28 W (pat) 554/16  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:210318B28Wpat554.16.0


BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 554/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache











betreffend die Markenanmeldung 30 2015 217 386.7

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
21. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und
der Richter Schmid und Dr. Söchtig

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beschlossen:


1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts,
Markenstelle für Klasse 13, vom 13. Juni 2016 wird aufgeho-
ben, soweit die Anmeldung für die folgenden Waren zurück-
gewiesen worden ist:

Klasse 9:
Elektronische Geräte zur Steuerung von taktischen
Lenkflugkörpern;

Klasse 13:
Abschussvorrichtungen für Flugkörper; Flugkörperab-
schussvorrichtungen [Waffen]; gesteuerte Raketen;
Lenkflugkörper; Raketen; Raketenwerfer.


2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zu-
rückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Anmelderin hat am 24. August 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt
beantragt, die Bezeichnung

Enforcer

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als Wortmarke für die folgenden Waren in das Markenregister einzutragen:

Klasse 9:
Gerät für taktische Lenkflugkörper;

Klasse 13:
Abschussvorrichtungen für Flugkörper; Flugkörperabschussvorrich-
tungen [Waffen];
gesteuerte Raketen; Lenkflugkörper; Raketen; Raketenwerfer.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 13, hat die Anmel-
dung nach vorangegangener Beanstandung vom 12. Oktober 2015 mit Beschluss
vom 13. Juni 2016 zurückgewiesen. Es hat angenommen, das Anmeldezeichen
entbehre der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Begriff „Enforcer“, der als englischsprachi-
ges Substantiv „Vollstrecker“ oder „Durchsetzer“ bedeute, werde von den ange-
sprochenen Verkehrskreisen, insbesondere dem Militär angehörige Fachleute so-
wie Waffenhersteller und -händler, als unmittelbar verständliche sachbezogene
Angabe verstanden. Sie würden dem Zeichen die Aussage entnehmen, dass die
beanspruchten Waffen für militärische Kampfeinheiten geeignet und bestimmt
seien sowie über eine hohe Reichweite, Zielgenauigkeit und/oder qualifizierte De-
tonationskraft verfügten. Ob einer Eintragung des Anmeldezeichens darüber hin-
aus auch ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe,
könne daher dahingestellt bleiben.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie meint, das Wort
„Enforcer“ sei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht geläufig. Ferner eigne
sich der Begriff „Enforcer“ in Verbindung mit den beanspruchten Waren nicht als
aussagekräftiger Sachhinweis.
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Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin mit Erklärung vom 13. März 2018 die
Warenangabe in Klasse 9 wie folgt gefasst:

Elektronische Geräte zur Steuerung von taktischen Lenkflugkörpern.

Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren sinngemäß beantragt,

1. den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts,
Markenstelle für Klasse 13, vom 13. Juni 2016 im beschwer-
degegenständlichen Umfang aufzuheben, und

2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des Anmelde-
zeichens stehen in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren keine
Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Insbesondere ist es als
unterscheidungskräftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und nicht als unmittelbar be-
schreibende Angabe anzusehen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Das Deutsche
Patent- und Markenamt hat die Anmeldung daher insoweit zu Unrecht gemäß § 37
Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.

Soweit die Zurückweisung auch Waren betrifft, für die die Anmeldung im Be-
schwerdeverfahren nicht weiter verfolgt wurde, ist der angegriffene Beschluss ge-
genstandslos.

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1. Die Beschwerdeführerin hat das Verzeichnis der angemeldeten Waren
durch ihre Erklärung vom 13. März 2018, mit der sie die Warenangabe „Gerät für
taktische Lenkflugkörper“ durch den Begriff „elektronische Geräte zur Steuerung
von taktischen Lenkflugkörpern“ konkretisiert hat, wirksam gemäß § 39 Abs. 1
MarkenG eingeschränkt. Die Verwendung der Pluralform „Geräte“ anstelle des
ursprünglichen Substantivs „Gerät“ ist unschädlich, da damit keine sachliche Er-
weiterung des angemeldeten Verzeichnisses verbunden ist. Unter den Begriff „Ge-
rät für taktische Lenkflugkörper“ fallen alle Arten von Geräten für taktische Lenk-
flugkörper, was mit der beschwerdegegenständlichen Pluralform deutlicher zum
Ausdruck gebracht wird. Insofern wird der durch die Anmeldung festgelegte
Schutzumfang des Zeichens nicht unzulässig ausgedehnt.

2. Dem angemeldeten Zeichen fehlt für die beschwerdegegenständlichen Wa-
ren nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung,
vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der
Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Un-
ternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Un-
ternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet; BGH
GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 - HOT). Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann
keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im
Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens lediglich einen im Vordergrund stehenden
beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen
Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremd-
sprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der
Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterschei-
dungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 12 -
DüsseldorfCongress; GRUR 2013, 731, Rdnr. 22 - Kaleido; GRUR 2016, 934,
Rdnr. 12, 23 - OUI; GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten).
Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die
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sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleis-
tungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender
Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100,
Rdnr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).

a) Das Anmeldezeichen beruht auf dem Verb „to enforce“, das im Deutschen
„durchsetzen“ bedeutet (vgl. Online-Lexikon Leo, Suchbegriff „to enforce“). Dem-
zufolge kann davon ausgegangen werden, dass das angesprochene Fachpubli-
kum unter dem Begriff „Enforcer“ eine ausführende oder vollstreckende Person
versteht. In dieser Bedeutung eignet er sich jedoch entgegen der Auffassung des
Deutschen Patent- und Markenamts nicht zur Beschreibung der beschwerdege-
genständlichen Waren. Insbesondere lässt sich ihm kein eindeutiger Hinweis auf
deren Abnehmerkreise entnehmen (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG,
12. Auflage, § 8, Rdnr. 438).

Zum einen ist das Wort „Enforcer“ nur eingeschränkt gebräuchlich. Verschiedene
Großwörterbücher enthalten es gar nicht (vgl. etwa PONS, Großwörterbuch Eng-
lisch, 2014, und Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 2005). Zum anderen ist
erkennbar, dass das Anmeldezeichen vorrangig in bestimmten Zusammenhängen
Verwendung findet und insoweit einen klar umrissenen Bedeutungsgehalt auf-
weist. So dient es insbesondere der Bezeichnung eines Auftragstäters oder eines
Eishockeyspielers, der Mitspieler gegen Angriffe von Gegenspielern abschirmt.
(vgl. jeweilige Ergebnisse zu dem Suchbegriff „Enforcer“ in: Enzyklopädie „Wi-
kipedia“, deutsche/englische Fassung; Online-Lexikon „Merriam Webster“; Online-
Lexikon „Leo“).

Anhaltspunkte dafür, dass der Ausdruck „Enforcer“ im militärischen Bereich als
Sachhinweis auf eine bestimmte Tätigkeit etwa eines Infanteriesoldaten oder ei-
nes Grenadiers verwendet wird, sind nicht ersichtlich. Vielmehr kommt ihm im
angloamerikanischen Sprachraum die Funktion eines Eigennamens für militäri-
sches Gerät zu (vgl. Enzyklopädie „Wikipedia“, englische Fassung, Suchbegriff
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„Enforcer“, Ergebnisse unter „Transportation“: „Enforcer“-Kriegsschiff, „MH-90 En-
forcer“-Helikopter und „Piper PA-48 Enforcer“-Flugzeug). Auch in den von der
Markenstelle als Beleg für eine beschreibende Verwendung herangezogenen
Quellen wird das angemeldete Zeichen als Name oder gewillkürte Funktionsbe-
zeichnung im Zusammenhang mit Computerspielen eingesetzt (vgl. u. a. „Der
Vollstrecker ist eine von der Community erstellte Primärwaffe“ oder „The Enforcer
is a pistol that is a multiplayer only weapon in The Last of Us“).

Dass das Anmeldezeichen auf dem einschlägigen Warengebiet bislang nicht als
Sachangabe, insbesondere Bestimmungsangabe, gebräuchlich ist, lässt seine
Eignung als beschreibender Hinweis zwar nicht von vornherein entfallen. Jedoch
kann ihm in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Waren keine klar
verständliche Sachaussage entnommen werden. Allenfalls bringt es zum Aus-
druck, dass die Waffen über eine gewisse Durchschlagskraft verfügen. Nähere
Aussagen zu ihrer Beschaffenheit, wie Einsatzgebiet oder Wirkungsweise in Form
von Zielgenauigkeit, Reichweite oder Detonationskraft, vermittelt der Begriff „En-
forcer“ nicht. Vielmehr handelt es sich bei ihm um einen werbesprachlich gepräg-
ten Produktnamen, der darauf abzielt, schlagwortartig und bildhaft das Interesse
von Kunden an den Waren zu wecken.

b) Es liegen des Weiteren keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Wort „En-
forcer“ in Verbindung mit den in Rede stehenden Waren unabhängig von seiner
fehlenden Eignung als beschreibende Angabe aus anderen Gründen nicht als be-
trieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird.

3. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass der Eintragung
des Anmeldezeichens auch nicht das Schutzhindernis des Bestehens eines Frei-
haltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.

Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.

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4. Dem Antrag auf Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann
nicht entsprochen werden. Sie kommt nach § 71 Abs. 3 MarkenG nur aus Billig-
keitsgründen in Betracht, also in Fällen, in denen es auf Grund der besonderen
Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. Strö-
bele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71, Rdnr. 50). Eine fehlerhafte Anwendung des
materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung nur dann, wenn die Rechtsan-
wendung völlig unvertretbar erscheint (vgl. u. a. BPatG 25 W (pat) 525/11 -
Gemcin). Entsprechende Anhaltspunkte sind vorliegend jedoch weder ersichtlich,
noch von der Beschwerdeführerin vorgetragen worden.


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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht dem am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einge-
reicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristab-
lauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Prof. Dr. Kortbein Schmid Dr. Söchtig

prö


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