29 W (pat) 519/16  - 29. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT


29 W (pat) 519/16
_______________
(Aktenzeichen)


Verkündet am
29. März 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2015 039 442.4

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 29. März 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Dr. Mittenberger-Huber und der Richterinnen Akintche und Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e

I.

Die Bezeichnung

RETROWELT

ist am 19. Mai 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und
Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der

Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;

Klasse 35: Planung und Durchführung von Messen, Ausstellungen und Wett-
bewerben zu gewerblichen und Werbezwecken auf dem Gebiet der
Unterhaltung, des Sports und der Kultur; Durchführung von Aukti-
onen und Versteigerungen; Vermittlung von Handels- und Wirt-
schaftskontakten, auch über das Internet; Auskünfte in Geschäfts-
angelegenheiten; Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur;
Merchandising;

Klasse 41: Planung und Durchführung von Messen sowie Veranstaltungen,
Ausstellungen und Wettbewerben zu unterhaltenden und bildenden
Zwecken auf dem Gebiet der Unterhaltung, des Sports und der Kul-
tur; Planung und Durchführung von Autovorführungen, Auto-
wettfahrten, Autorennen zu sportlichen und Unterhaltungszwecken;
Fernseh- und Rundfunkunterhaltung; Film- und Videofilmproduk-
tion, Unterhaltungsinformationen, Veröffentlichung und Herausgabe
von Druckerzeugnissen, Büchern, Zeitschriften und Texten, ausge-
nommen Werbetexte auch in elektronischer Form; Dienstleistungen
eines Redakteurs und eines Fotografen,

angemeldet worden.
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Mit Beschluss vom 23. Februar 2016 hat die Markenstelle für Klasse 35 des
DPMA die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG
wegen fehlender Unterscheidungskraft sowie eines bestehenden Freihaltebedürf-
nisses zurückgewiesen. Die angesprochenen Verkehrskreise würden das Anmel-
dezeichen, das sich sprachüblich aus den jeweils beschreibenden Begriffen „Ret-
ro“ und „Welt“ zusammensetze, auch in der Gesamtheit nur als beschreibenden
Sachhinweis auf eine Einkaufsstätte, Ausstellung, Sphäre etc. verstehen, in der
bzw. in dem es hauptsächlich um Dinge oder Artikel gehe, die eine Nachahmung
von Elementen früherer Stilrichtungen darstellten oder beinhalteten. Die durch-
gängige Großschreibung der Buchstaben sei werbeüblich und hebe sich vom wer-
begrafischen Standard nicht ausreichend ab.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 23. Februar 2016 aufzuheben.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass im Kernbereich der hier einschlägi-
gen Branche - nämlich der Planung und Durchführung von Messen, Ausstellungen
und Wettbewerben auf dem Gebiet des Sports und der Kultur, Planung und Durch-
führung von Autovorführungen, Autowettfahrten, Autorennen zu sportlichen und
Unterhaltungszwecken - Kennzeichnungsgewohnheiten bestünden, die die
Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens bestätigten. Dies zeigten auch zahlreiche
verschiedene Voreintragungen von Wortkombinationen mit den Bestandteilen
„Retro“ und „Welt“; ferner habe das Bundespatentgericht im Jahr 2004 die mar-
kenrechtliche Eintragungsfähigkeit des Zeichens „Retro Classics“ bejaht. Die
Kombination des Begriffs „Retro“ mit dem Begriff „Welt“ sei jedoch nicht weniger
unterscheidungskräftig als die Kombination des Begriffs „Retro“ mit dem Wort
„Classics“. Wegen der insoweit festzustellenden uneinheitlichen Rechtsprechung
in diesem Bereich sei schließlich die Zulassung der Rechtsbeschwerde angezeigt.

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Mit gerichtlichem Schreiben vom 14. Juni 2016 sowie in der mündlichen Ver-
handlung sind der Beschwerdeführerin zahlreiche Recherchebelege des Senats
(Bl. 15-53 d. A. und Bl. 118-129 d. A.) übermittelt bzw. übergeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache kei-
nen Erfolg.

Der Eintragung der Bezeichnung „RETROWELT“ als Marke steht das absolute
Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Mar-
kenG entgegen.

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Mar-
ke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen
als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese
Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen un-
terscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn.  33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung
durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2016,
934 Rn. 9 - OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rn. 15 - for you; GRUR 2013, 731
Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1396 - Starsat). Denn die Hauptfunktion der
Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und
Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. - Audi AG/ HABM [Vorsprung
durch Technik]; BGH a. a. O. - OUI; a. a. O. - for you). Da allein das Fehlen jeg-
licher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzü-
giger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterschei-
dungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - OUI;
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a. a. O. - for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Mar-
ke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so
aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrach-
tungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 - Henkel; BGH
a. a. O. Rn. 10 - OUI; a. a. O. Rn. 16 - for you; BGH GRUR 2001, 1151 - markt-
frisch; MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten An-
meldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten)
sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und anderer-
seits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die
Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen
aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Wa-
ren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Mat-
ratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; BGH WRP 2014, 449
Rn. 11 - grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft,
wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund
stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674,
Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270
Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder
Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache be-
stehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung
oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel
verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops; GRUR
2010, 1100 Rn. 20 - TOOOR!). Darüber hinaus besitzen keine Unterschei-
dungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen,
durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und
die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014,
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1204 Rn. 16 - DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O.
Rn. 23 - TOOOR!). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es
bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend
verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt,
in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienst-
leistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 - DOUBLEMINT;
674 Rn. 97 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rn. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58
Rn. 21 - Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das
aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen
schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusam-
menfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden
Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die
hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204
Rn. 77 f. - CELLTECH; a. a. O. Rn. 98 - Postkantoor; a. a. O. Rn. 39 f. -
BIOMILD; a. a. O. Rn. 28 - SAT 2; BGH, a. a. O. - DüsseldorfCongress).

2. Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt die Bezeichnung
„RETROWELT“ nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungs-
kraft. Denn die hier angesprochenen Verkehrskreise werden das Anmeldezei-
chen im konkreten Waren- und Dienstleistungszusammenhang nur als schlag-
wortartigen Sachhinweis auffassen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft aus
einem bestimmten Unternehmen.

a) Die beanspruchten Waren und Dienstleistungen richten sich zum einen an
den Fachverkehr, beispielsweise an Veranstalter von Messen und Ausstellun-
gen. Zum anderen richten sie sich an den normal informierten, angemessen
aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, so beispielsweise
an den Besucher von Oldtimer-Messen oder den Käufer von Bekleidung.

b) Das angemeldete Zeichen besteht aus den Begriffen „Retro“ und „Welt“.

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„Retro-„ ist eine Fremdwortvorsilbe und bedeutet in Wortzusammensetzungen
„nach hinten, rückwärts [gerichtet]“ (vgl. DUDEN Online; Wortschatz Uni
Leipzig; Bl. 15-19 d. A.). Im Deutschen ist der Zeichenbestandteil „Retro-“ in
Wortkombinationen wie „Retrolook/Retro-Look“ (=Modestil, der an Formen und
Farben vergangener Stilepochen anknüpft, vgl. DUDEN Online), Retro-Stil, Ret-
ro-Produkte, Retro-Möbel, Retro-Mode, Retro-Werbung oder Retro-Veran-
staltungen gebräuchlich und weist hier als Wortbildungselement jeweils auf
Dinge aus früheren Zeiten, mithin solche in altem, nostalgischen Stil, hin.

„Welt“ bedeutet (1) Erde, Lebensraum des Menschen; (2a) Gesamtheit der
Menschen, (2b) (gehoben veraltend) größere Gruppe von Menschen, Lebewe-
sen, die durch bestimmte Gemeinsamkeiten verbunden sind, besonders gesell-
schaftliche Schicht, Gruppe; (3) (gesamtes) Leben, Dasein, (gesamte) Verhält-
nisse [auf der Erde]; (4) in sich geschlossener [Lebens]bereich; Sphäre; (5a)
Weltall, Universum, (5b) Stern-, Planetensystem (vgl. DUDEN Online). In Ver-
bindung mit einer branchen- oder warenbezogenen Angabe wird das Wortele-
ment „Welt“ – ebenso wie der entsprechende englische Begriff „world“ – regel-
mäßig zur Bezeichnung eines breit gefassten Angebots, im Sinne einer virtuel-
len oder tatsächlichen Vertriebsstätte benutzt. Zudem bezeichnet „Welt“ im Sin-
ne von „Bereich/Sphäre“ in Kombinationen mit einer Sachangabe eine be-
stimmte fachliche Ausrichtung eines Angebots bzw. ein umfassendes Sortiment
oder umfassendes Produkt- und Leistungsangebot zu einem bestimmten The-
menbereich (vgl. BPatG, Beschluss vom 09.06.2015, 24 W (pat) 572/14 -
MOTORWORLD; Beschluss vom 12.06.2012, 27 W (pat) 526/11 - OstseeWel-
ten; Beschluss vom 21.06.2010, 27 W (pat) 124/09 - SCHMUCKWELTEN; Be-
schluss vom 17.06.1998, 32 W (pat) 143/97 - BADEWELT; Beschluss vom
16.11.2004, 24 W (pat) 256/03 - tabakwelt; Beschluss vom 19.10.1998,
33 W (pat) 75/98 - MediaWorld; Beschluss vom 11.12.2012, 33 W (pat) 20/11 -
Agriworld; 29 W (pat) 176/02 - rheuma-world sowie EuG T-0056/15, 18.10.2016
- BRAUWELT; EUIPO R0769/09, 05.08.2009 - GAME WORLD).

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c) Den angesprochenen Verkehrskreisen vermittelt das Anmeldezeichen in
seiner Gesamtheit keinen anderen Eindruck als die Summe ihrer zuvor darge-
stellten Einzelbedeutungen; sie werden die aus geläufigen Wörtern sprachüb-
lich gebildete Bezeichnung „RETROWELT“ vielmehr ohne weiteres und zwang-
los im Sinne von „(Lebens)Bereich, der sich mit Dingen, Stilrichtungen, Themen
etc. aus der Vergangenheit in einem nostalgischen, alten Stil beschäftigt“ und
damit als umfassendes Waren- und Dienstleistungsangebot aus der Retro-Welt
bzw. im Zusammenhang mit Retro-Themen erfassen. Der Charakter als
Sachangabe geht durch die konkrete Zusammenfügung der beschreibenden
Einzelbestandteile - auch im Hinblick auf die durchgängige Großschreibung - in
keiner Weise verloren. Im Gegenteil, dass die in dem Anmeldezeichen enthal-
tene Sachaussage am besten mit den Worten des Zeichens selbst umschrieben
wird - nämlich dass es um Waren und Dienstleistungen aus der Retrowelt bzw.
im Zusammenhang mit der Retrowelt geht - deutet gerade auf den beschrei-
benden Charakter hin.

Die Tatsache, dass dem Zeichen nicht zu entnehmen ist, welches die nostalgi-
sche, vergangene Welt ist (Bekleidung, Autos, Filme, Unterhaltung, etc.), steht
der Annahme einer Sachangabe nicht entgegen (BGH GRUR 2000, 882, 883 -
Bücher für eine bessere Welt). Denn es kommt nicht darauf an, ob der Verkehr
mit der Bezeichnung eine konkrete Vorstellung über besondere Eigenschaften
der Waren oder Dienstleistungen hat, die unter der Bezeichnung angeboten
werden. Eine beschreibende Benutzung als Sachangabe für die Waren und
Dienstleistungen setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche
Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt heraus-
gebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann aus-
zugehen sein, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein In-
halt vage ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienst-
leistungen beschreibt (BGH GRUR 2014, 569 Rn. 18 – HOT).

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Im vorgenannten Sinn wird das Anmeldezeichen vom Fachverkehr wie auch
den Endverbrauchern ohne weiteres verstanden, nicht zuletzt auch, weil es in
beschreibender Weise bereits in unterschiedlichen Bereichen vielfach verwen-
det wird, wie die vorab übergebenen Recherche-Ergebnisse des Senats bele-
gen:

- Höfer, Wolfgang, Medien und Emotionen, S. 332: „Die Verweigerung belas-
tender Inhalte verdeutlicht sich in einem Teilrückzug in die heile Kinder-,
Jugend- oder ‚Retro-Welt‘ (…) oder anderer eskapistischer Inhalte.“;
- Matzig, Gerhard, Vorsicht Baustelle!, S. 102: „Den ‚Lounge Chair‘, der so
elend schlecht kopiert wird in der Retro-Welt, hatte sich Charles …“;
- www.schallgrenzen.de/: iphone App: Hipstamatic – Schöne, neue Retro-
welt;
- http//:fischpott.com/super-retro-trio-multikonsole/: „Als alter Zocker erlaubt
mir die SRMT gelegentlich mal von der HD-Welt der PS4 in die Retro-Welt
meiner Jugend abzutauchen…“;
- Artikel aus DIE WELT vom 26.07.2011 – Genanzino gilt als bedeutender
Autor. Warum nur?: “Genanzinos Bücher breiten eine als Gegenwart kos-
tümierte Retro-Welt aus, über die …“
- Prince of Persia®Retro-PC-Welt: „…, so dass man fast unbemerkt in die pi-
xelige Retro-Welt von einst eintaucht.“;
- Deutschlandradio Kultur – Buchkritik vom 27.06.2013: „Retro-Welt ohne
Handys und Computer“;
- http//www.auna.de: Internetseite eines deutschen Herstellers von Produk-
ten aus den Bereichen Consumer Electronics und HiFi; unter Stichwort Re-
trowelt: Moderne Klassiker für Retro-Fans...Gute alte Design-Traditionen er-
freuen sich wieder großer Beliebtheit. Radios im Look der 50er-Jahre…“.;
- Angebot an Damenblusen im Internet: „Cream Blusen sind aus der Vintage
und Retro Welt nicht mehr wegzudenken!;
- Internet-Fahrradangebot unter dem Schlagwort „Retro-Bikes“: „Mein Fahr-
rad – mein Lifestyle. Die Retrowelt ist bunt…“;
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- http://www.retro-programming.de/retro-welt-, Stichwort Retro Welt: „Dies
und Das….Hier schreibe ich über Retro-Themen, die nicht unbedingt mit
der Programmierung zusammenhängen. Es finden sich hier z. B. auch ak-
tuelle Zeitschriften und Bücher mit einem Retro-Bezug…“;
- im Internetshop der Firma R… finden sich unter der Rubrik „Retro-
Welt“ (i. Ü. neben anderen Rubriken wie „Lifestyle-Welt, Präsente-Welt, Ex-
klusiv-Welt, Genuss+ Fan-Welt) verschiedene Produkte wie Werbeschilder,
Poster, T-Shirts, Magnet-Sets, Notizbücher im Retro-Desgin;
- im „retrowelten-Shop“ bei ebay werden unter dem Stichwort „retrowelten“
Retro-Artikel wie folgt angeboten: „Hier finden Sie ausgesuchte vintage
Originalfotos und historische Postkarten aus der Zeit von 1900 bis…“;
u. v. a. m.

d) Vor dem Hintergrund der Üblichkeit und vielfachen Verwendung des Anmel-
dezeichens „RETROWELT“ wird das angesprochene Publikum in diesem nur
eine Sachangabe dahingehend sehen, dass die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen die Beschäftigung mit der Vergangenheit zum Gegenstand,
Thema und Inhalt haben. Betreffend die Waren der Klasse 25 kann es sich um
die Bezeichnung einer Vertriebsstätte handeln, in der sog. Vintage-Mode oder
neu kreierte Mode im Retrolook angeboten und verkauft wird, so dass ein enger
sachlicher Bezug gegeben ist. Auch kann „RETROWELT“ einen unmittelbar be-
schreibenden Hinweis darauf geben, dass es sich um ein Produkt aus einem
umfangreichen Retro-Sortiment bzw. der alten-nostalgischen Zeit handelt. Im
Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 35 und 41 ist „RE-
TROWELT“ ein sachbezogener Hinweis auf eine branchenspezifische Speziali-
sierung auf Lebensbereiche mit und für Retro-Artikel, die sich thematisch mit
der Vergangenheit befassen oder darüber informieren; insbesondere im Zu-
sammenhang mit den Dienstleistungen im Bereich der Autovorführungen, Au-
towettfahrten und Autorennen drängt sich für das Publikum der Hinweis auf,
dass es sich dabei um Oldtimer-Veranstaltungen handelt.

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Dem Anmeldezeichen fehlt nach alledem die erforderliche Unterscheidungs-
kraft.

3. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann
dahinstehen, ob die angemeldete Bezeichnung darüber hinaus gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren und Dienstleistungen freihal-
tungsbedürftig ist.

4. Die Beschwerdeführerin beruft sich schließlich ohne Erfolg auf verschiedene
Eintragungen von - vermeintlich vergleichbaren - Marken. Die aufgeführten
Eintragungen eignen sich desweiteren auch nicht - anders als die Anmelderin
meint - als Beleg für entsprechende zur Schutzfähigkeit führende Kennzeich-
nungsgepflogenheiten in der Messe- und Veranstaltungsbranche.

So ist das für die hiesige Anmelderin geschützte Kennzeichen „Retro Classics“
(Nr. 301 31 416) erst nach rechtskräftiger Teilzurückweisung in das Markenre-
gister eingetragen worden und zwar für Waren und Dienstleistungen, die im
Wesentlichen mit denen der streitgegenständlichen Anmeldung nicht vergleich-
bar sind. Die teilweise Zurückweisung der Anmeldung bezieht sich dagegen auf
die Waren und Dienstleistungen „Plaketten aus Metall, insbesondere für Kraft-
fahrzeuge; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Anstecknadeln; Medaillen; Schreib-
waren; Waren aus Leder und Lederimitationen (soweit in Klasse 18 enthalten);
Reise- und Handkoffer; Taschen, Handtaschen (soweit in Klasse 18 enthalten);
Spiele, Spielzeug; Automodelle; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitä-
ten; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen für kulturelle oder Unter-
richtszwecke; Organisation und Veranstaltung von Rallyes und Autostern-
fahrten“, mithin gerade auch auf den Bereich der Messedienstleistungen. Der
Senat vermag nicht zu erkennen, warum die von der Beschwerdeführerin zi-
tierten Ausführungen aus der hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidung
32 W (pat) 359/02 zu einem für sie günstigeren Ergebnis führen sollten. Im
Gegenteil ist dort doch eindeutig und überzeugend erläutert, dass insoweit eine
- 12 -
unmittelbar beschreibende, nicht schutzfähige Angabe, vorliegt. Die Entschei-
dung mag in sich nicht ganz konsistent sein, weil andererseits für die Dienst-
leistung „Veranstaltung von Wettbewerben (Erziehung und Unterhaltung)“ ein
Schutzhindernis nicht gesehen wurde, obwohl es sich bei einem solchen
Wettbewerb auch um eine Oldtimer-Rallye handeln kann. Hieraus ist jedoch
allenfalls der Schluss zu ziehen, dass eine Zurückweisung auch insoweit hätte
erfolgen müssen bzw. versehentlich unterblieben ist.

Das Zeichen „Retro Classics“ (Nr. 301 02 468) ist ebenfalls erst in das Marken-
register eingetragen worden, nachdem eine Teilzurückweisung im Umfang der
Dienstleistungen „Durchführung von Auktionen und Versteigerungen; Veran-
staltung von Messen, Ausstellungen, Märkten“ erfolgt ist.

Die Anmeldung des Zeichens „Retro Classic“ (Nr. 301 04 083) ist tatsächlich für
Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 16, 35 und 41 zur Eintragung
gelangt; hierbei handelt es sich aber um eine recht alte Eintragung aus dem
Jahr 2001. Zudem ist die Unionsmarkenanmeldung (Nr. 005033576), die u. a.
die Seniorität dieser nationalen Marke 301 040 83 in Anspruch genommen
hatte, bestandskräftig als unmittelbar beschreibende, nicht unterscheidungs-
kräftige Angabe zurückgewiesen worden (vgl. Entscheidung des EUIPO vom
22. Januar 2008, Rechtssache R 1149/2007-4).

Auch die Anmeldungen der Zeichen „Retro Racing“ (Nr. 30 2008 045 312) und
„Retro Wheels“ (Nr. 306 37 251) sind nur teilweise zur Eintragung gelangt.
Diese Anmeldungen wie auch die weitere aufgeführte Markeneintragung
„retrophone“ (Nr. 30 2015 216 318) sind zudem hinsichtlich der hierfür jeweils
geschützten Waren und Dienstleistungen und der jeweiligen Zeichen nicht bzw.
kaum vergleichbar und im Übrigen daher auch als Nachweis für bestimmte
Kennzeichnungsgepflogenheiten in der Messe- und Veranstaltungsbranche
unbehelflich.

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Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung
Voreintragungen nicht bindend sind. Denn auch unter Berufung auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz darf nicht von einer den rechtlichen Vorgaben
entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. EuGH GRUR 2009, 667
Rn. 18 - Bild-digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2014, 569
Rn. 30 - HOT). Diese nach den rechtlichen Vorgaben vorgenommene Prüfung
hat im vorliegenden Fall aber ergeben, dass das Zeichen nicht unterschei-
dungskräftig ist.


5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten. Weder war über eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG) noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des
Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als erforderlich
zu erachten (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Der Senat hat bei der Prüfung der
Schutzfähigkeit die hierfür von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien ange-
legt; dass er dabei - nämlich in der Beurteilung ein und derselben Rechtsfrage -
von anderen Senaten abweichen würde, ist nicht erkennbar.

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Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statt-
haft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abge-
lehnt war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrif-
ten über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bun-
desgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch eine beim Bundesgerichtshof zugelas-
sene Rechtsanwältin oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt
schriftlich einzulegen.


Dr. Mittenberger-Huber Akintche Seyfarth

Hu


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