. Der Formulierung, die Beklagte wolle die berufl i- e- gen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht eindeutig entnehmen. Eine einer ordnungsgemäßen Information hinaus kann vielmehr durchaus innerhalb der schon laufenden Frist zur Stellungnahme erfolgen. bb) Das Schreiben vom 4. September 2012 enthält Angaben, die für die Anhörung zur fristlosen Kündigung - wie ausgeführt - nicht erforderlich waren. Der Betriebsrat konnte es deshalb mit Blick auf die beabsichtigte außerordentl i- che Kündigung nicht dahin verstehen, die Beklagte wolle mit ihm die Frist zur Stellungnahme erneut beginnen lassen. Die ergänzenden Angaben stellen i n- soweit keine notwendige n Richtigstellungen dar . Dass die s für die hilfsweise 28 29 - 12 - 2 AZR 736/13 - 13 - beabsichtigte ordentliche Kündigung anders zu beurteilen sein könnte , weil sich erst aus dem Schreiben vom 4. September 2012 ergab, dass die ordentliche Kündigung nunmehr mit eine r Frist von fünf Monaten zum Monatsende erklärt werden sollte, ist für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung ohne B e- lang . cc) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte im Schreiben vom 4. September 2012 auf die ihres Erachtens gegebe ne Bedeutung des B e- amtenstatus der Klägerin für die Interessenabwägung hingewiesen hat. D araus durfte der Betriebsrat nicht schließen, sie habe sich für eine außerordentliche Kündigung erst aufgrund dieses Umstands entschieden. Nach ihren Ausführu n- gen hiel t sie den Beamtenstatus der Klägerin vielmehr lediglich für einen weit e- ren zu deren Lasten gehenden Umstand . Das lässt nicht den Schluss zu , sie habe sich entgegen ihr em S chreiben vom 3. September 2012 in Wirklichkeit erst angesichts d ieses Umstands und ni cht schon unabhängig davon zur a u- ßerordentlichen Kündigung entschlossen . II. Ob die fristlose Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest. Das La n- desarbeitsgericht wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iS v. § 626 Abs. 1 BGB gegeben war und ob die Beklagte die F rist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Hierfür fehl t es bislang an Feststellungen. Die Unwirksamkeit der Kündigung unter einem dieser Gesichtspunkte ergibt sich nicht bereits aus dem eigenen Vorbrin gen der Beklagten. Diese b e- ruft sich ua. darauf, die Klägerin habe zwecks Vorspiegelung einer Steigerung des Shop - Ergebnisses und des entgeltwirksamen Grades ihrer Zielerreichung eine Vielzahl von Kunden unberechtigt in Rahmenverträge buchen und nur für Mi tarbeiter vorgesehene R abatte auch an Kunden weitergeben lassen. Solche Pflichtverletzungen kommen als erhebliche Verstöße gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht; sie können geeignet sein, die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnis ses auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Sollten kündigungsberechtigte 30 31 32 - 13 - 2 AZR 736/13 Personen - wie von der Beklagten geltend gemacht - trotz zügige r Ermittlungen erst am 24. August 2012 ausreichende Kenntnis von dem Kündigungssachve r- halt gehabt haben, wäre bei einem Zugang der Kündigung noch am 7. September 2012 auch die zweiwöchige F rist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Kreft Niemann Rachor Frey Torsten Falke

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