2 Ni 28/16 (EP) - 2. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 253
08.05

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

2 Ni 28/16 (EP)
verbunden mit
2 Ni 32/16 (EP)
2 Ni 38/16 (EP)
2 Ni 39/16 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
26. Juli 2017
Zindler
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle


In der Patentnichtigkeitssache



Abschrift
- 2 -































betreffend das europäische Patent 0 888 687
(DE 967 32 767)

- 3 -
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Guth sowie der Richter Dipl.-Ing. Baumgardt, Dipl.-Ing. Hoffmann,
Heimen und der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 0 888 687 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.



Tatbestand


Die Beklagte ist Inhaberin des am 10. November 1997 angemeldeten und am
16. März 2005 veröffentlichten Patents EP 0 888 687 B1 (im Folgenden:
Streitpatent) mit der Bezeichnung „USER INTERFACE FOR TELEVISION“
(deutsch: Benutzerschnittstelle für Fernsehen), das auf die internationale
Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 1998/028912 zurückgeht und
für das die Priorität der US-Patentanmeldung US 08/772080 vom 20. Dezember
1996 in Anspruch genommen wird. Das in der Verfahrenssprache Englisch
abgefasste Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der
Nummer DE 697 32 767 T2 geführt.

Mit ihren Klagen begehren die Klägerinnen in unterschiedlichem Umfang die
Nichtigerklärung des deutschen Teils des europäischen Patents.

- 4 -
Der Senat hat die Klage 2 Ni 28/16 (EP) der Klägerin zu 1) und die Klagen
2 Ni 32/16 (EP), 2 Ni 38/16 (EP) und 2 Ni 39/16 (EP) der Klägerinnen zu 2), zu 3)
und zu 4) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Streitpatent umfasst 13 Patentansprüche, den selbständigen Anspruch 1 und
die unmittelbar oder mittelbar darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis
13. Anspruch 1 lautet in der englischen Fassung gemäß EP 0 888 687 B1 (mit
einer Gliederung versehen):

1. An electronic device comprising
1.1 at least one display;
1.2 a controller arranged to cause the display to show
1.2.1 a rotating menu comprising a plurality of menu options,
1.2.2 which menu is disposed off centre in the display
1.2.3 so that at least one option is rotatable off the display at any
one time,
1.2.4 whereby an arbitrary number of options may be added to the
menu without changing its format.

Wegen des Wortlautes der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche
2 bis 13 wird auf die Patentschrift EP 0 888 687 B1 verwiesen.

In der deutschen Übersetzung lautet der Anspruch 1 gegliedert:

1. Elektronische Anordnung mit:
1.1 wenigstens einer Wiedergabeanordnung,
1.2 einem Controller, vorgesehen um dafür zu sorgen, dass die
Wiedergabeanordnung
1.2.1 ein umlaufendes Menü zeigt, das eine Anzahl Menüoptionen
umfasst,
1.2.2 wobei dieses Menü in der Wiedergabeanordnung außerhalb
der Mitte vorgesehen ist,
1.2.3 so dass wenigstens eine Option zu jeder Zeit von der
Wiedergabeanordnung weggedreht werden kann,
- 5 -
1.2.4 wodurch ohne Änderung des Formats eine beliebige Anzahl
Optionen zu dem Menü hinzugefügt werden kann.

Die Beklagte verteidigt ihr Streitpatent hilfsweise beschränkt:

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I (Änderungen unterstrichen) lautet:

1. An electronic device comprising
1.1 at least one display;
1.2 a controller arranged to cause the display to show
1.2.1 a rotating menu comprising a plurality of menu options,
1.2.2 which menu is disposed off centre in the display
1.2.3 so that at least one option is rotatable off the display at any
one time,
1.2.4 whereby an arbitrary number of options may be added to the
menu without changing its format,
1.2.5 wherein the menu is displayed with a perspective in which the
menu appears to be in an apparent plane which is not parallel
with the screen,
1.2.6 wherein the perspective is achieved by changing either the
shape or the size of at least one of the menu options.

Die hinzugefügten Merkmale lauten übersetzt:

1.2.5 „wobei das Menü mit einer Perspektive wiedergegeben wird,
in der das Menü wie in einer sichtbaren Ebene erscheint, die
sich nicht parallel zu dem Schirm erstreckt”
und
1.2.6 „wobei die Perspektive durch Änderung entweder der Form
oder der Größe wenigstens einer der Menüoptionen erreicht
wird“.

Die Ansprüche 2 bis 11 des Hilfsantrages entsprechen den Ansprüchen 3 bis 12
der erteilten Fassung des Streitpatents (mit angepasster Nummerierung).
- 6 -

Die Klägerinnen machen den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit
geltend, da es dem Patent an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit mangele.
Zur Stützung ihres Vorbringens nennen sie u. a. folgende Druckschriften und
Unterlagen:

E1 EP 0 626 635 A2
E2 EP 0 767 418 A1 (nachveröffentlicht, 09.04.1997)
E3a


E3b


E3c
FSN (Full Service Network) System der Time Warner
Corporation,”Ready for Prime Time”, in “TIME”, veröffentlicht am
26. Dezember 1994
FSN (Full Service Network) System der Time Warner
Corporation, ”Time Warner´s Time Machine for Future Video”, in
“The New York Times”, veröffentlicht am 12. Dezember 1994
FSN (Full Service Network) System der Time Warner
Corporation, Fernsehbeitrag ”Time Warner´s Full Service
Network”, in “Hot Chips”, ausgestrahlt am 28. Juni 1995

E4


E4a



E4b
Lifestreams-Benutzeroberfläche, vorgestellt im November 1995
auf dem Symposium der AAAI (Association for the Advancement
of Artificial Intelligence)
FREEMAN E. ET AL: "Lifestreams: A Storage Model for Personal
Data", veröffentlicht am 1. März 1996 im ACM SIGMOD
BULLETIN, vol. 25, no. 1, March1996 (1996-03-01), pages 80-86,
XP002903925
FREEMAN E.T.: "The Lifestreams Software Architecture",
veröffentlicht als PHD DISSERTATION, YALE UNIVERSITY, May
1997 (1997-05-01), pages 1 - 185, XP002903924

E5 Quercia, Valerie; O’Reilly, Tim: X Window System User’s
Guide,OSF/Motif 1.2 Edition, veröffentlicht in: O‘Reilly, Tim
(Hrsg.)‚ O’Reilly& Associates, Inc.‚ 1993, S. 276-290

E6 US 5 412 720 A
E7 WO 96/18946 A1
E8 WO 95/25397 A2
- 7 -
E9 US 5 485 197 A
E10 WO 96/25747 A1
E11 EP 0 413 838 A1
E12-16 Demo-CD´s und Screenshots

Zur Patentfähigkeit sind die Klägerinnen der Ansicht, die Lehre des Streitpatents
sei nicht neu gegenüber dem Stand der Technik u. a. gemäß E1, E2, E3c (Life
after Television – Video on Demand) und E4, E7, E8, E10. Außerdem beruhe sie
auch – sofern man die nachfolgenden nicht-technischen Merkmale, die lediglich
die Wiedergabe von Informationen beträfen, außer Acht lasse - nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit. Nach Auffassung der Klägerinnen seien die
Merkmalsgruppen 1.2.1 bis 1.2.4 des Streitpatents nicht technisch und daher bei
der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Es werde lediglich
eine von den Nutzern mutmaßlich präferierte, visuelle Menü-Anordnung
beschrieben, die sich auf die bloße Wiedergabe von Informationen beschränke.

Auch in der Fassung des Hilfsantrages könne das Patent keinen Bestand haben,
da die hinzugefügten Merkmale im Wesentlichen nur eine perspektivische
Darstellung des Menüs beschrieben, aber nicht-technischer Art seien. Solche
perspektivischen Darstellungen seien zudem aus dem Stand der Technik bekannt.
Auch die jeweiligen Unteransprüche seien nicht patentfähig gegenüber den
Druckschriften E1 bis E4, E7 bis E11 bzw. es handele sich um rein handwerkliche
Ausgestaltungen oder um die Hinzufügung weiterer nicht-technischer Merkmale.

Die Klägerinnen zu 2) und zu 3) rügen ferner, das Streitpatent könne die Priorität
der US 08/772080 nicht wirksam in Anspruch nehmen. Das Prioritätsrecht sei
nicht wirksam übertragen worden. Die von der Beklagten auszugsweise
vorgelegten Unterlagen, insbesondere das „General Service Agreement“ (Anl.
QE4 bzw. B5) seien unzureichend, um den Rechtsübergang zu belegen.

Die Klägerin zu 4 schließlich ist der Meinung, die Lehre des Streitpatents sei auch
nicht ausführbar, denn es sei kein Beispiel zur Realisierung der nicht-technischen
Vorgaben mit technischen Mitteln angegeben und auch nicht offenbart, welche
- 8 -
technischen Mittel notwendig seien, um eine beliebige Anzahl von Optionen zu
dem Menü hinzuzufügen.

Die Klägerin zu 1) stellt den Antrag,

das europäische Patent 0 888 687 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Klägerinnen zu 2) und 4) stellen den Antrag,

das europäische Patent 0 888 687 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Ansprüche 1, 2 und 13 für
nichtig zu erklären.

Die Klägerin zu 3) stellt den Antrag,

das europäische Patent 0 888 687 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 5, 9 und 13
für nichtig zu erklären.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klagen abzuweisen,
hilfsweise das europäische Patent 0 888 687 unter Klageabweisung im
Übrigen mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
insoweit für nichtig zu erklären als seine Ansprüche über die Fassung des
Hilfsantrags I vom 10. Mai 2017 hinausgehen.

Sie erklärt, dass sie die Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag jeweils als
geschlossene Anspruchssätze ansieht, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit
beansprucht.

Die Beklagte, die sich in vollem Umfang und mit einem Hilfsantrag beschränkt
verteidigt, tritt dem Vortrag der Klägerinnen in allen Punkten entgegen.
- 9 -
Sie ist der Ansicht, die Übertragung des Prioritätsrechts des Streitpatents sei
wirksam.

Der Gegenstand des Streitpatents sei für den Fachmann aufgrund seines
Fachwissens mit zumutbarem Aufwand auch ausführbar.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen sei auch kein Merkmal der
Patentansprüche nach Haupt- und Hilfsantrag nicht-technischer Natur, vielmehr
seien sämtliche Merkmale bei der Prüfung der Patentfähigkeit heranzuziehen. Der
Gegenstand des Anspruchs 1 dürfe nicht unzulässig zergliedert werden, er löse in
seiner Gesamtheit das technische Problem, eine elektronische Anordnung mit
einer verbesserten Benutzerschnittstelle dadurch bereitzustellen, dass ohne
Änderung des Formats eine beliebige Anzahl von Optionen zu dem Menü
hinzugefügt werden könne. Die in Rede stehenden Merkmale trügen ausnahmslos
zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bei, insbesondere
führe die Krümmung des Menüverlaufes zu einer verbesserten, auf das
menschliche Wahrnehmungsvermögen ausgerichteten Anzeige im Vergleich zu
einem nicht rotierenden, linearen Menü, welches aus dem Stand der Technik
bekannt sei. Auch die Hinzufügung von beliebig vielen Optionen im nicht-
sichtbaren Bereich erleichtere das Suchen und Auffinden von Informationen und
löse ein technisches Problem mit technischen Mitteln, trage zumindest im Sinne
der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Lösung dieses Problems bei.
Die Beklagte ist im Übrigen der Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents sei
neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Entgegenhaltungen E1 und
die nachveröffentlichte E2 offenbarten beide keine Menüs mit außermittiger
Rotationsachse wie das Streitpatent, und auch keinen Controller, der so
ausgebildet sei, dass mit ihm ohne Änderung des Formats eine beliebige Anzahl
Optionen dem Menü hinzugefügt werden könne. Den rein schematischen
Zeichnungen (vgl. E1, Fig. 13, 14), wobei der Menü-Zylinder in einer
konzeptionellen Darstellung ganz leicht versetzt dargestellt sei, könne angesichts
der Beschreibung im Gesamtzusammenhang nichts anderes entnommen werden.
Auch die übrigen Entgegenhaltungen offenbarten die wesentlichen Merkmale des
Streitpatents nicht hinreichend deutlich. Eine hinreichend konkrete Anregung bzw.
Veranlassung, zur Lösung des Streitpatents zu kommen, sei aus dem Stand der
Technik ebenfalls nicht ersichtlich, weil an zu viele Voraussetzungen geknüpft.
- 10 -

Zum Hilfsantrag vertritt die Beklagte die Auffassung, jedenfalls die
hinzugekommenen, technischen Merkmale seien im Stand der Technik nicht
offenbart.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.



Entscheidungsgründe

I.

Die Klagen, mit denen die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit und der
fehlenden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG,
Artikel 138 Abs. 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht
werden, sind zulässig und begründet.

Das Streitpatent erweist sich sowohl in der erteilten Fassung als auch in der
Fassung des Hilfsantrags als nicht patentfähig. Der Gegenstand des Anspruchs 1
in der erteilten Fassung beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und der
Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht, bei Außerachtlassung
derjenigen Merkmale, welche zu einer technischen Problemlösung nicht beitragen,
ebenso nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).


II.

1. Das Streitpatent betrifft eine Benutzerschnittstelle für ein elektronisches
Gerät mit mindestens einer Anzeige (vgl. Streitpatent, Absatz [0001]).

Aus dem Stand der Technik sei gemäß dem Streitpatent ein Prototyp eines
Systems bekannt, dass ein umlaufendes Menü mit Tasten umfasst (vgl.
Streitpatent, Absatz [0002]).
- 11 -
Davon ausgehend ist es die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, eine
verbesserte Benutzerschnittstelle zu schaffen (vgl. Streitpatent, Absatz [0003]).


2. Die Lösung dieser Aufgabe wird i.W. durch eine elektronische Anordnung
mit einem Controller erreicht. Dabei ermöglicht der Controller die Darstellung eines
rotierenden Menüs mit einer Vielzahl von Menü-Optionen auf der Anzeige, wobei
das Menü außerhalb der Mitte der Anzeige dargestellt wird. Dadurch kann
wenigstens eine Menü-Option aus der Anzeige herausgedreht werden, wodurch
dem Menü ohne eine Änderung seines Formats eine beliebige Anzahl weiterer
Menü-Optionen hinzugefügt werden kann (vgl. Streitpatent, Absatz [0004]).


3. Als Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung
Datenverarbeitung oder ein Diplom-Informatiker anzusehen, der über mehrjährige
Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung von Mensch-Maschine-Schnittstellen
– insbesondere im Bereich der Gestaltung von Benutzeroberflächen – verfügt.


4. Einige Merkmale bedürfen einer Erläuterung.

Gemäß der Lehre des Streitpatents soll eine Menüdarstellung für eine
Benutzerschnittstelle geschaffen werden, die eine übersichtliche Anzeige einer
kleinen Anzahl von Menü-Optionen in einer rotierenden Darstellung ermöglicht,
wobei zur Verbesserung der Übersichtlichkeit ein Teil der Menü-Optionen aus dem
sichtbaren Anzeigebereich herausgedreht werden kann und die Anzahl der Menü-
Optionen erweiterbar ist.

4.1 „rotating menu“ („rotierendes Menü“ / Merkmal 1.2.1)
Das rotierende Menü wird als eine Art Karussell, das auf der Anzeige rotiert,
beschrieben (vgl. Streitpatent Absatz [0008]). Zur Form des Menüs ist überdies
eine elliptische, perspektivisch kreisförmig erscheinende Ausgestaltung
angegeben (vgl. Streitpatent Absatz [0008]). Eine mögliche Art der Darstellung
eines rotierenden Menüs geht aus dem Streitpatent (Fig.2) hervor.
- 12 -
Damit ist ein Menü beansprucht, welches durch ein Rotieren, d.h. durch ein
„Weiterdrehen“ der Einträge das übliche „Blättern“ in einer Liste abbildet. Ob dabei
das rotierende Menü als eine geschlossene Anordnung (ein geschlossener Kreis
bzw. eine geschlossene Ellipse) zu verstehen ist, bei der beim Springen bzw.
Blättern von einem Menüeintrag zum nächsten durch das gesamte Menü nach
dem „letzten“ Eintrag automatisch wieder der „erste“ Eintrag bzw. nach dem
„ersten“ automatisch der „letzte“ Eintrag angezeigt wird, kann dahingestellt
bleiben.

4.2 „menu is disposed off centre in the display“ („Menü ist außerhalb des
Zentrums der Anzeige angeordnet“ / Merkmal 1.2.2)
Zu diesem Merkmal findet sich die Erläuterung, dass das Zentrum des Menüs,
d. h. eine imaginäre Rotationsachse, außerhalb des Zentrums (der Mitte) des
Bildschirms angeordnet ist (vgl. Streitpatent Absätze [0004], [0011]).
Das Merkmal ist demnach so zu verstehen, dass der Mittelpunkt des rotierenden
Menüs, d.h. die Rotationsachse, nicht im Schnittpunkt der Bildschirmdiagonalen
angeordnet ist, sondern gegenüber dem Mittelpunkt des Bildschirms versetzt ist.

4.3 „one option is rotatable off the display“ („eine Menüoption wird aus der
Anzeige herausgedreht bzw. weggedreht“ / Merkmal 1.2.3)
In Verbindung mit der Anordnung des Menüs außerhalb der Mitte des Bildschirms
(Merkmal 1.2.2) ist ausgeführt, dass zumindest eine Menü-Option aus dem
sichtbaren Bereich des Bildschirms herausgedreht werden kann (vgl. Streitpatent
Absätze [0004], [0011]).
Damit ist unter diesem Merkmal das Verschieben bzw. „Wegdrehen“ eines
Menüelements über den Rand der Anzeige hinaus (s. Fig.2, aus dem rechten
Bildschirmrand heraus) zu verstehen.

4.4 „an arbitrary number of options may be added to the menu without
changing its format” (“eine beliebige Anzahl von Optionen kann zu dem Menü
hinzugefügt werden ohne sein Format zu ändern“ / Merkmal 1.2.4)
Aus der Beschreibung des Streitpatents ist zu diesem Merkmal zu entnehmen,
dass beliebig viele Menü-Optionen zu dem rotierenden Menü hinzugefügt werden
- 13 -
können, wobei sich die Form bzw. die Gestalt der angezeigten Menü-Optionen
nicht ändert (vgl. Streitpatent Absätze [0004], [0011]).
Im Zusammenhang mit den weiteren Merkmalen – insbesondere Merkmal 1.2.3 –
ist damit die Möglichkeit der Erweiterung der Anzahl der Menü-Optionen
angegeben, wobei die neu hinzugefügten Menü-Optionen die Darstellung der
sichtbaren Menü-Optionen nicht verändern. Das bedeutet, im nicht sichtbaren
Bereich (außerhalb des Bildschirms) wird die Zahl der Menü-Optionen verändert
und im sichtbaren Bereich (vgl. Streitpatent Fig.2) bleiben die Darstellung und die
Anzahl der Menü-Optionen unverändert. Auf welche Weise die Menüeinträge
hinzugefügt werden, bleibt jedoch offen. Ebenso ist die Beibehaltung der Form,
d.h. die Art der Darstellung nicht näher spezifiziert.

4.5 „wherein the menu is displayed with a perspective in which the menu
appears to be in an apparent plane which is not parallel with the screen”
(„wobei das Menü mit einer Perspektive wiedergegeben wird, in der das Menü wie
in einer sichtbaren Ebene erscheint, die sich nicht parallel zu dem Schirm
erstreckt” / Merkmal 1.2.5)
Dies ist so zu verstehen, dass das Menü als in einer virtuellen Ebene liegend, die
nicht parallel zur Bildschirmoberfläche ist (vgl. Streitpatent Absatz [0008] und
Fig.2), perspektivisch dargestellt wird.
Somit ist die Rotationsachse des kreisförmigen Menüs nicht mehr senkrecht zur
Bildschirmoberfläche, sondern sie ist gegenüber dieser geneigt bzw. gekippt. Da
die Menü-Optionen nur auf dem Bildschirm in dessen Anzeigeebene dargestellt
werden können, wird durch die veränderte Art der Darstellung der Menü-Optionen
eine Tiefenwirkung erzielt („perspektivische Darstellung“).

4.6 „wherein the perspective is achieved by changing either the shape or
the size of at least one of the menu options” („wobei die Perspektive durch
Änderung entweder der Form oder der Größe wenigstens einer der Menüoptionen
erreicht wird“ / Merkmal 1.2.6)
Dieses Merkmal gibt an, dass die Tiefenwirkung durch eine Größen- oder
Formänderung der angezeigten Menü-Optionen erreicht wird (vgl. Streitpatent
Absatz [0009]).
- 14 -
Dies bedeutet eine veränderte Darstellung, bspw. durch einen Schatten oder
durch eine Verzerrung der Menü-Optionen auf der Bildschirmoberfläche, wodurch
der Eindruck einer perspektivischen Darstellung erreicht wird.


III.

Das Streitpatent ist sowohl in der erteilten Fassung als auch im Umfang des
Hilfsantrags 1 nicht patentfähig. Denn diejenigen Merkmale, die nicht bereits aus
dem Stand der Technik vorbekannt oder durch ihn nahegelegt sind, können die
Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln nicht bestimmen oder
zumindest beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer
Informationen: BGH GRUR 2015, 1184 - Entsperrbild), und sind daher bei der
Prüfung auf erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) nicht zu berücksichtigen.

Offen bleiben kann daher, ob die jeweils nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1
beanspruchte Lehre in vollem Umfang ausführbar ist. Es kommt auch nicht mehr
darauf an, ob bestimmte Patentansprüche vollständig unter den
Ausschlusstatbestand nach Art. 52 Abs. 2 lit. c, Abs. 3 EPÜ fallen. Denn den
einzelnen Anträgen bleibt bereits aus anderem Grund der Erfolg versagt, wie im
Folgenden ausgeführt wird.


1. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des
Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruht.

Als nächstkommenden Stand der Technik sieht der Senat die vor dem
Prioritätstag des Streitpatents veröffentlichte Druckschrift E1 (EP 0 626 635 A2)
an. Auf die in Verbindung mit der Druckschrift E2 diskutierte Frage, ob das
Streitpatent die Priorität zu Recht in Anspruch nimmt, kommt es daher nicht an.

1.1 Aus der E1 ist ein elektronisches Gerät „170“ (hand-held display device) mit
einer CPU „30“ (Controller), einem Speicher „33“, einer Ein-Ausgabeeinheit „34“
- 15 -
und einem Display „37“ zu entnehmen (Sp.3 Z.54-58, Sp.10 Z.28-46, Fig.1a,
Fig.1b – Merkmale 1. und 1.1). Die CPU steuert das Display und ermöglicht somit
die Anzeige einer graphischen Benutzeroberfläche auf dem Display (Sp.11
Z. 2-21 – Merkmal 1.2).

Weiterhin ist in der E1 die Ausgestaltung der Benutzeroberfläche, insbesondere
die Darstellung eines rotierenden Menüs mit einer Vielzahl von Menü-Optionen,
welche bspw. die verfügbaren Fernsehkanäle repräsentieren (Sp.20 Z.11-15), in
einer kreisförmigen Anordnung (wheel) beschrieben (Sp.20 Z.24-55, Sp.21 Z.6-22,
Fig.11-14 – Merkmal 1.2.1).

Eine Versetzung des Menüs aus der Mitte des Bildschirms heraus ist der E1
ebenfalls zu entnehmen. Dabei ist eine exzentrische Anordnung des rotierenden
Menüs „72“ (Fig. 9, Fig.11, Sp.31 Z.35-48, first object wheel) auf der linken Seite
des Bildschirms gezeigt (Merkmal 1.2.2).

Auch das „Herausdrehen“ einer oder mehrerer Menü-Optionen aus dem
sichtbaren Bereich des Bildschirms geht aus der E1 hervor (Sp.20 Z.37-55,
Fig.12-Fig.14 – Merkmal 1.2.3). Dabei werden die Objekte in eine Richtung, d. h.
nach rechts oder nach links bzw. nach oben oder unten, weitergeschoben (aus
dem Bildschirm herausgedreht) und auf der anderen Seite ein neues Objekt in den
sichtbaren Bereich des Bildschirms eingefügt (hineingedreht).

Schließlich ist in der E1 angegeben, dass nur einige der Menü-Optionen sichtbar
sind (Sp.20 Z.24-36), wobei in einem Ausführungsbeispiel vier Menü-Optionen
sichtbar sind (Sp.20 Z.37-40), und weitere Menü-Optionen als zusätzliche Icons
dem Menü hinzugefügt werden können (Sp.9 Z.18-47, Sp.20 Z.5-10). Dabei die
Darstellung der Menü-Optionen, d.h. deren Format, im sichtbaren Teil der Anzeige
nicht zu ändern, bot sich für den Fachmann an. Denn ausgehend von dem
Ausführungsbeispiel, wonach genau vier Menüeinträge zu jeder Zeit sichtbar sind,
liegt es auch Praktikabilitätsgründen, etwa der gleichbleibenden Erkennbarkeit für
den Nutzer, für den Fachmann nahe die Anzeige und somit das Formats dieser
vier Einträge einfach beizubehalten (Merkmal 1.2.4).

- 16 -
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ergibt sich somit in
naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

1.2 Die dagegen gerichtete Argumentation der Beklagten kann nicht
überzeugen.

1.2.1 Die Beklagte führt aus, dass aus der E1 nur eine lineare Darstellung eines
Menüs (Fig.12) und keine rotierende Darstellung eines Menüs (Merkmal 1.2.1)
gemäß dem Streitpatent (Fig.2) zu entnehmen sei. Insbesondere seien die beiden
Darstellungen in der E1 (Fig. 13 und 14) nur als konzeptionelle Darstellungen zu
werten und nicht als konkretes Ausführungsbeispiel zu verstehen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden, da in der E1 das Drehen der
Objekte, d.h. der Menüeinträge, bereits angegeben ist (Sp.20 Z.24-44), Fig. 11-
14). Im Detail wird beschrieben, dass der Benutzer aus einer großen Anzahl von
Menüeinträgen wählen kann, indem er das Rad, auf dem die Menüeinträge
angeordnet sind (object wheel) weiterdreht (spin). Der gesuchte Eintrag erscheint
dann in dem angezeigten Ausschnitt des Menüs, d.h. in der Darstellung, die aus
lediglich vier Menüeinträgen besteht. Somit wird auch in der E1 ein rotierendes
Menü verwendet, wobei die sichtbaren Menü-Optionen in einer Linie und die nicht
sichtbaren Menü-Optionen in einem gedachten Kreis (object wheel) angeordnet
sind (Fig.12). Die konzeptionellen Darstellungen der Figuren 13 und 14 mögen
zwar in Bezug auf die Perspektiv-Darstellung nicht als konkretes
Ausführungsbeispiel zu verstehen sein, sie verdeutlichen aber in Verbindung mit
der Beschreibung (Sp.20 Z.20-44) die gedachte Rotation der Menüeinträge.

1.2.2 Weiterhin stellt die Beklagte dar, dass die E1 kein Hinzufügen von Menü-
Elementen, sondern nur ein Hinzufügen von Geräten, und auch keine
Beibehaltung des Formats der angezeigten Menü-Elemente (Merkmal 1.2.4)
offenbare.

Auch diese Darstellung greift zu kurz. In der E1 ist die Anordnung eines Menüs mit
einer Vielzahl von Objekten in einer übersichtlichen Form beschrieben, d.h. es
wird nur ein Teil der Objekte angezeigt (Sp.20 Z.5-36). Die Art des Menüs kann,
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gemäß den in der E1 gezeigten Ausführungen, für eine Senderliste, aber auch für
die Verwaltung und Bedienung von Geräten verwendet werden (Sp.9 Z.18-47,
Sp.20 Z.5-36), wobei die Anzahl der Geräte variabel ist und weitere Geräte (bspw.
„150“ thermostat) hinzugefügt werden können (Sp.9 Z.37-40). Diese Geräte
werden als weiteres Symbol auf dem Display angezeigt. Zusätzlich ist als
Ausführungsbeispiel angegeben, dass die Anzahl der sichtbaren Menü-Optionen
auf vier Optionen begrenzt bzw. festgelegt ist (Sp.20 Z.37-40). Damit ist die
Beibehaltung des Formats der sichtbaren Menü-Optionen für den Fachmann
nahegelegt (s. oben 1.1).

1.2.3 Darüber hinaus wendet die Beklagte ein, dass aus der E1 kein Controller im
Sinne des Merkmals 1.2 zu entnehmen sei. Insbesondere müsse der Controller
ausgestaltet sein, um die Anzeige eines Menüs nach den Merkmalen 1.2.1 bis
1.2.4 zu ermöglichen.

Auch dieser Darstellung kann nicht gefolgt werden. Denn in der E1 ist ein
elektronisches Gerät gezeigt, bei dem eine CPU „30“ über eine Schnittstelle eine
graphische Benutzerschnittstelle auf der Anzeige (Display „37“) erzeugt und
steuert (Sp.10 Z.28-38, Sp.11 Z.12-15). Somit ist der beanspruchte Controller mit
der beschriebenen CPU gleichzusetzen.

1.2.4 Schließlich gibt die Beklagte an, dass durch die patentgemäße Anzeige
lediglich einiger Menü-Optionen aus der Vielzahl der Menü-Optionen auf dem
Bildschirm eine platzsparende und übersichtliche Darstellung erreicht werde,
welche die E1 nicht zeige.

Diesem Argument kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn in der E1 ist
angegeben, dass bei einer großen Anzahl von Menüeinträgen eine Darstellung auf
der begrenzten Anzeigefläche eines Bildschirms die Menüeinträge kompakt
dargestellt werden müssen und deshalb nur eine begrenze Anzahl von Einträgen
auf dem sichtbaren Bereich des Bildschirms angezeigt werden (Sp.20 Z.5-36).


- 18 -
2. Der Hilfsantrag ist nicht anders zu beurteilen
Im Folgenden werden nur die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 behandelt. Zu den übrigen
Merkmalen wird auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.

2.1 Mit den Merkmalen 1.2.5 und 1.2.6 wird zusätzlich beansprucht, dass das
Menü mit einer Perspektive wiedergegeben wird, in der das Menü wie in einer
scheinbaren Ebene erscheint, die sich nicht parallel zu dem Schirm erstreckt
(Merkmal 1.2.5) und dass die Perspektive durch Änderung entweder der Form
oder der Größe wenigstens einer der Menüoptionen erreicht wird (Merkmal 1.2.6).

Damit unterscheidet sich die Lehre des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags von
der Lehre der E1 nur durch die veränderte Art der Darstellung des kreisförmigen
Menüs, nämlich in einer perspektivischen Ansicht.

2.2 Mit diesem Unterschied kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit
nicht begründet werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Prüfung einer
Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu
berücksichtigen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen
Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 -
Wiedergabe topografischer Informationen; BGH GRUR 2013, 909 -
Fahrzeugnavigationssystem).

Ob ein konkretes technisches Problem durch eine Erfindung mit technischen
Mitteln gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung
tatsächlich leistet. Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu entwickeln.
Die in der Patentschrift angegebene Aufgabe fungiert lediglich als Hilfsmittel bei
der Ermittlung des objektiven technischen Problems (BGH, GRUR 2011, 610 -
Webseitenanzeige, Rn. 20, m. w. N.).

Die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 lösen im vorliegenden Fall die „objektive Aufgabe“,
eine andere Art der Darstellung des Menüs zu ermöglichen. Eine derartige
Veränderung des Menüs hin zu einer perspektivischen Darstellung betrifft jedoch
- 19 -
nur die zweckmäßige Darstellung einer Information und ist daher bei der Prüfung
auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 2011, 125 -
Wiedergabe topografischer Informationen).

Eine darüber hinausgehende Lösung eines technischen Problems mit technischen
Mitteln ist nicht zu erkennen, da der Fachmann für die nutzerfreundliche
Darstellung bei der Programmierung des Anzeigetreibers der CPU lediglich die
erfindungsgemäße perspektivische Darstellung implementieren musste. Die hierzu
notwendigen Kenntnisse sind allein dem Bereich der Informatik und der Computer-
Programmierung zuzuordnen. Dass irgendwelche „auf technischen Überlegungen
beruhenden Erkenntnisse“ den Unterscheidungsmerkmalen zugrunde lägen ist
nicht erkennbar (vgl. BGH GRUR 2000, 498 – Logikverifikation). Vielmehr ist die
Gestaltung der perspektivischen Darstellung eine reine Software-Maßnahme, für
die kein weiteres technisches Fachwissen erforderlich ist, da spezielle technische
Merkmale der verwendeten Computer sowie die das „technische“
Zusammenwirken der Computerbestandteile nicht in die erforderlichen
Überlegungen einfließen.

Damit ergibt sich ebenso wie der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach
Hauptantrag auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 in
naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, wobei diejenigen Merkmale,
welche auf eine Darstellung des Menüs in einer perspektivischen Ansicht gerichtet
sind, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind.

2.3 Die dagegen vorgebrachten Argumente der Beklagten können nicht
überzeugen.

Die Beklagte verweist hierzu auf die BGH Rechtsprechung (BGH GRUR 2015,
1184 – Entsperrbild; BGH GRUR 2015, 660 – Bildstrom).

So sei in der Entscheidung Entsperrbild (BGH, aaO.) gefordert, dass die
informationsbezogenen Merkmale eines Patentanspruchs darauf hin zu
untersuchen sind, ob die wiederzugebende Information sich zugleich als
- 20 -
Ausführungsform eines – im Patentanspruch nicht schon anderweitig als solches
angegebenen – technischen Lösungsmittels darstellt.
Weiter sei in der Entscheidung Bildstrom (BGH, aaO.) angegeben, dass
Anweisungen, die zwar die (visuelle) Informationswiedergabe betreffen, bei denen
aber nicht die Vermittlung bestimmter Inhalte oder deren Vermittlung in
besonderer Aufmachung im Blickpunkt steht, sondern die Präsentation von
Bildinhalten in einer Weise, die auf die physischen Gegebenheiten der
menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt
und darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Informationen durch den
Menschen in bestimmter Weise überhaupt erst zu ermöglichen, zu verbessern
oder zweckmäßig zu gestalten, der Lösung eines technischen Problems mit
technischen Mitteln dienen.

Entsprechend den dort angegebenen Kriterien für das Vorliegen eines
technischen Mittels zur Lösung eines technischen Problems macht sie geltend,
dass diese auch bei allen Merkmalen des Anspruchs 1 vorlägen.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Der Beklagten ist zwar insoweit zuzustimmen, dass die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6
dahingehend zu untersuchen sind, ob die wiederzugebende Information sich
zugleich als Ausführungsform eines - im Patentanspruch nicht schon anderweitig
als solches angegebenen - technischen Lösungsmittels darstellt (vgl. BGH, aaO. -
Entsperrbild).
Dies ist hier allerdings nicht der Fall, da sich beide Merkmale nicht auf die
wiederzugebende Information, sondern auf deren veränderte Anzeige und somit
auf eine besonders anschauliche, perspektivische Darstellung beziehen. Dieser
Aspekt der anschaulichen Darstellung trägt nach der Entscheidung Entsperrbild
allein dem menschlichen Vorstellungsvermögen Rechnung. Der in den beiden
Merkmalen 1.2.5 und 1.2.6 angegebenen perspektivischen Darstellung kann
dementsprechend kein über die übrigen Merkmale hinausgehender technischer
Inhalt beigemessen werden.

- 21 -
Ebenfalls ist der Beklagten in deren Ausführungen zur Entscheidung Bildstrom
(BGH, aaO.) grundsätzlich zuzustimmen.
Jedoch betrifft die dem dortigen Fall zugrundeliegende Präsentation von
Bildinhalten, welche nach der Beurteilung des Bundesgerichtshofes auf die
physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von
Informationen Rücksicht nimmt und daher bei der Prüfung auf erfinderische
Tätigkeit zu berücksichtigen ist, die Darstellung von zumindest zwei Teilbildsätzen,
die aus einem ursprünglichen Bildsatz generiert werden. Dies bedeutet, dass im
Vergleich zu der Betrachtung eines Bildsatzes (des ursprünglichen Bildsatzes)
eine Möglichkeit geschaffen wird, bei der ein Benutzer durch die gleichzeitige
Anzeige von Teilsatz-Bildströmen, die jeweils aus einer Teilmenge der Gesamtheit
der Bilder des ursprünglichen Bildstroms bestehen, in die Lage versetzt wird,
schnell und effizient eine Auswertung durchzuführen.
Im vorliegenden Fall wird eine übersichtliche Darstellung eines Menüs jedoch
bereits durch die Anzeige gemäß den Merkmalen 1.2 bis 1.2.4 erreicht. Durch die
Anzeige einer kleinen Anzahl von Menü-Optionen wird eine klare und
übersichtliche Darstellung aufgezeigt, die eine verbesserte Wahrnehmung
ermöglicht. Die Änderung der Darstellung in Form einer perspektivischen Anzeige
mit der gleichen Anzahl an Menü-Optionen bewirkt aber gerade kein schnelleres
und effizienteres Erfassen der Information, sondern dient lediglich der
Vermittlung von Inhalten mit dem Ziel, auf die menschliche Vorstellung
einzuwirken. Die streitgegenständliche Anzeige in perspektivischer Form betrifft
somit die Vermittlung bildlicher Inhalte bzw. deren Vermittlung in besonderer
Aufmachung. Hingegen beschreibt das Streitpatent nicht, dass – anders als im
Fall „Bildstrom“ - die Präsentation von Bildinhalten in einer Weise, die auf die
physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von
Informationen Rücksicht nimmt und dabei darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung
der gezeigten Informationen durch den Menschen in bestimmter Weise erst zu
ermöglichen, zu verbessern oder zweckmäßig zu gestalten (vgl. BGH, aaO. –
Bildstrom Rn. 35).
Allein der Umstand, dass durch die Art der Anzeige einzelne Menü-Optionen
hervorgehoben werden und somit auf die menschliche Wahrnehmung Einfluss
genommen wird, genügt dafür nicht, denn durch diese einfachen grafischen
Maßnahmen wird allein auf das menschliche Vorstellungsvermögen gezielt. Diese
- 22 -
Aufmachung veranschaulicht nämlich ohne technische Wirkung lediglich die
Information, welche Menü-Optionen jeweils dem Nutzer zur Auswahl angeboten
werden. Durch die perspektivische Darstellung wird daher kein technisches
Problem mit technischen Mitteln gelöst.


3. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hautpantrag und nach
Hilfsantrag I fallen auch die jeweiligen Unteransprüche. Denn ein eigenständiger
erfinderischer Gehalt wurde für sie weder geltend gemacht, noch ist er ersichtlich
(BGH GRUR 2012, 149 – Sensoranordnung).


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.


V.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG
statthaft.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils - spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung -
durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder
Patentanwalt schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe, einzulegen.

- 23 -
Die Berufungsschrift muss
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,
enthalten.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des
angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) auf elektronischem Weg beim
Bundesgerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (www.
bundesgerichtshof.de/erv.html).



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