2 Ni 9/15 (EP) - 2. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:271117U2Ni9.15EP.0


BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

2 Ni 9/15 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
27. November 2017





In der Patentnichtigkeitssache



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betreffend das europäische Patent 1 495 486
(DE 503 05 265)

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 27. November 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Guth sowie der Richter Dipl.-Phys. Brandt,
Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Friedrich, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch und Heimen

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 495 486 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig er-
klärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 15. April 2003 in der Verfahrens-
sprache Deutsch angemeldeten europäischen Patents EP 1 495 486 im Folgen-
den Streitpatent), das die Priorität der Anmeldung DE 102 16 786 vom
15. April 2002 in Anspruch nimmt.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Teils die-
ses Patents mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zur Konditionierung
von Halbleiterwafern und/oder Hybriden“.

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Das auf Antrag der Patentinhaberin in einem Beschränkungsverfahren be-
schränkte Patent umfasst den auf ein Verfahren zur Konditionierung von Halb-
leiterwafern und/oder Hybriden gerichteten Anspruch 1 und den auf eine Vorrich-
tung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden gerichteten An-
spruch 5 sowie die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4
und die auf den Anspruch 5 rückbezogenen Unteransprüche 6 bis 10.

Die beiden selbständigen Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents lauten (unter Kor-
rektur von Rechtschreibfehlern):

„1. Verfahren zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder
Hybriden mit den Schritten:
Bereitstellen eines zumindest teilweise geschlossenen
Raums (1) mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers
und/oder Hybrids; und
Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-
Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10);
wobei zumindest ein Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10)
verlassenden Fluids zum Konditionieren der Atmosphäre
innerhalb des Raums (1) verwendet wird;
wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentli-
chen geschlossen ist;
wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrich-
tung (10) verlassenden Fluids zunächst temperiert wird und
dann innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird;
und
wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrich-
tung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass
er zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher au-
- 4 -
ßerhalb des Raums (1) verwendet wird, bevor er innerhalb
des Raums (1) ausströmen gelassen wird.“

„5. Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder
Hybriden mit:
einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei der
Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen
ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder
Hybrides; und
einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten eines
trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10) und zum Leiten zumindest eines Teiles des die
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in
den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem
Raum (1);
wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:
eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar
ist;
eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des
Raums (1) leitbar ist; und
eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;
wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine
Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;
wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80") einen Wär-
metauscher (95) aufweist, dem zumindest ein Teil des den
Raum (1) verlassenden Fluids zuleitbar ist;
- 5 -
wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführten
Fluids dient;
wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart ge-
staltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil
zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den
Raum rückführbar ist.“

Die Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 10 lauten (unter Korrektur von Rechtschreib-
fehlern):

„2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10)
verlassenden Fluids außerhalb des Raums (1) temperiert
wird und dann dem Raum (1) wieder zugeführt wird.

3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
ein erster Teil des den Probertisch (10) verlassenden Fluids
zunächst temperiert wird und dann innerhalb des Raums (1)
ausströmen gelassen wird und ein zweiter Teil unmittelbar
nach dem Verlassen der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrich-
tung (10) innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen
wird.

4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass
zumindest einer vom ersten und zweiten Teil strömungs-
mengenmäßig regulierbar ist.“

„6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass
am Ende der dritten Leitung (r4) Ausströmelemente (40) vor-
gesehen sind.

- 6 -
7. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass
die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist: eine
vierte Leitung (r5), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-
Aufnahmeeinrichtung (10) in den Raum (1) leitbar ist.

8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass
ein Ventil (45) zum strömungsmengenmäßigen Regulieren
der vierten Leitung (r5) vorgesehen ist.

9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 8, dadurch ge-
kennzeichnet, dass die Temperierungseinrichtung (70; 70,
80'') eine Heizeinrichtung (105) aufweist.

10. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 9, dadurch ge-
kennzeichnet, dass eine weitere Leitung (r1) vorgesehen ist,
über die zusätzlich trockenes Fluid direkt von außerhalb des
Raums (1) in den Raum (1) leitbar ist.“

Die Beklagte betrieb seit 1991 eine Entwicklungszusammenarbeit mit den Firmen
T …GmbH (T…) und T1… Co., LTD. in J…
(T1…) zur Entwicklung von Waferprober-Systemen mit Wafer/Hybrid-Aufnah-
meeinrichtungen, wobei der Probertisch (im Folgenden Chuck genannt) selbst von
der Beklagten und die Waferprober-Systeme von T… bzw. T1… stammten
und wobei zwischen diesen Beteiligten Geheimhaltungsvereinbarungen bestanden
haben.

Die Bezeichnung „Aircool chuck“ wurde bei der Beklagten und den vorgenannten
Kooperationspartnern für einen luftgekühlten Chuck verwendet. Das dabei für die
Erzeugung tiefer Temperaturen erforderliche Kühlgerät (im Folgenden Chiller ge-
nannt) bezog die Beklagte ihrerseits von der Fa. H…
GmbH in O… Unstreitig wurden Waferprober-Systeme unter der vorgenannten
Bezeichnung „Aircool“ mit eingebauten Chucksystemen und Chillern an
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Endkunden, jedenfalls an die Fa. B… GmbH in R (B…) und
die Fa. I… AG (I…) geliefert, wobei die jeweiligen
Lieferzeitpunkte sowie die näheren Umstände der Zusammenarbeit und etwaige
Geheimhaltungsabreden zwischen den genannten Endkunden und den Lieferan-
ten unter den Parteien streitig sind. Über die Nichtigkeitsklage hinaus bestehen
zwischen den Parteien weitere gerichtliche Auseinandersetzungen, die die Be-
klagte darauf zurückführt, dass ein Geschäftsführer der Klägerin zuvor bei der Be-
klagten von 1996 bis 2001 als Entwicklungsingenieur tätig war und sein dort er-
worbenes Fachwissen nunmehr für eigene Zwecke verwende.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei zum Prioritäts-
tag nicht patentierbar gewesen, da es ihm an Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit
fehle und er außerdem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich einge-
reichten Fassung hinausgehe; ferner wird die Klage darauf gestützt, dass die
Lehre des Streitpatents der Fachwelt durch mehrere offenkundige Vorbenutzun-
gen vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenbar geworden sei.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Nichtigkeitsklägerin u. a. auf folgende Doku-
mente hingewiesen:

A3 Ausschnitt aus der Bedienungsanleitung "Manual ERS®-Chiller 03"
A3’ von der Klägerin mit Bezugszeichen versehene Fassung der An-
lage A3
A4 Ausschnitt aus der Bedienungsanleitung "Manual ERS®-AirCool®
Plus 8" -40 System SP92T2-TA1TC8"
A5 Auftragsbestätigung von T… GmbH an
B… GmbH vom 4. Mai 2001
A6 Rechnung zur o.g. Auftragsbestätigung von T…
GmbH an B… GmbH vom 6. Juli 2001
A7 EP 0 341 156 A1
A8 WO 01/25706 A1
A9 US 6 091 060 A
- 8 -
A10 Beschluss des BPatG in der Einspruchssache 23 W (pat) 357/04
A11 beschränkt aufrecht erhaltenes Prioritätspatent: DE 102 167 86 C5
A13 Anlagenkonvolut bezüglich einer Lieferung des "Air Cool" Systems an
die Firma Melexis N.V.
A14 Gutachten des Dipl.-HTL-Ing. Peter Anderwald
A15 Technical Service Reports der TSK Europe

Die Klägerin behauptet, bei den an mehrere Kunden, insbesondere die Firmen
I…, B…, M… und M… gelieferten Geräten habe es sich um ein
streitpatentgemäßes Standardprodukt der Beklagten gehandelt, das vor dem Zeit-
rang des Streitpatents mehrfach in den Verkehr gebracht worden sei.

Ferner behauptet die Klägerin, dass das vom Dipl.-HTL-Ing. A… in
ihrem Auftrag begutachtete Gerät sich hinsichtlich der streitpatentgemäßen Merk-
male zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem gegenüber dem Auslieferungszu-
stand unveränderten Zustand befunden habe, so dass diese Merkmale zu dieser
Zeit bereits vorhanden gewesen seien.

Die Klägerin ist dazu der Auffassung, dass bereits die Auslieferungen an die ge-
nannten Unternehmen die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung
erfüllten. Denn diese Lieferungen seien jeweils ohne Geheimhaltungsvereinbarung
erfolgt; eine solche sei auch nicht konkludent vereinbart gewesen, und sie ergebe
sich auch nicht aus den Umständen, so dass die Lehre der interessierten Öffent-
lichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents zugänglich gewesen sei. Dazu be-
hauptet die Klägerin, die an die Firmen I… und B…, sowie die Firmen
M… und M1… gelieferten und auch streitpatentgemäßen Geräte seien dort
nicht in nur bestimmten Mitarbeitern zugänglichen Entwicklungslaboren aufgestellt
gewesen, sondern sowohl die dortigen Mitarbeiter sowie auch Mitarbeiter von
Fremdfirmen im Produktionsbereich der Unternehmen hätten ohne Weiteres die
Möglichkeit gehabt, die Geräte und die enthaltene Technik zur Kenntnis zu neh-
men.

- 9 -
Zudem beruhten das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach An-
spruch 5 des Streitpatents gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik
gemäß den Druckschriften A7, A8 und A9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Auch die in den Unteransprüchen genannten Maßnahmen seien aus dem Stand
der Technik bekannt bzw. nahegelegt.

Zu dem von ihr weiterhin geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der unzulässigen
Erweiterung trägt die Klägerin vor, die im Beschränkungsverfahren in den An-
spruch 1 aufgenommenen Merkmale, dass der Teil des Wafer/Hybrid-
Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass er
zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher außerhalb des Raums (1)
verwendet wird, bevor er innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird,
seien in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung (Anl. A21) nur in einem be-
stimmten Zusammenhang beschrieben, nämlich dass der zurückgeführte Fluid-
anteil in dem Wärmetauscher dieselbe Funktion erfüllt wie die frisch zugeführte
trockene Luft. Somit seien diese Merkmale nicht vollständig in den Anspruch auf-
genommen worden, so dass sie nunmehr ganz anders verstanden werden könn-
ten, weshalb der Anspruch 1 unzulässig erweitert sei. Das gelte im Hinblick auf
das entsprechende Merkmal auch für den Anspruch 5.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent 1 495 486 B3 mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklä-
ren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise
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die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die
Fassung des Hilfsantrags I gemäß Schriftsatz vom
30. Dezember 2016 erhält,

weiter hilfsweise,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die
Fassung des Hilfsantrags II gemäß dem in der mündlichen Ver-
handlung vom 6. April 2017 überreichten Anspruchssatz erhält.

Die Beklagte erklärt, dass sie die geltenden Patentansprüche und die Patentan-
sprüche gemäß den Hilfsanträgen jeweils als geschlossene Anspruchssätze an-
sieht, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit beansprucht.

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin in allen wesentlichen Punkten
entgegen, insbesondere seien die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1
und 5 gegenüber dem vorgelegten Stand der Technik neu und beruhten auch auf
einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beklagte bestreitet, dass die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenut-
zung vorliegen und führt dazu aus, soweit eine Lieferung von Geräten überhaupt
belegt sei, habe es sich bei diesen jeweils nicht um Standardgeräte, sondern um
Vorseriengeräte bzw. Spezialanfertigungen gehandelt, die bei den genannten Fir-
men, insbesondere B… und I…, erst noch evaluiert und weiterentwickelt
worden seien. Dies gehe schon aus den Gerätenummern hervor, die die betref-
fenden Geräte als Nullserien-Geräte auswiesen, jedenfalls stehe nicht fest, dass
diese Waferprober/Chuck-Systeme die streitpatentgemäßen Merkmale aufgewie-
sen hätten.

Weiterhin bestreitet die Beklagte, dass das vom Parteigutachter untersuchte
Waferprober/Chuck-System seit der Auslieferung an I… bis zur Zerlegung
unverändert geblieben ist. Zudem bestreitet sie, dass der vom Parteigutachter
untersuchte Chiller zu dem an die Fa. I… verkauften Gerät gehört.
- 11 -
Die Beklagte behauptet ferner, die Lieferungen an B… und I… seien im
Rahmen einer gemeinsamen Entwicklung erfolgt, so dass hinsichtlich dieser da-
mals noch zu evaluierenden Geräte von einem zumindest konkludenten Geheim-
haltungsinteresse der beteiligten Unternehmen auszugehen sei.

Die Beklagte habe zudem seit 1994 eine vertrauliche Geschäftsbeziehung zur Fa.
B… unterhalten, innerhalb derer zahlreiche spezialangefertigte Waferpro-
ber/Chuck-Systeme geliefert worden seien, und jeweils stillschweigend die gleiche
Vertraulichkeit wie bei vorhergehenden vergleichbaren Projekten vorausgesetzt
worden sei.

Die Beklagte bestreitet weiter, dass die genannten Geräte der Öffentlichkeit zu-
gänglich gewesen sind, denn sie seien bei den vorgenannten Abnehmerfirmen in
reinraumähnlichen Bereichen aufgestellt gewesen, die einer Zugangskontrolle
unterlegen hätten. Bei der Fa. B… seien die Geräte in einem der Öffentlichkeit
nicht zugänglichen Entwicklungslabor evaluiert worden, die dort tätigen Mitarbeiter
hätten alle der Geheimhaltung unterlegen. Auch bei der Fa. I… habe nur ein
eingegrenzter und zur Geheimhaltung verpflichteter Personenkreis Zugang zu
dem Entwicklungsbereich, in dem die Geräte aufgestellt waren, gehabt. Den Kun-
den, insbesondere I… sei bewusst gewesen, dass sie mit Vorseriengeräten
beliefert wurden, so dass schon im eigenen Interesse ein Geheimhaltungsbedürf-
nis bestanden habe. Zudem sei die erfindungsgemäße Ausbildung auch nicht von
außen erkennbar gewesen, da sich die maßgeblichen Teile im Inneren des Chil-
lers befänden und zur Wärmeisolierung mit Polyurethanschaum verschäumt seien.
Hätte jemand den Aufbau des Chillers analysieren wollen, so hätte diese Wärme-
isolierung zunächst entfernt werden müssen. Hierfür hätte das Gerät außer Be-
trieb genommen und dann abseits des reinraumähnlichen Betriebsstandorts zer-
legt werden müssen, womit es für den Anwender nicht mehr nutzbar gewesen
wäre. Zudem hätte eine solche Maßnahme auch zum Erlöschen der Zertifizierung
der Anlage geführt. Den Geräten seien auch keine Bedienungsanleitungen beige-
fügt gewesen, die Aufschluss über die Ausbildung des Chillers gegeben hätten.
Angesichts dieser Umstände sei die erfindungsgemäße Ausbildung weder den
- 12 -
Anlagenbetreibern noch anderen Personen offenbar geworden. Es liege fern, dass
die Endkunden aus bloßer Neugier das Gerät demontierten, da dies wegen des
Kältemittels besondere Kenntnisse erfordere und das Gerät anschließend un-
brauchbar sei.

Die Beklagte hat auch den Darlegungen der Klägerin zu dem Widerrufsgrund der
unzulässigen Erweiterung sowie der mangelnden Patentfähigkeit gegenüber dem
druckschriftlich belegten Stand der Technik widersprochen.

Die Klägerin hat die Einreichung des Hilfsantrags II als verspätet gerügt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen und durch Ur-
kunden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Ein-
zelheiten wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf das Protokoll der mündli-
chen Verhandlung verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzulässi-
gen Änderung gegenüber der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fas-
sung gestützte Klage (Artikel II § 6 Absatz 1 Ziff. 1 und 3 IntPatÜG und Artikel 138
Absatz 1a) und c) EPÜ i. V. m. Artikel 52, 54 und 56 EPÜ) ist zulässig und be-
gründet.

Denn die Lehre des Streitpatents ist nicht neu, da die interessierte Öffentlichkeit
durch vorbehaltlose Lieferung entsprechender Anlagen an einen unbeschränkten
Kreis von Dritten die Möglichkeit hatte, Kenntnis von der streitpatentgemäßen
Lehre zu erlangen.

Es bestand kein Grund, den erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfs-
antrag II gemäß § 83 Abs. 4 PatG als verspätet zurückzuweisen, da nach dem
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ersten Termin zur mündlichen Verhandlung unabhängig vom Hilfsantrag II noch
weitere Termine zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung erforderlich waren
und die Berücksichtigung dieses Hilfsantrags das Verfahren deshalb nicht verzö-
gert hat.

I.

1. Das Patent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Konditionierung
von Halbleiterwafern und/oder Hybriden.

Bei der Fertigung von integrierten Schaltungen und Halbleiterbauelementen wer-
den die auf den Wafern hergestellten Chips bzw. Bauelemente nach Abschluss
der halbleitertechnologischen Prozesse umfangreichen Testmessungen unterzo-
gen, bei denen sowohl ihre Funktionsfähigkeit als auch die Einhaltung der vorge-
geben elektrischen Spezifikationen überprüft wird. Diese Testmessungen erfolgen
in der Regel bei unterschiedlichen Temperaturen, um sicherzustellen, dass die
einwandfreie Funktion der jeweiligen Schaltungen auch bei wechselnder Umge-
bungstemperatur gewährleistet ist. Als Messanlagen werden Waferprober ver-
wendet, bei denen der jeweilige Wafer mit seiner Rückseite auf einen Probertisch
(Chuck) aufgelegt wird, auf dem er bspw. mittels Unterdruck gehalten wird. Der
Chuck ist schrittweise in x- und y-Richtung verfahrbar, so dass die in der Ober-
seite des Wafers erzeugten Schaltungen chipweise mit Hilfe von Messnadeln
kontaktiert werden können, die an einer sogenannten Probercard über dem Chuck
angebracht sind. Über diese Messnadeln werden die Chips auf dem jeweiligen
Wafer im Rahmen der Testmessungen rechnergesteuert mit den entsprechenden
Spannungen beaufschlagt und die entsprechenden elektrischen Messdaten für
den jeweiligen Chip erfasst.

Je nach späterem Einsatzbereich der integrierten Schaltungen bzw. der Bauele-
mente werden die Testmessungen in unterschiedlichen Temperaturbereichen
durchgeführt, wobei Temperaturen zwischen -200°C und +400°C möglich sind.
Um den Wafer auf diese Temperaturen zu bringen, wird der Chuck entsprechend
der jeweils vorgegebenen Soll-Temperatur gekühlt und/oder beheizt. Beim Kühlen
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auf Temperaturen unter 0°C muss dafür gesorgt werden, dass die Luftfeuchtigkeit
aus der Umgebungsluft des Waferprobers nicht zur Vereisung der Oberfläche des
Wafers führt.

Bei der anhand der Fig. 5 des Streitpatents als Stand der Technik beschriebenen
Vorrichtung ist der Chuck in einem durch einen Behälter gebildeten Raum ange-
ordnet, der so weit geschlossen ist, dass in ihm ein leichter Überdruck gegenüber
der Außenumgebung erzeugt werden kann, der ein Eindringen von feuchter Um-
gebungsluft in den Behälter verhindert. Dabei sind in dem Behälter Ausströmele-
mente vorgesehen, über die getrocknete Luft oder ein ähnliches Fluid wie z. B.
Stickstoff in den Behälter geführt werden kann. Bei der aus der US 5 885 353 A
bekannten Vorrichtung wird die trockene Luft, die zur Konditionierung der
Atmosphäre in dem Behälter über die Ausströmelemente in den Behälter geleitet
wird, auf Raumtemperatur gehalten, so dass lediglich die Oberfläche des Chucks
auf der gewünschten Messtemperatur ist. Die über die Ausströmelemente in den
Behälter geführte trockene Luft verlässt diesen durch Ritzen bzw. Spalte im Be-
hälter oder eine separate Auslassleitung.

Zum Heizen des Chucks ist in diesem üblicherweise eine Heizeinrichtung inte-
griert, die von außen mit elektrischem Strom zum Heizen versorgt werden kann.
Die Heizeinrichtung wird über einen Temperatur-Controller angesteuert, der in ei-
nem außerhalb des Behälters als separate Einheit vorgesehenen Temperatur-
steuerrack angeordnet ist und die Temperatur des Chucks regelt. Dabei ist der
Chuck gleichzeitig oder alternativ mit Luft zur Kühlung durchspülbar. Hierzu wird
dem Chuck von außen getrocknete Luft zugeführt, die mittels eines ebenfalls in
dem Temperatursteuerrack angeordneten Wärmetauschers auf eine vorbestimmte
Temperatur temperiert wird, wozu der Wärmetauscher mit Kühlaggregaten ver-
bunden ist. Diese Luft wird über eine Versorgungsleitung in den Behälter zum
Chuck geführt, in dem Kühlschlangen bzw. Kühlrohre angeordnet sind. Nachdem
die temperierte Luft diese durchquert hat, verlässt sie den Chuck und wird über
eine entsprechende Leitung aus dem Behälter heraus an die Atmosphäre geleitet.

- 15 -
Bei dieser bekannten Vorrichtung zum Konditionieren von Halbleiterwafern tritt ein
relativ hoher Verbrauch an getrockneter Luft auf, da die zum Konditionieren der
Atmosphäre im Behälter und zum Temperieren des Chucks verwendete Luft an
die Atmosphäre abgegeben wird. Zudem bewirkt bei entsprechenden Temperatu-
ren ein Ausfall des Lufttrockners ein sofortiges Vereisen des getesteten Wafers.

Dem Streitpatent liegt daher als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein
Verfahren und eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder
Hybriden anzugeben, welche eine effizientere Konditionierung ermöglichen, vgl.
insoweit die Abschnitte [0003] bis [0016] des Streitpatents.

Gemäß dem (mit einer Merkmalsgliederung versehenen) Anspruch 1 des Streit-
patents wird die Aufgabe hinsichtlich des Verfahrens durch folgende Maßnahmen
gelöst:

M1.1 Verfahren zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder
Hybriden mit den Schritten:

M1.2 Bereitstellen eines zumindest teilweise geschlossenen
Raums (1) mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers
und/oder Hybrids; und

M1.3 Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-
Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10);

M1.4 wobei zumindest ein Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10) verlassenden Fluids zum Konditionieren der
Atmosphäre innerhalb des Raums (1) verwendet wird;

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M1.5 wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentli-
chen geschlossen ist;

M1.6 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrich-
tung (10) verlassenden Fluids zunächst temperiert wird und
dann innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird;
und

M1.7 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrich-
tung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass
er zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher au-
ßerhalb des Raums (1) verwendet wird, bevor er innerhalb
des Raums (1) ausströmen gelassen wird.

Der (mit einer Merkmalsgliederung versehene) nebengeordnete Anspruch 5 gibt
hinsichtlich der Vorrichtung folgende Lösung an:

M5.1 Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern
und/oder Hybriden mit:

M5.2 einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei
der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen ge-
schlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers
und/oder Hybrides; und

M5.3 einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten ei-
nes trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10)

M5.3a zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung
(10) und
- 17 -
M5.3b zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1)
zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);

M5.4 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:

M5.5 eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
leitbar ist;

M5.6 eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des
Raums (1) leitbar ist; und

M5.7 eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;

M5.8 wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine
Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;

M5.9 wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80") einen Wär-
metauscher (95) aufweist, dem zumindest ein Teil des den
Raum (1) verlassenden Fluids zuleitbar ist;

M5.10 wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführ-
ten Fluids dient;

M5.11 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart ge-
staltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende
Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre
in den Raum rückführbar ist.

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Die effizientere Konditionierung wird gemäß diesen Ansprüchen dadurch erreicht,
dass zumindest ein Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung verlassenden
Fluids zum Konditionieren der Atmosphäre innerhalb des von dem Behälter gebil-
deten Raums genutzt wird. Dabei wird dieser Teil des Fluids in einem Wärmetau-
scher außerhalb des Raums zur Vorkühlung des frisch zugeführten Fluids ver-
wendet, bevor er innerhalb des von dem Behälter gebildeten Raums ausströmen
gelassen wird. Im Anspruch 5 ist dementsprechend eine Vorrichtung angegeben,
bei der das Fluid über entsprechende Leitungseinrichtungen von der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung zum Vorkühlen des zugeführten Fluids zu ei-
nem Wärmetauscher und von diesem zumindest teilweise zum Konditionieren der
Atmosphäre in den Raum geführt wird.

Mit den beiden Hilfsanträgen 1 und 2 verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent mit
Anspruchssätzen, bei denen der Vorrichtungsanspruch 5 gegenüber dem des
Patents gemäß der B3-Schrift verändert wurde, indem das Merkmal 5.9 richtigge-
stellt, im Merkmal 5.10 eine Zusatzangabe ergänzt und ein Merkmal 5.12. an den
Anspruchswortlaut angefügt wurde. Der Anspruch 5 nach Hilfsantrag 1 lautet bei
Korrektur eines Schreibfehlers im letzten Merkmal („Wärmetauscher“ statt „Wär-
merauscher“) bei Beibehaltung der Merkmalsgliederung:

M5.1 Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern
und/oder Hybriden mit:

M5.2 einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei
der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen ge-
schlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers
und/oder Hybrides; und

M5.3 einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten ei-
nes trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10)
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M5.3a zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrich-
tung (10) und

M5.3b zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1)
zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);

M5.4 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:

M5.5 eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
leitbar ist;

M5.6 eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des
Raums (1) leitbar ist; und

M5.7 eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;

M5.8 wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine
Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;

M5.9‘ wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80") einen Wär-
metauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die
Wafer/Hybridaufnahme-einrichtung (10) verlassenden Fluids
zuleitbar ist;

M5.10‘ wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführ-
ten Fluids unter Verwendung des zugeleiteten Teils des die
Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids
dient;
- 20 -
M5.11 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart ge-
staltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende
Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre
in den Raum rückführbar ist;

M5.12 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrich-
tung (10) verlassenden Fluids durch die Verwendung in dem
Wärmetauscher temperierbar ist, bevor er in den Raum (1)
rückführbar ist.“

Im Anspruch 5 nach Hilfsantrag 2 wird in den Merkmalen 5.9 und 5.11 des An-
spruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ergänzt, über welche Leitungen der jeweilige Teil des
Fluids geleitet wird, so dass dieser Anspruch lautet:

M5.1 Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern
und/oder Hybriden mit:

M5.2 einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei
der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen ge-
schlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers
und/oder Hybrides; und

M5.3 einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten ei-
nes trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeein-
richtung (10)

M5.3a zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrich-
tung (10) und

- 21 -
M5.3b zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1)
zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);

M5.4 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:

M5.5 eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
leitbar ist;

M5.6 eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des
Raums (1) leitbar ist; und

M5.7 eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;

M5.8 wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine
Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;

M5.9‘‘ wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80") einen Wär-
metauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die
Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) über die zweite Lei-
tung (r3) verlassenden Fluids zuleitbar ist, welcher den
Wärmetauscher (95) über die dritte Leitung (r4) verlässt;

M5.10 wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführ-
ten Fluids unter Verwendung des zugeleiteten Teils des die
Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids
dient;

- 22 -
M5.11‘‘ wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart ge-
staltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende
Teil über die dritte Leitung (r4) zum Konditionieren der Atmo-
sphäre in den Raum rückführbar ist;

M5.12 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrich-
tung (10) verlassenden Fluids durch die Verwendung in dem
Wärmetauscher temperierbar ist, bevor er in den Raum (1)
rückführbar ist.“

2. Als Fachmann ist vorliegend ein mit der Weiterentwicklung von Halbleiter-
chip-Testanlagen für die Halbleiterproduktion befasster berufserfahrener Ingenieur
der Fachrichtung Elektrotechnik oder ein Physiker mit Hochschul- oder Fachhoch-
schulabschluss anzusehen, der sich im Rahmen seiner Berufstätigkeit Spezial-
kenntnisse im Aufbau und in der Konzeption von Wafertest-Anlagen einschließlich
der zugehörigen Kühlanlagen erworben hat.

3. Die Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents sind nicht unzulässig erweitert.

Der Anspruch 1 bezieht sich auf das Ausführungsbeispiel gemäß der Fig. 3 der
ursprünglichen deutschen Anmeldung DE 102 16 786 A1 bzw. der Nachanmel-
dung WO 03/088323 A1 (Anl. A 21) bzw. des ursprünglich erteilten Patents
EP 1 495 486 B1. Übereinstimmend wird in diesen Dokumenten dargelegt, dass
bei dieser Ausführungsform ein Teil der aus dem Probertisch zurückgeführten tro-
ckenen Luft durch den Wärmetauscher „95“ geleitet wird, „wo sie genau wie die
frisch über die Leitungen r0, i1 zugeführte trockene Luft zur Abkühlung beiträgt“.
Den Beschreibungsunterlagen der genannten Dokumente zufolge besteht der be-
sondere Vorteil dieser Ausführungsform darin, dass eine Restkälte der getrock-
neten Luft, welche vom Probertisch zurückfließt, zur Abkühlung des Wärmetau-
schers genutzt werden kann und dass die zurückfließende Luft gleichzeitig er-
wärmt in den Behälter „5“ zurückgeführt werden kann, vgl. in der DE
102 16 786 A1 die Abschnitte [0053] und [0055], in der WO 03/088323 A1 die
- 23 -
S. 12, le. Abs. und die S. 13, 2. Abs. und im ursprünglich erteilten Patent gemäß
der EP 1 495 486 B1 die Abschnitte [0048] und [0050].

Zwar ist hier nur die Rede davon, dass die zurückfließende Luft zur Abkühlung des
Wärmetauschers beiträgt bzw. genutzt wird und dass die zurückfließende Luft
gleichzeitig erwärmt, d. h. temperiert wird. Alle drei Dokumente enthalten jedoch
übereinstimmend in der Beschreibungseinleitung eine weitere Textpassage, in der
im Zusammenhang mit der effektiven Nutzung darauf hingewiesen wird, dass die
der Erfindung zugrundeliegende Idee darin besteht, dass zumindest ein Teil des
die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung verlassenden Gases zum Konditionieren
der Atmosphäre innerhalb des Raums verwendet wird, wobei es vorteilhaft ist,
wenn ein Teil des Gases zunächst temperiert und dann innerhalb des Raums aus-
strömen gelassen wird. Hierzu wird der Teil z. B. außerhalb eines Behälters tem-
periert und dann dem Behälter wieder zugeführt. Ein besonderer Vorteil dieses
Beispiels liegt dabei darin, dass durch eine entsprechende Rückführung der Luft
vom Probertisch nach außerhalb des Behälters eine höhere Kühleffizienz ermög-
licht wird. Mit anderen Worten kann die rückgeführte gekühlte Luft zusätzlich zur
Vorkühlung der eingespeisten trockenen Luft verwendet werden und nicht nur zur
Kühlung der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung, vgl. in der DE 102 16 786 A1 die
Abschnitte [0018] und [0019], in der WO 03/088323 A1 S. 5, le. Abs. bis S. 6,
2. Abs. und in der EP 1 495 486 B1 wiederum die Abschnitte [0018] und [0019].

Diese Textpassagen offenbaren somit, dass die rückgeführte gekühlte Luft zur
Vorkühlung der eingespeisten Luft verwendet wird, wobei aus dem dargelegten
Zusammenhang (nämlich der effektiveren Nutzung der Luft) folgt, dass diese
Textabschnitte sich auf das oben genannte Ausführungsbeispiel gemäß der Fig. 3
beziehen, in dem angegeben wird, dass die in Rede stehenden Luftströme durch
den Wärmetauscher „95“ geleitet werden.

Somit ist das von der Nichtigkeitsklägerin als unzulässig angesehene Merkmal
M1.7 des Anspruchs 1 für den Fachmann in den ursprünglichen Unterlagen und
- 24 -
dem ursprünglichen Patent offenbart. Der Anspruch 1 des Streitpatents ist mithin
zulässig.

In gleicher Weise gilt dies auch für das von der Nichtigkeitsklägerin als unzuläs-
sige Zwischenverallgemeinerung angesehene Merkmal M5.11 des Anspruchs 5.
Denn die Angabe, dass „die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart ge-
staltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise
zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist“, ergibt sich
ebenfalls aus den ursprünglichen Beschreibungsunterlagen und denen des ur-
sprünglichen Patents, vgl. in der DE 102 16 786 A1 die Abschnitte [0051] bis
[0056], in der WO 03/088323 A1 S. 12, 3. Abs. bis S. 13, 3. Abs. und im ursprüng-
lichen Patent gemäß der EP 1 495 486 B1 die Abschnitte [0046] bis [0051], jeweils
i. V. m. Fig. 3. Dabei ergibt sich für den Fachmann im Zusammenhang mit den
oben bereits im Hinblick auf den Anspruch 1 gewürdigten Textpassagen dieser
Dokumente, dass die Rückführung und Temperierung der den Probertisch verlas-
senden Luft bereits für sich genommen, d. h. auch ohne die in den Unteransprü-
chen 12, 13 und 16 genannten Merkmale erfindungs-wesentlich ist, so dass die
entsprechende Ausbildung auch ohne Einbeziehung der in diesen Unteransprü-
chen genannten Merkmale beansprucht werden kann. Insofern liegt keine unzu-
lässige Zwischenverallgemeinerung vor.

Somit ist auch der Anspruch 5 des Streitpatents nicht unzulässig erweitert.

4. Auch die mit den Hilfsanträgen 1 und 2 vorgelegten umformulierten Ansprü-
che 5 sind nicht unzulässig erweitert.

Mit der Angabe im Merkmal M5.9‘, dass die Temperierungseinrichtung einen
Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahme-
einrichtung verlassenden Fluids zuleitbar ist, korrigiert die Patentinhaberin bei
Gelegenheit der Einschränkung die unzutreffende Angabe im Anspruch 5 des
Streitpatents, dass die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist,
dem zumindest ein Teil des den Raum verlassenden Fluids zuleitbar ist, im Sinne
- 25 -
der zugehörigen Beschreibung des Streitpatents. Denn gemäß der Beschreibung
zur Figur 3 wird bei der erfindungsgemäßen Ausbildung der Anlage „ein Teil der
über die Leitung r3 zurückgeführten trockenen Luft [...] durch den Wärmetau-
scher 95 geleitet“, wobei die rückgeführte Luft der Figur 3 zufolge die Luft aus dem
Probertisch ist. Dementsprechend heißt es im Abs. [0048] des Streitpatents: „Der
besondere Vorteil bei dieser Ausführungsform ist, dass eine „Restkälte“ der ge-
trockneten Luft, welche vom Probertisch 10 zurückfließt, zur Abkühlung des Wär-
metauschers genutzt werden kann und gleichzeitig erwärmt in den Behälter 5 zu-
rückgeführt werden kann.“ Angesichts dieser Angaben hat der Fachmann bereits
bei der Lektüre des Streitpatents die Angabe im Anspruch 5, dass die Temperie-
rungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des den
Raum verlassenden Fluids zuleitbar ist, als unzutreffend erkannt und gedanklich
im oben aufgezeigten Sinn korrigiert, so dass auch die verbale Richtigstellung die-
ser Angabe im Anspruch 5 der Hilfsanträge zulässig ist.

Aus der vorangehend zitierten Textstelle ergibt sich auch die Offenbarung der Er-
gänzung im Merkmal M5.10‘ der Ansprüche 5 der Hilfsanträge 1 und 2, wonach
der Wärmetauscher zum Vorkühlen des zugeführten Fluids unter Verwendung des
zugeleiteten Teils des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) verlassenden
Fluids dient. In gleicher Weise offenbart die oben zitierte Textpassage im Streit-
patent auch das an die Ansprüche 5 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 angefügte
Merkmal M5.12, dass der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung verlas-
senden Fluids durch die Verwendung in dem Wärmetauscher temperierbar ist,
bevor er in den Raum rückführbar ist.

Die Ergänzungen im Merkmal M5.9‘‘ des Anspruchs 5 nach Hilfsantrag 2, dass die
Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil
des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung über die zweite Leitung (r3) verlassen-
den Fluids zuleitbar ist, welcher den Wärmetauscher über die dritte Leitung (r4)
verlässt, und dass die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist,
dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil über die dritte Leitung (r4)
zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist, gehen auf den
- 26 -
Abs. [0046] i. V. m. Fig. 3 des Streitpatents zurück. Die von der Nichtigkeitskläge-
rin hinsichtlich der Zulässigkeit der Angabe „welcher den Wärmetauscher über die
dritte Leitung verlässt“ vorgetragenen Bedenken, dass die trockene Luft den Wär-
metauscher über die Leitung „i4“ und somit nicht über die dritte Leitung „r3“ ver-
lässt, teilt der Senat nicht. Denn die Leitung „i4“ ist nur bei derjenigen Ausbildung
der Anlage vorgesehen, bei der zusätzlich zum Wärmetauscher „95“ und parallel
zu diesem noch eine Heizeinrichtung „105“ zum Temperieren eines Teils der rück-
geführten Luft vorgesehen ist. Diese Ausbildung stellt gemäß dem Streitpatent
aber eine Weiterbildung der Vorrichtung nach Anspruch 5 dar, denn die Heizein-
richtung „105“ wird erst in dem auf den Anspruch 5 rückbezogenen Unteran-
spruch 9 des Streitpatents genannt. Angesichts dessen ist dem Fachmann ein-
deutig offenbart, dass bei der Ausbildung nach Anspruch 5 des Steitpatents das
Fluid den Wärmetauscher über die dritte Leitung verlässt und über diese Leitung
zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist. Mithin ist der
Anspruch 5 nach Hilfsantrag 2 nicht unzulässig erweitert.

5. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents sowie nach den
identischen Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2 ist nicht neu, denn die Fach-
welt hatte die Möglichkeit, angesichts einer vorbehaltlosen Lieferung entsprechen-
der Anlagen an einen unbeschränkten Kreis von Dritten Kenntnis von der Lehre
dieser Ansprüche zu erlangen (vgl. dazu Schulte, PatG, 10. Auflage, § 59,
Rdn. 115 und 116 m. w. N.).

Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Verneh-
mung der Zeugen sowie nach den vorgelegten Unterlagen zur Überzeugung des
Senates fest. Denn die Beklagte hat vor dem Prioritätszeitpunkt, nämlich bereits
im Jahr 2000 mindestens eine die Merkmale des Streitpatents aufweisende Vor-
richtung, aus der auch das Verfahren erkennbar war, jedenfalls an die Firma
I… AG in V… ausgeliefert, die dort im Produktions-
bereich aufgestellt wurde.

- 27 -
5.1 Aus dem von der Klägerin vorgelegten Parteigutachten des in Österreich
allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Dipl.-HTL-Ing.
A…, datiert mit 15. Mai 2007 (Anl. A14), ergibt sich, dass dieser im Auftrag der
Klägerin bei der vorgenannten Firma am 17. und 18. Januar 2007 ein
Waferprober/Chuck-System besichtigt und hinsichtlich Aufbau und Funktion unter-
sucht hat, wobei diese Anlage zumindest teilweise demontiert wurde. Die Ergeb-
nisse seiner Untersuchung hat der Privatgutachter nicht nur textlich, sondern zu-
sätzlich mit zahlreichen Lichtbildern festgehalten, die der Senat selbst insbeson-
dere im Hinblick auf die Fluidleitungsführung zum und im Chiller würdigen konnte.

Gemäß den Ergebnissen seiner Untersuchung, die von der Beklagten, soweit es
insbesondere die tatsächlichen Feststellungen zu den zum Zeitpunkt der Untersu-
chung vorhandenen – und auch großteils abgebildeten – technischen Merkmalen
betrifft, nicht in Abrede gestellt wurden und deshalb vom Senat als unstreitiger
Parteivortrag des Klägerin gewertet werden konnten, weist die zunächst in den der
Chipvermessung dienenden Produktionsräumen der Firma I… untersuchte
Anlage einen Waferprober vom Typ UF200 mit der Seriennummer F02062FR der
TSK, hergestellt im Juni 2000, auf, dessen Schlitten die Seriennummer
9990032DR hat (vgl. im Dokument A14 die S. 7 und das Typenschild des Wafer-
probers gemäß Bild 2-4). Im Waferprober ist ein Chuck vom Typ TA1TC8 mit der
Seriennummer 400001516 angeordnet. Die Anlage umfasst außerdem eine Steu-
ereinheit der Beklagten (E… GmbH) mit der Typenbezeichnung
AIRCOOL SP 92T2 mit der Seriennummer 400001516 und einen Chiller vom Typ
Chiller 03-10, der laut Typenschild ebenfalls von der Beklagten (ERS electronic
GmbH) hergestellt wurde und gleichfalls die Seriennummer 400001516 hat (vgl.
S. 9 bis 12 und die Bilder 2-5 bis 2-11).

Soweit die Beklagte bestritten hat, dass der untersuchte Chiller zum ursprünglich
ausgelieferten Waferprober/Chuck-System gehört, weil die Seriennummer des
Chillers im Parteigutachten (Anl. 14, Bild 2-11) nicht zu erkennen sei, vermag der
Senat dem nicht zu folgen. Unabhängig davon, ob dieses Bestreiten überhaupt
beachtlich ist, zeigt ein anderes Lichtbild (Anl. 14, S. 24) ein Schild mit der Angabe
- 28 -
„Chiller 03“. Dazu hat der Zeuge H1… in seiner Aussage detailliert und nachvoll-
ziehbar geschildert, dass sämtliche von der Fa. H… an die Beklagte gelieferten
Chiller vom Typ 03 eine identische von Isolationsmaterial umschäumte Leitungs-
führung hatten. Der Zeuge hat dazu weiterhin überzeugend ausgesagt, dass nach
der Verwirklichung der Leitungsführung, insbesondere der Luftrückführung beim
Luft-Luftwärmetauscher im Chiller zu Beginn der Entwicklung des Typs „Air Cool“
keine konstruktiven Veränderungen mehr vorgenommen wurden, sondern nur mit
anderen Maßnahmen experimentiert wurde. Diese Aussage wird gestützt durch
die Bekundungen des Zeugen H…, der bei der Fa. H… zwar erst ab dem
Jahr 2002 mit den entsprechenden Geräten befasst war, aber gleichwohl bestäti-
gen konnte, dass sowohl die neu hergestellten Geräte als auch die älteren Rück-
läufer, die z. B. zur Reparatur zurückkamen, insoweit identisch konstruiert waren.

Anhaltspunkte, die gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen sprechen, sind nicht
ersichtlich, insbesondere war keine Voreingenommenheit zugunsten einer Partei
festzustellen. Beide Aussagen sind detailliert und die Zeugen konnten anschaulich
die aufgetretenen Probleme bei der Entwicklung schildern, sowie auf Nachfragen
ergänzend antworten. Schließlich konnte auch der Zeuge D… bestätigen, dass
der Aufbau der Chiller bei allen Typen grundsätzlich identisch war. Diese Aussa-
gen überzeugen vor allem deshalb, weil die Mitarbeiter der Fa. H… unmittelbar
am Bau der Wärmetauscher beteiligt waren, während die übrigen Zeugen lediglich
einen fertigmontierten, bereits mit Isolierung versehenen Chiller wahrgenommen
haben und deshalb insoweit keine Zweifel an der Überzeugung des Senates we-
cken konnten.

Die Lichtbilder zeigen u. a., dass der untersuchte Waferprober eine Abdeckung
bzw. einen Deckel aufweist, die bzw. der geöffnet werden kann, wobei sich der
Chuck in dem durch die Abdeckung gebildeten Innenraum des Waferprobers be-
findet (vgl. S. 13 und 14 sowie die Bilder 2-12 und 2-13, Anl. A14).

Der Chiller ist über mehrere Leitungen („P1, P2, P3“) mit dem Prober verbunden.
Durch Abklemmen der einzelnen Leitungen der noch an die örtlichen Versor-
- 29 -
gungsleitungen der Firma I… angeschlossenen Anlage und Handproben an
den Leitungen wurde vom Parteigutachter festgestellt, dass die erste Leitung
(„P1“) Kühlluft vom Chiller zum Prober führt, während über die zweite Leitung
(„P2“) Rückluft vom Prober zum Chiller läuft und die dritte Leitung („P3“) Luft mit
Raumtemperatur vom Chiller zum Prober führt, vgl. S. 14 und 15 und das Bild 2-
14. Dabei sind die vom Chiller kommenden Leitungen („P1, P2“) mit dem Chuck
verbunden und führen Luftströme über den Prober zum Chuck, während die dritte
Leitung („P3“) vom Chiller in den Proberraum führt, wo sich drei Diffusoren befin-
den, die Luft in den Proberraum austreten lassen (vgl. S. 16 bis 18 sowie die Bil-
der 2-15 bis 2-19).

Zur Untersuchung des Chillers wurde dieser laut Privatgutachten in einem Raum
außerhalb der Mess-Räumlichkeiten der Firma I… geöffnet und partiell de-
montiert. Der Chiller wurde nach dem Inhalt des Gutachtens von der Firma
H… hergestellt und hat – wie auf den Lichtbildern zu erken-
nen – die Typenbezeichnung Chiller03 sowie die Seriennummer 44102/00. Außer
Steuereinheiten sind in dem Chiller Kompressoren und Wärmetauscher unterge-
bracht, wobei die Wärmetauscher und die zugehörigen Leitungsverbindungen zur
Wärmeisolation von einem Isolationsmaterial umschäumt sind (vgl. die S. 23 bis
25 sowie 29 und 30 und die Bilder 2-27 bis 2-30 und 2-33).

Nach dem Entfernen des Isolationsmaterials wurde die Leitungsführung in dem
Chiller wie im Folgenden beschrieben aufgenommen:

Von einem Lufteingang zugeführte Luft durchläuft nacheinander einen ersten und
einen zweiten Wärmetauscher und wird dann als Kühlluft über einen Anschluss
am Chiller und über eine erste Leitung (Kühlluft-Leitung bzw. „P1“) zum Chuck
geführt. Über eine zweite Leitung (Rückluft bzw. „P2“) wird kalte Luft vom Chuck
zurückgeführt und zum ersten Wärmetauscher geführt, den sie durchströmt, um
danach über eine dritte Leitung („Luft-Diffusor“ bzw. „P3“) in den Innenraum des
den Chuck umgebenden Behälters geführt zu werden (vgl. S. 33 und 34 sowie
Bild 2-40 i. V. m. S. 25 und Bild 2-30).
- 30 -
Mit den Worten des Anspruchs 5 handelt es sich bei der im Parteigutachten be-
schriebenen Vorrichtung nach der Wertung des Senates somit um eine

Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden
(Waferprober mit Chuck und Chiller; siehe Bild 2-1) mit:

einem zumindest teilweise geschlossenen Raum, wobei der Raum durch einen
Behälter im Wesentlichen geschlossen ist (mit einem Deckel versehener Be-
hälter des Waferprobers), mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahme-
einrichtung (Chuck) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides;
(siehe Bild 2-13) und

einer Leitungseinrichtung zum Leiten eines trockenen Fluids durch die
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Auf-
nahmeeinrichtung (erste Leitung in Form der Kühlluftleitung „P1“ ; siehe Bilder
2-40 und 2-16) und

zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung
verlassenden Fluids in den Raum zum Konditionieren der Atmosphäre in dem
Raum (dritte Leitung „Luft Diffusor“ bzw. „P3“ ; siehe Bilder 2-18, 2-19 und vgl.
S. 17: „Die dritte Leitung (P3) vom Chiller führt in den Proberraum, wo sich drei
Diffusoren befinden, diese lassen die Luft in den Proberraum austreten.“),

wobei die Leitungseinrichtung aufweist:

eine erste Leitung (Kühlluftleitung „P1“), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (Chiller) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (Chuck) leitbar ist;
(siehe Bild 2-40);

eine zweite Leitung (Rückluftleitung „P2“), über die das Fluid aus der
Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (Chuck) nach außerhalb des Raums (Chil-
ler) leitbar ist; (siehe Bild 2-40); und
- 31 -
eine dritte Leitung (Luft Diffusor „P3“), über die das Fluid von außerhalb des
Raums (Chiller) in den Raum (Behälter im Waferprober mit Diffusoren) rück-
führbar ist; (siehe Bild 2-40);

wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung („P2“, „P3“) eine Temperie-
rungseinrichtung (Wärmetauscher 1) vorgesehen ist; (siehe Bild 2-37 und 2-40);

wobei die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher (Wärmetauscher 1)
aufweist, dem (über die Rückluftleitung „P2“) zumindest ein Teil des den Raum
verlassenden Fluids zuleitbar ist; vgl. S. 34: „Die Rückluft des Chucks geht wie-
der in den Ciller und wird wiederum über einen Wärmetauscher erwärmt und
über die Diffusorleitung zum Prober zurückgebracht. Hier wird die Luft über die
Diffusoren in den Innenraum des Probers abgegeben.“;

wobei der Wärmetauscher (Wärmetauscher 1) zum Vorkühlen des zugeführten
Fluids dient (dies ergibt sich daraus, dass die Rückluft vom Chuck den Wär-
metauscher 1 durchströmt, der in der Gegenrichtung von der von außen frisch
zugeführten Luft durchströmt wird, vgl. Bild 2-40; vgl. S. 34: „Die Luft, welche
von der zentralen Luftversorgung des Werkes kommt, wird über zwei Wärme-
tauscher gekühlt);

wobei die Leitungseinrichtung derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher
(Wärmetauscher 1) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren
der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist (über die dritte Leitung P3 wird die
den Wärmetauscher verlassende Luft zu den Diffusoren in dem den Chuck ent-
haltenden Behälter geführt, vgl. S. 34 und Bild 2-40).

Somit weist die vom Parteigutachten beschriebene Vorrichtung alle Merkmale
M5.1 bis M5.11 der Vorrichtung nach Anspruch 5 des Streitpatents auf.

5.2 Wie sich aus den vorangehenden Darlegungen zum Aufbau der Vorrichtung
unmittelbar ergibt, werden bei dieser Vorrichtung die Halbleiterwafer oder Hybride
- 32 -
durch ein Verfahren mit den im erteilten Anspruch 1 angegebenen Schritten kon-
ditioniert.

5.3 Wie sich aus den obigen Darlegungen zum Aufbau der untersuchten Vorrich-
tung weiterhin ergibt, weist diese auch die im Anspruch 5 nach dem Hilfsantrag 1
veränderten bzw. zusätzlich angegebenen Merkmale 5.9‘, 5.10‘ und 5.12

M5.9‘ wobei die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher
aufweist, dem zumindest ein Teil des die
Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung verlassenden Fluids zu-
leitbar ist (gemäß Bild 2-40 wird dem –Wärmetauscher 1 das
gesamte die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung verlassende
Fluid zugeleitet);

M5.10‘ wobei der Wärmetauscher zum Vorkühlen des zugeführten
Fluids unter Verwendung des zugeleiteten Teils des die
Wafer/Hybridaufnahme-einrichtung verlassenden Fluids
dient;

M5.12 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung
verlassenden Fluids durch die Verwendung in dem Wärme-
tauscher temperierbar ist, bevor er in den Raum (1) rück-
führbar ist (siehe Bild 2-40 und vgl. die bereits zitierten Ab-
sätze auf S. 34).

und die im Anspruch 5 nach dem Hilfsantrag 2 zusätzlich veränderten Merkmale
M5.9‘‘ und M5.11‘‘

M5.9‘‘ wobei die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher
aufweist, dem zumindest ein Teil des die
Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung über die zweite Leitung
- 33 -
(P2) verlassenden Fluids zuleitbar ist, welcher den Wärme-
tauscher über die dritte Leitung (P3) verlässt;

M5.11‘‘ wobei die Leitungseinrichtung derart gestaltet ist, dass der
den Wärmetauscher verlassende Teil über die dritte Leitung
zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführ-
bar ist (siehe Bild 2-40);

auf.

5.4 Die vom Parteigutachter untersuchte Anlage wurde nach dem Ergebnis der
weiteren Beweisaufnahme vor dem Prioritätszeitpunkt ausgeliefert und während
der Aufstellzeit bei der Firma I… – jedenfalls, was die für das Streitpatent re-
levanten Merkmale betrifft – nicht verändert, sondern entspricht dem Zustand, in
dem die Anlage übergeben wurde.

Für die Lieferung und Aufstellung der Anlage bei der Firma I… im Jahr 2000,
mithin vor dem Zeitrang des Streitpatents, spricht in erster Linie die eigene An-
gabe der Beklagten, dass auf Druck der Fa. I… die betreffende Anlage am
24. Oktober 2000 ausgeliefert wurde (vgl. SchrS. v. 7.10.2015, S. 22 unter Hin-
weis auf Anl. B16). Daran muss sich die Beklagte festhalten lassen. Die Richtigkeit
dieses Auslieferungszeitpunktes wird zudem gestützt durch das Abnahmeprotokoll
vom 2. November 2000 (sog. „Technical Service Report“, Anl. A15), in dem ein
Mitarbeiter der Firma T…, eine Erklärung unterschrieben hat, dass eine Anlage
ERS „Air cool chuck“ mit der Seriennummer F02062FR und der Maschinennum-
mer 9990032DR dort installiert wurde. Diese Seriennummern entsprechen denen,
die auch vom Parteigutachter genannt werden.

Der Zeuge F… konnte den Auslieferungszeitpunkt zwar nur ungenau mit
„Winter 2000“ angeben, er hat jedoch auf Vorhalt überzeugend bestätigt, dass er
selbst den „Technical Service Report“ vom 12. September 2001 (Anl. A 15 S. 2)
unterschrieben hat, so dass die Anlage mithin schon einige Zeit vor diesem Zeit-
- 34 -
punkt bei I… aufgestellt worden war. Diese Aussage des Zeugen F…
wird gestützt durch die Bekundung des Zeugen S…, der ebenfalls eine Aufstel-
lung und Inbetriebnahme bei I… im Zeitraum 2000-2001 bestätigen konnte.
Beide Zeugen konnten anschaulich und nachvollziehbar schildern, dass die Unter-
stützung der Techniker des Lieferanten T… bzw. T1… bei Inbetriebnahme
er Anlagen in ihren Aufgabenbereich bei I… fielen. Ebenso überzeugend
konnten beide Zeugen übereinstimmend ausschließen, dass an den Anlagen in
ihrem Zuständigkeitsbereich zwischen der Aufstellung und der Untersuchung
durch den Parteigutachter relevante technische Veränderungen seitens des Kun-
den vorgenommen wurden. Soweit die Beklagte eingewandt hat, solche Verände-
rungen hätten während eines gleichzeitigen Urlaubs beider Zeugen vorgenommen
werden können, handelt es sich um bloße Mutmaßungen.

Der Zeuge S hat ferner nachvollziehbar ausgesagt, dass die Mitarbeiter der
Firma I… bis auf Änderungen an der Mess-Software keine Veränderungen
an dem Gerät vornehmen durften, da ansonsten die Zertifizierung der Anlage in
Frage gestellt gewesen wäre. So sei auch der zur Anlage gehörende Chiller nicht
von den Mitarbeitern der Firma I… gewartet worden. Bei Störungen am Chil-
ler sei jeweils die Vertriebsfirma angerufen und mit der Reparatur beauftragt wor-
den.

Der Zeuge F… hat gleichfalls plausibel ausgesagt, dass am Chuck oder am
Kühlungssystem der Anlage von I…-Mitarbeitern keinerlei Veränderungen
vorgenommen wurden. Abgesehen davon, dass schon wegen der Zertifizierung
der Anlage Veränderungen an der Anlage auszuschließen seien, hätten die
I…-Mitarbeiter auch gar nicht gewusst, wie diese Apparaturen aufgebaut
seien und wie sie funktionierten.

Diese detaillierten, anschaulichen und in sich stimmigen sowie in den wesentli-
chen Punkten übereinstimmenden Angaben der Zeugen decken sich auch mit der
Darstellung der Beklagten, dass jegliche Änderungen am System voraussetzen,
dass die Anlage außer Betrieb genommen und demontiert wird, was u.a. ein Ent-
- 35 -
fernen der Isolation voraussetzt. Naturgemäß hätten derartige Arbeiten nach Au-
ßerbetriebnahme des in der Produktion eingesetzten Waferprober-/Chuck-Sys-
tems von mit der Anlage vertrauten Fachkräften (der Beklagten) außerhalb des
reinraumähnlichen Betriebsortes durchgeführt werden müssen, was aber nach
übereinstimmender Aussage der Zeugen nicht geschehen ist und deshalb über-
zeugend gegen nachträglich vorgenommene Änderungen an der Anlage vor der
Zerlegung durch den Parteigutachter spricht. Dass die Zeugen sich teilweise nur
auf Vorhalt erinnern konnten, spricht angesichts des längere Zeit zurückliegenden
Geschehens nicht gegen ihre Überzeugungskraft. Auch der Umstand, dass die
Mitarbeiter der Fa. I… eine große Zahl von unterschiedlichen Geräten zu be-
treuen haben, spricht im Ergebnis nicht gegen die Zuverlässigkeit ihrer Erinne-
rung, da es sich um eine Anlage handelte, mit der erstmals luftgekühlt derart tiefe
Temperaturen erreicht wurden, und die mit solchen neuartigen Geräten zusam-
menhängenden Umstände erfahrungsgemäß besser im Gedächtnis haften blei-
ben.

5.5 Die Lieferung des Waferprober/Chuck-Systems an die Firma I… erfolgte
nicht unter einer ausdrücklichen Geheimhaltung. Eine entsprechende schriftliche
oder mündliche Vereinbarung hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen und
ist auch sonst nicht ersichtlich.

Ohne besondere Absprache kann eine Geheimhaltungspflicht allerdings auch aus
den Umständen wie der besonderen Art der Beziehung unter Beteiligten herzulei-
ten sein (vgl. Benkard, EPÜ, 2. Aufl., Art. 54 Rn. 101 ff. m. w. N.). Dies gilt etwa
bei gewerblicher Entwicklungs- und Erprobungstätigkeit, bei der alle Beteiligten
von einem Interesse der Rechtsinhaber an der Geheimhaltung der dabei entstan-
denen Kenntnisse ausgehen müssen. In eine solche Entwicklung eingeschaltete
Unternehmen sind daher in der Regel auch ohne ausdrückliche Absprache zur
Geheimhaltung verpflichtet. Das gleiche gilt für die Anpassung eines komplexen
Geräts an die Bedürfnisse des Kunden; hier sind die Angestellten des Kunden,
denen das Gerät vor seiner Anpassung gezeigt wird, in der Regel zur Geheimhal-
tung verpflichtet (Benkard a. a. O. Rn. 109 f. m. w. N.).
- 36 -
Die Voraussetzungen für eine derartige stillschweigende Geheimhaltungsabrede
liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor. Die an die Firma
I… in V… gelieferte Anlage wurde I… nämlich nicht im Rahmen ei-
nes Evaluierungsprojektes bzw. gemeinsamen Entwicklungsprojektes von I…
mit der Beklagten bzw. T…/T1… geliefert, für das zumindest implizit Ver-
traulichkeit gegolten hätte, sondern wurde ihr wie beliebigen Dritten angeboten
und verkauft.

Gegen eine solche Zusammenarbeit im Rahmen eines Entwicklungs- oder Eva-
luierungsprojekts spricht schon das der Lieferung der Anlage vorausgegangene
Verhalten von I… gegenüber T…, insbesondere die Faxschreiben vom
17. August 2000 und 20. Oktober 2000 (Anl. B16). Darin drückt I… mit deutli-
chen Worten Unmut über die Verzögerung des Liefertermins aus und setzt die
Lieferantin, die T…, in Verzug. Des Weiteren hat sich I… eine Wandlung
des Kaufvertrages vorbehalten. Abgesehen davon, dass seitens I… aus-
drücklich von einem Kaufvertrag die Rede ist, dürfte eine derartige Vorgehens-
weise unter Partnern eines gemeinsamen Entwicklungsprojekts, bei dem unvor-
hersehbare Verzögerungen nicht ausgeschlossen werden können, unüblich sein
und somit im Ergebnis gegen eine solche Form der Zusammenarbeit sprechen.

Zudem haben die Zeugen S… und F…, wie bereits ausgeführt, überein
stimmend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar bekundet, dass das Waferpro-
ber/Chuck-System bei I… stets in der Produktion eingesetzt war und nicht in
einem Entwicklungslabor. Soweit Ingenieure von I… an dem System gear-
beitet haben, handelte es sich nach Aussage der Zeugen um die Entwicklung von
eigenen Programmen zum Test von Halbleitern etc., aber nicht um eine Fortent-
wicklung des gelieferten Waferprober-/Chuck-Systems.

Ferner hat die weitere Beweisaufnahme ergeben, dass weder ein eigenes wirt-
schaftliches Interesse von I… vorlag, Vertraulichkeit einzuhalten noch an
derweitig eine stillschweigende Geheimhaltung zu erwarten war. Vielmehr wurden
Waferprober/Chuck-Systeme wie die an die Firma I… gelieferte Anlage vor
- 37 -
dem Prioritätsdatum des Streitpatents auch weiteren Kunden angeboten oder ge-
liefert, so dass I… somit nach Auffassung des Senats als beliebiger Dritter
anzusehen ist, für den weder im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklungszu-
sammenarbeit noch aufgrund anderer Umstände implizit Vertraulichkeit gegolten
hätte.

Der Zeuge S…, der im fraglichen Zeitraum u. a. mit dem Vertrieb von
ERS-Waferprobern befasst war, konnte in diesem Zusammenhang bestätigen,
dass die Firma H2…, für die er tätig war, in den Jahren 2000/2001 Waferprober
mit
AirCool-Chucks der Beklagten auch anderen Unternehmen angeboten hat, wobei
es jeweils um Systeme ging, bei denen eine Kühlung bis zu -55°C bzw. -40°C
möglich war. Er konnte detailliert und nachvollziehbar schildern, dass es dabei zu
keiner Zeit Einschränkungen bezüglich der möglichen Kunden gab, so dass er die
Geräte in der fraglichen Zeit u. a. B…, I… und M… angeboten hatte.
Diese Aussage des Zeugen wird außerdem bestätigt durch entsprechende Belege
für Verkäufe von Waferprober/Chuck-Systemen u. a. an B… und M….

Aus der Auftragsbestätigung der T… vom 4. Mai 2001 (Anl. A5) und der
zugehörigen Rechnung vom 6. Juli 2001 (Anl. A6) geht u. a. hervor, dass B…
im Frühjahr 2001 ein System „Aircool SP92T + TA1TC8 + Chiller 03-10 -40°C up
to +200°C“ bestellt hat und dass dieses System am 6. Juli 2001 von TSK-Europe
der Fa. B… in Rechnung gestellt wurde. Gemäß diesen Bezeichnungen sind
Chuck, Chiller und Steuereinheit dieses von der Firma B… bestellten Systems
alle vom selben Typ wie bei der an die Firma I… gelieferten Anlage.

Auch das Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 12. März 2001
(Anlagenkonvolut A13) bezieht sich auf die Lieferung eines -40°C Chuck-Systems
an die Firma M… in Belgien und gibt an, dass man in dieser Angelegenheit
„von der Anfrage bis zur Auslieferung unseres Systems“ ausschließlich mit der
Firma M… korrespondiert und verhandelt habe. Wie aus der dem Anlagenkon-
volut beigefügten Auftragsbestätigung zu dem unter dem Geschäftszeichen PO
- 38 -
No. 070900-GGO-01-PROBI geführten Vorgang hervorgeht, handelt es bei sich
diesem Vorgang um ein ERS-AirCool System für 8‘‘-Wafer für den Temperaturbe-
reich von -55°C bis +200°C, das als „close loop dew point controlled chuck sys-
tem“ bezeichnet wird. Wie aus der Bezeichnung „AirCool“ und der Temperaturan-
gabe -55°C hervorgeht, hat es sich dabei ebenfalls um ein AirCool-System der
oben angegebenen Ausbildung gehandelt.

Diese Unterlagen (Anl. A5, A6, und das Anlagenkonvolut A13) bestätigen die Aus-
sage des Zeugen S…, dass das in Rede stehende AirCool-Waferprober-System
ohne irgendwelche Beschränkungen beliebigen Dritten angeboten und verkauft
worden ist. Wenngleich der Zeuge und die Beklagte seinerzeit unterschiedlicher
Auffassung über Provisionsansprüche waren, spricht dies nicht gegen die Über-
zeugungskraft der Zeugenaussage. Vielmehr machen es diese Umstände plausi-
bel, dass sich der Zeuge auch nach längerer Zeit noch an diese Geschäfte erin-
nern konnte.

5.6 Angesichts dieser vorbehaltlosen Lieferung an Dritte bestand die nicht ent-
fernt liegende Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit, nämlich andere Sachverstän-
dige vor dem Prioritätstag des Streitpatents ausreichende Kenntnis von der streit-
patentgemäßen Lehre erlangen konnten, womit eine offenkundige Vorbenutzung
gegeben ist (vgl. dazu BGH GRUR 1986, 372-375 – „Thrombozyten-Zählung“).
Denn bereits mit der Veräußerung eines Gegenstandes an einen einzelnen Kun-
den können die darin verkörperten technischen Informationen allgemein zugäng-
lich gemacht werden (vgl. dazu Benkard EPÜ 2. Aufl., Art. 54, Rdnr. 77 m. w. N.).

Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit der Fachmann bereits beim bestim-
mungsgemäßen Betrieb der Anlage die streitpatentgemäße Lehre erkennen
konnte, da er dabei aus den Anschlussvorgaben für die drei Luft-Verbindungslei-
tungen zwischen Chiller und Chuck und den unterschiedlichen Temperaturen der
Luft – die er bspw. mit einer einfachen Handprobe erfassen konnte (vgl. Anl. A14
S.15) – deren jeweilige Funktion in dem geschlossenen Kreislauf (Zuführung kalter
Luft aus dem Chiller zum Chuck, Rückführung kühler Luft vom Chuck zum Chiller
- 39 -
und Rückleitung erwärmter Luft in den anzuschließenden Leitungen) erkennen
konnte.

Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Anlagen entgegen üblicher Vorge-
hensweise bei solchen in der Halbleiter-Produktion eingesetzten Geräten tatsäch-
lich ohne Betriebsanleitungen ausgeliefert wurden, aus denen der prinzipielle Auf-
bau und die für einen ordnungsgemäßen Betrieb notwendige Luftführung erkenn-
bar war.

Denn mit der Lieferung der Anlage an Dritte hatte ein unbegrenzter Personenkreis,
etwa andere Sachverständige, nämlich bspw. Mitbewerber auf dem Gebiet der
Waferprober Gelegenheit, die Anlage und insbesondere den Chiller auf ihren bzw.
seinen Aufbau zu untersuchen. Anlass für derartige Untersuchungen bestand für
diese Fachkreise schon deswegen, weil mit der von der Beklagten bzw. TSK-EU/
TSK-JP angebotenen Anlage mit dem AirCool-Chuck-System die Wafer bei den
Messvorgängen an den Chips bis auf -40°C gekühlt werden konnten, was ein Al-
leinstellungsmerkmal dieser Anlage darstellte, und weil bspw. für die Qualifikation
von Chips für den Automobilbereich hoher Bedarf an entsprechenden Waferpro-
bern bestand. Angesichts dessen ist von einem erheblichen Interesse anderer
Sachverständiger wie bspw. der Mitbewerber auszugehen, den Aufbau dieser
Anlage zu untersuchen, um zu ermitteln, durch welche Maßnahmen der für den
Chip genannte Temperaturbereich erreicht wird.

Der Offenkundigkeit der Lehre steht dabei nicht entgegen, dass für das Ermitteln
des Aufbaus der Anlage eine teilweise Demontage und insbesondere ein Entfer-
nen des thermischen Isolationsschaums im Chiller erforderlich waren. Denn mit
einem Kauf der Anlage hatten die vorgenannten Sachverständigen wie bspw. Mit-
bewerber die Möglichkeit, die Anlage ohne jegliche Einschränkungen (d. h. insbe-
sondere ohne Rücksichtnahme auf den Anlagenbetrieb und die Partikelfreiheits-
Erfordernisse eines Reinraums) zu untersuchen, denn es genügt für die öffentliche
Zugänglichkeit bereits die bloße Möglichkeit, die Informationen aufzunehmen und
zu verstehen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass dies auch tatsächlich geschieht,
- 40 -
wie vorliegend bspw. durch den Sachverständigen mit dem Gerät der Firma
I…. Dabei erforderte die Untersuchung auch keinen größeren Aufwand, denn
sie besteht lediglich im Nachvollziehen des apparativen Aufbaus und der Lei-
tungsführung der Anlage, wie der Bericht des Sachverständigen zeigt. Allein diese
Maßnahmen reichten aus, unmittelbaren Aufschluss über die Ausbildung der An-
lage zu erlangen (vgl. dazu BGH GRUR 1986, 372-375, Tz. 20, 24 und 26 –
„Thrombozyten-Zählung“ m. w. N.; Benkard EPÜ, 2. Aufl., Art. 54 Rdnr. 86ff.
m. w. N.).

Angesichts der vorangehend im Einzelnen dargelegten Umstände konnten die
eingangs genannten Gegenargumente der Beklagten nicht überzeugen. Hinsicht-
lich des Arguments, bereits die Seriennummern der gelieferten Geräte wiesen
diese als Vorseriengeräte aus, wird ergänzend zu den obigen Ausführungen auf
die nachvollziehbare, detaillierte Aussage des Zeugen D… verwiesen, derzufolge
es sich auch bei der „00“-Serie um fertig konfektionierte Geräte und nicht um eine
Vorserie oder Experimentalserie gehandelt hat.

Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 5 des Anspruchssatzes nach dem Haupt-
antrag und die der Ansprüche 1 und 5 der Anspruchssätze nach den Hilfsanträ-
gen 1 und 2 sind somit offenkundig vorbenutzt und damit nicht neu (PatG § 3
Satz 2).

5.7 Die Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 10 des Anspruchsatzes nach dem
Hauptantrag sowie der Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 und 2 fallen
schon wegen der Antragsbindung mit dem Anspruch 1 bzw. dem Anspruch 5 (vgl.
BGH GRUR 2007, 862, Leitsatz i. V. m. Abschnitt [22] – „Informationsübermitt-
lungsverfahren II“). Die Patentinhaberin hat für diese Ansprüche im Übrigen auch
keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt geltend gemacht, und auch dem
Senat ist ein solcher nicht ersichtlich.

Bei dieser Sachlage war das Patent für nichtig zu erklären.

- 41 -
II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1
PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung


Gegen dieses Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG ein-
gelegt werden.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen
Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats
beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die
Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Berufungsschrift muss
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist,
sowie
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,
enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

- 42 -
Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGerVV) auf elektronischem Weg zum Bundes-
gerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (s. www.bundesgerichtshof.de/erv.html).


Guth Brandt Dr. Friedrich Dr. Zebisch Heimen

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