28 W (pat) 547/16  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:150318B28Wpat547.16.0


BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 547/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




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betreffend die Markeneintragung 30 2014 059 010

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
15. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des
Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig

beschlossen:


Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Wort-/Bildmarke



ist am 2. September 2014 angemeldet und am 19. Februar 2015 in das beim
Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für nachfolgende Waren ein-
getragen worden:

Klasse 12: Fahrzeuge; Fahrräder; Fahrradrahmen; Kinderwagen; Kinderwagen-
verdecke; Schubkarren; Reifen [Pneus]; Sicherheitskindersitze für
Fahrzeuge; Planen für Kinderwagen; Draisinen.

Gegen diese Eintragung, die am 27. März 2015 veröffentlicht wurde, hat die Wi-
dersprechende am 26. Juni 2015 aus ihrer am 18. Juni 2014 angemeldeten und
am 29. Juli 2014 eingetragenen Wortmarke
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CADDY

Widerspruch eingelegt, welche für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen
Schutz beansprucht:

Klasse 12: Motorisierte Landfahrzeuge [ausgenommen motorbetriebene
Einkaufswagen]; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren,
soweit in dieser Klasse enthalten;

Klasse 28: Spielzeug; Spiele; Spielsachen; Fahrzeugmodelle [ausgenommen
Fahrzeugmodelle von motorbetriebenen Einkaufswagen]; Spiel-
zeugfahrzeuge und Wagenmodelle [ausgenommen Spielzeugfahr-
zeuge und Wagenmodelle von motorbetriebenen Einkaufswagen];
Turn- und Sportartikel, einschließlich maßstabsgetreue Fahrzeug-
modelle [ausgenommen maßstabsgetreue Modelle von motorbetrie-
benen Einkaufswagen] und konkret maßstabsgetreue Modelle von
Automobilen und Fahrzeugen [Spielzeug]; Kartenspiele; Bälle; Bal-
lons; Apparate für elektronische Spiele, ausgenommen solche, die
nur zur Verwendung mit Fernsehapparaten und Videobildschirmen
geeignet sind; geldbetätigte Spielautomaten [Maschinen]; Christ-
baumschmuck [ausgenommen Beleuchtungsartikel und Zuckerwa-
ren]; Kaleidoskope;

Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen bezüglich Kraftfahrzeugen
[ausgenommen motorbetriebene Einkaufswagen], Kraftfahrzeugtei-
len und Kraftfahrzeugzubehör; Einzel- und Großhandelsdienstleis-
tungen für den Versandhandel bezüglich Kraftfahrzeugen [ausge-
nommen motorbetriebene Einkaufswagen], Kraftfahrzeugteilen und
Kraftfahrzeugzubehör; Dienstleistungen des Einzel- und Großhan-
dels über das Internet bezüglich Kraftfahrzeugen [ausgenommen
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motorbetriebene Einkaufswagen], Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahr-
zeugzubehör; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mittels Tele-
shopping-Sendungen bezüglich Kraftfahrzeugen [ausgenommen
motorbetriebene Einkaufswagen], Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahr-
zeugzubehör; das Zusammenstellen [ausgenommen deren Trans-
port] verschiedener Kraftfahrzeuge [ausgenommen motorbetriebene
Einkaufswagen] oder Kraftfahrzeuge oder verschiedenen Kraftfahr-
zeugzubehör für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb
dieser Waren in einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu erleichtern;
Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von
Kraftfahrzeugen [ausgenommen motorbetriebene Einkaufswagen],
Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Unternehmensver-
waltung und organisatorische Verwaltung von Kraftfahrzeug-Fuhr-
parks für Dritte;

Klasse 37: Umbau, Reparatur, Instandhaltung, Wartung, Demontage, Pflege,
Reinigung und Lackieren von motorbetriebenen Fahrzeugen [ausge-
nommen motorbetriebene Einkaufswagen], Motoren und Teile hier-
für, einschließlich Reparatur im Rahmen der Pannenhilfe; kunden-
spezifische Durchführung von Umbauten an Karosserie, Fahrwerk
und Motor von Kraftfahrzeugen [ausgenommen motorbetriebene
Einkaufswagen] [Tuning], soweit in Klasse 37 enthalten.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 12, hat mit Be-
schluss vom 27. Mai 2016 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat
es ausgeführt, die von den Vergleichszeichen beanspruchten Waren seien teil-
weise identisch bzw. ähnlich. Zudem verfüge die Widerspruchsmarke über eine
gesteigerte Kennzeichnungskraft für einen bestimmten Autotyp, die seitens der
Widersprechenden – von der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht bestritten –
liquide geltend gemacht worden sei. Die damit festzustellende erhöhte Verkehrs-
bekanntheit der Widerspruchsmarke für ein bestimmtes Kfz-Modell strahle auf Wa-
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ren und Dienstleistungen aus, die mit Kraftfahrzeugen und deren wesensbestim-
menden Teilen eng verwandt seien. Angesichts der zwischen Waren- und Mar-
kenähnlichkeit bestehenden Wechselwirkung sowie unter Zugrundelegung einer
gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei somit ein erhebli-
cher Abstand der Vergleichszeichen erforderlich, um die Gefahr von Verwechs-
lungen zu vermeiden. Dieser werde von der angegriffenen Marke jedoch noch ge-
wahrt.

Bei ihr handele es sich um ein sinnfreies Kunstwort, während der aus dem Engli-
schen stammende Begriff „CADDY“ mit „Golfjunge“ oder „Einkaufswagen“ über-
setzt werden könne, was der Annahme einer begrifflichen Ähnlichkeit der Ver-
gleichszeichen entgegenstehe. In schriftbildlicher Hinsicht werde die angegriffene
Marke von der Buchstabenfolge „Küü“ am Wortanfang dominiert, wobei die unge-
wöhnliche Doppelung des Umlautes „ü“ besonders augenfällig in Erscheinung
trete und einen von der Widerspruchsmarke völlig abweichenden bildlichen Ge-
samteindruck erzeuge. Der prägnante Doppelumlaut „üü“ in der angegriffenen
Marke begründe zudem einen noch ausreichenden klanglichen Abstand zur Wi-
derspruchsmarke.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde vom
13. Juni 2016. Zur Begründung führt sie aus, das Deutsche Patent- und Marken-
amt habe zutreffend eine teilweise Warenidentität bzw. -ähnlichkeit sowie eine
erhöhte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke angenommen. Entgegen
der in dem angegriffenen Beschluss vertretenen Auffassung halte die angegriffene
Marke jedoch den insoweit erforderlichen weiten Zeichenabstand nicht ein.

Die Doppelung des Umlautes „ü“ in der Wortmitte der angegriffenen Marke sei
zwar ungewöhnlich, jedoch werde der schriftbildliche Gesamteindruck eines Wor-
tes regelmäßig mehr durch dessen Anfangs- und Endbestandteile geprägt. Die
beiden letzten Buchstaben „dy“ seien jedoch in den Vergleichszeichen identisch
enthalten, so dass ihr Schriftbild als ähnlich anzusehen sei.
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Entsprechend verhalte es sich in klanglicher Hinsicht. Die sich gegenüber stehen-
den Zeichen würden auf Grund der stärker beachteten Wortanfänge und -enden
identisch betont. Auch wenn die Doppelung des Umlautes „ü“ in der angegriffenen
Marke im deutschen Sprachgebrauch zu einer langgezogenen Betonung führe, sei
vorliegend zu beachten, dass es sich bei „Küüdy“ um einen Phantasiebegriff han-
dele. Bei einem solchen stehe seine Betonung häufig nicht fest. Gerade weil die
langgezogene Betonung des „ü“ nicht dem Sprachgefühl und den Aussprachere-
geln der deutschen Sprache entspreche, werde der angesprochene Verkehr die
sprachliche Doppelung vernachlässigen und das „ü“ nicht derart lang betonen, wie
dies bei einer üblichen Doppelung von Selbstlauten der Fall sei. Hinzu komme,
dass sich die Aussprache der Widerspruchsmarke auf Grund ihrer erhöhten Ver-
kehrsbekanntheit vorliegend auch stilbildend auf die angegriffene Marke auswirke.
Darüber hinaus sei zu beachten, dass das „a“ in der Widerspruchsmarke aufgrund
der englischen Herkunft des Wortes „Caddy“ als „ä“ ausgesprochen werde. Zwi-
schen diesem ausgesprochenen „ä“ und dem „ü“ der angegriffenen Marke bestehe
eine Klangverwandtschaft, was auch die Annahme einer klanglichen Ähnlichkeit
der Vergleichszeichen rechtfertige.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
27. Mai 2016 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der
Wort-/Bildmarke 30 2014 059 010 auf Grund des Widerspruchs
aus der Wortmarke 30 2014 050 291 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Verlaufe des gesamten Verfah-
rens inhaltlich nicht zur Sache eingelassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

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II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zu Recht und
mit zutreffenden Erwägungen hat das Deutsche Patent- und Markenamt in seinem
angegriffenen Beschluss eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG zwischen den Vergleichszeichen verneint.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten
dies nicht beantragt haben (§ 69 Nr. 1 MarkenG) und die Durchführung einer sol-
chen auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit geboten war (§ 69 Nr. 3
MarkenG).

1. Die Frage der Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist
nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller
Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Fakto-
ren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Wa-
ren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren
Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der
Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistun-
gen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen
werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098, Rdnr. 44 - Calvin
Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 - Barbara Becker; GRUR 2006,
237 - PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2014, 488,
Rdnr. 9 - DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1040, Rdnr. 25 - pjur/pure;
GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484,
Rdnr. 23 - METROBUS; GRUR 2008, 905, Rdnr. 12 - Pantohexal; GRUR 2008,
258, Rdnr. 20 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859,
Rdnr. 16 - Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60, Rdnr. 12 - coccodrillo m. w. N.). Bei
dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die
Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre
unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind
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(vgl. EuGH, a. a. O. - Barbara Becker; GRUR Int. 2010, 129, Rdnr. 60 - Aceites
del Sur-Coosur SA/Koipe Corporación SL [Carbonelle/La Espaňola]; BGH GRUR
2013, 833, Rdnr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; a. a. O. - pjur/pure).

2. Zu Gunsten der Widersprechenden wird eine gesteigerte Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke für PKW-Nutzfahrzeuge sowie deren wesensbe-
stimmende Teile und wesensbestimmendes Zubehör unterstellt.

Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke,
sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für
die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Ver-
kehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjeni-
gen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei ist auf die Eigenart der Marke
in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte
vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von nor-
maler oder – was dem entspricht – durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszu-
gehen. Beschreibende Anklänge der Marke im Hinblick auf die Waren, für die sie
Schutz beansprucht, können die originäre Kennzeichnungskraft zwar schwächen.
Bedarf es einiger Überlegung, um den beschreibenden Gehalt des Zeichens zu
erkennen, scheidet allerdings im Regelfall eine Reduzierung der Kennzeichnungs-
kraft wegen einer Anlehnung an einen beschreibenden Begriff aus (vgl. BGH
GRUR 2017, 75 - Wunderbaum II).

Die zur Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eingereich-
ten Belege (Prospektauszüge, Übersichten zu PKW-Neuzulassungen, Testbe-
richte sowie Pressemitteilungen und -artikel) betreffen ausschließlich ein be-
stimmtes von der Widersprechenden hergestelltes PKW-Nutzfahrzeug, nämlich
den VW Caddy. Sie sprechen zwar für die Benutzung der Widerspruchsmarke für
dieses Auto. Allerdings enthalten sie keinerlei Aussagen beispielsweise in Form
von demoskopischen Gutachten zur Verkehrsbekanntheit der älteren Marke (vgl.
hierzu auch BGH GRUR 2002, 544, 547 - BANK 24). Insofern lassen die einge-
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reichten Unterlagen allenfalls mittelbar Rückschlüsse auf eine Erweiterung ihres
Schutzumfangs zu.

Die erhöhte Kennzeichnungskraft kann auf eng verwandte Waren und Dienstleis-
tungen ausstrahlen. Ob und inwieweit eine solche Ausstrahlungswirkung ange-
nommen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei es
sowohl auf den Abstand der jeweiligen Waren und Dienstleistungen als auch auf
den Grad der Erhöhung der Kennzeichnungskraft ankommt (vgl. Strö-
bele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, 2018, § 9, Rdnr. 181). Vorlie-
gend ist unter Zugrundelegung dieser Grundsätze davon auszugehen, dass die
erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für ein bestimmtes
PKW-Nutzfahrzeug auf andere PKW-Nutzfahrzeuge sowie auf deren Teile
ausstrahlt, sofern diese für das Wesen von PKW-Nutzfahrzeugen bestimmend
sind (vgl. hierzu BPatG 33 W (pat) 186/04 - West Smart/SMART). Dies gilt
entsprechend für deren Zubehör.

Damit kann eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
nicht für alle in Klasse 12 genannten Waren, sondern nur für die darunter fallen-
den PKW-Nutzfahrzeuge sowie deren wesensbestimmenden Teile und wesens-
bestimmendes Zubehör angenommen werden.

3. Die Waren der Vergleichszeichen in der jeweiligen Klasse 12 sind teilweise
identisch bzw. ähnlich. Darüber hinaus stehen einige Dienstleistungen der Wider-
spruchsmarke in den Klassen 35 und 37 in einem Ähnlichkeitsverhältnis zu Waren
der angegriffenen Marke. Der konkrete Umfang der Warenidentität bzw. der
Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit kann jedoch im Ergebnis dahinstehen.

4. Selbst unter Zugrundelegung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke in dem unter Ziffer 2. genannten Umfang sowie einer teilwei-
sen Warenidentität bzw. Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit liegen die Voraus-
setzungen einer Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht vor,
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da die angegriffene Marke einen hinreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke
aufweist.

Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit
im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil
Marken auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher
und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Mar-
kenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahr-
nehmungsbereiche (vgl. BGH GRUR 2014, 382, Rdnr. 25 – REAL-Chips; GRUR
2011, 824, Rdnr.  25 f. – Kappa m. w. N.). Die sich gegenüber stehenden Kenn-
zeichen sind dabei jeweils als Ganzes zu betrachten und in ihrem Gesamteindruck
miteinander zu vergleichen. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein
oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den - durch das Kennzei-
chen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen - Ge-
samteindruck prägend sein können (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON
LIFE; BGH GRUR 2006, 859, Rdnr. 18 - Malteserkreuz I). Weiter ist es möglich,
dass ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder einer komplexen
Kennzeichnung eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass er
das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kenn-
zeichnung dominiert oder prägt (EuGH, a. a. O., Rdnr. 30 - THOMSON LIFE;
BGH, GRUR 2004, 865 - Mustang). Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbst-
ständig kennzeichnenden Bestandteils mit einer Marke älteren Zeitrangs kann
Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen
Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen
Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbunde-
nen Unternehmen stammen (BGH GRUR 2013, 833, Rdnr. 45 - Culinaria/Villa
Culinaria).

Vorliegend stehen sich die Widerspruchsmarke

CADDY
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und die angegriffene Marke



gegenüber.

In schriftbildlicher Hinsicht weichen die Vergleichszeichen bereits durch die beiden
in der angegriffenen Marke enthaltenen Umlaute „üü“ deutlich voneinander ab. Die
im deutschen Sprachraum völlig ungewöhnliche Doppelung des Umlauts „ü“ tritt in
der jüngeren Marke in auffälliger Weise hervor und erzeugt für den Betrachter ei-
nen von der Widerspruchsmarke klar abweichenden optischen Gesamteindruck.
Dem steht nicht entgegen, dass die einander gegenübertretenden Marken in ihrer
jeweiligen Wortendung „dy“ (respektive „DY“) übereinstimmen. Gegenüber dem
Doppelumlaut „üü“ tritt das Wortende der angegriffenen Marke kaum in kenn-
zeichnungsrelevanter Weise in Erscheinung. Dies gilt vorliegend umso mehr, als
es sich bei den Vergleichszeichen um jeweils relativ kurze Wörter mit lediglich fünf
Buchstaben handelt und die beiden Umlaute „üü“ 2/5 – mithin fast die Hälfte – der
angegriffenen Marke ausmachen. Kürzere Markenwörter werden jedoch regelmä-
ßig schriftbildlich weniger leicht verwechselt, als dies bei längeren Markenwörtern
der Fall ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018., § 9,
Rdnr. 297). Auch klanglich, insbesondere vom Klangrhythmus und Klangcharakter
her unterscheiden sich die gegenständlichen Marken deutlich voneinander. Der
Verkehr wird die angegriffene Marke auf dem Doppelumlaut „üü“ betonen, zumal
er sich in der Wortmitte befindet und langgezogen ausgesprochen wird. Dies gilt
nach Auffassung des Senats unabhängig von dem Umstand, dass die Verwen-
dung zweier gleicher hintereinander folgender Vokale im deutschen Sprachge-
brauch eher unüblich ist. Bereits der Einzelumlaut „ü“ wird lang ausgesprochen.
Demzufolge wird der Verkehr im Falle seiner Verdoppelung geneigt sein, noch
mehr Zeit auf seine akustische Wiedergabe zu verwenden, was eine besonders
langgedehnte und damit sehr auffällige Betonung zur Folge hat. Demgegenüber
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wird der Verkehr die Widerspruchsmarke wegen der dem Vokal „a“ nachgestellten
Konsonantenfolge „dd“ kurz aussprechen (vgl. BPatG
26 W (pat) 52/96 - CADDIE/KODI).

Sollte die Widerspruchsmarke als englisches Wort angesehen werden, so wird der
Buchstabe „a“ zwar wie „ä“ und damit ebenfalls wie ein Umlaut ausgesprochen.
Allerdings hört sich der Umlaut „ü“ im Gegensatz zu dem Umlaut „ä“ höher und
spitzer an. Seine Verdoppelung führt zudem – wie bereits ausgeführt – zu einem
sehr viel langgezogeneren und betonteren Klangbild. Insgesamt überwiegen die
klanglichen Unterschiede auch bei einer englischsprachigen Wiedergabe der älte-
ren Marke, so dass akustische Verwechslungen in rechtserheblichem Umfang
nicht zu befürchten sind.

Schließlich stimmen die Vergleichszeichen auch in ihrem jeweiligen Bedeutungs-
gehalt nicht überein. Zutreffend hat das Deutsche Patent- und Markenamt in sei-
nem angegriffenen Beschluss ausgeführt, dass es sich bei der angegriffenen
Marke „Küüdy“ um ein sinnfreies Kunstwort handele. Dies wird für den Verkehr
insbesondere daran erkennbar, dass - wie dargelegt - die in der Wortmitte befind-
liche Buchstabenfolge „üü“ in der deutschen Sprache gänzlich unüblich ist.

Demgegenüber kann die Widerspruchsmarke von den relevanten Verkehrskreisen
entweder als „Person, die Golfspielern die Schläger trägt“, „zweirädriger Wagen
zum Transportieren der Golfschläger“ oder als „Einkaufswagen“ aufgefasst wer-
den (vgl. www.duden.de - „Caddy“). Wenn davon ausgegangen wird, dass ihr der
Verkehr keinen konkreten Begriffsinhalt zuordnet, stehen sich zwei Phantasiebe-
zeichnungen gegenüber, was der Annahme einer begrifflichen Ähnlichkeit erst
recht entgegensteht.

Im Ergebnis liegen keine zureichenden Anhaltspunkte für eine unmittelbare Ver-
wechslungsgefahr vor. Auch ist nicht ersichtlich, dass die beiderseitigen Marken
gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einge-
reicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristab-
lauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Prof. Dr. Kortbein Schmid Dr. Söchtig

prö


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